Die Arbeit beschäftigt sich mit (Cyber-)Mobbing aufgrund von unterschiedlichen Sexualitäten und inwieweit die Schule hier präventiv und intervenierend tätig werden kann. Im ersten Teil werden die Themen "sex"/"gender" und Heteronormativität behandelt sowie ein Überblick über Homo- und Bisexualität geschaffen. Im zweiten Teil werden diese Punkte im Hinblick auf (Cyber-)Mobbing in Schulen thematisiert und untersucht.
Die Institution Schule, ein Ort, der in Deutschland von Kindern und Jugendlichen besucht werden muss, ist gleichzeitig auch ein Ort, der vielen SchülerInnen kein Wohlbefinden gewährleisten kann. Die Hintergründe dafür sind mangelnde Konfliktlösungsstrategien in Bezug auf (Cyber-) Mobbing, welche den SchülerInnen in ihrer adoleszenten Phase des Lebens fehlen. Die daraus resultierenden Folgen für die Betroffenen können traumatisierend sein und das Leben der Heranwachsenden erheblich beeinträchtigen.
Selbstverständlich erfahren SchülerInnen nicht nur aufgrund ihrer Sexualität oder ihres Geschlechts (Cyber-) Mobbing, oft muss dies auch auf einer intersektionalen Ebene gedacht werden. Jedoch ist das Thema Sexualität noch immer sehr tabuisiert und wird sehr eindimensional und stereotypisch gedacht. Wenn die Identität von SchülerInnen von MitschülerInnen und teilweise Lehrpersonen als Angriffsfläche genutzt werden, hat das für die betroffenen Personen, die (Cyber-) Mobbing erfahren, gefährliche und traumatisierende Folgen. Inwieweit kann die Schule hier gegensteuern?
2.3 Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
3.1 Cyber-Mobbing
3.2 (Cyber-) Mobbing und Abgrenzung zu Hate Speech
4.1 (Cyber-) Mobbing aufgrund von Geschlecht in Bezug auf Trans*
5.1 Prävention
5.2 Intervention
5.3 Etablierung von queeren Unterrichtsinhalten
Der folgende Teil dieser Arbeit soll als Einstieg fungieren, indem verschiedene Sexualitäten definiert, die Begriffe „sex/gender“ und Heteronormativität erklärt werden und auf Männlichkeits- und Weiblichkeitsbilder eingegangen wird.
2.1 Heteronormativität
Unter Heteronormativität wird ein Gesellschaftsbild verstanden, welches Heterosexualität und die binäre Geschlechterordnung als Norm voraussetzt, sie fördert und als wünschenswert ansieht.[7] Dadurch, dass Heterosexualität beispielsweise die Ehe und Verwandtschaftsverhältnisse institutionalisiert wird, erfolgt eine Reproduktion der Essentialisierung der binären Geschlechterkategorien, wodurch im Anschluss eine geschlechtsspezifische Sozialisierung legitimiert wird. Aus diesem Grund werden Frauen und Männer auch in bestimmten Weisen unterschiedlich sozialisiert.[8]
„Die Unterscheidung der Geschlechter in Mann und Frau bildet ein grundlegendes soziokulturelles Merkmal unserer Gesellschaft. Das Geschlecht ist Merkmal der sozialen Realität und strukturiert wesentliche Teile der Persönlichkeitsentwicklung.“[9]
Eine Folge der Heteronormativität sind binäre Geschlechterrollen, welche bereits vor der Geburt eines Kindes von Seiten des Umfeldes auf das Individuum übertragen werden. Je nach Körpergeschlecht des Kindes wird erwartet, dass Jungen und Mädchen sich dem Körpergeschlecht entsprechend verhalten. Neben der adäquaten Einnahme eines Geschlechts und einer entsprechenden Repräsentation durch die Geschlechterrolle, wird heterosexuelles Begehren als Norm gesetzt und diese mit der Fortpflanzung legitimiert. Ein Abweichen von diesem heteronormen Prämissen wird häufig mit gesellschaftlicher Ausgrenzung und Abwertung sanktioniert. Was falsch an dieser Voraussetzung ist, dass dies ein in der Gesellschaft wünschenswerter Umstand ist und Menschen aufgezwungen wird. Der wichtige Aspekt, dass Kinder sich auch in ihrer Sexualität und ihrem Geschlecht frei und nach ihren Interessen entwickeln können wird oft unterdrückt und tabuisiert.
Männlichkeit und Weiblichkeit sind hierbei ebenfalls wichtige Faktoren, denn sowohl Männlichkeit als auch Weiblichkeit sind Begriffe, denen jeweils spezifische Attribute und Verhaltensweisen, in Form von Stereotypen zugeordnet werden. Jedes Individuum, unabhängig vom Körpergeschlecht, trägt männliche und weibliche Eigenschaften, allerdings werden Eigenschaften, die nicht zum Körpergeschlecht passen, oft unterdrückt. Es gibt verschiedene Erwartungen an Frauen/Männer. Während von Männern erwartet wird „männlich“ zu sein, ist es bei Frauen die Weiblichkeit, die im Vordergrund steht. Oft sind starke und auffällige Abweichungen der „Norm“ negativ konnotiert und in vielen Gesellschaften weder erwünscht, noch akzeptiert. Es bleibt allerdings nicht nur bei abweichenden Eigenschaften und Verhaltensweisen, welche nicht akzeptiert werden, denn auch Sexualitäten, die sich von der Heterosexualität unterscheiden, werden ebenso gesellschaftlich nicht akzeptiert. Bis 1992 wurde Homosexualität in der internationalen Klassifikation von Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation als Krankheitsbild deklariert.[10] Allerdings gibt es immer noch Menschen, die andere Sexualitäten als Krankheitsbilder definieren. Die Ablehnung gegenüber queeren Menschen reicht von Mobbing bis hin zu Mord. Als Beispiel kann hier das „Spartacus Gay Travel Index 2020“ angeführt werden, welches 202 Länder gegenübergestellt und die rechtliche Situation und die Lebensbedingungen von queeren Menschen im jeweiligen Land messen.[11] Dem Diagramm kann entnommen werden, dass es in 15 Ländern immer noch die Todesstrafe für homosexuelle Menschen gibt. Dass Heterosexualität die Norm ist und andere Sexualitäten nicht erwünscht sind bedroht somit das Leben vieler, daher sollten Kinder schon sehr früh mit den Begrifflichkeiten in Kontakt kommen und lernen, dass z.B. Homo-, Bi- und Transsexualität absolut keine Anomalitäten sind. Dies kann ein utopischer Gedanke sein, der allerdings für zukünftige Generationen Leben rettend sein kann.
