Wer kennt nicht den altbekannten Leitspruch von der amerikanischen „Pursuit of Happiness“? Er liegt tief verwurzelt in der Unabhängigkeitserklärung Amerikas aus 1776, und ist bis dato für die Erfüllung des „American Dreams“ jener Amerikaner:innen nicht mehr wegzudenken. Denn der im American Dream befestigten Hoffnung auf versprochenen Erfolg entspringt der noch wesentlich fundamentalerer Wunsch, im Inneren glücklich zu sein. Dabei wird dem Menschen sowohl der unabdingbarer Wille nach dem Glücklichsein als auch die erforderliche Zielstrebigkeit beim Arbeiten abverlangt.
Nun ist das nicht nur ein Phänomen Amerikas, sondern der Welt: Allgegenwärtig ist das Glücklichsein mittlerweile en vogue. Es gibt überall diätreiche Ernährungspläne, etliche Sport- und Mediationsübungen, Magazine oder Ratgeber etc., die einem das große Glück versprechen. Es heißt: Mach dies, mach das – dann wirst du glücklich! Ist es naiv, alles Negative unter den Teppich zu kehren? Wird dem Glücklichsein dadurch der Weg geebnet? Und ist es ein Ansporn dafür, das Glücklichsein über alles zu stellen und, komme was wolle, anzuvisieren?
Wer kennt nicht den altbekannten Leitspruch von der amerikanischen „Pursuit of Happiness“? Er liegt tief verwurzelt in der Unabhängigkeitserklärung Amerikas aus 1776, und ist bis dato für die Erfüllung des „American Dreams“ jener Amerikaner:innen nicht mehr wegzudenken. Denn der im American Dream befestigten Hoffnung auf versprochenen Erfolg entspringt der noch wesentlich fundamentalerer Wunsch, im Inneren glücklich zu sein. Dabei wird dem Menschen sowohl der unabdingbarer Wille nach dem Glücklichsein als auch die erforderliche Zielstrebigkeit beim Arbeiten abverlangt.
Nun ist das nicht nur ein Phänomen Amerikas, sondern der Welt: Allgegenwärtig ist das Glücklichsein mittlerweile en vogue. Es gibt überall diätreiche Ernährungspläne, etliche Sport- und Mediationsübungen, Magazine oder Ratgeber etc., die einem das große Glück versprechen. Es heißt: Mach dies, mach das – dann wirst du glücklich! Ist es naiv, alles Negative unter den Teppich zu kehren? Wird dem Glücklichsein dadurch der Weg geebnet? Und ist es ein Ansporn dafür, das Glücklichsein über alles zu stellen und, komme was wolle, anzuvisieren?
Aber was ist und bedeutet denn eigentlich „glücklich sein“ oder „glücklich werden“ für den Menschen? Die antiken Philosophen hatten schon diverse Ideen: Für Aristoteles war das Glück bzw. die Glückseligkeit das höchste Gut, wobei der Mensch sich von seinem Verstand leiten lassen sollte, um so ein tugendhaftes Verhalten auszuprägen, das sich in jeglichem Handeln manifestiert. Ist man also vernünftig und tugendhaft, stellt sich das Glück von allein ist. Dann gab es noch Epikur, der die die Lust als höchstes Gut ansieht, um zur Glückseligkeit zu gelangen. Aber man sollte Epikurs Verständnis von Lust nicht mit der Lust, die im „positiven Hedonismus“ verfolgt wird, verwechseln. Dieser Hedonismus zielt auf eine genüssliche Bedürfnisbefriedigung ab, jedoch setzt sich Epikur eigentlich für eine nüchterne und bescheidenere Abwägung der eigenen Bedürfnisse ein, was dem sogenannten „negativen Hedonismus“ entspricht. Die antike Stoa lehnt die Vorstellung von Lust wiederum ab und setzt erneut auf Vernunft. Anders als bei Aristoteles soll die Vernunft hier speziell eine „Leidenschaftslosigkeit“ anvisieren, die dem Menschen das große Glück bescheren soll.
