Nach jahrzehntelangen mühsamen Versuchen, Technologien vollständig in den Studienalltag zu integrieren, hat die Corona-Pandemie dies innerhalb kürzester Zeit erreicht und damit eine neue Möglichkeit eröffnet, den "digitalen" Lernerfolg und seine Einflussfaktoren zu erforschen. Aus diesem Grund evaluiert die vorliegende Studie das vergangene virtuelle Studiensemester am Beispiel der Universität Passau und rückt dabei besonders die subjektiven Erfahrungen der Studierenden im Zusammenhang mit dem Präsenz- und Online-Lernen in den Fokus. Vor dem Hintergrund relevanter Begrifflichkeiten, lerntheoretischer Grundlagen sowie dem aktuellen Forschungsstand geht die Arbeit den zwei folgenden Forschungsfragen nach: Zum einen soll geklärt werden, ob das vollkommen online durchgeführtes Semester ebenso erfolgreich ist wie ein klassisches Präsenzstudium, wobei der Erfolg anhand der Faktoren Zufriedenheit, absolvierte Lehrveranstaltungen, Leistungen, Motivation, Nutzung, Lerndauer, Kontakt zu Mitstudierenden, Betreuung durch Dozierende sowie aufgetretene Probleme untersucht werden soll. Der zweite Teil widmet sich der Frage, welche Faktoren die Zufriedenheit der Studierenden während eines Online-Semesters beeinflussen. Die Variablen, die dabei auf ihren Einfluss hin geprüft werden, sind Höhe des Studiensemesters, Alter, Geschlecht und Studiengang der Studierenden, bisherige E-Learning-Erfahrungen, verwendete Medien, Betreuung, E-Learning-Kompetenz der Dozierenden, Kontakt zu Mitstudierenden sowie aufgetretene Probleme und Berufstätigkeit. Zur Untersuchung der Fragestellungen wurde eine quantitative Online-Befragung von 226 Studierenden an der Universität Passau durchgeführt.
Der Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 und die damit verbundenen Schulschließungen haben nicht nur das Leben von Milliarden von Menschen von Grund auf verändert, sondern auch einen Bereich vor eine scheinbar unüberwindbare Herausforderung gestellt hat: Die Bildung.
Im Kampf gegen die körperliche und soziale Isolation, die zur Eindämmung der Pandemie unumgänglich war, haben sich die häufig verfluchten neuen Medien dabei als großer Segen erwiesen. Die geltenden Kontaktbeschränkungen machten das digitale Lernen mit einem Mal zur einzigen Möglichkeit, den Fortbestand der Bildungsprozesse sicherzustellen und das allein durch dessen zentralen Vorteil: Das ortsunabhängige Lernen ohne jeden physischen Kontakt.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Ein Virus, der das Lernen verändert
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Technologiegestütztes Lernen
2.1.1 Begriffsannäherungen und Definition von technologiegestütztem Lernen
2.1.2 Klassifikationsansätze und Formen von technologiegestütztem Lernen
2.1.2.1 Chronologische und technologische Klassifizierung
2.1.2.2 Klassifizierung nach Visualisierungsgrad
2.1.2.3 Klassifizierung nach Grad der Interaktionsfreiheit
2.1.3 Chancen und Probleme des technologiegestützten Lernens
2.1.3.1 Chancen und Stärken
2.1.3.2 Probleme, Hindernisse und Herausforderungen
2.1.4 Einsatzgebiete von technologiegestütztem Lernen
2.2 Theoretische Modelle zur Wirksamkeit technologiegestützten Lernens
2.2.1 Effektivitätsmodell für elektronische Lernumgebungen nach Simon, Treiblmaier & Neumann
2.2.2 Modell lernrelevanter Kontexte und Komponenten technologiebasierter Lernszenarien nach Tergan
2.2.3 Rahmenmodell für das Lernen mit Multimedia nach Najjar
2.3 Forschungsstand zum technologiegestützten Lernen an Hochschulen
2.3.1 Bisheriger Einsatz und Nutzung von Technologien an Hochschulen
2.3.2 Akzeptanz digitaler Technologien in der Hochschullehre
2.3.3 Effektivität und Erfolg des technologiegestützten Lernens
2.3.4 Einfluss- und Erfolgsfaktoren beim technologiegestützten Lernen
2.4 Forschungsfragen und Hypothesen der aktuellen Studie
3 Methode
3.1 Auswahl und Begründung der quantitativen Online-Befragung
3.2 Operationalisierung und Gestaltung des Fragebogens
3.3 Stichprobe
3.3.1 Merkmale der Befragten
3.3.2 Vorkenntnisse der Befragten
3.4 Durchführung der Befragung
3.4.1 Vorarbeiten und Verbreitung der Umfrage
3.4.2 Stichprobenziehung
3.4.3 Rücklauf
4 Ergebnisse
4.1 Erfolg eines reinen Online-Studiums im Vergleich zum Präsenzstudium
4.2 Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit in einem reinen Online-Studium
5 Diskussion und Ausblick
5.1 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse
5.2 Limitationen der Studie und Empfehlungen für Anschlussforschung
5.3 Fazit und Ausblick
6 Literaturverzeichnis
7 Anhang
7.1 Fragebogen
7.2 Detaillierte Ergebnisse der Befragung
7.3 Ausgewählte visualisierte Ergebnisse der Befragung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:Überblick über die vier Entwicklungsphasen des technologiegestützten Lernens und die zu dieser Zeit entstandenen typischen Anwendungen (eigene Darstellung in Anlehnung an Wilms, 2010, S. 230 und Dittler, 2017, S. 12ff)