An dieser Stelle wird der Begriff „Desire“ vorgestellt: der Begriff beschreibt das Begehren von Individuen, je nach sexueller Orientierung gibt es dabei unterschiedliche Definitionen in Bezug auf das Begehren eines Menschen.[12] Begrifflichkeiten in Bezug auf Sexualität und Geschlecht können beispielsweise in der Institution Schule thematisiert werden, vor allem wenn diese Themen in den Familien der Kinder eher tabuisiert werden. Im Zeitalter der Digitalisierung ist es mittlerweile eine Normalität, dass Kinder mit elektronischen Geräten aufwachsen, Filme und Videos online schauen und auch mit diversen elektrischen Medien und Geräten lernen. Medien für Kinder bilden also eine große Informationsquelle. Die Ressourcen um eine Bildung in Bezug auf Sexualitäten und Geschlecht sind somit gegeben. Kindern und Jugendlichen diese nahezulegen ist Aufgabe der Erziehungsberechtigten, aber auch die der Lehrpersonen. Dies kann Kindern und Jugendlichen auch helfen zu sich selbst zu finden und eventuell einen Begriff für das eigene Begehren zu erfahren, das sogenannte Coming-In, was zu einem späteren Zeitpunkt thematisiert wird.
Die führt dazu, dass die Heteronormativität zusätzlich problematisiert wird. Ein Teil dessen ist das Coming-out. Um ein offenes und selbstbestimmtes Leben zu führen „müssen“ sich Personen mit einer anderen Sexualität (oder Geschlecht) als der Heterosexuellen, sich anderen Mitmenschen offenbaren, da gesellschaftlich davon ausgegangen wird, dass jeder heterosexuell ist. Das Coming-Out wird ebenfalls an einer späteren Stelle noch weiter ausgeführt.
Des Weiteren thematisiert dieses Kapitel, wie Sexualität und Geschlecht in Medien für Kinder übermittelt werden. Auch wenn in puncto Diversität über die Jahre gewisse Fortschritte zu verzeichnen sind, bleibt die Tendenz, dass vor allem das Bild des weißen Mannes, welcher mit eher dominanten und positiven Attributen geschmückt ist, überrepräsentiert wird.[13] Frauen werden dagegen eher passiv, in einer traditionellen, fürsorglichen, auf das äußerliche Erscheinungsbild reduzierten, sexualisierten Rolle dargestellt.[14] Durch diese frühkindliche Geschlechtersozialisation über die Medien verankern sich schon sehr früh stereotypische Bilder in den Köpfen der Kinder. Die heterosexuelle Beziehung zwischen einer weißen Frau und einem weißen Mann wird, vor allem in Medien, vorwiegend dargestellt und erst seit einigen Jahren gibt es (eine immer noch geringe) Repräsentation von z.B. gleichgeschlechtlichen Paaren und deren Beziehungen. Die Repräsentation bleibt allerdings in den meisten Fällen sehr stereotypisch und eindimensional, was nicht zwangsläufig eine korrekte Darstellung von Homo-, Bi- oder trans* Menschen und deren Geschichten ist. Dieses Problem mit Repräsentation kann gleichermaßen bei diversen Minderheiten beobachtet werden, was allerdings ein anderer Diskurs für sich ist.
Im folgenden Kapitel wird die geschlechtliche Identität näher thematisiert.
2.2 Sex und Gender
Die sexuelle Orientierung, das soziale sowie das biologische Geschlecht eines Individuums bilden einen elementaren Teil der Identität. Das soziale Geschlecht muss hierbei allerdings nicht die zwangsläufige Konsequenz des biologischen Geschlechts sein. Die Begriffe biologisches/soziales Geschlecht, wie es oft noch in diverser Fachliteratur genutzt wird, befinden sich durch das „Doing Gender“ Konzept im Wandel, da Zuschreibungs- und Selbstbeschreibungspraxen immer mehr aufgenommen werden. Indem die Begriffe Körpergeschlecht (statt biologisches Geschlecht) und Geschlechtsidentität (statt soziales Geschlecht) genutzt werden, wird darauf verwiesen, dass dem Körper eines Menschen ein Geschlecht zugeteilt wird. Außerdem wird der Terminus „Körpergeschlecht“ bevorzugt, da der Begriff „biologisches Geschlecht“ den Fokus auf das essentialisierte/naturbehaftete legt, was allerdings faktisch nicht korrekt ist, da dies ein sozial-geschichtlicher Prozess ist, in welchem Menschen in zwei Geschlechter geordnet werden. Diese Perspektive ist auf Judith Butler zurückzuführen, welche an Foucault anknüpfend, „das soziale Geschlecht und den Körper als diskursiv hervorgebracht hat und sozial konstruiert denkt.“[15]
Ein wichtiger Diskurs, welcher soeben erwähnt wurde, ist hierbei das „doing gender“ Konzept, welches aufbauend auf Judith Butlers Theorien, auf West und Zimmermann zurückgeführt werden kann. Dies bezieht sich darauf, dass in sozialen Situationen das Geschlecht produziert und reproduziert wird.[16] Wichtig dabei ist, dass das Geschlecht aktiv und eindeutig von Individuen ausgedrückt wird.[17] Das bedeutet, dass Menschen sich durch ihre Ausdrucksweise als Mann oder als Frau definieren und sich als diese präsentieren. Geschlecht ist nichts „festes, was die Menschen haben, sondern Etwas, was sie tun und was mit ihnen getan wird.“[18] Dabei ist es möglich bestimmte Rollen zu erfüllen, diesen aber auch zu widersprechen oder sich daran zu beteiligen, bestimmte Rollen zu definieren oder zu verändern.[19]
