Die Krankenhauslandschaft in Deutschland befindet sich seit Jahren im Umbruch. Rationalisierungen, Kosten-Nutzen-Abwägungen in den Zeiten der DRG-Abrechnung und der daraus resultierende zunehmende Konkurrenzdruck zwischen den Krankenhäusern hinterlassen insbesondere auch in der Berufsgruppe der Pflege ihre Spuren. Patienten, die zum einen aufgrund der umfassenden Berichterstattung in den Medien mit einem immer höheren Informationsanspruch bei gleichzeitig partieller Verunsicherung in zunehmend unüberschaubar werdenden Strukturen des Gesundheitswesens als Kunden auftreten; aber zum anderen auch Patienten, die aufgrund chronischer Erkrankungen und gleichzeitig bestehender Multimorbidität in schematisierte Behandlungsprogramme geschleust werden sollen, bestimmen das Klientel der stationären Pflege. Die Berufsgruppe der Pflege musste in der jüngeren Vergangenheit in diesen Strukturen bei offen ausgetragenen Verteilungskämpfen hinsichtlich der finanziellen Leistungserstattung und entsprechender politischer Einflussnahme durch andere Interessensgruppen im Gesundheitswesen als zahlenmäßig größte Gruppe eine erhebliche Reduzierung ihrer Personalstärke in den Kliniken hinnehmen. Die Säulenstrukturen im Krankenhaus, die nicht analogen Entscheidungs- und Delegationsstrukturen zwischen den Berufsgruppen sowie die unterschiedliche Selbst-und Fremdwahrnehmung der geleisteten Arbeit hat in Kombination mit den oben genannten Faktoren bei der Pflege immer wieder zu der Frage geführt, ob veränderte Arbeitsabläufe und neue Formen der Verteilung von Verantwortung hier Abhilfe schaffen können, bevor die Flucht aus dem Beruf erfolgt( siehe dazu auch Auszüge NEXT-Studie in: die Schwester/der Pfleger 04/2005 ) Als überholt erkannte und für die Patientenversorgung nicht geeignete Strukturen bei der Leistungserstellung sollen durch andere Formen der Arbeit an und mit dem Patienten abgelöst werden. Diese Frage, die sich bei der Pflege hauptsächlich aufgrund der beruflichen Frustration hinsichtlich nicht anerkannter Leistungen an der Gesamtstruktur der multiprofessionellen Leistungserstellung begründet, wird von den Entscheidungsträgern im Krankenhaus, die über das Budget und die Struktur der Arbeitsabläufe in der Gesamtorganisation wachen immer dann mit aufgegriffen, wenn primär monetäre Effekte bei diesen von der Pflege angestrebten Veränderungen der Arbeitsabläufe erwartet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das theoretische Konzept
2.1. Die Rolle der Primary Nurse
2.2 Die Rolle der Associate Nurse
3. Der Bezug zum eigenen berufliche Erfahrungshintergrund
4. Die Übertragbarkeit des Konzepts Primary Nursing in die beruflichePraxis
5. Die Erwartungshaltung zur Effektivität aus der Sicht der Pflegenden
6. Die Erwartungshaltung zur Effektivität aus der Sicht andererBerufsgruppen
7. Ausblick
1. Einleitung
Die Krankenhauslandschaft in Deutschland befindet sich seit Jahren im Umbruch. Rationalisierungen, Kosten-Nutzen-Abwägungen in den Zeiten der DRG-Abrechnung und der daraus resultierende zunehmende Konkurrenzdruck zwischen den Krankenhäusern hinterlassen insbesondere auch in der Berufsgruppe der Pflege ihre Spuren. Patienten, die zum einen aufgrund der umfassenden Berichterstattung in den Medien mit einem immer höheren Informationsanspruch bei gleichzeitig partieller Verunsicherung in zunehmend unüberschaubar werdenden Strukturen des Gesundheitswesens als Kunden auftreten; aber zum anderen auch Patienten, die aufgrund chronischer Erkrankungen und gleichzeitig bestehender Multimorbidität in schematisierte Behandlungsprogramme geschleust werden sollen, bestimmen das Klientel der stationären Pflege. Die Berufsgruppe der Pflege musste in der jüngeren Vergangenheit in diesen