Während der klassischen Zeit erreichte Athen seine größte Machtentfaltung und war das geistige und kulturelle Zentrum Griechenlands. Die Attische Demokratie entwickelte ihre vollständige Ausprägung und sicherte allen Vollbürgern, unabhängig vom Einkommen, eine gleichberechtigte Beteiligung am Prozess der öffentlichen Entscheidungen. Ausgeschlossen davon waren jedoch Sklaven, Metöken und Frauen. Gerade im Vergleich zu den politischen Möglichkeiten, die den männlichen Bürgern im klassischen Athen offen standen, wirkt die Situation der Frauen besonders einschränkend und benachteiligend.
In der Frage nach dem Leben einer Frau im klassischen Athen hat sich lange die These der „orientalischen Abgeschlossenheit“ gehalten. Schon Nepos berichtet: „[S]ie verlässt kaum je den inneren Teil des Hauses, Frauengemach genannt, den außer den nächsten Familienangehörigen niemand betreten darf“. Auch wenn diese These vor allem in der älteren Forschungsliteratur auftrat, wurde sie immer wieder bis in unsere Zeit von Historikern übernommen.
In der vorliegend Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, welche Stellung die Frau im klassischen Athen hatte. Was für ein Leben führte sie und welche Erwartungen wurden an sie gestellt? Inwiefern unterschied sich das Leben von Frauen aus unterschiedlichen Schichten? Der Schwerpunkt soll hier allerdings vor allem auf freie Frauen mit a-thenischem Bürgerrecht liegen, da die Quellenlage für Fremde und Sklavinnen wenig ergiebig ist.
Insgesamt ist die Quellenlage zum Leben von Frauen im klassischen Athen mäßig. Es gibt kaum Quellen, die Einblicke in individuelle Situationen einzelner Personen vermitteln. Dies gilt vor allem für Frauen, da keine literarische Werke erhalten sind, die sich an Frauen richten oder von Frauen verfasst wurden. Daher muss berücksichtigt werden, dass diese Quellen den Blickwinkel der männlichen Perspektive wiedergeben. Wenn sich auch nicht mehr eindeutig feststellen lässt, wie Frauen gedacht und gelebt haben, so bieten die Quellen zumindest einen Einblick in die Ansprüche, die an Frauen gestellt wurden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Demographische Aspekte
3. Das Bild der Frau im klassischen Athen
4. Rechtliche Aspekte
5. Kindheit und Erziehung
6. Hochzeit, Ehe und Sexualität
7. Tätigkeiten von Frauen
7.1. Ein Leben vor allem im Hause
7.2. Erwerbstätige Frauen
7.2.1. Prostitution
8. Frauen in der Öffentlichkeit
9. Fazit
10. Quellen- und Literaturverzeichnis
10.1. Quellen
10.2. Literatur
1. Einleitung
Während der klassischen Zeit erreichte Athen seine größte Machtentfaltung und war das geistige und kulturelle Zentrum Griechenlands. Die Attische Demokratie entwickelte ihre vollständige Ausprägung und sicherte allen Vollbürgern, unabhängig vom Einkommen, eine gleichberechtigte Beteiligung am Prozess der öffentlichen Entscheidungen. Ausgeschlossen davon waren jedoch Sklaven, Metöken und Frauen. Gerade im Vergleich zu den politischen Möglichkeiten, die den männlichen Bürgern im klassischen Athen offen standen, wirkt die Situation der Frauen besonders einschränkend und benachteiligend.
