Bis heute gelten die Teile der Mad Max - Trilogie als absolute Kultfilme und reihen sich damit ein zwischen Werken wie The Blues Brothers, Rocky Horror Picture Show und der Star Wars Trilogie.
Bereits der erste Film des australischen Regisseurs George Miller erreichte in vielen Ländern sofort Kultstatus. Nur die US-amerikanischen Verleihe wussten anfangs nicht so genau, wie sie den Film einordnen sollten. Deshalb synchronisierte man ihn kurzerhand mit den Stimmen bekannter amerikanischer Schauspieler. Erst nach dem enormen finanziellen Erfolg seiner Fortsetzung The Road Warrior fand auch der erste Mad Max-Film sein Publikum in den Vereinigten Staaten.
Vor allem der bis dato völlig unbekannte Schauspieler Mel Gibson, welcher für seinen ersten Auftritt in Mad Max nur 15.000 US Dollar Gage bekam, hat diesen drei Filmen vermutlich seine Karriere bis hin zum heutigen Superstarstatus zu verdanken.
Wie kommt es aber, dass eine Low-Budget-Produktion wie Mad Max, deren Produktionskosten sich auf gerade mal 400.000 US Dollar beliefen, ganze 100 Millionen US Dollar Gewinn einspielen konnte? Bis ins Jahr 1998 stand dieses Ergebnis noch im Guinness-Buch der Rekorde als die beste Profitspanne, die ein Film je erzielt hat. Erst zwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung wurde Mad Max 1999 von The Blair Witch Project abgelöst.
Bis heute füllen die Homepages der Fans unzählige Seiten des Internets. Das Hauptinteresse gilt hierbei in besonderem Maße den Fahrzeugen, die, wie ich später noch erläutern werde, vor allem in den ersten beiden Mad Max-Filmen eine wichtige Rolle spielen.
Bei meiner nachfolgenden Analyse möchte ich vor allem die soziologischen Aspekte der drei Filme in ihrer Entwicklung näher betrachten und untersuchen, inwiefern der Verfall der Gesellschaft bis hin zur völligen Anarchie und letztendlich die Neuentstehung zum Teil völlig gegensätlicher sozialer und gesellschaftlicher Strukturen sowohl filmästhetisch als auch inhaltlich dargestellt wird. Besonderes Interesse gilt dabei vor allem der quasireligiösen Gemeinschaft in der Raffinerie in The Road Warrior und der auf einem archaischen Rechtssystem aufgebauten Siedlerstadt Bartertown in Mad Max Beyond Thunderdome. Inwiefern diese hypothetischen Kurzcharakteristika meiner Ansicht nach tatsächlich zutreffend sind oder nicht, werde ich in meiner Analyse näher behandeln.
Gliederung
1. Einführung
1.1. Das Genre
1.2. Historischer Hintergrund
2. Analyse
2.1. „Brennstoffmangel und Höllenjockeys“ – Der Zerfall der Gesellschaftsstrukturen in Mad Max
2.2. „Das Chaos regierte“ – Apokalypse & Anarchie in The Road Warrior
2.3. “Help building a better tomorrow” - Bartertown und die Oase als alternative Zivilisationen in Mad Max Beyond Thunderdome
3. Auswertung und Kritik
Anhang
A. Sequenzprotokoll
B. Daten zum Film
Literaturliste
1. Einführung
Bis heute gelten die Teile der Mad Max - Trilogie als absolute Kultfilme und reihen sich damit ein zwischen Werken wie The Blues Brothers, Rocky Horror Picture Show und der Star Wars Trilogie.[1]
Bereits der erste Film des australischen Regisseurs George Miller erreichte in vielen Ländern sofort Kultstatus. Nur die US-amerikanischen Verleihe wussten anfangs nicht so genau, wie sie den Film einordnen sollten. Deshalb synchronisierte man ihn kurzerhand mit den Stimmen bekannter amerikanischer Schauspieler. Erst nach dem enormen finanziellen Erfolg seiner Fortsetzung The Road Warrior fand auch der erste Mad Max -Film sein Publikum in den Vereinigten Staaten.
Vor allem der bis dato völlig unbekannte Schauspieler Mel Gibson, welcher für seinen ersten Auftritt in Mad Max nur 15.000 US Dollar Gage bekam, hat diesen drei Filmen vermutlich seine Karriere bis hin zum heutigen Superstarstatus zu verdanken.
