Der didaktische Schwerpunkt der heutigen Stunde besteht darin, den Schülern durch die Erarbeitung und Diskussion unterschiedlicher umweltpolitischer Instrumente auf-zuzeigen, dass es nicht nur darum geht, ein bestimmtes Umweltziel, wie z.B. Reduktion der Feinstaubbelastung, zu erreichen. Vielmehr soll ihnen bewusst werden, dass jede Maßnahme direkte oder indirekte ökonomische Konsequenzen auf verschiedene Akteure ausübt. Positive ökonomische Konsequenzen sind durch eine Verringerung der Schadstoffbelastung im Gesundheitsbereich zu erwarten. Diesen positiven Wirkungen stehen jedoch Kosten der einzelnen Maßnahme gegenüber. Bei der Einführung einer City-Maut würden zwar die Innenstadtstraßen entlastet, aber die Einzelhändler müssten mit einem Kundenrückgang rechnen und hätten damit negative finanzielle Konsequenzen in Form von Umsatzeinbußen zu tragen. Die fachliche Auseinandersetzung mit diesen Instrumenten soll dazu beitragen, dass die Schüler für die Bedeutung der Nachhaltigkeit sensibilisiert werden. Nachhaltiges Handeln zeigt sich in dieser Stunde auf der Ebene der sozialen Verantwortung, indem verschiedene Interessensvertreter in einer offenen Diskussion das gegenseitige Verständnis fördern.
1. Angaben zur Lerngruppe
1.1 Lerngruppenzusammensetzung
Bei der 04ET1 handelt es sich um eine Unterstufenklasse des Ausbildungsberufes Kauffrau/Kaufmann im Einzelhandel mit 13 Schülerinnen und 11 Schülern im Alter von 17 bis 26 Jahren. Neben 20 deutschen Schülern[1] bilden 4 türkische Schüler die Klassengemeinschaft. Partner der Berufsausbildung sind unter anderem Aldi, Bauhaus, Sport-Scheck, Galeria Kaufhof und Sinn & Leffers. Somit sind die beruflichen Handlungsfelder der Auszubildenden sehr vielfältig.
1.2 Besonderheiten der Lerngruppe
Die schulische Vorbildung in der Klasse ist, wie aus der nachfolgenden Übersicht entnommen werden kann, als heterogen zu bezeichnen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der jetzigen Klassenkonstellation können sechs Leistungsträger und fünf sehr schwache Schüler wahrgenommen werden. Die Defizite der schwächeren Schüler liegen insbesondere im sprachlichen Bereich. Besonders auffällig in diesem Zusammenhang sind zwei türkische Schüler, denen selbst die Grundkenntnisse der deutschen Sprache fehlen, so dass sie die fachlichen Anforderungen des Unterrichts nicht erfüllen können. Außerdem ist die Motivation dieser beiden Schüler nicht sehr groß, da sie in den Ferien den elterlichen Betrieb (Aldim-Supermarkt) aufgeben und in die Türkei zurückkehren wollen. Weiterhin ist wahrzunehmen, dass bis auf wenige Ausnahmen alle Schüler einen enormen Redebedarf haben. Daraus resultiert, dass die Schüler sehr viele mündliche Beiträge in den Unterricht einbringen und die Lernatmosphäre als äußerst lebendig und kollegial bezeichnet werden kann. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Schüler eine Klassenfahrt initiiert haben, die an dem Wochenende vor der heutigen Unterrichtsstunde stattgefunden hat. Da ich die Gelegenheit hatte, diese Klassenfahrt nach Berlin mitzuorganisieren und daran teilzunehmen, konnte mein positives Verhältnis zur Klasse verstärkt werden.
Die Lerngruppe ist mir im Rahmen der Hospitation seit Mitte Februar mit zwei Stunden in der Woche in dem Fach „Wirtschaftsund Sozialprozesse“ bekannt. Seit Anfang Juni bin ich in der Klasse für die Unterrichtsreihe „Ökologische und ökonomische Zielsetzungen“ mit zwei Stunden in der Woche verantwortlich. Meine Unterrichtserfahrungen sind sehr positiv, da ich von der Klasse in meiner Rolle als Lehrperson akzeptiert werde.