In der Frage nach dem Leben einer Frau im klassischen Athen hat sich lange die These der „orientalischen Abgeschlossenheit“ gehalten.[1] Schon Nepos berichtet: „[S]ie verlässt kaum je den inneren Teil des Hauses, Frauengemach genannt, den außer den nächsten Familienangehörigen niemand betreten darf“.[2] Auch wenn diese These vor allem in der älteren Forschungsliteratur auftrat, wurde sie immer wieder bis in unsere Zeit von Historikern übernommen.[3]
In der vorliegend Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, welche Stellung die Frau im klassischen Athen hatte. Was für ein Leben führte sie und welche Erwartungen wurden an sie gestellt? Inwiefern unterschied sich das Leben von Frauen aus unterschiedlichen Schichten? Der Schwerpunkt soll hier allerdings vor allem auf freie Frauen mit athenischem Bürgerrecht liegen, da die Quellenlage für Fremde und Sklavinnen wenig ergiebig ist.
Insgesamt ist die Quellenlage zum Leben von Frauen im klassischen Athen mäßig.[4] Es gibt kaum Quellen, die Einblicke in individuelle Situationen einzelner Personen vermitteln. Dies gilt vor allem für Frauen, da keine literarische Werke erhalten sind, die sich an Frauen richten oder von Frauen verfasst wurden. Daher muss berücksichtigt werden, dass diese Quellen den Blickwinkel der männlichen Perspektive wiedergeben. Wenn sich auch nicht mehr eindeutig feststellen lässt, wie Frauen gedacht und gelebt haben, so bieten die Quellen zumindest einen Einblick in die Ansprüche, die an Frauen gestellt wurden. Wichtige Quellen sind kunstgeschichtliche Monumente und die literarischen Überlieferungen, wobei vor allem letztere der Steuerung und Phantasie des Autors unterliegen. Die Komödien liefern Einblicke ins Leben von Frauen, und insbesondere auch von einfachen Frauen, jedoch als durchaus überzogene und überspitzte Darstellungen. Patzek betont, dass auch andere Quellen, zum Beispiel archäologische, epigraphische, papyrologische und numismatische, die eine wichtige Rolle zur Rekonstruktion des Alltagslebens spielen, nicht „authentisch“ die realen Lebensbedingen wiedergeben. Auch sie sind „je nach ihrer Art stilisiert“ und „erzählen von Normen“.[5]
2. Demographische Aspekte
Die Lebenserwartung von Frauen im klassischen Athen, die unter anderem von J. Lawrence Angel durch Knochenüberreste untersucht wurde, war wesentlich geringer als die der Männer.[6] Diverse Untersuchungen kommen zu abweichenden Werten, aber sie stimmen alle darin überein, dass Frauen im Schnitt fünf bis zehn Jahre früher starben als Männer.[7] Pomeroy sieht eine Erklärung in dem zahlenmäßigen Übergewicht der Männer bei der Athener Bevölkerung. Neben dem Faktor Krieg, der zu bestimmten Zeiten die Zahl der Männer verringerte, geht sie davon aus, dass in gewissem Umfang Kinder getötet wurden, um in Friedenszeiten die Bevölkerung zu begrenzen. Dabei habe man sich laut Pomeroy „mehr weiblicher als männlicher Kleinkinder entledigt“.[8] Nach Pomeroy müsste man die zahl der der Jungen zu den Mädchen im Verhältnis fünf zu eins ansetzen,[9] jedoch gibt sie zu bedenken, dass die Nichterwähnung von Mädchen bei der Aufzählung von Kindern nicht unbedingt ein Nichtvorhandensein bezeuge, sondern auch ein Zeichen von Nichterwähnungswürdigkeit seien könnte. Trotzdem hätten die statistischen Daten eine gewisse Aussagekraft.[10]
Wichtig bei diesem Aspekt ist auch, dass die Sterblichkeitsrate von Frauen im gebärfähigen Alter anstieg. Die Geburten waren schwer und risikoreich. Es sind mehrere klassische Reliefplastiken erhalten, die Frauen darstellen, die im Wochenbett gestorben sind.[11] Euripides’ Medea äußert sogar, „Dreimal möchte ich mich lieber stellen in Reih und Glied als einmal nur ein Kind gebären!“[12]