Strukturen bei offen ausgetragenen Verteilungskämpfen hinsichtlich der finanziellen Leistungserstattung und entsprechender politischer Einflussnahme durch andere Interessensgruppen im Gesundheitswesen als zahlenmäßig größte Gruppe eine erhebliche Reduzierung ihrer Personalstärke in den Kliniken hinnehmen. Die Säulenstrukturen im Krankenhaus, die nicht analogen Entscheidungs- und Delegationsstrukturen zwischen den Berufsgruppen sowie die unterschiedliche Selbst-und Fremdwahrnehmung der geleisteten Arbeit hat in Kombination mit den oben genannten Faktoren bei der Pflege immer wieder zu der Frage geführt, ob veränderte Arbeitsabläufe und neue Formen der Verteilung von Verantwortung hier Abhilfe schaffen können, bevor die Flucht aus dem Beruf erfolgt( siehe dazu auch Auszüge NEXT-Studie in: die Schwester/der Pfleger 04/2005 ) Als überholt erkannte und für die Patientenversorgung nicht geeignete Strukturen bei der Leistungserstellung sollen durch andere Formen der Arbeit an und mit dem Patienten abgelöst werden. Diese Frage, die sich bei der Pflege hauptsächlich aufgrund der beruflichen Frustration hinsichtlich nicht anerkannter Leistungen an der Gesamtstruktur der multiprofessionellen Leistungserstellung begründet, wird von den Entscheidungsträgern im Krankenhaus, die über das Budget und die Struktur der Arbeitsabläufe in der Gesamtorganisation wachen immer dann mit aufgegriffen, wenn primär monetäre Effekte bei diesen von der Pflege angestrebten Veränderungen der Arbeitsabläufe erwartet werden. Die Tatsache, dass sich Pflegende durch die Art und Weise ihrer selbstbestimmten Arbeitsabläufe eine entsprechende Befriedigung hinsichtlich ihrer Berufsausübung erarbeiten können, ist durchaus bekannt ( Teigeler in: die Schwester/der Pfleger 10/2006 ) (Tewes in: Dito 02/2006 ) Die tatsächlich momentan vorherrschenden Arbeitsabläufe sind allerdings primär ausgerichtet an die Strukturen einer Dienstleistungskultur für andere , hauptsächlich medizinische Berufsgruppen im Krankenhaus und nicht als originär pflegerische und damit eigenständige Dienstleistung am Patienten. Primary Nursing soll in dieser Hausarbeit auf die Praxistauglichkeit und auf die Übertragbarkeit in Krankenhaussysteme hin überprüft werden, welche bestimmt sind von einer mehrdimensionalen, multiprofessionellen Leistungserstellung.
Bei der es unter den vorgegebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen aber auch um zunehmende Kostensenkung durch Veränderung in der Personalstruktur insbesondere in den personalintensiven Bereichen geht . Die Möglichkeiten, Veränderungen durch diese Organisationsform bewirken zu können, sind rein theoretisch aufgrund der allgemeinen Erwartungshaltung im Krankenhaus im Hinblick auf eine Verbesserung der Arbeitsabläufe aus der jeweiligen Perspektive der unterschiedlichen Anspruchsgruppen recht groß. Es geht um so hehre Ziele wie :
die Patienten zufriedener zu machen
optimal für die Mitarbeiter zu sein
Geld zu sparen
die Qualität zu steigern
die Pflege zukunftsfähig zu machen
die Pflege zu retten ( Manthey 1980 )
( Fischer in: Heilberufe-Online 2005 )
Da hier verschiedenste Ansprüche gleichzeitig umgesetzt werden sollen, ist bereits erkennbar, dass Primary Nursing als Allheilmittel hinsichtlich der Erwartungshaltung Kostensenkung, Prozessoptimierung, Professionalisierung der Pflege und Optimierung der Pflegearbeit an und mit dem Klienten nicht geeignet sein kann. Inwieweit dennoch durch die konsequente Einführung bestimmte bestehende Strukturen Veränderung erfahren und dadurch auch entsprechende Effekte, die nicht primär auf der Agenda bei der Umsetzung dieser Organisationsform stehen auftreten können, soll im Rahmen dieser Hausarbeit ebenfalls deutlich werden.