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, einer Zeit, in welcher Feminisierungsängste in nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens vorherrschten, beschäftigten sich Psychologen zunehmend damit, Männer von Frauen zu unterscheiden.[20] Die Folge dessen war, dass ein Teil der Definition eines „normalen“ Erwachsenen eine angemessene Anpassung an die eigene „Geschlechterrolle“ war.[21] Talcott Parsons, einer der ersten Soziologen, der sich mit dem Thema der Männlichkeit befasste, argumentierte, dass die „instrumentelle“ Rolle der Männer und die „expressive“ Rolle der Frauen Voraussetzungen für das Funktionieren einer geordneten Gesellschaft bilden.[22] Abweichungen von der Rolle der Frau als mütterliche Betreuerin oder der Rolle der Männer als Versorger der Familie würden zu "Rollenzerrung" und "Rollenkonkurrenz" führen, die Familien und letztendlich die Gesellschaft schwächen würden.[23] Durch die aufkommende Soziologie der Männlichkeit wurden Menschen, ihre Verhaltensweisen, Praktiken, Werte und Perspektiven kritisch untersucht.[24] Im Gegensatz zur früheren Männlichkeitstheorie von Parson predigen die neuen Soziologen, dass es nicht eine einzige männliche „Rolle“ gibt, sondern die Idee, dass Männlichkeit nur in einem Modell von „multiplen Männlichkeiten“ zu verstehen ist.[25] Hierbei fällt auf, dass es zu einer Wandlung hinsichtlich der Idee von Männlichkeit kam, welche allerdings nicht festgelegt ist. An dieser Stelle ist es sinnig auf das von Judith Butler argumentierte „Ausführen von gender“ (Performance) zurückzukommen.[26] Gender wurde aufgrund von kulturell konsequent stilisierter „performances“ konstruiert, also das wiederholte Handeln, welches die Wirkung eines statischen Geschlechts hervorruft.[27] Wie bereits erwähnt: „gender“ ist nicht gegeben, sondern etwas, was von Personen über das ganze Leben hinweg durchgehend getan wird.[28] Daraus kann geschlossen werden, dass in Bezug auf das heteronormative Männlichkeitsbild, Männer ihr Männlichkeitsbild durch ihre jeweilige Sozialisation „performen“. Wird beispielsweise einen beliebigen Mann, der in Gesellschaft seiner männlichen Freunde über Themen wie Autos und Sport spricht, so führt (performt) dieser Mann entweder bewusst oder unbewusst „gender“ aus.[29] Diese „Performance“ kann ebenfalls auf Frauen übertragen werden. Dem Ganzen zu entnehmen ist, dass Menschen „gender“ performen und sich dabei oft bewusst, aber auch unbewusst den sozialen Erwartungen (an Frauen/Männer) anpassen. Es wird davon ausgegangen, dass die geschlechtsspezifischen Erwartungen, welche in der Gesellschaft etabliert sind, eines natürlichen, anstelle eines sozialen Ursprungs sind.[30] Durch eine Vielzahl von biologischen Unterschieden zwischen Menschen konstruiert der soziale Diskurs die offensichtliche Unvermeidlichkeit von nur zwei scharf getrennten und homogenen Kategorien, die sich Frauen und Männer nennen.[31] Aufgrund der scharfen Trennung dieser „Kategorien“ werden Mädchen und Jungen bereits früh unterschiedlich behandelt und sozialisiert. Dabei bleibt es nicht nur auf der eher offensichtlichen Ebene der Kleidung; Kindern wird beigebracht, sich dem Körpergeschlecht entsprechend zu verhalten, Jungen und Mädchen werden jeweils unterschiedliche Möglichkeiten, aber auch Hindernisse geboten, wie zum Beispiel, dass Jungen für gewöhnlich in Fußballvereinen angemeldet werden, da dies als Sport für Jungen angesehen wird. Dies ist nur ein Beispiel, welches verdeutlicht, dass Jungen und Mädchen auf einigen Ebenen verschiedene Möglichkeiten geboten werden; betont wird dabei, dass Geschlecht dabei eine tragende Rolle erhält, wodurch ebenfalls deutlich wird, dass Geschlecht eine sozial wichtige Kategorie ist.[32] Durch Geschlechterdifferenz wie diese bilden sich schon früh bestimmte Stereotypen, welche typische Eigenschaften von Männern/Frauen betonen.[33] Demzufolge wird Frauen zugeschrieben, dass sie „für andre sorgen, freundlich sind, keine körperlichen Aggressionen zeigen und auf ihr äußerliches Erscheinungsbild achten.“[34] Demgegenüber setzt sich das Stereotyp von Männern durch „physischer Kraft, Durchsetzungsfähigkeit, Kompetenz, Sachlichkeit und Unabhängigkeit“ aus.[35] Die resultierenden Muster geschlechtsspezifischer Identität, Attribute und Verhaltensweisen werden dann als Bestätigung gesehen und es wird argumentiert, dass diese Verhaltensweisen bereits von Anfang an schon unterschiedlich gegeben sind.[36] Unter Geschlecht als sozial-konstruiert werden also die Reihe von Ergebnissen, die von sozialen Prozessen geprägt sind, welche unter anderem in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Gemeinschaft und in der Politik stattfinden, verstanden.[37] Es ist nicht das Körpergeschlecht, welches ein Individuum zur Frau oder zum Mann macht, sondern entwickeln sich Individuen durch unter anderem sozio-kulturelle Einflüsse zu Frauen oder Männern. Ein Beispiel sind hierbei Individuen, die mit beiden Geschlechtsorganen geboren werden (Hermaphroditen) und sich, in einer idealen Welt, frei entwickeln könnten, ohne eines der beiden sozialen Geschlechter, welche in unserem Gesellschaftsbild anerkannt sind, an das biologische Geschlecht anpassen zu müssen. Je nachdem wie, sich der Mensch entwickelt und sich fühlt, kann (aber muss nicht) eine Geschlechtsangleichung aus eigenem Willen durchgeführt werden.