Wie kommt es aber, dass eine Low-Budget-Produktion wie Mad Max, deren Produktionskosten sich auf gerade mal 400.000 US Dollar beliefen, ganze 100 Millionen US Dollar Gewinn einspielen konnte? Bis ins Jahr 1998 stand dieses Ergebnis noch im Guinness-Buch der Rekorde als die beste Profitspanne, die ein Film je erzielt hat. Erst zwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung wurde Mad Max 1999 von The Blair Witch Project abgelöst.
Bis heute füllen die Homepages der Fans unzählige Seiten des Internets. Das Hauptinteresse gilt hierbei in besonderem Maße den Fahrzeugen, die, wie ich später noch erläutern werde, vor allem in den ersten beiden Mad Max -Filmen eine wichtige Rolle spielen.
Bei meiner nachfolgenden Analyse möchte ich vor allem die soziologischen Aspekte der drei Filme in ihrer Entwicklung näher betrachten und untersuchen, inwiefern der Verfall der Gesellschaft bis hin zur völligen Anarchie und letztendlich die Neuentstehung zum Teil völlig gegensätzlicher sozialer und gesellschaftlicher Strukturen sowohl filmästhetisch als auch inhaltlich dargestellt wird. Besonderes Interesse gilt dabei vor allem der quasireligiösen Gemeinschaft in der Raffinerie in The Road Warrior und der auf einem archaischen Rechtssystem aufgebauten Siedlerstadt Bartertown in Mad Max Beyond Thunderdome. Inwiefern diese hypothetischen Kurzcharakteristika meiner Ansicht nach tatsächlich zutreffend sind oder nicht, werde ich in meiner Analyse näher behandeln.
1.1. Das Genre
Die Einordnung der Mad Max -Filme in ein bestimmtes Genre gestaltet sich nicht so einfach. James Monaco charakterisiert die Filme als "futuristische Western/Road-Phantasien"[2], andere Quellen ordnen es unter Science Fiction, Actionfilm und ähnlichem ein. Ich persönlich halte James Monacos Einschätzung für sehr zutreffend, da der Film trotz der Angabe "in einer nicht allzu fernen Zukunft", die zu Beginn von Mad Max gegeben wird, kaum Elemente des klassischen Science Fiction Films aufweist. Es gibt keine Anzeichen für technischen Fortschritt, alle Elemente des Films (Autos, Gebäude, Kleidung) sind uns auf gewisse Weise bekannt, wenngleich sie auch eigenartig verzerrt wirken. Sicher kann man sagen, dass es sich bei Mad Max auch um ein Road Movie handelt, da Geschichte und Szenerie besonders in den ersten beiden Teilen überwiegend auf der Straße angesiedelt sind und Autos, wie bereits erwähnt, eine dominante Rolle spielen.
Während der erste Mad Max Film als durchschnittlicher Actionfilm charakterisiert werden könnte, finden wir vor allem in The Road Warrior und Mad Max Beyond Thunderdome viele stilistische Elemente des klassischen Westerns. Dazu gehören in erster Linie die ausgiebigen Halbnah- und Nahaufnahmen der Stiefel und Waffen der handelnden Personen, gefolgt von einem vertikalen Schwenk auf den Oberkörper, besonders deutlich beispielsweise zu Beginn von Mad Max Beyond Thunderdome, so dass es aussieht als würde Max soeben zum Showdown à la High Noon in die Stadt reiten (Abbildung 1-3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1[3] (1. Einstellung, Cowboystiefel im staubigen Wüstensand)
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Abbildung 2 (Schwenk auf den Revolver)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 (Übergang in die Totale mit Held im Vordergrund, auf die Stadt blickend)
Auch die Kulisse der Australischen Wüste, die Staubwolken der Fahrzeuge und das Heulen des Windes im Hintergrund bestätigen diesen Eindruck. All das erreicht seinen Höhepunkt in der Schlusssequenz von Mad Max Beyond Thunderdome, wenn die Flucht aus Bartertown mit einer alten Eisenbahn erfolgt und Master plötzlich in einem maßgeschneiderten Anzug im Stil der Jahrhundertwende inklusive Melone und Hebammenkoffer auf der Bildfläche erscheint, während die Kinder im Inneren ein altes Grammophon reaktivieren. Hinzu kommen Slapstick-Elemente in bester Stan Laurel/Oliver Hardy-Manier, wie zum Beispiel, wenn einer der Verfolger mit einer Bratpfanne niedergeschlagen wird und erst die Augen zu einer unglaublichen Grimasse verdreht, bevor er bewusstlos zu Boden fällt. Gerade der letzte der drei Mad Max- Filme ist voll von Anspielungen und ironischen Hinweisen auf andere Filme und Genres, die ich im Rahmen dieser Hausarbeit leider nicht ausführlich beschreiben kann.