Laut Pomeroy kam, neben den frühen Geburten und den unhygienischen Verhältnissen in den Häusern, hinzu, dass Frauen und Mädchen mangelhafter als Männer und Söhne ernährt wurden. Diese schlechteren Zustände wurden auch von einigen griechischen Autoren beschrieben und kritisiert, unter anderem von Plutarch, Aristoteles oder Platon, die für spätere Heiraten und Schwangerschaften plädierten, da die Frauen dann in einer besseren körperlichen Verfassung seien. Xenophon lobt die spartanischen Bräuche, da dort Töchter genau so gut ernährt wurden wie Söhne. Für körperliche Ertüchtigung der Frauen sprachen sich sowohl Xenophon als Aristoteles aus. Alle Autoren führten an, dass die spartanischen Bräuche den Frauen zuträglicher seien.[13]
Ein Gesetz Solons, welches Frauen über 60 Jahre den Besuch von Beerdigungen erlaubte, auch wenn sie keine Verwandten waren, lässt darauf schließen, dass zumindest einige Frauen ein hohes Alter erreichten.[14]
3. Das Bild der Frau im klassischen Athen
„Wir haben die Hetären wegen des Vergnügens, die Konkubinen für die täglichen Dienste an unserem Körper und die Ehefrauen, um eheliche Kinder zu machen und um einen vertrauenswürdigen Hüter der Dinge drinnen zu haben.“[15]
Mit solch plakativer Kategorisierung unterteilt Demosthenes Frauen in drei verschiedene Gruppen. Die Vorstellung der idealen Frau ist bei der Mehrheit der Dichter und Schriftsteller recht deutlich. Sie soll schön, begabt, attraktiv, großgewachsen, fleißig, fruchtbar, mit einer lieblichen Stimme versehen und intelligent sein,[16] vor allem, um den Haushalt gut zu führen.[17] Ebenso soll die Frau tugendsam, bescheiden, passiv, unterwürfig, still und unsichtbar sein.[18] Die vom Mann erwarteten Eigenschaften standen dazu im Gegensatz.[19]
Ein wesentlicher Aspekt des Frauenideals war, dass Frauen in der Öffentlichkeit wenig in Erscheinung treten und von ihnen kaum gesprochen werden sollte, weder im Guten noch im Schlechten.[20] Es ist paradox, dass dieser Ausspruch gerade von Perikles kommt, der mit Aspasia zusammen lebte, von der ziemlich viel gesprochen wurde, sowohl im guten, wie im schlechten. Sie war jedoch eine Hetäre und das zeigt, dass diese von dieser erwarteten Tugend ausgeschlossen waren.[21] Es handelte sich dabei wohl eher um ein Ideal, das von vornehmen Frauen erwartet wurde.
Die Qualitäten, die man von einer Frau erwartete, standen im Kontrast zu der Vorstellung ihrer wahren Natur. Frauen seien unfähig gewesen, ihren unstillbaren sexuellen Appetit zu zügeln. Ihrer Sinnlichkeit wurde die subversive Macht zugeschrieben, Männer, Familie und die Gesellschaft zu zerstören. Jede Frau hatte darum danach zu streben ihre angeborene Natur zu überwinden.[22] Laut Reeder wurde die biologische und physiologische Struktur der Frau so beurteilt, dass man ihr die Fähigkeit zur Selbstkontrolle absprach.[23]
Aristoteles vertrat die Meinung, eine Frau besitze zwar „die Fähigkeit zur praktischen Vernunft, aber nicht voll wirksam“, im Gegensatz zum Kind, bei dem dieselbe Fähigkeit nur „noch nicht voll entwickelt“ sei.[24] Wegen dieser moralischen Schwachheit empfahl er eine nicht zu frühe Heirat.[25] Laut Reeder herrschte die Vorstellung, „dass eine Frau der Gesellschaft schweren Schaden zufügen würde, wenn ihre wahre Natur ungebändigt bliebe oder außer Rand und Band geriete.“[26]