Abbildung 2:Vier Lernszenarien nach Virtualisierungsgrad nach Schulmeister (eigene Dar-stellung nach Schulmeister, 2005, S. 177)
Abbildung 3:Klassifikationsschema zum E-Learning nach Schulmeister (eigene Darstellung nach Schulmeister, 2005, S. 178)
Abbildung 4:Einflussfaktoren für die Effektivität des Lernens in elektronischen Lernumge-bungen nach Simon, Treiblmaier & Neumann (eigene Darstellung nach Simon et. al., 2008, S. 720)
Abbildung 5:Lernrelevante Kontexte und Komponenten technologiebasierter Lernszenarien nach Tergan (eigene Darstellung nach Tergan & Schenkel, 2004, S. 18)
Abbildung 6:Prozentualer Anteil der befragten Studierenden nach Studiengängen (eigene Dar-stellung)
Abbildung 7:Prozentualer Anteil der befragten Studierenden nach Studiengängen, die ihre E-Learning-Erfahrung und Computerkenntnisse als „gut“ oder „sehr gut“ bewerteten (eigene Darstellung)
Abbildung 8:Rücklauf im Zeitverlauf der Befragung nach bearbeiteten und abgeschlossenen Fragebögen (eigene Darstellung)
Abbildung 9:Anteil der befragten Studierenden nach Studiengängen, die angaben, mit der Lehre des Sommersemesters 2020 „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ gewesen zu sein (eigene Darstellung)
Abbildung 10:Anteil der befragten Studierenden, bei denen die entsprechende Lernform während des Sommersemesters 2020 genutzt wurde, die angaben, mit der Lehre „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“ gewesen zu sein (eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:Quotierungsplan mit Angabe der erreichten Anzahl an Befragten und der daraus gezogenen Quotenstichprobe nach dem Merkmal „Fakultät“ (eigene Darstellung)
Tabelle 2:Ergebnisse des T-Tests für verbundene Stichproben zur Zufriedenheit der Befragten vor der Corona-Pandemie und während des Sommersemesters 2020 (eigene Darstellung)
Tabelle 3:Ergebnisse des T-Tests für verbundene Stichproben zu den absolvierten Lehrver-anstaltungen der Befragten vor der Corona-Pandemie und während des Sommersemesters 2020 (eigene Darstellung)
Tabelle 4:Ergebnisse des T-Tests für eine Stichprobe zur Veränderung der Noten der Be-fragten aufgrund der Corona-Pandemie mit dem Testwert 3 (= keine Veränderung) (eigene Darstellung)
Tabelle 5:Ergebnisse des T-Tests für verbundene Stichproben zur Motivation der Befragten vor der Corona-Pandemie und während des Sommersemesters 2020 (eigene Darstellung)…..
Tabelle 6:Ergebnisse des T-Tests für verbundene Stichproben zur Nutzung der Lernangebote durch die Befragten vor der Corona-Pandemie und während des Sommersemesters 2020 (eigene Darstellung)
Tabelle 7:Ergebnisse des T-Tests für verbundene Stichproben zum wöchentlichen Zeitauf-wand pro Lehrveranstaltung vor der Corona-Pandemie und im Sommersemester 2020 (eigene Darstellung)
Tabelle 8:Ergebnisse des T-Tests für verbundene Stichproben zur bewerteten Betreuung durch die Dozierenden vor der Corona-Pandemie und während des Sommersemesters 2020 (eigene Darstellung)
Tabelle 9:Kategorien zu den genannten Veränderungen in der Betreuung aufgrund der Corona-Pandemie mit den absoluten Häufigkeiten ihrer Nennung durch die Befragten (eigene Darstel-lung)
Tabelle 10:Ergebnisse des T-Tests für verbundene Stichproben zum Kontakt der Befragten zu Mitstudierenden vor der Corona-Pandemie und während des Sommersemesters 2020 (eigene Darstellung)
Tabelle 11:Ergebnisse des T-Tests für verbundene Stichproben zur Anzahl der aufgetretenen Probleme bei den Befragten während des Studiums vor der Corona-Pandemie und während des Sommersemesters 2020 (eigene Darstellung)
Tabelle 12:Ergebnisse der T-Tests für verbundene Stichproben für die verschiedenen Problem-Ausprägungen vor der Corona-Pandemie und während des Sommersemesters 2020 (eigene Darstellung)
Tabelle 13:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss des Fachsemesters (unabhängige Variable) auf die Zufriedenheit der Befragten mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 14:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss des Hochschulsemesters (unab-hängige Variable) auf die Zufriedenheit der Befragten mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 15:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss des Alters (unabhängige Vari-able) auf die Zufriedenheit der Befragten mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 16:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss des Geschlechts (unabhängige Variable) auf die Zufriedenheit der Befragten mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 17:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss der bisherigen E-Learning-Er-fahrung der Studierenden (unabhängige Variable) auf die Zufriedenheit der Befragten mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 18:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss von bisher absolvierten Online-Lehrveranstaltungen (unabhängige Variable) auf die Zufriedenheit der Befragten mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 19:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss der von den Befragten bewerteten Computer- und E-Learning-Kompetenz der Dozierenden (unabhängige Variable) auf die Zu-friedenheit der Studierenden mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 20:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss der von den Befragten bewerteten Betreuung durch die Dozierenden (unabhängige Variable) auf die Zufriedenheit der Studie-renden mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 21:Ergebnisse der multiplen linearen Regression zum Einfluss des Studiengangs (unabhängige Variable) auf die Zufriedenheit der Studierenden mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) mit der Referenzkategorie „Caritaswissenschaften“ (eigene Darstellung)
Tabelle 22:Ergebnisse der einfaktoriellen Varianzanalyse (ANOVA) mit der abhängigen Variable „Zufriedenheit“ und der unabhängigen Variable „Studiengang“ (eigene Darstel-lung)
Tabelle 23:Ergebnisse der einfaktoriellen Varianzanalyse (ANOVA) mit der abhängigen Variable „Zufriedenheit“ und der unabhängigen Variable „Medium“ (eigene Darstellung)
Tabelle 24:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss der Anzahl an genutzten Medien/Tools (unabhängige Variable) auf die Zufriedenheit der Studierenden mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 25:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss des Kontakts zu Mitstudierenden (unabhängige Variable) auf die Zufriedenheit der Studierenden mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 26:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss der Anzahl an aufgetretenen Problemen (unabhängige Variable) auf die Zufriedenheit der Studierenden mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 27:Ergebnisse der multiplen linearen Regression zum Einfluss der verschiedenen Problem-Ausprägungen (unabhängige Variablen) auf die Zufriedenheit der Studierenden mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 28:Ergebnisse der linearen Regression zum Einfluss der Berufstätigkeit (unabhängige Variable) auf die Zufriedenheit der Studierenden mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
Tabelle 29:Ergebnisse der multiplen linearen Regression zum Einfluss aller signifikanten Faktoren (unabhängige Variablen) auf die Zufriedenheit der Studierenden mit der Lehre des Online-Semesters (abhängige Variable) (eigene Darstellung)
1 Ein Virus, der das Lernen verändert
2,5 Millionen Infektionen, bis zu 31 000 Neue pro Tag und mehr als 73 000 Todesfälle allein in Deutschland, mehrere Monate geschlossene Ländergrenzen, geschlossene Schulen, Kitas und Universitäten sowie strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen auf der ganzen Welt. (Robert Koch Institut, Stand: 15. März 2021) Der Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 hat etwas ausgelöst, das viele wohl nicht für möglich gehalten hätten und das das Leben von Milliarden Menschen von Grund auf verändert hat. Während unzählige Menschen und Branchen ums Überleben kämpften, stand plötzlich auch ein besonders wichtiger Bereich vor einer scheinbar unüberwindbaren Herausforderung: Die Bildung.
Nach den staatlich verordneten Schulschließungen im März 2020 waren knapp 33 000 deutsche Schulen und über 400 Hochschulen mit einem Mal gezwungen, den Unterricht auch ohne persönlichen Kontakt zu den Lernenden am Laufen zu halten und sämtliche Lehrveranstaltungen in digitale Formate umzuwandeln. (Statistisches Bundesamt, 2019, S. 95/103) Was für Fernhochschulen längst Alltag war, war für die Mehrzahl der Bildungsinstitutionen vollkommen neu. Zwar gab es schon vorher Online-Kurse, jedoch waren dies meist solche, die sich aufgrund des Lerninhalts dazu eigneten. Nun aber mussten ausnahmslos alle Lehrveranstaltungen – von der Vorlesung bis zum Praxisprojekt – auf den Präsenzunterricht verzichten. Selbst Hochschulen, die als Vorreiter in Sachen Online-Lernen galten und seit Jahren Unterricht zu Studierenden auf der ganzen Welt übertragen, wurden von der aktuellen Situation an ihre Grenzen gebracht, da selbst deren Kapazitäten nicht auf unendlich viele Lernende ausgelegt waren. (Schwertfeger, 2020a, S. 34) Doch die häufig verfluchten neuen Medien haben sich wohl nie als solch ein Segen erwiesen wie jetzt, schon allein im Kampf gegen die körperliche und soziale Isolation, die zur Eindämmung der Pandemie unumgänglich war. Die geltenden Kontaktbeschränkungen machten das digitale Lernen zur einzigen Möglichkeit, den Fortbestand der Bildungsprozesse sicherzustellen und das allein durch dessen zentralen Vorteil: Das ortsunabhängige Lernen ohne jeden physischen Kontakt.