1.2. Historischer Hintergrund
Das Problem akuten Benzinmangels und damit verbundener Restriktionen, wie er in Mad Max thematisiert wird, der Kampf um Rohöl und die Raffinerie, welche in The Road Warrior die Grundlage der Gesellschaft bildet, und dann letztendlich die Suche nach alternativen Formen der Energiegewinnung in Mad Max Beyond Thunderdome kommt nicht von ungefähr. Bei all diesen Aspekten können wir einen direkten Bezug zum politischen Kontext der damaligen Zeit feststellen. Vor allem die Ölkrise der siebziger und achtziger Jahre hat hier ganz offensichtlich nachhaltigen Einfluss auf die Arbeit von George Miller genommen. Ich möchte deshalb einen kurzen Abriss dazu geben, wie sich die Situation in dieser Zeit gestaltete.[4]
Anfang der siebziger Jahre versuchten die arabischen Staaten zunehmend, ihre Öllieferungen an die westliche Welt als politisches Machtmittel einzusetzen. Vor allem sollte die Unterstützung Israels durch den Westen geschwächt werden. So wurde gegen die USA und die Niederlande ein Lieferboykott verhängt, was sich selbstverständlich auch auf die übrigen westeuropäischen Staaten niederschlug. So konnte die OPEC (Organization of Petroleum Exporting Countries) unter anderem eine Vervierfachung des Rohölpreises gegenüber 1970 durchsetzen und forcierte außerdem die Verstaatlichung der Ölgewinnung. Die drastischen Erhöhungen hatten natürlich Auswirkungen auf andere Märkte und Wirtschaftszweige, was letztendlich ab 1973/74 zur Weltwirtschaftskrise führte.
Dies brachte die westlichen Industriestaaten dazu, erste Energiesparmaßnahmen (z.B. autofreier Sonntag) einzuführen und die Forschung zur Nutzung "alternativer" Energieressourcen voranzutreiben.
1979/81 kam es dann zur zweiten, ebenfalls politisch motivierten Ölpreiskrise, bei der der Preis für ein Barrel Rohöl auf bis zu 40 US Dollar stieg (1970 kostete ein Barrel 1,40 US Dollar!). Grund hierfür waren vor allem die Iranische Revolution und der Ausbruch des ersten Golfkrieges zwischen Iran und Irak.
Vor allem die Anfangssequenz von The Road Warrior ist nach meiner Auffassung vor diesem Hintergrund zu sehen. Hier wird in besonderem Maße die Rolle wirtschaftlicher Macht in politischen Prozessen und deren Auswirkungen auf den gesamten Lebensprozess deutlich, Dieses Thema existiert unterschwellig in nahezu allen Teilen der Mad Max -Filme , auch wenn es fast nie explizit thematisiert wird.
2. Analyse
In den nachfolgenden Abschnitten werde ich mich detaillierter mit den spezifischen Inhalten der drei Mad Max Filme beschäftigen und die unterschiedlichen Aspekte der dargestellten Gesellschaften näher untersuchen. Der Fokus ist hierbei auf den sozialen Strukturen der Gemeinschaften und den ambivalenten Lebensphilosophien der handelnden Personen.
2.1. „Brennstoffmangel und Höllenjockeys“ – Der Zerfall der Gesellschaftsstrukturen in Mad Max
In diesem Teil möchte ich näher auf meine These eingehen, dass es sich bei Mad Max, im Unterschied zu seinen beiden Fortsetzungen, nicht um ein postapokalyptisches Szenario handelt, sondern eher um eine Vorstufe zu Anarchie, Chaos und Apokalypse. Möglicherweise kann man die gesellschaftliche Situation in Mad Max am ehesten als eine Art "Prä-Apokalypse" bezeichnen.