2. Das theoretische Konzept
Primary Nursing wurde von der amerikanischen Pflegewissenschaftlerin Marie Manthey an der University of Minnesota Hospital entwickelt. Es wurde dort 1969 erstmals eingesetzt. Danach fand es in den 70er und 80er Jahren in den angelsächsischen Ländern aber auch in den skandinavischen Ländern Verbreitung. Man darf davon ausgehen , dass diese Verbreitung sich analog zu den in diesen Ländern vollzogenen Akademisierungen in der Pflege vollzogen hat. In Deutschland findet diese Organisationsform seit den 90er Jahren eine zunehmende Akzeptanz und Verbreitung. (Tewes in: Die Schwester/Der Pfleger 02/2006 ) Von einer flächendeckenden und durch entsprechende Berufsverbands- bzw. politisch angeregten Umsetzungen sind wir allerdings beispielsweise im Vergleich zu den Vereinigten Staaten wie auch vielen anderen europäischen Ländern noch weit entfernt. (Fischer in: Heilberufe- online 2005) Primary Nursing entstand aufgrund der zunehmenden Frustration der Pflegenden und der Aufgabenzuteilung und entsprechenden Erfüllungen im Organisationssystem Krankenhaus. Eine rein tayloristische Arbeitsteilung analog zur Funktionspflege mit den sich daraus resultierenden Über- Unter- und Fehlversorgungsstrukturen am Patienten durch die Pflege und eine Anonymisierung von der Arbeit und den Patienten waren Auslöser für den Veränderungsdrang (Tees in: Die Schwester/Der Pfleger 02/2006) Das Eingebundensein in Vorgaben und Arbeitsabläufe , die Fremdbestimmung aufgrund der Vorgaben durch das medizinisch- ärztliche Personal und das Missverhältnis zwischen dem eigenen Können und Wollen und dem Sollen und Dürfen sowie die sich aus den starren Arbeitsteilungen ergebenden hierarchischen Strukturen innerhalb der Berufsgruppe der Pflege erforderten bei zunehmender Berufsflucht neue Organisationsformen. Diese Form der Pflege ist gekennzeichnet durch vier hauptsächliche Aspekte:
1. Kontinuierliche Zuordnung jedes Patienten zu seiner hauptverantwortlichen Pflegekraft (Primary Nurse) und in deren Abwesenheit zu einer klar zugeordneten vertretenden Pflegekraft (Associate Nurse)
2. Rund- um- die- Uhr- Verantwortung der Primary Nurse für ihre Patienten bezüglich Planung , Organisation und Evaluation der Pflege.
3. Durchführung der direkten Pflege ihrer Patienten durch die Primary Nurse.
4. Kommunikation der Primary Nurse im Sinne ihrer Patienten mit allen an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen und den Bezugspersonen der Patienten zur Koordination der Abläufe , v.a. der Entlassungsplanung.
(Krüger et al in: Die Schwester/Der Pfleger 02/2006)
Deutlich wird diese Veränderung in der Organisationsform auch durch die Definition von Hegyvary (1982):
Rechenschaftspflicht: Eine Person , die Primary Nurse , ist 24 Stunden am Tag verantwortlich für die Pflege eines Patienten während seines gesamten Krankenhausaufenthaltes.
Autonomie: Die Primary Nurse verfügt über und handelt mit der Autorität , Entscheidungen über die Pflege ihrer Patienten in professioneller Selbstbestimmung zu treffen.
Koordinierung: Kontinuierliche Pflege rund um die Uhr , nicht unterbrochen durch Schichtwechsel und mit direkter Kommunikation der Pflegedurchführenden.
Umfassende pflegerische Versorgung: Jede Pflegeperson führt die gesamte erforderliche Pflege für einen Patienten während einer bestimmten Zeitspanne , beispielsweise einer Schicht , durch.
Primary Nursing ist also eine Organisationsform der Pflege , welche die bestehenden Strukturen hinsichtlich der Kriterien Autorität , Delegations -und Entscheidungsautonomie und Durchführungsüberwachung im Vergleich zu beispielsweise einer vorbestehenden Form der Bereichspflege oder gar der Funktionspflege erheblich verändert.