Aber auch heutzutage haben Menschen diverse Ansichten dazu, was sie glücklich macht oder was das Glücklichsein für sie bedeutet. Gemäß einer SINUS-Statistik aus dem Jahr 2019 geben 52% der Deutschen in einer Umfrage an, dass Gesundheit der wichtigste Faktor zum Glücklichsein darstellt, gefolgt von einer guten Partnerschaft mit 32% und einer intakten Familie mit 31%. Zuletzt kommt der Job, den 10% der Befragten angegeben haben.1 Aber inwiefern der Schein trügt und wie viele der Menschen trotz Erfüllung dieser in der Gesellschaft suggerierten Wünsche für das Glücklichsein im Inneren wirklich glücklich sind, bleibt fragwürdig. Hier zeichnen sich auf Basis eines sehr subtilen und gemäßigten Verlangens immaterielle Güter als leitende Glücksfaktoren ab. Die Statistik spezifiziert jedoch nicht, was es mit den darunterliegenden Bedürfnissen des Individuums auf sich hat, die in den oben genannten Glücksfaktoren resultieren. Liegt möglicherweise der Faktor des Glücklichseins z.B. nicht in der Gesundheit selbst, sondern darin, in guter Gesundheit anderen nicht zulasten zu fallen?
Eine solche Ungenauigkeit hinsichtlich der Glückssuche macht es daher aber auch viel einfacher, den innerhalb einer Gesellschaft aufgestellten Wegweisern zum mutmaßlichen Glück rücksichtslos und fernab jeglicher Selbstreflexion zu folgen und solche auch als bedingungslose Glücksfaktoren aufzufassen. Schließlich wird der Mensch konstant mit Anregungen bombardiert, wie dieser zu sein oder sich zu verhalten haben solle, um glücklich zu werden – sei es im persönlichen Umfeld, im öffentlichen Leben oder sogar als anonyme Person im Internet. So müsse man ein gesünderes Essverhalten adaptieren, Sport treiben etc., um die Gesundheit aufrechtzuerhalten, die als Voraussetzung gilt, wenn man dem Umfeld keine gesundheitliche Last aufbürden will. Rein biologisch stimmt das zwar schon, aber ab wann ist es denn genug mit einem solchen Gesundheitswahn? Wenn man etwa realisiert, dass der Mensch nicht dafür geschaffen ist, jederzeit gesund zu sein und ein Leben in Unendlichkeit zu führen? Und vor allem: Ab wann kann man sich in diesem Trubel denn jetzt als glücklich bezeichnen?
Dabei wird anscheinend immer weniger betont und beinahe schon außer Acht gelassen, wie individuell die Bedeutung von Glück, dem Gefühl des Glücklichsein selbst und das Streben nach Glück für jeden Menschen ist, obwohl Glücksfaktoren, wie z.B. Gesundheit oder einen/eine gute(n) Partner:in bzw. eine intakte Familie zu haben, sich doch eigentlich fast jeder wünscht. Aber vielmehr sind es eben die noch spezifischeren Wünsche dazu, die die Bedeutung des Glücklichseins so breitflächig, individuell, kompliziert und abstrakt machen.
In seinem Essay über das Glücklichsein für die ZEIT schreibt der Theologe und Ethiker Jean-Pierre Wels: „Wir modernen Menschen sind auf ein glückliches Leben geeicht. Man könnte regelrecht von einem Glücksimperativ sprechen, von der Pflicht, glücklich zu werden.“2 Das stellt einen Grund dar, warum man sich, auch wenn es mal gerade nicht so gut läuft, gegenüber seinem Umfeld und dem Rest der Gesellschaft oftmals als glücklich präsentiert. Diese Selbstverleugnung ist nicht zuletzt das Produkt des konstanten Wahns um das Glücklichsein herum – auch wenn man das im Bewussten nicht einmal wahrnimmt. Das verleitet uns dazu, unser ganzes Handeln exzessiv darauf auszurichten, glücklich zu werden. Trotzdem scheinen wir Menschen immer noch nicht sonderlich gut darin zu sein, im Glück wirklich Fuß fassen zu können: Nicht umsonst weisen darauf die hohen Einsamkeits-Raten weltweit3, der Anstieg von psychischen Erkrankungen4 und die vermehrte Nutzung von Antidepressiva hin5. Umso stärker wir womöglich den Drang zum Glücklichsein verspüren, desto mehr scheint uns das Glück eigentlich wegzurennen. Es ist dann typischerweise immer irgendwo anders, als wir es gerade sind.