In filmästhetischer Hinsicht sind es nach meiner Auffassung vor allem die Szenerie und die farbliche Gestaltung des Films, die einen deutlichen Gegenpol zu den beiden Nachfolgern bilden. Zwar spielt Mad Max wie auch seine Nachfolger in Australien, aber nicht wie The Road Warrior und Mad Max Beyond Thunderdome in der Wüste, sondern in einer einigermaßen fruchtbaren Küstenlandschaft mit blauem Wasser und grünen Wäldern. Auch die übrige Ausstattung des Films ist viel farbiger als der zweite und dritte Teil der Trilogie. Die Kleidung der Einwohner der Stadt ist bunt und im gängigen Stil der damaligen Zeit gehalten, Autos und Wohnwagen sind farbenfroh bemalt, auch die Streifenwagen sind in kräftigem Rot, Gelb und Blau gehalten. Selbst die Rockerbande, welche die Straßen der Umgebung unsicher macht, die Höllenjockeys, wie die Polizei sie nennt, weichen optisch nicht besonders von dem Bild ab, das wir allgemein von Motorradgangs haben. Dies wird noch unterstrichen durch die Tatsache, dass ein großer Teil der Bande tatsächlich von einer realen, am Drehort ansässigen, Biker-Gang mit dem Namen „The Vigilantes“ gespielt wird.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4
Bezüglich des Inhalts gilt mein Interesse vor allem dem noch existenten Rechtssystem, wenngleich es sich, wie alles andere auch, im Verfall befindet. Eines der am häufigsten auftauchenden Bildmotive des Films ist das heruntergekommene Eingangsportal der Polizeistation mit der schief hängenden Schrift „Halls of Justice“ (Abbildung 4).
In Anbetracht der Tatsache, dass sowohl der Eingang, als auch die dahinter liegenden Gebäude eher wie eine vor langer Zeit stillgelegte Fabrik anmuten, ist dies nach meiner Auffassung ein deutliches Symbol für die im Untergang befindliche Rechtsordnung. Im Inneren des Hauses sieht es nicht besser aus. Die Räume der Polizeistation sind dreckig und verwahrlost, Bilder hängen schief an der Wand, Scheiben sind eingeschlagen, Schubkästen sind herausgezogen und liegen in der Gegend herum, Papier und Akten sind auf dem Boden verstreut oder in alten Kartons verstaut, überall liegt Müll.
Nichtsdestotrotz gibt es immer noch eine Polizei, die sich, wenngleich sie auch demoralisiert und unterbesetzt ist, nach wie vor mehr oder weniger erfolgreich bemüht, Recht und Ordnung durchzusetzen. Besonders bemerkenswert sind hierbei auch die ständig im Hintergrund ertönenden Durchsagen einer Polizeisprecherin, welche über die neuesten Änderungen und Bestimmungen informiert. So hört man unter anderem, dass nochmals darauf hingewiesen wird, dass Polizisten der illegale Handel mit Brennstoff untersagt ist und das Verbrecher und Verkehrsrowdies in Zukunft nicht mehr mit Gefängnis, sondern der sofortigen Beschlagnahmung ihres Fahrzeuges bestraft werden. Der nach meiner Auffassung zynischste Hinweis ist zu Beginn des Films, als die Stimme im Lautsprecher die wütenden Polizisten darauf hinweist: „Nur mit Disziplin können wir ein erfolgreiches Verkehrsberuhigungssystem aufrecht erhalten“, was angesichts des Chaos' auf den Straßen ziemlich lächerlich erscheint.
Auch Straßenschilder wie „Anarchie Road“ oder das Hinweisschild „High Fatality Road - deaths this year: 57“, welche zu Beginn des Films eingeblendet werden, unterstreichen die eigenartig bedrohliche Wirkung der Straßenszenerie. Eigenartig deshalb, weil es bei genauer Betrachtung des Films viele alltägliche Dinge und Personen gibt, die anscheinend völlig unberührt von dieser Bedrohung der Gesellschaft existieren. Da haben wir zum einen den Polizisten Jimmy Goose, der zu Beginn in einem gewöhnlichen Straßenimbiss sitzt und von seinen Abenteuern erzählt. Zum anderen ist da das Paar, das mit dem Wohnmobil unterwegs ist und sich über alltägliche Kleinigkeiten streitet. Abgesehen vom Mangel an Benzin und Brennstoff scheint es in dieser Gesellschaft keine Knappheit, z.B. bei Lebensmitteln etc., zu geben.