2.1. Die Rolle der Primary Nurse
Diese Pflegeperson ist für eine bestimmte Anzahl von Patienten die feste und verbindliche Bezugsperson. Sie organisiert den Krankenhausaufenthalt von der Aufnahme , der pflegerischen Anamnese , der Planung , Organisation und Durchführung der Pflege bis hin zur prospektiven Vorbereitung der Entlassung oder Verlegung des Patienten (Teigeler in: Die Schwester/Der Pfleger 10/2006) Ihre entsprechenden Vorgaben hinsichtlich der Maßnahmen am und mit dem Patienten nach entsprechender Rücksprache mit den Klienten sind für alle anderen Teammitglieder der Pflege verbindlich. Damit endet ihre Verantwortung nicht am Ende einer Schicht , sondern wird bewusst für die weiter betreuende Pflegeperson verbindlich hinsichtlich der quantitativen und qualitativen Ausgestaltung der auf den Einzelfall bezogenen Pflegemaßnahmen. Somit ist die Primary Nurse im Gegensatz zu einer Stationsleitung nicht mit den Aufgaben der Organisation und Delegation im Allgemeinen beschäftigt , sondern sie führt selbst am Krankenbett in Zusammenarbeit mit dem Patienten analog zu dessen individuellen , situationsabhängigen Unterstützungsbedarf die Pflege durch. Dadurch ergeben sich neue Formen der Patientenverantwortung. Dieser Aspekt der Verantwortung ist gekennzeichnet durch die eigenverantwortliche individuelle Ausgestaltung und die entsprechenden Umsetzungsvorgaben für das restliche Team. Die Kontinuität der Pflege wird gerade dadurch erst gewährleistet. (Krüger et al in: Die Schwester/Der Pfleger 02/2006) So sind beispielsweise chronisch kranke Menschen oft aufgrund jahrelang erarbeiteter Problemlösungsstrategien im Alltag recht gut in der Lage , mit ihrer gesundheitlichen Einschränkung umzugehen. Diese Formen der Selbstbestimmung und der entsprechende Bezug zu den pflegerischen Maßnahmen müssen von der Primary Nurse als professionell Pflegende nicht nur erkannt werden , sondern sie werden von ihr im Rahmen einer geplanten , strukturierten und mit entsprechender kommunikativer Kompetenz versehenen Informationsaufbereitung über ihren Patienten an alle anderen relevanten Berufsgruppen weitergeleitet. (Tewes in: Die Schwester/Der Pfleger 02/2006) Da die Primary Nurse per Definition auch während ihrer Abwesenheit weiter die Verantwortung für ihren Patienten trägt , ist hier die strukturierte Aufbereitung und Weitergabe der entsprechend relevanten Patienteninformationen sowohl hinsichtlich der geplanten Pflege wie auch der individuellen Selbstpflegekompetenz von großer Bedeutung. Nur so ist die Verantwortung auch in einer entsprechenden Kontinuität der Pflege erkennbar. Die Primary Nurse benötigt ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten. Dies nicht nur , um den Patienten innerhalb dieser Organisationsform als Partner mit einem individuellen Dienstleistungsangebot gegenüber treten zu können , sondern auch um diese Strukturen der Dienstleistung innerhalb der Absprache mit dem Klienten gegenüber den anderen Mitgliedern der Pflegeteams verbindlich vermitteln zu können. Auch die anderen Berufsgruppen im Krankenhaus , welche an der gesamten Leistungserstellung innerhalb eines individuellen Portfolios an Gesundheitsdienstleistungen beteiligt sind , müssen in dieser Organisationsform die Primary Nurse als die einzige Hauptbezugsperson für den Patienten mit entsprechender Fähigkeit und Autonomie bezüglich der patientenrelevanten Entscheidungen akzeptieren.
Dadurch , dass die Primary Nurse in enger Zusammenarbeit mit dem Patienten sowohl dessen fallbezogene Pflege plant aber eben auch selbst durchführt , ist sie in der Lage , hinsichtlich der Notwendigkeit einer Veränderung kontinuierlich zu evaluieren. Hier spielt ebenfalls die Fähigkeit zur geplanten und strukturierten Gesprächsführung eine wichtige Rolle. Dies insbesondere bezüglich Maßnahmen der Aufklärung , Einweisung und Information in Verbindung mit anstehenden Untersuchungen und Behandlungen. Die Compliance des Patienten in den vorgegebenen Ablaufstrukturen verbessert sich , wenn die Aufklärung von einer vertrauten Person durchgeführt wird. Dies bedeutet nicht , dass die ärztlich festgelegten Aufklärungsgespräche übernommen werden , sondern es geht um Erläuterungen hinsichtlich der Abfolge und Notwendigkeit von bestimmten Maßnahmen.
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- Arbeit zitieren
- Michael Jünke (Autor:in), 2008, Primary Nursing, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113478
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