Viele würden deshalb wohl behaupten, das technologiegestützte Lernen – auch E-Learning genannt – sei zweifellos ein Gewinner der Corona-Krise. (Pichler, 2020, S. 17) Auch wenn laut Branchenmonitor des MMB-Instituts die deutsche E-Learning-Branche schon seit einiger Zeit jährlich um einen zweistelligen Prozentbereich wächst, erlebt das Online-Lernen derzeit einen Boom wie nie zuvor. (MMB-Institut, 2019, S. 3) Mehr als ein Viertel der E-Learning-Anbieter verzeichneten 2020 einen höheren Umsatz und auch die Zugriffszahlen auf Online-Schulungsangebote sind seit Ausbruch der Pandemie um ganze 30% gestiegen. (Schmid & Goertz, 2020;Pichler, 2020, S. 18) Manche Experten sprechen sogar von einer regelrechten „Bildungswelle“. (Pichler, 2020, S. 19) Nahezu alle digitalen Lernformen profitieren von der aktuellen Lage, aber vor allem jene, die primär online funktionieren, nicht zu komplex und aufwändig sind. (Schmid & Goertz, 2020)
Die Idee des Online-Lernens ist keineswegs neu. Seit Jahrzehnten sind mit dem Einsatz neuer Medien in der Bildung große Hoffnungen und Erwartungen verbunden. Das sogenannte „Technology Enhanced Learning“ wird häufig als Zukunft des Lernens bezeichnet und verspricht seinen Nutzenden grenzenlose Flexibilität, höhere Motivation, qualitativ hochwertigere Lerninhalte und vor allem ein effektiveres Lernen. (Bremer, o. J., S. 1; Neumann, Nacke & Ross, 2002, S. 17) Kurz gesagt, das computergestützte Lernen wird als Wundermittel zur Lösung sämtlicher Bildungsprobleme gesehen. (Hromkovic & Lacher, 2019, S. 357) Der technische Fortschritt und die zunehmende Verbreitung des Internets und mobiler Geräte haben dazu beigetragen, dass diese Bildungsform in den vergangenen Jahrzehnten enorm an Einfluss gewonnen hat, nicht nur in der Hochschullehre. (Olson, 2005, S. 235; Rey, 2009, S. 11) Doch auch wenn E-Learning heute in aller Munde ist, ist dessen Erfolg nach wie vor umstritten. (Ehlers, 2011, S. 25) Kritiker warnen vor Qualitätsverlusten in der Lehre und sind der Überzeugung, dass neue Medien lediglich als Ergänzung des klassischen Unterrichts einen Vorteil für das Lernen bieten und den Präsenzunterricht nicht vollständig ersetzen können. (Arnold, Kilian, Thillosen & Zimmer, 2018, S. 523; Hromkovic & Lacher, 2019, S. 357) Womöglich ist dies auch einer der Gründe, warum diese Form des Lernens bisher nicht vollständig in die Organisationsstrukturen von Bildungsträgern verankert werden konnte. (Lucke & Schroeder, 2012, S. 1) Entsprechende Projekte erwiesen sich als wenig nachhaltig und die Mediennutzung an Hochschulen ging nur selten über die Online-Kursanmeldung und die digitale Bereitstellung von Texten hinaus. (Arnold, Prey & Wortmann, 2015, S. 54; Handke & Schäfer, 2012, S. 9) Nach jahrzehntelangen Versuchen, neue Medien vollständig in den Studienalltag zu integrieren, hat die Corona-Pandemie dies innerhalb kürzester Zeit erreicht und damit eine neue Möglichkeit eröffnet, den „digitalen“ Lernerfolg und seine Einflussfaktoren zu erforschen. (Pichler, 2020, S. 19) Bisherige Studien dazu haben meist nur einzelne Online-Kurse betrachtet und mit Präsenzveranstaltungen verglichen. Die derzeitige Situation ermöglicht jedoch erstmalig die Untersuchung des reinen Online-Lernens in verschiedensten Kursen, Vorlesungen und Seminaren in unterschiedlichsten Studiengängen, was bis zum jetzigen Zeitpunkt nur an Fernhochschulen möglich war. Zudem haben bisherige Studien zu den Auswirkungen neuer Medien auf das Lernen zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt und ein klares Erfolgsrezept, wie erfolgreiches Online-Lernen funktioniert, scheint es nach wie vor nicht zu geben. Aus diesem Grund soll die vorliegende Studie das vergangene „digitale“ Studiensemester am Beispiel der Universität Passau evaluieren und dabei besonders die subjektiven Erfahrungen der Studierenden im Zu-sammenhang mit dem Präsenz- und Online-Lernen in den Fokus rücken. In den letzten Jahren sind die Lernenden vermehrt zum Mittelpunkt der medienpädagogischen Forschung geworden und zahlreiche Wissenschaftler (u. a. Rey, 2009, S. 127; Tergan & Schenkel, 2004, S. 30) haben deutlich gemacht, dass deren individuelle Voraussetzungen, Eigenschaften und Vorerfahrungen für das erfolgreiche Lernen mit neuen Medien ausschlaggebend sind. Deshalb ist deren Sichtweise für die Erfolgsmessung unverzichtbar.