Dem gegenüber hätte die Vorstellung gestanden, die Frau wäre als untadelige Verkörperung des Ideals von Haus und Familie. Einen Ausgleich dieses Gegensatzes fand man in der Überzeugung, dass Frauen mit der Hilfe von Männern und männlich-bestimmten Institutionen – wie der Ehe – über ihre Natur hinauswachsen können.[27] Reeder sieht die Furcht vor einem Umsturz der Gesellschaft durch die Frauen als nicht abwegig an. Sie bezieht sich auf Marilyn Arthur, die darauf hingewiesen hat, dass Frauen im politischen und sozialen System aufgrund ihrer spezifischen Rolle nicht viel zu verlieren hatten. Sie sieht es als bekannte Tatsache, dass diejenigen, die nichts in ein System investiert haben, am ehesten dazu tendieren, es zu untergraben.[28]
Für Pomeroy liegt eine Erklärung darin, dass die Männer mit dem verfassungsmäßig vorgegebenen Ideal der Gleichheit aller männlichen Bürger überfordert waren und ihr Herrschaftsstreben so ausgeprägt war, dass sich diese Männer nun als besondere Gruppierung von der übrigen Gesellschaft absonderten und den Anspruch erhoben, allen anderen – Fremden, Sklaven und Frauen – überlegen zu sein.[29] Humphreys spricht von einer Geschlechterideologie, in der den Frauen im Gegensatz zu den Männern Emotionen zugesprochen wurden.[30] Auch Iwersen spricht in dem Zusammenhang von der „Natur des Weiblichen“, die man in der athenischen Polis als eine Gefährdung für die staatliche Ordnung ansah.[31]
Wagner-Hasel sieht dagegen in antiken Quellen nur bedingt eine Grundlage dafür, dass Frauen eine größere Nähe zur Emotionalität zugewiesen wurde.[32] Die Besonnenheit und die Beherrschung sei eine Tugend, die sowohl den athenischen Staatsmann als auch die athenische Hausherrin auszeichnen sollte.[33] Der Typus des weinenden Helden sei in der griechischen Literatur weit verbreitet, stieß allerdings bei den Philosophen des vierten Jahrhunderts zunehmend auf Kritik. Die größere Emotionalität der Frauen, von der im philosophischen Schrifttum oder in der Tragödie im fünften und vierten Jahrhundert die Rede ist, beziehe sich auf statusniedrigere Frauen. Emotionale Kontrolle sei also eher eine Frage der Differenzierung zwischen Statusgruppen und weniger zwischen den Geschlechtern.[34]
4. Rechtliche Aspekte
Im athenischen Rechtssystem hatte die Frau eine sehr schwache Position. Sie besaß zu keiner Zeit in ihrem Leben die geringste Verfügungsgewalt über ihre eigene Person. Sie hatte kaum eigenen Besitz, für die Eheschließung war ihre Zustimmung nicht erforderlich und mit der Hochzeit ging sie aus der Vormundschaft ihres Vaters – im Falle seines Todes ihres jeweils ältesten Bruders – in die ihres Ehemannes über.[35] Verstarb ihr Vater ohne männliche Erben, konnte man von einer Erbtocher, der Epikleroi, verlangen, sich von ihrem Mann zu scheiden, um den Bruder des Vaters zu heiraten, damit die väterliche Linie einen männlichen Erben erhalten konnte.[36]
Ohne ihren Kyrios, ihrem Vormund, konnte eine Frau keine Geschäfte rechtsgültig abschließen. Sie konnte zwar als Zeugin vor Gericht auftreten, aber nicht selber prozessieren und konnte nicht einmal ein Testament machen. Wahrscheinlich konnte eine Frau nicht mal Eigentum besitzen, der über die Dinge des alltäglichen Lebens hinausging. So fehlen z.B. Sklavenfreilassungen durch Frauen, die sonst für ganz Griechenland bezeugt sind, für Athen ganz und gar.[37]
Die Frau erhielt vom Vater eine Mitgift, welche zwar in die Verfügung des Ehemanns übergeben wurde, aber ihrer eigenen Absicherung diente. Sie stand dem Vater der Frau wieder zu, falls diese durch Scheidung oder den Tod des Ehemannes in den Haushalt des Vaters zurückkehrte. Nach ihrem Tod fiel die Mitgift an ihre Kinder.[38]