2.3 Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt
Dass es neben Heterosexualität noch viele weitere sexuelle Orientierungen und Identitäten gibt, steht außer Frage. Die Queer Theory legt hierbei das Augenmerk auf die Instabilität von Kategorien, wie beispielsweise weiblich und männlich, genauso wie Heterosexualität und Homosexualität.[38] Der Begriff, der Heterosexualität geht zurück ins frühe neunzehnte Jahrhundert, in welcher das Heterosexuelle so, wie wir es heute kennen, nicht präsent war; die weißen Amerikaner folgten der Idee von wahrer Männlichkeit, wahrer Weiblichkeit und der daraus resultierenden wahren Liebe.[39]
Being gay was a bit like the Olympics: It disappeared in ancient times, and then they brought it back in the twentieth century. – Nick Hornby [40]
Wie der britische Schriftsteller und Autor Nick Hornby, bereits in seinem Roman „A Long Way Down“, sarkastisch darstellt, war Homosexualität auch schon in der Zeit der Antike vorhanden. Dass Männer und Frauen gleichgeschlechtliche Erfahrungen machen war davor, während und auch nach der Zeit der Antike überall auf der Welt präsent, allerdings gab es für diese gleichgeschlechtlichen Erfahrungen erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Begriffsdefinition. Von dem griechischen Wort „homós“ (= gleich) abgeleitet, haben wir heute den Begriff der Homosexualität, welche die gleichgeschlechtliche Beziehung zwischen zwei Frauen/Männern beschreibt.
Auch wenn der Begriff Homosexualität sowohl auf Frauen, als auch auf Männer zielt, sind lesbische Frauen und schwule Männer nicht zwei Geschlechter innerhalb einer Sexualität, da beide eine jeweils andere Geschichte haben, welche sich aufgrund der komplexen Organisation von männlichen und weiblichen Identitäten genau nach „gender“ unterscheiden.[41] Bevor gegen Ende des 19. Jahrhunderts der Begriff der Homosexualität eine erste Verknüpfung zwischen Verhalten und der Identität eines Menschen erstellte, wurde ansonsten 1533 durch den Burgerry Act, das erste nicht-kirchliche englische Gesetz, welches unter anderem Homosexualität und Sodomie mit der Todesstrafe bestraft, veröffentlicht. Bis zum Sexual Offences Act von 1967 war Homosexualität in England noch illegal, bis dann private homosexuelle Handlungen zwischen zwei Männern, die beide das 21. Lebensjahr erreicht haben, entkriminalisiert wurden. Im Jahre 2000 wurde dies dann auf das 16. Lebensjahr reduziert.
Auch in Deutschlands jüngster Vergangenheit vor dem Dritten Reich und des Zweiten Weltkrieges kam es dazu, dass Männer sich in der Weimarer Zeit vielen neuen sexuellen Erfahrungen und Möglichkeiten offenbaren konnten, einschließlich sexuellen Beziehungen zu anderen Männern.[42] Lange hat dies jedoch nicht angehalten, da homosexuelle Personen verfolgt und eingesperrt wurden, was eine Folge der Retraditionalisierung war.[43] Die Gesellschaft war der Auffassung, dass Homosexualität den sogenannten „Männerstaat“ kaputt machen würde und wollte die Jugend von der Homosexualität schützen, welche als Gefährdung aufgenommen wurde.[44]
Frauen hingegen hatten die Möglichkeit, in einem Umfeld zu leben und zu arbeiten, das ausschließlich Frauen vorbehalten war, wodurch sie sich von dem Zuständigkeitsbereich der Familien trennen konnten, was gleichzeitig aber auch die Sorge der Verschiebung der Geschlechterhierarchien aufbrachte.[45] Sogenannte Butch-Frauen, welche einen eher maskulinen Kleidungsstil und Körpersprache haben, wurden laut Leisa Meyer besonders wahrscheinlich als Lesben angesprochen.[46] Durch die Lebensfähigkeiten der „Butch-Frauen“ gab es einen Anker und Sammelpunkt für die Bildung von Lesbengemeinschaften innerhalb der Korps.[47]
Durch Männlichkeitsbilder und Ängste der Feminisierung, wie im vorherigen Kapitel bereits dargestellt, wendete die Mehrheitsgesellschaft sich von der Homosexualität ab, was bis heute noch der Fall ist, und betrachtet sie als minderwertig. Männer und Frauen, die nicht den gewohnten Mustern der Gesellschaft folgen und in gleichgeschlechtlichen Beziehungen verkehren, wird oft schlechtes, skandalöses und unnatürliches Verhalten zugeschrieben.[48] Des Weiteren ist es nicht selten, dass schwule Männer hinsichtlich des Erscheinungsbildes und des Verhaltens als „weiblich“ und lesbische Frauen als „männlich“ charakterisiert werden.[49] Beim Thema Geschlecht sind
„Mehrdeutigkeiten von Geschlecht [...] keineswegs selten. Es gibt maskuline Frauen und feminine Männer. Es gibt Frauen, die andere Frauen lieben, und Männer, die andere Männer lieben. Es gibt Frauen, die Haushaltsvorstand sind, und Männer, die Kinder erziehen. Es gibt Soldatinnen und männliche Krankenpfleger. Manchmal führt die Entwicklung der „Geschlechtsidentität“ zu Mustern, die auf einer Zwischenebene angesiedelt, gemischt oder durch scharfe Widersprüche gezeichnet sind und für die wir die Bezeichnungen „effeminiert“, „camp“, „queer“ und „transgender“ benutzen.[50]
Es bleibt allerdings oft nicht bei diesen eher harmlosen Bezeichnungen, denn oft werden Ausdrücke verwendet, die sehr abwertend sind und Menschen auf psychischer Ebene angreifen, worauf im weiteren Verlauf der Arbeit noch eingegangen wird.
Häufig wird ein Druck auf Jungen ausgeübt, in dem von ihnen erwartet wird, sich als mutig und hart zu beweisen, um sich vor Begriffen wie „Memme“ zu schützen, da sie sonst als effeminiert oder homosexuell eingeordnet werden.[51] Grade weil ‚homosexuell sein’ in der Gesellschaft so negativ konnotiert ist, da homosexuelle Männer mit vielen Klischees verbunden werden und in der Gesellschaft generell als minderwertig und schwach betitelt werden, ist die Angst bei Jungen groß, mit ebendieser Sexualität assoziiert zu werden.