Vor diesem Hintergrund soll die vorliegende Studie den folgenden zwei Forschungsfragen nachgehen. Zum einen soll geklärt werden, ob ein vollkommen online durchgeführtes Semester ebenso erfolgreich ist wie ein klassisches Präsenzstudium, wobei der Erfolg anhand der Faktoren Zufriedenheit, absolvierte Lehrveranstaltungen, Leistungen, Motivation, Nutzung, Lerndauer, Kontakt zu Mitstudierenden, Betreuung durch Dozierende sowie aufgetretene Probleme untersucht werden soll. Der zweite Teil widmet sich der Frage, welche Faktoren die Zufriedenheit der Studierenden während eines Online-Semesters beeinflussen. Die Variablen, die dabei auf ihren Einfluss hin geprüft werden, sind Höhe des Studiensemesters, Alter, Geschlecht und Studiengang der Studierenden, bisherige E-Learning-Erfahrungen, verwendete Medien, Betreuung, E-Learning-Kompetenz der Dozierenden, Kontakt zu Mitstudierenden sowie aufgetretene Probleme und Berufstätigkeit. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen zeigen, ob sich der Studienerfolg durch die neue Situation verändert hat und ob es womöglich Fachbereiche, Medien oder Personengruppen gibt, bei denen digitales Lernen besonders gut funktioniert. Zudem würden die Erkenntnisse deutlich machen, ob diese Bildungsform dazu geeignet wäre, auch nach der Corona-Pandemie weitergeführt zu werden. Denn nur wenn klar ist, dass reines Online-Lernen einen didaktischen Mehrwert bieten kann und welche Faktoren dabei berücksichtigt werden müssen, wird es sich auch an Hochschulen dauerhaft durchsetzen können. Zur Untersuchung der Fragestellungen wurde eine quantitative Online-Befragung von 226 Studierenden an der Universität Passau durchgeführt.
Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit den theoretischen Hintergründen des Lernens mit neuen Medien. Hierfür wird zunächst versucht, eine Begriffsdefinition für technologiegestütztes Lernen zu finden sowie die zahlreichen Erscheinungsformen voneinander abzugrenzen. Ebenso sollen deren Vor- und Nachteile, aber auch bisherige Einsatzbereiche vorgestellt werden. Nicht zu vernachlässigen sind die lerntheoretischen Grundlagen. In diesem Zusammenhang werden drei verschiedene theoretische Rahmenmodelle von Simon, Treiblmaier & Neumann (2008), Tergan (in Tergan & Schenkel, 2004) sowie Najjar (1997) herangezogen, die sich mit der Wirksamkeit und den Einflussfaktoren beim technologiegestützten Lernen beschäftigen. Am Ende der theoretischen Einführung soll der Forschungsstand einen Überblick über bisherige, für die vorliegende Studie relevante Untersuchungen geben und es werden die aktuellen Forschungsfragen und Hypothesen abgeleitet. Im Anschluss daran wird näher auf das methodische Vorgehen eingegangen. Hier finden sich die Begründung des gewählten Untersuchungsdesigns, die Erläuterung der Operationalisierung und der daraus entstandene Aufbau des Fragebogens wieder, ebenso wie die Beschreibung der Stichprobe und des allgemeinen Forschungsverlaufs. Gegen Ende der Arbeit werden die Studienergebnisse entlang der zentralen Forschungsfragen dargelegt, bevor die Diskussion mögliche Ursachen für die Resultate, Limitationen im Forschungsverlauf und Ansatzpunkte für Anschlussforschung aufzeigen soll.
2 Theoretische Grundlagen
Bevor der Erfolg des vergangenen „digitalen“ Studiensemesters untersucht werden kann, soll geklärt werden, was sich überhaupt hinter technologiegestütztem Lernen verbirgt, einem Begriff, der meist für das Lernen mit neuen Medien verwendet wird. In dem Zusammenhang sollen nicht nur verschiedene Lernformen aufgezeigt werden, sondern auch deren Chancen, Herausforderungen, Einsatzbereiche sowie theoretische und empirische Grundlagen.
2.1 Technologiegestütztes Lernen
Technologiegestütztes Lernen ist in der heutigen Zeit omnipräsent und Online-Lernen oder E-Learning scheinen schon fast zu Modewörtern geworden zu sein. Dennoch stoßen sie in der Gesellschaft nach wie vor auf kein einheitliches Verständnis. Das folgende Kapitel soll nun eine Einführung in das doch sehr unübersichtliche Feld geben, um die theoretische Grundlage für die geplante Untersuchung zu schaffen, begonnen mit der Begriffsdefinition, verschiedenen Klassifikationsmöglichkeiten bis hin zu Chancen, Risiken und Einsatzgebieten technologiegestützten Lernens.