Schwerwiegend war der Verlust der Jungfräulichkeit. Ersichtlich wird dies z. B. daran, dass Solon im sechsten. Jahrhundert eine Ausnahme bestehen ließ, als er die Bedingungen für die Versklavung von Bürgern abschaffte: Vätern war es immer noch erlaubt, ihre „gefallenen“ Töchter in die Sklaverei zu verkaufen.[39] Es ist allerdings nicht bezeugt, dass diese Maßnahme jemals ergriffen wurde.[40] Eine unverheiratete, vergewaltigte Frau konnte Schadensersatzansprüche fordern, um ihren Unterhalt als nun ihrer Eheaussichten beraubten Frau zu sichern oder ihre Mitgift dermaßen aufzustocken, dass sie zu einer unwiderstehlichen Partie wurde.[41]
Auch bei einer verheirateten Frau waren die Folgen einer Vergewaltigung oder Verführung[42] drastisch. Dabei wurde die Verführung härter bestraft als die Vergewaltigung. Sie galt als verwerflicher, da beide Ehebrecher schon längere Zeit eine Beziehung haben konnten und der Verführer sich über die Zuneigung der Frau Zutritt zum Besitz des Ehemannes verschaffen könnte. Der beleidigte Ehemann hatte das Recht den Verführer zu töten. Der Vergewaltiger selbst stellte für den Ehemann keine solche Bedrohung dar und seine Strafe bestand deshalb nur aus einer Geldbuße.[43] Der Ehemann musste die Scheidung durchführen. Er durfte seine untreue Frau züchtigen, aber nicht töten oder verstümmeln.[44] Ihr war es fortan untersagt, Schmuck zu tragen und an öffentlichen Opfern teilzunehmen. Dies macht deutlich, dass die Verfehlung ebenso gegen den Ehemann wie gegen die Gemeinschaft gerichtet empfunden wurde.[45]
Eine Scheidung war leicht umzusetzen. Der Ehemann konnte seine Frau einfach aus dem Haus schicken. Wollte sie die Scheidung veranlassen, musste sich ihr Vater oder ein anderer männlicher Bürger an den obersten Magistrat, den Archon Eponymos, wenden. Allerdings sind aus der klassischen Zeit nur wenige Fälle bekannt, in denen eine Frau sich scheiden ließ.[46] Nur von einer Frau, Hipparete, der Ehefrau des Politiker Alkibiades, ist bekannt, dass sie, als ihr Mann Hetären mit nach Hause brachte, selber die Initiative ergriff und zum Archon ging. Doch schon vor dem Gerichtshof wurde sie von ihrem Mann aufgegriffen und gewaltsam nach Hause geschafft.[47]
Der Einfluss einer Frau auf Männer konnte dementsprechend nur auf Wegen wirksam werden, die nicht juristischer Natur waren. Allerdings müsse man sich laut Reeder vor Augen halten, dass Athen eine kleine Stadtgemeinschaft war, in der die Familien der Ehefrauen die Möglichkeit hatten, das Verhalten der Männer aus der Nähe zu beobachten. Schlechte Behandlung von Frauen wurde als Beleidigung der eigenen Familie empfunden.[48] Isaios suggeriert, dass es in intakten Familien durchaus üblich war, auf die Wünsche der Frau einzugehen, wenn auch die Verhandlungen darum von den beteiligten Männern geführt wurden.[49]
Eine besondere Regelung betraf die sogenannten Epikleroi.[50] Sie waren Frauen, die keinen Vater oder Brüder mehr hatten und damit die letzten Vertreterinnen ihrer Familie waren. Ihr nächster männlicher Verwandter hatte das Vorrecht bzw. durchaus die Pflicht die Erbtochter zu heiraten.[51] Wenn eine bereits verheiratete Epikleroi noch keinen Sohn hatte, musste sie sich von ihrem Mann trennen. Der Verwandte musste, im Falle einer Ehe, sich von seiner Ehefrau trennen und die Erbtochter heiraten.[52] Hatte sie bereits einen Sohn, so existierte eine männlicher Nachkomme, dem das Vermögen zufiel. Denn nicht die Frau bekam das Erbe, sondern es ging mit ihr in die Hände ihres Ehemanns über. Während reiche Erbtöchter durchaus begehrt waren, zwang der Staat die Verwandten ärmerer Erbtöchter, diese zu heiraten oder sie mit einer Mitgift zu versehen.[53]
[...]