Ebenso scheint die medizinische Versorgung noch zu funktionieren. Es mutet fast ein wenig skurril an, dass trotz der unzähligen Unfallopfer, die immer wieder fast beiläufig gezeigt werden, jederzeit ein Krankenwagen zur Stelle ist und die Versorgung im Hospital, wie in den Szenen mit Max' verbranntem Freund Goose und später mit seiner verunglückten Frau deutlich wird, ist offensichtlich gut und professionell, auch wenn das den betreffenden Personen in diesem Fall nichts mehr nützt.
Als der bei einem Polizeieinsatz verhaftete Johnny the Boy, ein Mitglied der Höllenjockeys, dann auch noch von zwei schmierigen Anwälten aus dem Gefängnis befreit wird, könnte sich einem die zynische Frage aufdrängen, inwiefern sich dieses System von der uns bekannten Realität unterscheidet. Auch der diskrete Hinweis des Polizei Captains Fifi Macaffee, der Jimmy Goose und Max Rockatansky mit den Worten verabschiedet, „solange uns die Anwälte nicht am Arsch haben, könnt ihr machen was ihr wollt“, ändert daran nur wenig.
Im Kontrast dazu stehen anfangs die privaten Aspekte in Max’ Leben. Besonders die Familienidylle, die Max mit seiner Frau und seinem Kind in einer schönen Villa in Strandnähe, umgeben von idyllischem Grün, genießt, hinterlässt bei mir den Eindruck einer heilen Welt, welcher der Zerfall außerhalb nichts anhaben kann. Die Wohnung ist gemütlich eingerichtet in vielen warmen freundlichen Farben, abends spielt seine Frau Saxophon und die beiden genießen ihre gemeinsame Zeit. Außerdem läuft im Hintergrund ein Fernseher, in dem sich Max und seine Frau die neuesten Berichte der letzten Polizeieinsätze ansehen. Offen
sichtlich scheinen auch die medialen Strukturen dieser im Untergang begriffenen Zivilisation noch vorhanden zu sein.
Hinweise auf eine Bedrohung innerhalb der Gesellschaft gibt uns die Festlegung einer Sperrstunde mit dem Hinweis, jede Person sofort zu verhaften, die sich nach der angegebenen Zeit noch auf der Straße befindet. Auch der fast teilnahmslose Umgang mit den Unfalltoten, etwa wenn Fifi Macaffee angesichts eines nächtlichen Crashs gegenüber Max trocken feststellt „Der Mann mit der Sense ist ganz schön emsig heut' Nacht“, wirkt sehr kalt und bedrohlich. Während dieser Zeit amüsiert sich ihr Kollege Goose im Übrigen in einem gewöhnlichen Nachtclub, wo ungeachtet der gesellschaftlichen Probleme gesungen, getanzt und getrunken wird.
Da der Film vermutlich nicht primär den Anspruch hat, tiefsinnig gesellschaftskritisch zu sein, gibt es auch innerhalb der Dialoge wenig Hinweise und kritische Äußerungen zum Umfeld und zur politischen Situation des Landes. Jede Person scheint bestrebt, für sich selbst zurechtzukommen und seinen persönlichen Frieden zu finden.