2.1.1 Begriffsannäherungen und Definition von technologiegestütztem Lernen
Es gibt wohl kaum etwas, für das sich im Laufe der Zeit so viele Namen herausgebildet haben und für das dennoch keine einheitliche Definition existiert, wie für das durch Technologien unterstützte Lernen. Im Folgenden wird versucht, die verschiedenen Ausdrücke voneinander abzugrenzen, die im Rahmen dieser Arbeit unter „technologiegestütztes Lernen“ zusammengefasst werden. In den letzten Jahrzehnten kursierte in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Begrifflichkeiten wie Computer-Based Training, Web-Based Training, Online-Lernen, Lernen mit neuen Medien, Telelernen, Distanz- oder Fernlehre, multimediales Lernen, Technology Enhanced Learning, virtuelles Lernen, E-Teaching oder medienbasiertes Lernen. (Lampe & Zentgraf, 2012, S. 59; Passey, 2019, S. 979; Riekhof & Schüle, 2002, S. 88; Rin, 2003, S. 39) Die Liste ließe sich nahezu unendlich fortführen. Jeder dieser Ausdrücke beschreibt eine eigene spezifische Form des Lernens mit Medien und dennoch werden sie fälschlicherweise häufig synonym verwendet. Als Oberbegriff für all diese Formen hat sich in den 1990er Jahren der Ausdruck „E-Learning“ etabliert, der für „elektronisch gestütztes Lernen“ steht. (Kimpeler, 2010, S. 365; Ruf, Berner, Kriston & Härter, 2008, S. 1061) Auch wenn inzwischen von vielen Seiten dafür plädiert wird, den Begriff abzuschaffen und durch neuere und flexiblere Ausdrücke zu ersetzen (Apostolopoulos, Hoffmann, Mansmann & Schwill, 2009, S. 118; Thalhammer, 2014, S. 50), ist er nach wie vor in der Literatur zu finden. Doch selbst für E-Learning gibt es keine standardisierte Definition. Nach Schüle (in Riekhof & Schüle, 2002) versteht man darunter „Lernprozesse, die durch moderne Informations- und Kommunikationssysteme unterstützt werden und sich durch diese Unterstützung von klassischen Lernformen wie Präsenzunterricht/-seminaren oder Lernen aus Büchern und Skripten unterscheiden“ (S. 47). Diese sehr weit gefassten Definition umschreibt alle Lehr- und Lernformen unter E-Learning, die auch nur im Geringsten durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt werden, unabhängig davon, ob der Lernprozess im Selbststudium oder kooperativ innerhalb einer Gruppe, synchron (z. B. Videokonferenzen) oder asynchron (z. B. per E-Mail), mit oder ohne tutorielle Begleitung, online oder offline stattfindet. (Klimsa & Issing, 2011, S. 36; Neumann et. al., 2002, S. 144; Nikodemus, 2017, S. 17) Die Möglichkeiten des Medieneinsatzes erstrecken sich vom einfachen PDF-Dokument, über Applikationen bis hin zu komplexen interaktiven Lerneinheiten in virtuellen Räumen. (Kimpeler, 2010, S. 365; Tavangarian & Nölting, 2005, S. 40) Ob E-Learning über die bloße Bereitstellung eines digitalen Dokuments hinausgehen muss und ein konkretes Konzept erfordert, ist umstritten. (Kreidl, 2011, S. 94) Auch Mischformen, die in der Regel unter den Begriffen „Blended Learning“ oder „Hybrides Lernen“ bekannt sind, werden unter E-Learning gefasst. (Euler & Seufert, 2005, S. 532; Rin, 2003, S. 62) Dabei werden Phasen des Präsenz- und des Online-Unterrichts didaktisch sinnvoll kombiniert, um die Vorteile beider Lernformen zu verknüpfen und deren Nachteile zu verringern. (Handke & Schäfer, 2012, S. 40f; Lampe & Zentraf, 2012, S. 60)
Es gibt jedoch auch E-Learning-Definitionen, die deutlich enger gefasst sind und lediglich webbasierte Lernszenarien miteinschließen (z. B. bei Ebner & Schön, 2013, S. 3; Richert, 2009, S. 25). In diesem Zusammenhang werden Begriffe wie Online-Lernen oder Web-Based Learning verwendet. (Handke & Schäfer, 2012, S. 40) Charakteristisch hierfür sind die Verwendung des Internets zur Wissensvermittlung und der teilweise oder vollkommene Verzicht auf Präsenzlehre. (ebd.) Die Bereitstellung der Technologien, sogenannter „E-Medien“, erfolgt meist über eine Lernplattform, ein sogenanntes Learning Management System (Lernmanagementsystem). (ebd., S. 47)