Die Gesellschaft und vor allem die Peers haben einen großen Einfluss auf Jugendliche, daher ist das „Coming Out“ während der Schulzeit ein sehr wichtiges Thema, was viele beschäftigt. Jugendliche und junge Erwachsene werden schon früh damit konfrontiert, dass ihre eigentliche sexuelle Identität ein Problem ist. Dadurch, dass „schwul“ & „lesbe“ oft als Beleidigungen in der Jugendsprache fungieren, wird Jugendlichen früh klargemacht, dass ihre Sexualität und ihr Verhalten „falsch“ ist. Aus diesem Grund kann es dazu kommen, dass viele, die sich eigentlich mit einer anderen Sexualität, anders als die Heterosexualität, verstellen und versuchen von der eigentlichen Identität und Sexualität zu distanzieren. Zum anderen gibt es oft zu wenig Aufklärung in den Schulen und im Elternhaus, wodurch viele Betroffene, aber auch nicht-Betroffene nicht realisieren können, dass es absolut normal ist, nicht-heterosexuell zu sein. Die mangelnde Akzeptanz kann auch dazu führen, dass Betroffene das Thema verdrängen und Themen wie das Outing gar nicht in Frage kommen. Natürlich ist keiner dazu gezwungen über ein so intimes Thema wie das der eigenen Sexualität zu sprechen und anderen mitzuteilen, dass eine Person nicht-heterosexuell ist. Hierbei fällt auch schnell auf, dass das Outing für heterosexuelle Menschen, also die Mehrheitsgesellschaft, kein Begriff ist. Es wird für selbstverständlich gehalten, dass alle hetero und damit ‚normal‘ sind, weshalb es verständlich ist, dass viele nicht-heterosexuelle sich prinzipiell nicht outen wollen.
Bevor es zum äußeren Coming-out kommt, muss allerdings auch erst ein inneres Coming-out stattfinden, in welcher sich beispielsweise homo- oder bisexuelle zu sich selbst bekennen müssen.[52] Einer Studie, in der Teilnehmer gefragt wurden, wie es sich angefühlt hat, als sie für sich selbst die sexuelle Orientierung erkannt haben, konnte entnommen werden, dass negative Gefühle wie Beunruhigung, Fremdheitsgefühl und Furcht gegenüber positiven Gefühlen, wie Stolz und Glück überragen.[53] 54,2% gaben an, sich beunruhigt gefühlt zu haben, 32,5% gaben an sich fremd zu fühlen, wohingegen 18,8% angaben, glücklich gewesen zu sein und 9,6% fühlten stolz.[54] Interessant wäre an dieser Stelle zu wissen, welchen kulturellen und familiären Hintergrund die befragten Personen haben, da dies eine wichtige Rolle im Hinblick auf Intersektionalität spielen kann.
Wenn das Individuum sich der Identität bekennen will und sich dafür entscheidet, sich auch anderen zu offenbaren, kann dies, je nach Reaktion, ebenfalls eine positive oder negative Erfahrung sein. Oft „haben Jugendliche, die ihre sexuelle Orientierung als homo- bzw. bisexuell einordnen, einige Hürden zu überwinden, bevor sie mit anderen über ihre Gefühle und Wünsche reden (können)“.[55] Hier ist ebenso Fremdouting ein Begriff, welcher die Offenbarung der Sexualität einer Person durch eine andere Person beschreibt. Eine aus dem (Fremd-) Outing resultierende negative Konsequenz kann unter anderem (Cyber-) Mobbing sein.
An dieser Stelle wird kurz auf das Thema der Intersektionalität eingegangen. Intersektionalität beschreibt Personen mit differierenden zusammenwirkenden Persönlichkeitsmerkmalen. Homosexuelle Migranten und Geflüchtete, die aufgrund ihrer Sexualität lebensbedrohlichen Situationen, wie Steinigung oder der Todesstrafe ausgesetzt sind und mit der Hoffnung auf ein freieres Leben in ein anderes Land flüchten, sind dieser Intersektionalität ausgesetzt.[56] Oft sind sie neben Heterosexismus weiteren Phänomenen wie Rassismus, Kultur- und Sprachbarrieren, begrenzten Arbeitsmöglichkeiten und in manchen Fällen auch Angstzuständen aufgrund mangelnder Ausweispapiere ausgesetzt.[57] Eine weiße Person aus dem Westen ist oft nicht vertraut mit der Bedrohung und dem Stigma, mit welchem BiPOC’s (Black, Indigenous and People Of Colour) eher konfrontiert sind. Daher beinhalte es eine gewisse Relevanz, den kulturellen Hintergrund der befragten Personen zu ergründen um zu verdeutlichen, welchen weiteren Konflikten Menschen mit Migrationshintergrund, Migrationsgeschichte etc. ausgesetzt sind und ob diese eher positive oder negative Gefühle erfahren. Ein Beispiel sind Angehörige der LGBTQIA+ Community, die ebenfalls Teil von konservativeren Gruppen, wie z.B. Süd-Afrikas Muslimischer Gemeinschaft sind, denn sie werden, obwohl die südafrikanische Verfassung die Gerichte und der Gesetzgeber die sexuellen Rechte aller südafrikanischen Bürger anerkannt haben, im Falle eines freiwilligen Outings oder eines Fremdoutings, von ihren Familien oft geächtet.[58] Der Grund dafür ist, dass die Führer der orthodoxen muslimischen Gemeinschaften die verfassungsmäßig garantierte Religionsfreiheit weiterhin als ihr Recht sieht, innere sowie Angelegenheiten der Gemeinschaft nach islamischem Brauch zu regeln.[59] Auch wenn dies ein großer Diskurs ist, der in muslimischen Gemeinschaften diskutiert wird, sollte an dieser Stelle beachtet werden, dass weder Steinigung noch Unterdrückung Teil des islamischen Brauchs sind und als Rechtfertigung genutzt werden, um Menschen zu degradieren. Muhsin Hendricks gründete 1996 „The Inner Circle“, eine Organisation, welche Vorurteile gegen Homosexuelle in muslimischen Gemeinschaften thematisiert und MuslimInnen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung unterdrückt wurden, psychische und spirituelle Unterstützung gibt.[60] Ob intersektionale Erfahrungen gemacht werden oder nicht, das Coming-in und Coming-out ist ein emotionales Thema auf verschiedenen Ebenen.