Außerdem verändert der Wille nach dem Glücklichsein, wie wir auf negative Emotionen und Erfahrungen reagieren. Da kann auch ganz schnell viel Druck entstehen, der nicht selten in starken Leidensdruck umschlägt, genau weil es dann noch in der Natur des Menschen liegt, zu beurteilen, zu kritisieren und sich ständig zu vergleichen. So stürzt man sich vielmehr ins eigene Unglück – aber genau das wollte man in erster Linie doch eigentlich gar nicht.
Die Studie der „American Psychological Association“ erbringt interessante Ergebnisse zu den Reaktionen von Menschen, wenn ihnen etwas glückt oder sie daran scheitern: Es entstanden zwei Gruppen von 39 Teilnehmer:innen und einmal eine von 38 Teilnehmer:innen, wobei jede Person innerhalb der drei Gruppierungen 35 Anagramme in drei Minuten lösen sollte. Dabei wurde der ersten Gruppe verheimlicht, dass 15 Anagramme davon unmöglich zu lösen gewesen wären. Der Raum dieser Tester:innen war mit Motivationssprüchen versehrt, und der Studienleiter versuchte mehrmals den Personen die wichtige Bedeutung von Glück und Positivität zuzusprechen. Zwar hatte die zweite Gruppe den gleichen Test, jedoch wurden sie nicht von externen Einflüssen inspiriert. Die dritte Gruppe hatte nur lösbare Aufgaben und zusätzlich noch den Motivationsschub wie bei der ersten Gruppe. Während sowohl die zweite als auch die dritte kaum Änderung in ihrem Glücksgefühl erfahren haben, zeichnete sich bei der ersten Gruppe ein Gefühl des Unglücklichseins, von Stress sowie Versagen ab.6
Der Philosoph und Psychologe Paul Watzlawick verpackt es mal noch ein wenig harscher: „Es ist höchste Zeit, mit dem Jahrtausendalten Ammenmärchen aufzuräumen, wonach Glück, Glücklichkeit und Glücklichsein erstrebenswerte Lebensziele sind. Zu lange hat man uns eingeredet – und haben wir uns treuherzig geglaubt -, dass die Suche nach dem Glück uns schließlich das Glück bescheren wird.“7
[...]
1 Vgl. Nier, Hedda: Statistik „Was braucht es zum Glück“ (https://de.statista.com/), 05.01.2021.
2 Wels, Jean-Pierre: „Herrlichkeit des Lebens“ (https://www.zeit.de), 05.01.2021.
3 Ortitz-Ospina, Esteban & Roser, Max: „Loneliness and Social Connections” (https://ourworldindata.org/), 06.01.2021.
4 Fella, Tobias: „Brauche ich eine Psychotherapie?“ (https://www.t-online.de/), 06.01.2021.
5 Fella, Tobias: „Europäer schlucken immer mehr Antidepressiva” (https://www.t-online.de/), 06.01.2021.
6 Zitiert nach Gerstbach, Ingrid: “DAS PASSIERT, WENN SIE AUFHÖREN, GLÜCKLICH SEIN ZU WOLLEN“ (https://ingridgerstbach.com/), 06.01.2021.
7 Watzlawick, Paul: Anleitung zum Unglücklichsein, München 2009, PIPER-Verlag, S. 10.
- Quote paper
- Ilka Stein (Author), 2021, Muss man glücklich sein wollen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1133571
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