Die unklare Bedeutung des E-Learning-Begriffs mag ein Grund dafür sein, dass er so umstritten ist und langsam von anderen Begrifflichkeiten verdrängt wird, wie technologiegestütztes oder -basiertes Lernens, auf Englisch auch Technology Enhanced Learning (TEL) genannt. (Ebner & Schön, 2013, S. 2; Gutbrod, 2007, S. 3) Ebenso wie zunächst der weit gefasste E-Learning-Ausdruck gilt technologiegestütztes Lernen heute als Oberbegriff für alle Szenarien, in denen Lehr- und Lernprozesse durch Technologien unterstützt oder verbessert werden, von Lernmanagementsystemen, über mobile Applikationen, Video-Lernen bis hin zur Robotik. (Daniela, Visvizi, Gutiérrez-Braojos & Lytras, 2018, S. 5)
Neben E-Learning wird auch multimediales Lernen häufig im Zusammenhang mit dem Lernen mit neuen Medien genannt. Doch nach Mayer (2009) beschreibt Multimedialität lediglich die gemeinsame Präsentation von Wörtern und Bildern, unabhängig davon, ob dies in einem Buch oder am Computerbildschirm geschieht. (S. IX) Insofern ist E-Learning zwar meistens multimedial, aber multimediales Lernen nicht immer E-Learning. Auch Distance Learning beziehungsweise Fernunterricht wird häufig synonym zum Lernen mit neuen Medien verwendet, doch auch hier gilt, es gibt in einigen Fällen Überschneidungen, die Begriffe sind jedoch nicht identisch. (Guri-Rosenblit, 2005, S. 467) Fernlehre ist der Unterricht über eine physische Distanz, die mithilfe von Medien überbrückt wird, doch nicht immer handelt es sich dabei um computer- oder netzbasierte Medien. (ebd.; Yousuf, 2007, S. 114) Darüber hinaus haben sich im Laufe der Zeit einige Sonder- beziehungsweise Unterformen des technologiegestützten Lernens herausgebildet wie Micro Learning, Rapid E-Learning oder Mobile Learning. Unter Micro Learning wir das Lernen mit deutlich kürzeren digitalen Lerneinheiten verstanden, als es in der Regel beim traditionellen Präsenzlernen der Fall ist. (Reinmann, 2007, S. 188; Triacca, Petti & Rivoltella, 2019, S. 96) Rapid E-Learning ist eine sehr einfache, kostengünstige und schnelle Produktion von digitalen Lerninhalten. (Hilpert, Gillitzer, Kuttner & Schwarz, 2014, S. 296; Reinmann, 2007, S. 188) Zunehmend etabliert sich das Mobile Learning, auch M-Learning genannt, bei dem das Lernen um den Aspekt der Mobilität ergänzt wird. Es wird also über drahtlose, mobile Geräte gelernt, wie beispielsweise tragbare PCs oder Smartphones, um das Lernen zur jeder Zeit an jedem Ort zu ermöglichen. (Abu-Al-Aish & Love, 2013, S. 83; Swanwick, 2014, S. 171)
Neben den genannten werden noch viele weitere Bezeichnungen für diese Form des Lernens verwendet, die nicht alle erläutert werden können. Im Rahmen dieser Arbeit ist technologie-gestütztes Lernen der bevorzugte Ausdruck, da er eine aktuellere Version des E-Learning-Begriffs darstellt. Es wird darunter jedes Lernszenario verstanden, das auf irgendeine Weise durch Technologien unterstützt wird. Im Zusammenhang mit der durchgeführten Befragung wird zu-dem der Begriff Online-Lernen verwendet, da die Lehre an der Universität Passau während der Corona-Pandemie vollkommen über internetbasierte Lernanwendungen stattfand. Technologiegestütztes Lernen oder E-Learning sind als Oberbegriffe zu verstehen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Lernen mit neuen Medien – egal wie es genannt wird – eine große Vielfalt von Anwendungen umschreibt, die sich alle unterscheiden, aber schwer voneinander abzugrenzen sind. Sie alle haben das Ziel, Wissen zu präsentieren, zu vermitteln, zu verwalten und damit individuelle und Gruppenlernaktivitäten zu unterstützen. (Handke & Schäfer, 2012, S. 35; Kerres, 2001, S. 94) Das Forschungsfeld, das sich damit beschäftigt, ist interdisziplinär und erfordert eine Zusammenarbeit zwischen der Informatik, (Medien-)Didaktik, (Lern-)Psychologie sowie den Design-, Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, die alle ihren Beitrag dazu leisten müssen, dass das Lernen mit Technologieunterstützung erfolgreich ist. (Keil & Wessner, 2012, S. 4; Klimsa & Issing, 2011, S. 63ff)
2.1.2 Klassifikationsansätze und Formen von technologiegestütztem Lernen
Der nun sehr weit umrissene Begriff des technologiegestützten Lernens zeigt, wie umfangreich dieses Gebiet sein kann. Durch neue technische Entwicklungen wurde die Menge an Anwendungen, die daraus entstanden ist, nahezu unüberschaubar. Allgemein akzeptierte Kriterien, was zu Technology Enhanced Learning gehört und was nicht, existieren nach wie vor nicht. Doch im Laufe der Zeit gab es verschiedenste Versuche, die Ausprägungen dieser Lernform zu klassifizieren und systematisieren.