Auch für bisexuelle Menschen ist das Outing ein wichtiges Thema, worauf in diesem Kapitel eingegangen wird. Allerdings folgt zunächst eine Definition sowie eine Einführung in die Geschichte der Bisexualität. Neben der geläufigen Definition, sich sowohl von Frauen als auch von Männern angezogen zu fühlen, hat Bisexualität noch einige andere Definitionen, die sich überschneiden und sogar manchmal als Synonyme fungieren.[61] Der Begriff Bisexualität kann genutzt werden wenn sich auf biologischen Hermaphroditismus bezogen wird, eine Reihe von Handlungen oder Verhalten beschrieben werden soll, Personen beschrieben werden sollen, die auf das Kontinuum zwischen den polaren Oppositionellen von hetero- und homosexuell fallen. Eine Person, die Fantasien mit dem gleichen Geschlecht pflegt kann als geistig oder emotional bisexuell charakterisiert werden. Wie unschwer zu erkennen ist, gibt es mehr als eine Definition für Bisexualität, aber der Kerngedanke ist die Beziehung bzw. die Affinität zu Frauen und Männern und bildet damit (genau wie die Pansexualität) einen Gegensatz zu Monosexualitäten, wie der Hetero- und Homosexualität. Es wird argumentiert, dass die politisierte Kategorie der Bisexualität eine grundlegende Herausforderung für die vergeschlechtlichte Struktur von Hetero-/Homosexualität darstellt.[62] Was Bisexualität miteinbringt ist nämlich der Aspekt, dass Sexualität an sich nicht etwas ist, was fest und fix ist sondern im Gegenteil, eine fluide Struktur hat.[63] Die sexuelle Identität eines Menschen kann sich im Laufe der Zeit also ändern und auch der Gedanke, dass es nur heterosexuelle und/oder homosexuelle Menschen und Identitäten gibt wird somit herausgefordert.[64]
Bevor es zu diesen Diskursen kam, wurde die Kategorie der Bisexualität für über ein Jahrhundert die Legitimität einer eigenen sexuellen Identität verweigert.[65] Unteranderem auch von Sigmund Freud, welcher argumentiert, dass jedes Individuum mit bisexuellem potential geboren wird und später entweder hetero- oder homosexuell wird, was Bisexualität eine eigene sexuelle Identität aberkennt und sie als zwischenzeitliche Phase beschreibt.[66] Dass Bisexualität nicht genug Anerkennung bekommt, spiegelt sich auch im wissenschaftlichen Diskurs wieder, da sie im Vergleich zur Homosexualität, vor allem anfangs, eher weniger wissenschaftliche Aufmerksamkeit bekommen hat. In wissenschaftlichen Diskursen liegt das Augenmerk vielmehr auf Homo- bzw. Heterosexualität. Dass dies einen Verlust an Erkenntnis bringt und das bestimmte Diskurse durch das Einbringen von Bisexualität weitere und herausfordernde Erkenntnisse hätten gewinnen können, zeigt sich im Folgenden. Ein Beispiel dafür, dass Bisexualität gesellschaftliche Strukturen herausfordert zeigt sich, wenn auf die stereotypische Vorstellung von schwulen Männern und lesbischen Frauen geachtet wird. Die Gesellschaft schreibt lesbischen Frauen maskuline Attribute zu, genauso wie schwulen Männern weibliche Attribute zugeschrieben werden; dies nennt sich „cross-gendering“.[67] Auch wenn dies eine sehr verallgemeinernde Vorstellung von Geschlecht und Sexualität ist, bringt grade die bisexuelle Perspektive, wie gesagt, dies in eine zu hinterfragende Position, denn auch Bisexualität weicht von der Heteronormativität ab. Wenn also stereotypisch davon ausgegangen wird, dass lesbische Frauen von männlichen und schwule Männer von weiblichen Attributen geprägt sind, stellt sich die Frage wie bisexuelle Männer/Frauen eigentlich charakterisiert werden. Wenn ein Mensch sich von Frauen und Männern als Sexualpartner angezogen fühlt, kann das „gender“ der Person nicht der Sexualität zugeordnet werden.[68] Dies bezieht sich auf „gender“ und die im Kapitel zur Heteronormativität thematisierte „Performance“ von Judith Butler. Bisexualität bringt hinsichtlich dessen nämlich einen anderen Blickwinkel, da diese nicht eindeutig mit einer stereotypischen Vorstellung verbunden werden kann.[69] Aus diesem Grund kann das „gender“ von Individuen, die Männer und Frauen als sexuelle Partner wählen, nicht der Sexualität zugeordnet werden.[70] Konkret gesagt kann also eine Frau, die in sexuellen Beziehungen mit Männern und Frauen ist, nicht als entweder maskulin oder feminin betitelt werden, ohne für ein (gender-trouble) Unbehagen der Geschlechter zu sorgen.[71] Es sollte sich die Frage gestellt werden, wie bisexuelle Handlungen „performt“ werden, wenn an eben diese stereotypischen Vorstellungen, verbunden mit heterosexuellen und homosexuellen Handlungen (Performances) gedacht wird.[72] Wie sollten Bisexuelle sich benehmen (performen), um zu verdeutlichen, dass sie bisexuell sind?[73] Um hervorzuheben, dass eine Sexualität valide ist, wird erwartet, dass sich entsprechend dieser benommen wird (performt) und eine Performance hinsichtlich Bisexualität würde nur stereotypische Vorstellungen verstärken, daher ist es nicht möglich in einer Gesellschaft, die sich auf (serieller) Monogamie stützt, Bisexualität auszuführen, weshalb Bisexualität nicht validiert werden kann.[74] Hier wird deutlich was für eine Lücke Bisexualität bildet und wie die binäre Vorstellungen von Sexualität und „gender“ gestört werden können.[75] Zusammenfassend kann daraus geschlossen werden, dass Bisexualität ehemalig solide Definitionen und Vorstellungen herausfordert und neue Aspekte einbringt, als Beispiel dafür wurde die Fluidität von Sexualität und die Zuschreibung von stereotypischen Geschlechterrollen genannt.