1.3 Ausprägungen der Kompetenzbereiche in der Lerngruppe
- Fachkompetenz
Im Umgang mit betriebswirtschaftlichen Sachverhalten zeigen die meisten Schüler ein durchschnittliches Leistungsniveau. Die Schüler sind in der Lage, den Einzelhandel in der Gesamtwirtschaft einzuordnen und betriebswirtschaftliche Problemstellungen wie z.B. Standortwahl, Sortimentsgestaltung sowie ökonomische Prinzipien nachzuvollziehen und Lösungsansätze zu formulieren. Einigen Lernenden fällt es schwer, fachbezogen zu argumentieren und ihre Kenntnisse fallorientiert einzusetzen.
- Sprachkompetenz
Obwohl die meisten Schüler keine sprachlichen Hemmungen zeigen, sind insbesondere in Phasen, in denen der Schwerpunkt auf der Argumentation liegt, Sprachdefizite wahrzunehmen. Zudem fällt es einigen Schülern sehr schwer, aus vorgegebenen Texten die prägnanten Kernaussagen herauszufiltern und die wesentlichen Punkte in einem Fazit herauszustellen.
- Lernund Methodenkompetenz
Die Schüler haben von Beginn des Schuljahres an viel Erfahrungen in der selbständigen Erarbeitung fachlicher Inhalte in Gruppenarbeitsphasen sammeln können. Die Metaplan-Technik, Rollenspiele und Diskussionsrunden sind den Schülern bekannt. In der vorherigen Stunde wurden gemeinsam mit den Schülern Diskussionsregeln erarbeitet. Es macht den Schülern keine Schwierigkeiten, in der Gruppe zu arbeiten und sich gegebenenfalls im Team auch durchzusetzen. Ebenso haben die Lernenden keine Hemmungen, Ergebnisse vor dem Plenum zu präsentieren und ihren Standpunkt zu vertreten. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Argumentationstechnik z.B. durch eine strukturiertere Vorgehensweise noch verbessert werden könnte.
- Sozialkompetenz
Die enorme Schüleraktivität und das aufgeschlossene Schülerverhalten sind wesentliche Merkmale der Klasse. Das hohe Mitteilungsbedürfnis der Schüler führt zu lebhaften Unterrichtsgesprächen und zu kritischen Diskussionen der Unterrichtsthemen. Aufgrund des hohen Redebedarfes kommt es vereinzelnd zu Privatgesprächen, die aber durch direkte Ansprache unterbunden werden können.
2. Didaktische Entscheidungen und ihre Begründungen
2.1 Vorgaben der Richtlinien / Legitimation des Themas
Seit dem Schuljahr 2004/2005 ist in der Berufsschule für den Ausbildungsberuf Kauffrau/Kaufmann im Einzelhandel erstmals ein Rahmenlehrplan wirksam geworden, der nach dem Lernfeld-Konzept strukturiert ist. In diesem sind die Inhalte der heutigen Stunde im Lernfeld 1 „Das Einzelhandelsunternehmen repräsentieren“ als Thema für das 1. Ausbildungsjahr vorgesehen. In der Zielformulierung des Rahmenlehrplanes heißt es: „Sie erläutern das Unternehmensleitbild, die ökonomischen und ökologischen Zielsetzungen sowie die gesamtgesellschaftlichen Verantwortungen des Unternehmens. (...) Bei der Erstellung der Präsentation bearbeiten sie Aufgabenstellungen selbstständig in der Gruppe und wenden problemlösende Methoden an.“[2] Die didaktische Jahresplanung des Robert-Schuman-Berufskollegs sieht in der Unterstufe die Behandlung des Unterrichtsthemas „Nachhaltigkeit“ für das 1. Ausbildungsjahr im Fach „Wirtschafts- und Sozialprozesse“ vor.
2.2 Einbettung des Themas in den unterrichtlichen Kontext
In der nachfolgenden Übersicht wird die heutige Unterrichtstunde im Zusammenhang mit der Unterrichtsreihe dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3 Hauptintention
Der didaktische Schwerpunkt der heutigen Stunde besteht darin, den Schülern durch die Erarbeitung und Diskussion unterschiedlicher umweltpolitischer Instrumente aufzuzeigen, dass es nicht nur darum geht, ein bestimmtes Umweltziel, wie z.B. Reduktion der Feinstaubbelastung, zu erreichen. Vielmehr soll ihnen bewusst werden, dass jede Maßnahme direkte oder indirekte ökonomische Konsequenzen auf verschiedene Akteure ausübt. Positive ökonomische Konsequenzen sind durch eine Verringerung der Schadstoffbelastung im Gesundheitsbereich zu erwarten. Diesen positiven Wirkungen stehen jedoch Kosten der einzelnen Maßnahme gegenüber. Bei der Einführung einer City-Maut würden zwar die Innenstadtstraßen entlastet, aber die Einzelhändler müssten mit einem Kundenrückgang rechnen und hätten damit negative finanzielle Konsequenzen in Form von Umsatzeinbußen zu tragen. Die fachliche Auseinandersetzung mit diesen Instrumenten soll dazu beitragen, dass die Schüler für die Bedeutung der Nachhaltigkeit sensibilisiert werden. Nachhaltiges Handeln zeigt sich in dieser Stunde auf der Ebene der sozialen Verantwortung, indem verschiedene Interessensvertreter in einer offenen Diskussion das gegenseitige Verständnis fördern.