[1] Erstmals wird der Begriff der „orientalischen Verhältnisse“ bezogen auf das Leben der griechischen Frauen 1689 von Johann Philipp Pfeiffer verwendet. Vgl. Schnurr-Redford (1996), 16-17, 162.
[2] Nep., praf 7.
[3] Einen Forschungsüberblick bieten u.a. Pomeroy (1985) und vor allem Schnurr-Redford. Vgl. Pomeroy (1985); Schnurr-Redford (1996).
[4] Schuller (1995), 44 merkt allerdings an, dass die Quellenlage für Athen im Vergleich zum restlichen Griechenland gut sei, da in Athen die entscheidenden kulturgeschichtlichen Phänomene, wie die dramatische Dichtung, die große Philosophie und Redekunst, herausbildeten.
[5] Patzek (2000), 10-11.
[6] Angel beispielsweise geht von einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 36,2 Jahren der Frauen gegenüber 45 Jahre bei den Männern aus. Reeder beruft sich auf mehrere Wissenschaftler und geht von einer durchschnittlichen Lebenserwertung bei Frauen von 40 Jahren aus. Vgl. Angel (1975); Vgl. Reeder (1996), 23.
[7] Vgl. Pomeroy (1985), 102.
[8] Pomeroy (1985), 103.
[9] Sie bezieht sich dabei auf das Werk Prosopographica Attica von Johannes Kirchner. Von den 346 dort aufgeführten begüterten und einflussreichen Familien haben 271 mehr Söhne als Töchter. Vgl. Pomeroy (1985), 105-106.
[10] Vgl. Pomeroy (1985), 106. So bezeichnet Hdt. 5, 48 den Spartaner Kleomenes als kinderlos (apais im Sinne von ohne Sohn), obwohl er gleich darauf seine Tochter erwähnt.
[11] Vgl. Kurtz, Boardmann (1971), 139.
[12] Eur. Med. 251.
[13] Vgl. Pomeroy (1985), 127 – 128. Vgl. Plat. Polit. 5,4452; Aristot. Pol. 1335; Plut. Lyk. 14. ; Xen. Lak. Pol. 1.3.
[14] Vgl. Demosth. 43.62 (1071); Pomeroy (1985), 128.
[15] Demosth. 59, 122.
[16] Vgl. Aristot. rhet. 1361a.; Eur. Frag 525.
[17] Isomachos erklärt in Xen, Oik. 7,22-30, dass Frauen für die Arbeit im Haus, Männer für jene außerhalb des Hauses, auf dem Feld und in der Schlacht, zuständig seien; „der Gott“ hätte den Geschlechtern die jeweils für diese Tätigkeit geeignete Physis gegeben.