Ein Problem unter welchem viele Bisexuelle leiden ist die Diskriminierung sowohl von Heterosexuellen, als auch von Homosexuellen.[76] Dabei nimmt grade die Diskriminierung seitens homosexueller Menschen eine zu hinterfragende Rolle ein, da sowohl homosexuelle Menschen, als auch bisexuelle Menschen nicht nur beide Teile einer Minderheit sind, sondern auch, dass beide von der Heteronormativität abweichen. Es ist nicht so, dass bisexuelle Menschen nur die Hälfte von den Problemen erleben, welche Schwule oder Lesben erleben, denn wenn beispielsweise eine bisexuelle Frau mit einer homosexuellen Frau Hand in Hand durch die Straßen läuft, werden beide im Fall einer Diskriminierung dieselbe Erfahrung machen.[77] In schwul/lesbischen Gemeinschaften wird Bisexualität auch oft als Phase oder Tarnung gesehen.[78] Binegativität/Bifeindlichkeit innerhalb homosexueller Gemeinschaften lässt sich nach Amanda Udis-Kessler unter anderem auf die eventuelle Bisexualität innerhalb eines schwulen Mannes/einer lesbischen Frau zurückführen.[79] Dies wird wie folgend argumentiert: Als schwuler Mann / lesbische Frau werden unterschiedliche traumatische Erfahrungen auf vielen Ebenen gemacht, daher besteht die Angst, dass Personen sich falsch identifiziert haben, weshalb die Bisexualität und die Identifikation damit abgelehnt wird.[80] Der Grund dafür ist, dass die Personen den traumatischen Erfahrungen, wie z.B. Ablehnung im Bekanntenkreis, Homofeindlichkeit hätte ausweichen können, was durch die Annahme bestätigt wird, dass bisexuelle Menschen heterosexuelle Privilegien haben.[81] Der Gedanke daran, dass das, was die Betroffenen erlebt haben „umsonst“ war, mag beunruhigend sein und zu dieser Abneigung führen.[82] Zudem kommt noch, dass das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein neu hinterfragt werden müssen und auch der Platz und die Zugehörigkeit in der schwul/lesbischen Gemeinschaft ist eventuell in Gefahr.[83] Dieser Gedankengang von Amanda Udis-Kessler kann aber auch auf heterosexuelle Menschen übertragen werden, denn für einen Mann der sich in seiner (Hetero)Sexualität immer sicher gefühlt hat und zudem eventuell schon eine Abneigung gegen Homosexuelle oder Bisexuelle hat, mag der Gedanke, eine Affinität gegenüber anderen Männern zu haben, ebenfalls beunruhigend sein, was dann eventuell durch Diskriminierung oder Mobbing versucht wird zu kompensieren. Des Weiteren wurden seit der Wende des 20. Jahrhunderts Bisexuelle für eine Reihe sozialer Missstände verantwortlich gemacht, welcher von der Dekadenz der 1920er Jahre bis zur Ausbreitung des AIDS-Virus in den 1980er-90er Jahren reicht.[84]
Diskriminierung, das Aberkennen einer eigenen (sexuellen) Identität und das Fehlen von Verständnis sind Komponenten, die bei dem Outing von Bisexuellen auf eine andere Art und Weise Herausforderungen bietet. Beim Thema Outing wird außerdem argumentiert, dass „Bisexuelle ... eher als Homosexuelle dazu [neigen], anderen nicht von ihrer sexuellen Orientierung zu erzählen – vielleicht allein deshalb, weil sich die eigene Orientierung besser vor anderen verbergen lässt und es einem leichter fällt, nach außen heterosexuell zu wirken.“[85] Wobei hier natürlich die hinterfragt werden muss, wie Personen „heterosexuell“ wirken und was eine bisexuelle Personen im Verhalten ausmacht, was bereits diskutiert wurde. Dadurch, dass es so viele Vorurteile gegenüber Bisexuellen gibt, wie zum Beispiel, dass häufig Partner gewechselt werden, dass sie sich nicht für hetero-, homosexuell entscheiden können, dass es nur eine Phase ist, ist es gut vorstellbar, dass Bisexuelle mit dem Outing zögern.
2.3.3 Geschlechtliche Vielfalt
Natürlich gibt es neben der Bisexualität, der Homosexualität und der Heterosexualität noch viele weitere Sexualitäten, auf welche in dieser Arbeit aufgrund der Rahmenbedingungen nicht eingegangen werden kann, allerdings ist es wichtig, diese kurz zu nennen, denn viele Identitäten bekommen zu wenig Aufmerksamkeit und Anerkennung. Zuerkennen ist dies bereits an dem geläufigsten Akronym „LGBT“, was für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender steht und alle Menschen, die sich von der binären Geschlechterordnung und Heteronormativität abwenden, anspricht. Auch wenn es Ausweitungen des Akronyms gibt, werden diese eher selten benutzt. Es ist denkbar, dass sich Menschen, die sich in diesem „queeren“ Spektrum befinden, ausgeschlossen fühlen, da beispielsweise das „A“ in Asexuell und das „P“ in Pansexuell nicht in dem Akronym enthalten sind bzw. nicht genutzt werden. Nur weil eine Gemeinschaft existent ist und aus Menschen besteht, die sich nicht mit der Heteronormativität identifizieren können, heißt es nicht, dass sich alle Betroffenen innerhalb dieser Gemeinschaft wohl und aufgenommen fühlen. Auch in dieser Arbeit liegt das Augenmerk hauptsächlich auf Sexualitäten mit dem Fokus auf Homo- und Bisexualität. Ebenfalls wird das Thema Geschlecht mit dem Fokus auf Trans* und Inter* nur kurz thematisiert. An dieser Stelle ist es daher wichtig zu sagen, dass diese Identitäten nicht nur valide sind, sondern auch ein Teil einer Gemeinschaft, vor allem aber auch ein Teil der Gesellschaft.