Eine Schlüsselstelle des Films ist daher das Gespräch zwischen Max und seinem Vorgesetzten Fifi Macaffee. Nach dem Tod seines Freundes und Kollegen ist Max soweit demoralisiert und schockiert, dass er sich entschließt, den Dienst zu quittieren. Sein Chef aber hat andere Pläne mit ihm. Schon zu Beginn des Filmes erwähnt er an einer Stelle, dass in dieser Gesellschaft niemand mehr daran glaubt, dass es noch Helden gibt. Er möchte gerne das Gegenteil beweisen und zwar in Gestalt von Max Rockatansky. In dem Gespräch, das die beiden miteinander führen, wird außerdem deutlich, wie sehr mit einem zunehmenden Verfall sozialer Strukturen auch das Schema von Gut und Böse verschwimmt. Auf die Frage nach dem Grund seiner Kündigung antwortet Max, er habe Angst. Und zwar nicht vor der Gefahr draußen auf der Straße, sondern weil er festgestellt hat, dass „dieser Teufelszirkus da draußen“ anfängt, ihm zu gefallen. „Noch eine Zeitlang da draußen auf den Straßen und ich bin so wie die, […] ein unheilbar Wahnsinniger. Nur weil ich 'ne Bronzeplakette trage, bin ich einer von den Guten“. Hier bringt Max die vermeintlichen Unterschiede von Polizei und Straßenbanden deutlich auf den Punkt, denn in ihrer Methodik sind sie kaum noch zu differenzieren. Allerdings zeigt sich im weiteren Verlauf deutlich, dass Max schon zu sehr in das „moralische“ Gefüge der untergehenden Gesellschaft integriert ist, als das er noch in der Lage wäre, daraus zu entfliehen. Dies ist auch seinem Vorgesetzten klar, und zwar schon bevor Max auf der Straße seine Familie verliert, und so ruft er ihm zum Abschied schicksalsträchtig zu: „Du wirst wiederkommen, Rockatansky. Du hängst am Hacken, und das weißt du!“ Diese Tatsache wird uns als Zuschauer schmerzlich bewusst, als der vermeintlich „gute Held“ des Films in der letzten Szene Johnny the Boy, der als Mitglied der Biker-Gang für den Tod seines Partners Goose verantwortlich war, auf brutale Weise und mit beängstigender emotionaler Gleichgültigkeit an ein Autowrack fesselt und in die Luft jagt. Hier wird nicht nur das Motiv des „ausgebrannten Einzelgängers“, wie es sich in The Road Warrior und Mad Max Beyond Thunderdome darstellt, manifestiert, sondern George Miller bricht an dieser Stelle auch deutlich mit klassischen Filmkonventionen, wie zum Beispiel, dass ein Held selbst in seiner berechtigten Rache immer noch ein Minimum an moralischer Größe und emotionaler Überlegenheit gegenüber den „Bösen“ zu bewahren hat. Diese Unterschiede sind in der prä-apokalyptischen Gesellschaft von Mad Max aufgehoben, das alte Hobbes’sche Gesetz „Homo homini lupus“[5] regiert die Straße. Vielleicht sind „die Guten“ und „die Bösen“ nur mehr an ihren Motivationen zu unterscheiden. Allerdings werden die Beweggründe der Straßengang, die Fifi Macaffee an einer Stelle als Nomadengesindel bezeichnet, im Film kaum thematisiert, was den vermutlich gewollten Eindruck der völligen Sinnlosigkeit und Unberechenbarkeit ihres Handelns hinterlässt. An einer Stelle kommentiert Gangmitglied Bubba Zanetti die Zerstörung des Wagens eines jungen Pärchens schlicht und ironisch mit den Worten: „Vielleicht war’s ein Akt der Befreiung“.
Bei näherer Betrachtung wird jedoch deutlich, dass es sich zumindest bei dem Mord an Goose und dem Angriff auf Max in erster Linie um einen Racheakt für ihr verunglücktes Gangmitglied namens Knightrider handelt, welcher sich in Art und Weise der Durchführung kaum von Max’ späterem „Feldzug“ gegen die Höllenjockeys unterscheidet. So musste ich feststellen, dass die beim ersten Sehen klaren Fronten, mit zunehmender Betrachtung des Films immer unschärfer wurden und ebenso im Zerfall begriffen waren wie das übrige soziale System.
Es gibt noch ein weiteres und nach meiner Auffassung zentrales Element, dass in allen drei Filmen eine große Rolle spielt, aber besonders im ersten Mad Max Film zum Tragen kommt: die Autos. Abgesehen davon, dass der Film vor allem Actionfilmfans durch seine rasanten Verfolgungsjagden und spektakulären Stunts eine Menge zu bieten hat, halte ich es für durchaus interessant, die Rolle der Fahrzeuge im Film und ihre Bedeutung innerhalb der Gesellschaft, näher zu untersuchen.
Die Frage, welche sich mir dabei aufdrängt, ist: Sollten in einem im Untergang begriffenen sozialen System nicht andere Dinge von elementarerer Wichtigkeit sein als ausgerechnet die Frage, ob man Benzin für Autos hat? Nirgends wird, wie ich bereits erwähnt habe, angedeutet, ob und inwieweit sich die Ölkrise, der Mangel an Brennstoffen auch auf andere Lebensbereiche auswirkt, denn wie können ausreichend Nahrungsmittel und anderes produziert werden, wenn nicht genug Treibstoff z.B. für Erntefahrzeuge oder weiterverarbeitende Maschinen vorhanden ist? Es gehört natürlich nicht in den Rahmen dieser Hausarbeit, auf diese Fragen näher einzugehen. Ich möchte daran nur deutlich machen, dass ich es durchaus nicht für selbstverständlich halte, dass sich das Leben und Überleben in einer Gemeinschaft durch Fahrzeuge manifestiert.