[18] Aristot., Pol. 1260a, 30: „Eine Frau gereicht Schweigen zur Zier.“ Zu den Tugenden einer Frau äußert Plat. Men. 71e, sie müsse das Hauswesen gut verwalten, „indem sie dass Innere bewahrt und folgsam ist dem Manne“. Eur. Tro. 655: „Der Zunge schweigen, einen stillen Blick bot ich dem Gatten, wusste, wann ich ihn zu leiten und wann ihm die Leitung ich zu überlassen hatte.“; Eur. Heracl. 375-378: „Verzeiht ihr Fremden, meinen kecken Mut, und seht mir nach, dass ich das Haus verließ, wo edle Frauen in Beschdeidenheit und schweigsam sich verbergen im Gemach.“
[19] Vgl. Aristot. Rhet. 1361a, 1361b, Pol. 1260, 30.
[20] Perikles ruft in seiner Gefallenenrede bei Thuk. 2,45,2 dazu auf, dass sich eine Frau „mit Tugend oder Tadel unter den Männern möglichst wenig Namen macht“.
[21] Vgl. Schuller (1995), 57.
[22] Vgl. Reeder (1996), 20.
[23] Vgl. Reeder (1996), 26. In Eur., Hipp. 966-970 heißt es, dass eine Frau weniger im Stande sei als ein Mann Aphrodite zu entsagen.
[24] Aristot. Pol. 1259a.
[25] Laut Aristot., Pol. 1335a 15-25 würden Frauen bei frühen Geburten eher sterben und zudem „trage es zu ihrem maßvollen Betragen bei, denn wenn sie früh mit Geschlechtsverkehr beginnen, stehen sie in dem Ruf, sexuell allzu maßlos zu sein.“
[26] Reeder (1996), 26.
[27] Reeder (1996), 27.
[28] Reeder (1996), 27. Dazu Arthur (1984), 24-25.
[29] Pomeroy (1985), 118.
[30] Humphreys (1996), 106-108. Eur. Herc. 536: „Neigt doch das Weib wohl stärker als der Mann zur Klage.“
[31] Vgl. Iwersen (2002), 148.
[32] Vgl. Wagner-Hasel (2000), 83.
[33] Plat. Men. 73 b; ähnlich auch bei Aristot. Pol. 1259b, 1260a.
[34] Wagner-Hasel (2000), 83 –84.
[35] Vgl. Schuller (1995), 55; Pomeroy (1985), 93.
[36] Vgl. Reeder (1996), 23.
[37] Vgl. Schuller (1995), 55.
[38] Vgl. Schuller (1995), 55–56.
[39] Plut. Solon 23.
[40] Vgl. Reeder (1996), 24.
[41] Vgl. Reeder (1996), 24.
[42] Foucault (1989), 187 betont, dass die Rechtsordnung zur Folge hatte, dass nur der eheliche Stand nur die Frau zur Monogamie zwang. Der Ehemann war sexuell nicht durch die Ehe gebunden.
[43] Vgl. Foucault (1989), 187; Pomeroy (1985), 129-130.
[44] Aischin. Tim. 1,183.
[45] Vgl. Reeder (1996), 24.
[46] Vgl. Schuller (1995), 56; Pomeroy (1985), 96–97; Hartmann (2000a), 22–23.
[47] Plut. Alki. 8.
[48] Reeder (1996), 25.
[49] Isaios 2,8.
[50] Sie war „an den Familienbesitz gebunden“, daher auch ihr Name „epikleros“. Vgl. Pomeroy (1985), 91.
[51] Die Rangfolge um die Anwärterschaft auf ihre Hand war dieselbe wie beim Anspruch der männlichen Verwandten auf das Erbe, wenn der verstorbene keine Kinder hatte. An erster Stelle standen die Brüder des Verstorbenen, dann folgten ihre Söhne. Unklar ist, ob der Anspruch dann an die Söhne der Schwestern oder an die Enkel der Brüder ging. Vgl. Pomeroy (1985), 91.
[52] Vgl. Schuller (1995), 56.
[53] Vg. Pomeroy (1985), 92.
- Arbeit zitieren
- Sara Lohoff (Autor:in), 2007, Die Stellung der Frau im klassischen Athen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113614
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