Bevor an dieser Stelle auf Trans* eingegangen wird, soll die Nutzung des Asterisk erläutert werden, der als Platzhalter für diverse Lebensweisen gelesen wird.[86] Das „gendern“ in der deutschen Sprache ist noch nicht allzu lange präsent und immer noch im Wandel, daher kann sich die Schreibweise in Zukunft noch ändern. „Die Schreibweise trans* wird dabei von vielen transgeschlechtlichen/transidenten/transsexuellen Personen als angemessen erachtet.“[87]
Trans* drückt aus, dass sich Personen nicht mit dem Geschlecht identifizieren, welches ihnen bei der Geburt aufgrund der Genitalien zugewiesen wurde. Die Geschlechtsidentität und das Körpergeschlecht sind also nicht übereinstimmig. Ein Beispiel zur Illustration sieht wie folgt aus; das Körpergeschlecht der Person wurde nach der Geburt als weiblich klassifiziert, aber die eigentliche Geschlechtsidentität mit der sich die Person definiert ist männlich. Also wird von einem Jungen (trans*Junge/Mann), der mit dem weiblichen Körpergeschlecht geboren wird, gesprochen. Diesem Jungen (trans*Junge/Mann) wird bei der Geburt die weibliche Geschlechtsidentität zugewiesen, da davon ausgegangen wird, dass das Körpergeschlecht bei der Geburt die Geschlechtsidentität bestimmt. In diesem Fall, wenn also Personen sich mit der Geschlechtsidentität, die ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, identifizieren, dann wird von „Cis“ gesprochen, was das Gegenstück zu trans* ist. Um das Körpergeschlecht an die eigentliche Geschlechtsidentität anzupassen gehen viele betroffene Personen oft hormonelle und operative Behandlungen ein, was aber nicht zwangsläufig so sein muss.
Der Begriff Transgender fungiert als Oberbegriff und dient als eine Art Gegenposition zur medizinisch-pathologisierenden Definition.[88] Der Begriff ist dabei stark von dem Motto „We ain’t broken – so stop trying to fix us!“ geprägt, welcher auf Virginia Prince zurückzuführen ist.[89] Transgender ist der Überbegriff für gendervariant, genderqueer, gender fluid und nicht-binäre, gleichzeitig aber auch für Transsexuell.[90] Interessant hierbei ist, dass eine Transsexuelle Person gleichzeitig Transgender sein kann, aber eine Person, die sich mit dem Begriff Transgender identifiziert nicht gleichzeitig transsexuell ist.[91] Der Grund dafür ist, dass transsexuelle Personen eine Art Dysphorie (geistigem, körperlichen oder sozialen Unbehagen) erfahren und mit ihrer gesellschaftlichen Rolle, dem Aussehen in Bezug auf gender und sex unzufrieden sind und daher versuchen diese medizinisch zu ändern.[92] Diese Dysphorie ist bei Personen, die sich als genderqueer, genderfluid oder nicht-binär identifizieren, nicht zwangsläufig der Fall.
Ein Unbehagen oder einer Unzufriedenheit kann unter anderem auf die Wahrnehmung der Umwelt zurückgeführt werden, da Personen in einem falschen Geschlecht wahrgenommen werden und/oder die eigenen Vorstellungen des Geschlechtes nicht zum eigenen Aussehen oder Verhalten passen. Oft trifft dies auf nichtbinäre und trans* Menschen zu, weshalb dann auf Hormontherapien/Operationen der Körper zurückgegriffen wird, um den Körper an die Wahrnehmung anzupassen.[93]
Interessant ist, dass viele trans* Personen aufgrund der Anerkennungsdynamik durch eine stereotypische Geschlechterperformanz, die Gesellschaftlichen binären Normen, die der Geschlechterrolle zugeordnet sind, annehmen. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass nur durch die Erfüllung der Geschlechterrollen und die gesellschaftlichen Erwartungen, die diese mit sich bringen, Anerkennung erarbeitet werden kann.
„Bei Intergeschlechtlichen oder intersexuellen Menschen (Inter*) entsprechen die primären Geschlechtsmerkmale nicht den medizinisch institutionalisierten, ausschließlich männlich oder weiblich definierten geschlechtlichen Erscheinungsformen.“[94] Teilweise ist diese „geschlechtliche Uneindeutigkeit“ (Franzen/Sauer 2010 in Krell/Oldemeier 2018: 20) bei der Geburt schon offensichtlich, kann aber auch im Erwachsenenalter oder in einigen Fällen gar nicht diagnostiziert werden.[95] Bis in die 90er Jahre wurden operative Eingriffe an Säuglingen durchgeführt, in denen ÄrztInnen, oft ohne Einwilligung der Eltern, beschließen, die Genitalien des Säuglings anzupassen. Je nachdem, ob die Genitalien einer Vagina/Vulva oder einem Penis ähneln wurde bei Intersex-Babys eine Operation zur Korrektur der Genitalien durchgeführt.[96] Entschieden wurde dies auch über die Einfachheit des Prozederes. Wozu diese Eingriffe führen ist eine Missklassifikation und Genitalverstümmelungen, welche illegal sind.[97] Außerdem können diese fremdbestimmten Operationen zu einer Dysphorie führen, was bereits unter dem Punkt Trans* aufgeführt wurde, denn die Genitalien und Chromosomen bestimmen nicht immer die Geschlechtsidentität des Individuums.[98]
In der Vergangenheit wurde das Wort Queer genutzt, um etwas seltsames, unkonventionelles und neugieriges anzudeuten, um diejenigen zu erniedrigen, deren Liebespraktiken verdächtigt wurden, sich nicht an festgelegte Regeln zu halten.[99] Genauso wurde zu der Zeit, in den frühen 1990er Jahren, der Begriff von LGBTQ-Angehörigen, wieder zurückgebracht und als Schlagwort wiederbelebt, den alle Angehörigen teilen konnten, wodurch der früher als Beleidigung zählende Begriff, mit Stolz aufgenommen und getragen wurde, was häufig in der Identitätspolitik vorkommt.[100] Heute ist ’Queer’ ein Sammelbegriff, der alle Sexualitäten, die nicht dem heteronormativen Imperativ entsprechen, einbezieht und diesen versucht zu kritisieren.[101] Neben schwulen Männern und lesbischen Frauen sind auch bisexuelle, transsexuelle, transgender-, androgyne Individuen und auch queere Heterosexuelle unter dem Begriff miteinbezogen, denn „queer“ zu sein bedeutet die allgemeine und heteronormative Kategorisierung von Sexualität und gender abzulehnen, wozu sich eine weitgefächerte Gruppe an Menschen zählen können.[102]
Nachdem nun eine theoretische Basis zu den Themen sex, gender, Heteronormativität und Sexualitäten gegeben wurde, wird nun im folgenden Kapitel ein Bezug zum Diskurs (Cyber-) Mobbing eingegangen, um im späteren Verlauf eine Verbindung zwischen beiden Themengebieten herzustellen.
- Arbeit zitieren
- Muhammed Topuz (Autor:in), 2020, Cybermobbing gegen Homo- und Bisexualität. Prävention und Intervention in der Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1138074
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