2.4 Didaktische Transformation
Die umfassende Thematik der heutigen Stunde verlangt nach einer didaktischen Reduktion. In der heutigen Stunde lernen die Schüler aus der Fülle von Maßnahmen zur Feinstaubreduzierung nur einen Ausschnitt der möglichen Maßnahmen kennen. Dabei werden in den Textkästen die Maßnahmen fokussiert, die in der öffentlichen Diskussion eine größere Rolle spielen. Obwohl in der Podiumsdiskussion lediglich zwei Maßnahmen erörtert werden sollen, ist es den Schülern darüber hinaus möglich, während der Diskussionsrunde weitere umweltpolitische Vorschläge zum Thema Feinstaub zu formulieren. Weiterhin werden die Funktionsweisen einzelner Maß- nahmen, wie z.B. eines Rußpartikelfilters oder der City-Maut aus Zeitgründen in der heutigen Stunde nicht thematisiert. Da eine Auseinandersetzung mit weiteren Informationen zur EU-Richtlinie, der Agenda 21 oder dem Kyoto-Abkommen die Lehrund Lernkapazität der Schüler überschreiten würde, werden diese Zusammenhänge in der heutigen Stunde nicht thematisiert. In Ansprache mit dem Politiklehrer werden diese Inhalte in dem Fach Politik aufgegriffen.
Mit dieser Unterrichtseinheit werden folgende Unterrichtsprinzipien berücksichtigt:[3]
- Prinzip der Gegenwarts-/Zukunftsbedeutung: Eine hohe Konzentration von Feinstaub hat für den Bürger vor allem gesundheitliche Konsequenzen. Nur wenn Maßnahmen zur Feinstaubreduzierung umgesetzt werden, können die vorgegebenen Grenzwerte in Zukunft deutlich unterschritten werden. Die einzelnen Maßnahmen können aber eine negative Auswirkung auf den innerstädtischen Einzelhandel haben, so dass durch den Trend zu anderen Standorten außerhalb der Städte zahlreiche Arbeitsplätze im Einzelhandel gefährdet wä- ren.
- Prinzip der Zugänglichkeit: Durch den lokalen Bezug der Feinstaubbelas-
tung auf der Gladbecker Straße in Essen sollen die Schüler einen persönlichen Bezug zur Thematik herstellen. Dies soll dazu dienen, an die Vorerfahrungen der Schüler anzuknüpfen und von davon ausgehend die fachlichen Inhalte der heutigen Stunde handlungsorientiert zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang stehen den Schülern um Redundanzen gekürzte Zeitungsartikel aus der regionalen Presse zur Verfügung.
- Prinzip der Exemplarität: Durch das Beispiel der Luftverschmutzung sollen
die Schüler für das Prinzip der Nachhaltigkeit sensibilisiert werden. Das eigene Verhalten hinsichtlich der Benutzung eines PKW soll reflektiert werden.
- Prinzip der Sachstruktur: Durch das Erarbeiten und Beurteilen ausgewählter Maßnahmen zur Reduzierung der Feinstaubbelastung wird der Zielkonflikt zwischen der ökonomischen und ökologischen Sichtweise verdeutlicht. Die Nachhaltigkeit kann dabei als Prinzip herausgestellt werden, in dem beide E- benen Berücksichtigung finden.
2.5 Ganzheitliche Betrachtung des Unterrichtsstoffes
Der Lehrbzw. Lernstoff umfasst folgende Schichtungen und Querverbindungen zu Nachbardisziplinen:
- Betriebswirtschaftliche Schicht: Die einzelnen Maßnahmen ziehen direkte und indirekte wirtschaftliche Konsequenzen nach sich (vgl. 2.3). So müssen die deutschen Automobilhersteller zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit durch schnelle Anpassung an veränderte umweltpolitische Bedingungen reagieren (z.B. durch die serienmäßige Ausrüstung ihrer gesamten Modellpalette mit den Partikelfiltern).