Dies ist möglicherweise eine europäische Sichtweise. Vielleicht ist für die Analyse dieser Thematik zu berücksichtigen, dass der Film in Australien stattfindet und von Australiern gedreht wurde. Es ist zu bedenken, dass Fahrzeuge in einer Gegend mit derartigen geographischen Dimensionen, in der öffentliche Verkehrsmittel ein Fremdwort sind, von existentieller Bedeutung sein können.
Aber ich halte nicht nur diese rein praktische Funktion für relevant. Das Auto besitzt nach meiner Auffassung besonders im Film auch eine Eskapismusfunktion, und zwar sowohl wörtlich, als auch im übertragenen Sinne. Zum einen ist da die Möglichkeit, dem Alltag und der Bedrohung der Stadt zu entfliehen, wie Max und Jenny es mit ihrer Fahrt in den Norden zu tun versuchen, zum anderen ist das Auto auch ein Symbol für Unabhängigkeit und Macht.
Ob und inwieweit dieser Stellenwert auch in einer anarchistischen, postapokalyptischen Welt beibehalten wird, werde ich in den folgenden Ausführungen zu The Road Warrior und Mad Max Beyond Thunderdome näher untersuchen.
2.2. „Das Chaos regierte“ – Apokalypse & Anarchie in The Road Warrior
In der Anfangssequenz zu The Road Warrior wird erstmals der geschichtliche und politische Hintergrund deutlich, der bereits den ersten Teil der Mad Max -Trilogie beeinflusst hat. Mein Eindruck war, dass hier im Nachhinein versucht wird zu erklären, worum es im ersten Film eigentlich geht, oder um genauer zu sein, warum die Situation so ist, wie sie in Mad Max gezeigt wurde. Meines Erachtens nach wird die gesellschaftliche Tragweite des ersten Films in dieser Sequenz durch die komprimierte Form, unterlegt mit historischen Bildern, viel extremer beschrieben, als sie in Mad Max tatsächlich deutlich wird.
Wie dem auch sei, im Unterschied zu seinem Vorgänger, gibt es bei The Road Warrior keine Zweifel daran, dass es sich um ein apokalyptisches, beziehungsweise postapokalyptisches Szenario handelt. Erst am Ende des Filmes wird richtig deutlich, dass die Haupthandlung eigentlich die Erinnerungen eines anfangs noch unbekannten Erzählers darstellt und es sich um einen Rückblick handelt, „in jene Tage, als das Chaos regierte und die Träume keine Zukunft hatten, in diesem verwüsteten Land.“ Hierbei wird erst das Schicksal der Menschheit und dann das eines einsamen Helden geschildert, welcher „vor den Dämonen der Vergangenheit in die Wüste floh und dort, wo alle Hoffnungen enden, ein neues Leben fand“. Letzteres ist nicht ganz richtig, da er letztlich doch auf der Strecke bleibt und es ihm nicht vergönnt ist, gemeinsam mit den anderen einen neuen Anfang zu finden.
Wie in der Montagesequenz zu Beginn des Films deutlich wird, haben „zwei mächtige Völker“ gegeneinander Krieg geführt, in einer Welt, „in der das schwarze Gold regierte“ und damit nicht nur sich, sondern auch den Rest der Welt ins Chaos gestürzt. Zu Beginn heißt es: „Sie entfachten ein Feuer, das sie alle verschlingen sollte.“
Dabei zeigt sich, wie oft politische Entscheidungen getroffen werden, ohne auch nur im Entferntesten die Konsequenzen, nicht nur anderen sondern auch sich selbst gegenüber, zu berücksichtigen. Nach dem alten Motto „Nach uns die Sinnflut!“ wurde das Ende der Menschheit heraufbeschworen. Denn das Versiegen der Erdölvorräte führte zum völligen Zusammenbruch der Städte und der gesamten Zivilisation, denn nun war der Gesellschaft ihre Existenzgrundlage entzogen und die Menschen mussten feststellen, dass sie „auf Sand gebaut“ hatten. „Ohne das schwarze Gold waren sie nichts.“, bringt es der Erzähler auf den Punkt.
