Die in dieser Arbeit zentral betrachtet Dimension der Zivilcourage ist in erster Linie nur mittelbar eine originär geschichtswissenschaftlich analysierbare Kategorie. In diesem Sinne werden die hier vorgestellten Überlegungen und Untersuchungen weniger als strenge, quellenorientierte Geschichtswissenschaft, denn vielmehr als interdisziplinäre Analysen und Gewichtung zu zählen sein. Zivilcourage ist ein soziologisch analysierbares Handlungsmuster. Als ein solches steht es auf einem ethischen Gerüst, das sich in der Handlung verwirklicht und so auf moralische Dispositive des gesellschaftlichen Kontext rückgebunden wird. Diese Rückgebundenheit muss überdies klassen- und milieutheoretisch, sowie altersspezifisch subjektiviert und tatsächlich historisch kontextualisiert werden. Dabei fällt eine normative Aussage über die Verbindung von Moral und Handlung in der Tat schwer – eine präzise Deduktion von moralischen Setzungen zu spezifischem Akteurshandeln ist nachgerade unmöglich. Dennoch gelingt es, ein Handlungsmuster auf gesellschaftliche Imperative, Handlungsspektren und deren Begrenzungen und somit auf die vermittelte Substrate der Moral zu beziehen und zu projizieren. Damit ist ein entscheidendes, neben der disziplinären Verortung, zweites Moment bereits angedeutet. Individuelle Handlungsmuster hängen von gesellschaftlichen Sozialisationsprozessen ab und müssen vor diesen dechiffriert werden. Ein wissenschaftlicher Zugriff gelingt dabei etwa über die Analyse von Interaktionen zwischen der politischen Mikro- und Makroebene; systematisiert im Konzept der „politischen Kultur“ lassen sich Regeln und politische Symboliken als Mittler zwischen dem Handeln einzelner Personen und den Funktionsprinzipien institutioneller Ebenen erschließen. [...] Zivilcourage ist also – nach wie vor in der abstrakten Betrachtung – ein Prozess individuierter Rückbindung gesellschaftlich vermittelter Moralsätze. Die Kategorie des subjektiven Gewissens übernimmt dabei eine zentrale Rolle für Handlungsanleitungen, die sich gegebenenfalls von institutionell vorgegebenen oder kollektiv generierten Handlungsimperativen abhebt und sich bisweilen gegen sie stellt. Schon aus dieser ersten Annährung lässt sich zweierlei schließen: Zivilcourage ist auf der Ebene der Privatpersonen angesiedelt und erreicht eine Öffentlichkeit nur über den Zusammenschluss von Privatpersonen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung: Theoretischer Rahmen - Begriffe und Strukturen
- 1. Die Individuierung der Moral: Aspekte der Zivilcourage
- 2. Exkurs: Kritik des Widerstandsbegriffs...
- 3. Zivilcourage und Widerstand.
- II. Historischer Rahmen: Preußentum, Weimarer Republik und Nationalsozialismus...
- 1. Privatheit der Zivilcourage vs. Kollektivität und Öffentlichkeit des Widerstandes - Aspekte der historischen Ausgangssituation in Deutschland....
- 2. Exkurs: Zivilcourage und Widerstand als historisch bedingte Aspekte einer personalen Identität handelnder Subjekte.
- 3. Historische Vergemeinschaftung unter dem Zeichen des Obrigkeitsstaates: der Untertanengeist
- 4. Antiliberalismus und Gesellschaft der Unselbständigen: deutsches Volkstum statt Aufklärung als prädominante Strukturen der Weimarer Republik
- 5. Massenkonformität und Radikalisierung der Zwangsmaßnahmen: Kontinuitäten im Nationalsozialismus
- III. Ausblick auf eine Seltenheit: Zivilcourage im Nationalsozialismus
- IV. Quellen und Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Phänomen der Zivilcourage im Kontext des Nationalsozialismus. Sie verfolgt das Ziel, die soziohistorischen Bedingungen und Strukturen zu analysieren, die den Widerstand gegen das NS-Regime begünstigten oder erschwerten. Dabei werden die Begriffe Zivilcourage und Widerstand im Kontext der deutschen Geschichte und der politischen Kultur des 20. Jahrhunderts untersucht.
- Die Individuierung der Moral und die Rolle der Zivilcourage im gesellschaftlichen Kontext
- Die historische Entwicklung des Obrigkeitsstaates und seine Auswirkungen auf die politische Kultur
- Die Herausforderungen der Zivilcourage im Nationalsozialismus und die Faktoren, die den Widerstand beeinflussten
- Die Bedeutung von individueller Handlungsfreiheit und moralischem Verantwortungsbewusstsein im Angesicht von totalitärer Herrschaft
- Die Rolle von politischer Kultur und Sozialisationsprozessen in der Entstehung von Zivilcourage und Widerstand
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung der Arbeit legt den theoretischen Rahmen für die Untersuchung der Zivilcourage fest. Sie definiert den Begriff der Zivilcourage und setzt ihn in Beziehung zu anderen Begriffen wie Moral, Widerstand und politischer Kultur. Die Einleitung beleuchtet auch die disziplinäre Verortung der Arbeit und die Bedeutung von interdisziplinären Ansätzen für die Analyse von Zivilcourage.
Das zweite Kapitel widmet sich dem historischen Rahmen der Arbeit. Es untersucht die Entwicklung des Obrigkeitsstaates in Deutschland und seine Auswirkungen auf die politische Kultur. Das Kapitel analysiert die historische Ausgangssituation in Deutschland, die geprägt war von einer starken Tradition des Untertanengeistes und einer ambivalenten Haltung gegenüber individueller Freiheit und politischer Partizipation. Es beleuchtet auch die Rolle des Antiliberalismus und der Gesellschaft der Unselbständigen in der Weimarer Republik und die Auswirkungen dieser Strukturen auf die Entstehung des Nationalsozialismus.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Zivilcourage im Nationalsozialismus. Es analysiert die Herausforderungen, denen sich Menschen im Angesicht der totalitären Herrschaft gegenüber sahen, und die Faktoren, die den Widerstand beeinflussten. Das Kapitel beleuchtet die Bedeutung von individueller Handlungsfreiheit und moralischem Verantwortungsbewusstsein im Kontext der NS-Herrschaft.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Zivilcourage, Obrigkeitsstaat, Widerstand, Nationalsozialismus, politische Kultur, Moral, Handlungsfreiheit, Untertanengeist, Antiliberalismus, Gesellschaft der Unselbständigen, Individuum, Kollektivität, Geschichte, Historiographie, Sozialisation, Macht, Gouvernementalität, Erfahrung, Denken, Empirie, Verantwortungsbewusstsein.
- Citar trabajo
- Lennart Laberenz (Autor), 2003, Zivilcourage und Widerstand im Nationalsozialismus, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113456
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