- Rechtliche Schicht: Seit Beginn des Jahres 2005 gilt in Deutschland die EU- Richtlinie zur Luftreinhaltung. Nach dieser dürfen pro Tag nur noch höchstens 50 Mikrogramm Feinstaubpartikel pro Kubikmeter Luft erreicht werden. Dieser Wert darf an nicht mehr als 35 Tagen pro Jahr überschritten werden. Ansonsten drohen hohe Geldstrafen.
- Historische Schicht: Bereits 1996 verabschiedete der Europäische Rat die “Luftqualitätsrahmenrichtlinie“ mit dem Ziel, die Verschmutzung der Atemluft durch giftige Abgase zu entschärfen. Die am 01.01.2005 in Kraft getretene EU-Richtlinie für Feinstaub ist bereits 1999 im Bundesrat und Bundestag verabschiedet worden.
- Ethische Schicht: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat ermittelt, dass die Konzentration von Feinstaub, die sich zur Zeit in Deutschland findet, statistisch gesehen eine Verkürzung der durchschnittlichen Lebenserwartung von 10,2 Monaten verursachen kann. Jährlich sterben in Deutschland 65.000 Menschen an Feinstaub.
- Volkswirtschaftliche Schicht: Der Einzelhandel und die Automobilindustrie sind wichtige Branchen in Deutschland, von denen viele Arbeitsplätze abhängen. Zudem stellen die Behandlungen der gesundheitlichen Auswirkungen der Feinstaubbelastung eine zusätzliche Belastung für die Krankenkassen dar.
3. Methodische und mediale Entscheidungen und ihre Begründungen
Als Einstiegsmotivation dient ein Zeitungsartikel zur Feinstaubbelastung auf der Gladbecker Straße in Essen. Durch den regionalen Bezug soll das Interesse der Schüler für die Thematik geweckt werden. In einem Unterrichtsgespräch soll geklärt werden, was unter Feinstaub zu verstehen ist und warum Maßnahmen zur Reduzierung notwendig sind. In dieser Phase erhalten die Schüler die Möglichkeit, ihr Vorwissen und ihre Meinung zum Thema zu verbalisieren.
Im Anschluss erhalten die Schüler ein Arbeitsheft, bestehend aus einem Zeitungsartikel, einem Diagramm und verschiedenen Stellungnahmen zur Feinstaubproblematik. In dieser Erarbeitungsphase analysieren die Schüler, welche umweltpolitischen Maßnahmen zur Feinstaubreduzierung derzeit in der Diskussion sind und welche wirtschaftlichen Konsequenzen mit der jeweiligen Maßnahme verbunden sind. Der hohe fachliche Anspruch und der Materialumfang waren wesentliche Gründe für die Wahl der Gruppenarbeit als Sozialform. Insgesamt bearbeiten sechs Kleingruppen die Aufgabenstellung aus drei verschiedenen Sichtweisen[4], so dass immer zwei Kleingruppen die gleichen Interessen vertreten. Nach dem Prinzip der Schneeballmethode bearbeiten die Kleingruppen in einem ersten Schritt die Aufgabenstellung alleine und suchen dann in einem zweiten Schritt ihre Partnergruppe, um sich mit dieser gemeinsam auf die Podiumsdiskussion vorzubereiten. Durch diese Methode wird gesichert, dass viele unterschiedliche Argumentationspunkte zusammengetra gen werden und jeder Schüler seinen Teil zunächst in der Kleingruppe und dann zum Gesamtergebnis beitragen kann.
[...]
[1] Zur Vereinfachung des Leseflusses sind mit der Bezeichnung Schüler im laufenden Text Schülerinnen und Schüler gleichermaßen gemeint.
[2] KMK-Rahmenlehrplan für den Ausbildungsberuf Verkäufer/Verkäuferin und Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 29.01.2004, S. 9.
[3] In Anlehnung an Klafki 1962; die fünf Grundfragen der Didaktik
[4] Folgende Sichtweisen werden berücksichtigt:
- Wirtschaftsvertreter
- Bürgerinitiative und
- Gesundheitsund Umweltbeauftragte
-
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