An dieser Stelle kommen die zeitgeschichtlichen Hintergründe, die ich in der Einleitung kurz erläutert habe, meiner Ansicht nach besonders zum Tragen. Es ist durchaus denkbar, dass es sich bei den verwendeten Bildeinschnitten um reale politische Debatten der damaligen Zeit handelt, auch wenn diese möglicherweise in einem anderen Kontext stehen. Gerade dadurch wird aber auch deutlich, wie austauschbar und schwerfällig staatspolitische Prozesse mitunter sind und oftmals von den aktuellen Entwicklungen überrollt werden. So wird gesagt: „als es nichts mehr zu fördern gab, als die donnernden Maschinen schwiegen, setzten sich ihre Führer zusammen und redeten und redeten. Aber nichts konnte die Lawine aufhalten. Ihre Welt zerbrach. Die Städte explodierten, plündernde Horden zogen über Land und ein Feuersturm der Angst erfasste alle“. Die Welt war dem Untergang geweiht und es gab keine Möglichkeit, sich diesem Untergang zu entziehen. „Nur wer noch fliehen konnte, oder brutal genug war zu rauben und zu brandschatzen, hatte eine Chance zu überleben.“ An diesen Alternativen zeigt sich die philosophische Idee, dass eine Gesellschaft bei dem Verlust ihrer rechtlichen Konventionen und Strukturen immer wieder in einen natürlichen Urzustand zurückfällt, welcher nach Auffassung des englischen Philosophen Thomas Hobbes der Krieg gewesen ist, und zwar der „Krieg aller gegen alle (bellum omium contra omnes)“.[6]
Denn sobald die Voraussetzung für den so genannten „Gesellschaftsvertrag“ verworfen werden - nämlich, dass „jeder mit jedem anderen sich verpflichtet, dem Willen des einen, dem er sich unterworfen hat, keinen Widerstand zu leisten“ - und der Mensch wieder beginnt, sich egoistisch zu verhalten und alle Mittel anwendet sich zu erhalten, werden auch sämtliche moralische und ethische Normen einer Zivilisation außer Kraft gesetzt.[7] Dies gilt auch in der postapokalyptischen Welt von The Road Warrior, wie der Erzähler zu Beginn beschreibt: „In diesem Sog des allgemeinen Verfalls ging jeder Mensch mit Moral unter.“
Dies gilt in gewisser Hinsicht auch für unseren „Helden“ Max Rockatansky, der die Verbindung zum ersten Film herstellt und dessen moralischer Verfall uns bereits am Ende von Mad Max angedeutet wurde.[8] Nach dem schmerzlichen Verlust seiner Familie fährt er nun ziellos durch die Wüste, ein „ausgebrannter Einzelgänger“, wie ihn der Erzähler in der Anfangssequenz charakterisiert, ständig auf der Suche nach Benzin und wird dabei letztendlich, mehr oder weniger ungewollt, doch wieder zum Helden. Wie ich bei meinen Ausführungen zum Genre bereits dargelegt habe, lassen sich in den Mad Max Filmen viele Parallelen zum Western ziehen. Dies gilt nicht nur für die Ästhetik der Filme. Die Rolle des Max’, dem der Erzähler den Titel „der Vollstrecker“ zusetzt, entspricht in gewisser Hinsicht einem klassischen Charakter des Westerns, dem so genannten „Lone Rider“. Im Prinzip tut Max in The Road Warrior nichts anderes, als in eine Stadt „zu reiten“, ein paar Menschen zu helfen und dann einsam weiter zuziehen, zu ausgebrannt und deshalb unfähig, sich an eine Gemeinschaft zu binden oder sesshaft zu werden.
[...]
[1] Siehe: Engelmeier, Das Buch vom Film (1996)
[2] Film verstehen, S. 392
[3] Alle Graphiken in dieser Arbeit wurden von mir auf Basis der entsprechenden Filme angefertigt und stellen grobe Skizzen dar, welche sich auf die relevanten Aspekte der jeweiligen Einstellung konzentrieren.
[4] Ich beziehe mich hier auf: Schlaglichter der Weltgeschichte, S. 519 – 521
[5] Siehe: Thomas Hobbes. De Cive. Widmung.
[6] Leviathan, Kap. 13
[7] ebd.
[8] Siehe Ausführung oben
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