2.1.2.1 Chronologische und technologische Klassifizierung
Eine Möglichkeit ist, die Technologien chronologisch zu ordnen, in der Reihenfolge ihrer technischen Entstehung, denn E-Learning war schon immer eng mit der Verbreitung von elektronischen Speichermedien, Rundfunk und Internet verbunden. (Kimpeler, 2010, S. 368) Die Versuche, Lehr- und Lernprozesse durch geeignete Medien zu unterstützen, gab es schon lange vor der Entstehung des Internets. So entwickelten beispielsweise Thorndike und Pressey schon Mitte der 1920er Jahre mechanische Lernmaschinen, die den Lernenden Fragen präsentierten und anschließend deren Antworten auswerteten. (Dittler, 2017, S. 6; Holten & Nittel, 2010, S. 10) Die eigentliche Entwicklung von Angeboten zum technologiegestützten Lernen wird jedoch in den meisten Fällen in drei große Phasen eingeteilt, auch wenn sich die angegebenen Zeitabschnitte teilweise voneinander unterscheiden. (Dittler, 2011, S. 2f; Dittler, 2017, S. 12ff; Holten & Nittel, 2010, S. 11ff) Dittler (2017) grenzt die erste Welle auf den Zeitraum zwischen den 1960er Jahren und 1995 ein, die Zeit des computerbasierten Lernens, auch Computer-Based Training (CBT) genannt. (S. 12) Die CBT-Programme funktionieren vollkommen offline, wer-den überwiegend über Speichermedien wie CD-ROMs oder DVDs verbreitet und können von Lernenden an einem Computer ohne Internetverbindung gestartet werden. (Förg, 2005, S. 19; Wilms, 2010, S. 229f) Aus diesem Grund sind sie kaum aktualisierbar und es findet keine Kommunikation unter Lehrenden und Lernenden statt. (ebd.) Zur klassischen Lernsoftware werden in den meisten Fällen tutorielle Systeme, Übungssysteme sowie Simulationsprogramme gezählt. (Euler & Seufert, 2005, S. 5; Handke & Schäfer, 2012, S. 60ff; Leutner, Opfermann, Schmeck, 2014, S. 302; Simon, 2001, S. 61ff) Übungsprogramme, auch Drill-&-Practice-Programme genannt, dienen der Prüfung von Wissen. Sie präsentieren dem Lernenden Fragen zum Lehrstoff, prüfen dessen Antwort und geben Rückmeldung dazu. (Leutner et. al., 2014, S. 302) Gemäß dem behavioristischen Lernansatz geschieht hier der Lernprozess als Reaktion auf bestimmte Reize. (Treumann, Ganguin & Arens, 2012, S. 39) Wurde eine Frage richtig beantwortet, führt die Rückmeldung des Lernprogramms zu einer positiven Verstärkung des Verhaltens. Üblicherweise wird der Lernende erst bei richtiger Beantwortung zur nächsten Aufgabe oder zum oftmals schwierigeren Level zugelassen. (Handke & Schäfer, 2012, S. 60) Solche Programme werden häufig in Sprachkursen eingesetzt, zur Einübung von Vokabeln. (Wilms, 2010, S. 230) Tutorielle Systeme, auch Tutorials genannt, dienen dagegen nicht der Prüfung, sondern der Vermittlung von Wissen. (Leutner et. al., 2014, S. 302) Mithilfe des Computers werden den Lernenden Inhalte in sinnvollen Einheiten präsentiert und vermittelt, die meist im Anschluss an die Lektion geprüft werden. (ebd.) Hierzu werden tutorielle Systeme in der Regel mit Drill-&-Practice-Anwendungen kombiniert. (Handke & Schäfer, 2012, S. 61) Zudem können Tutorials adaptiv sein, beispielsweise in Form von intelligenten tutoriellen Systemen, bei denen Techniken der künstlichen Intelligenz eingesetzt werden, um sich den Lernenden und ihrem Wissen anzupassen. (ebd.) Die dritte klassische Lernsoftware stellen Simulationen dar. Darunter werden Programme verstanden, „welche ein Abbild der Realität darstellen, mit dem Ziel, dem Lernenden durch eigenes Erleben oder Beobachten, das Wissen über komplexe Sachverhalte zu vermitteln“ (Wilms, 2010, S. 230). Der Vorteil liegt darin, Vorgänge und Situationen nachzustellen, die in der Realität unmöglich, zu teuer oder zu gefährlich wären, beispielsweise bei der Pilotenausbildung oder in der medizinischen Diagnostik. (ebd.; Simon, 2001, S. 66) Zu dieser Lernform können unter anderem auch Planspiele, virtuelle Rundgänge oder Mikrowelten gezählt werden. (Hilpert et. al., 2014, S. 294; Simon, 2001, S. 65) Tutorials und Simulationen folgen im Gegensatz zu Übungssystemen der kognitivistischen und konstruktivistischen Lerntheorie, nach der das Individuum lernt, indem es sich aktiv mit der Umwelt auseinandersetzt, dadurch Wissen aufbaut und mit dem eigenen Vorwissen verknüpft. (Leidner & Jarvenpaa, 1995, S. 268; Treumann et. al., 2012, S. 42)
Die zweite Welle nach Dittler (2017) beginnt Mitte der 1990er Jahre und stellt die Phase der Web-Based Trainings dar. (S. 23) Anders als beim computerbasierten Lernen ist beim webbasierten Lernen eine Internetverbindung Voraussetzung. (Förg, 2005, S. 20) Die Lerninhalte können auf einem Webserver abgelegt und von den Lernenden jederzeit abgerufen und verändert werden. (ebd.) Durch die Vernetzung wird eine höhere Flexibilität erreicht. Es ist sowohl der kommunikative Austausch zwischen Lernenden und Lehrenden, synchrones oder asynchrones Lernen, aber auch ein gemeinsames kooperatives Lernen mit mehreren Personen möglich. (ebd.) Zu Web-Based Trainings werden Lernmanagement- oder Autorensysteme, Blended-Learning-Szenarien oder virtuelle Klassenzimmer gezählt. (Wilms, 2010, S. 231ff) Lernmanagementsysteme, wie beispielsweise Moodle, ILIAS oder Stud.IP dienen dazu Lerninhalte bereitzustellen, Kommunikation unter Lehrenden und Lernenden zu ermöglichen sowie Lernprozesse und Kurse zu organisieren, zu unterstützen und zu verwalten. (ebd.; Landgraf, 2019, S. 59) Hierzu werden verschiedene Werkzeuge zur Verfügung gestellt wie Foren, Chats oder Kalender. (Landgraf, 2019, S. 59) Die Inhalte der Lernplattform können mithilfe von Autorenwerkzeugen multimedial und didaktisch aufbereitet werden. (Wilms, 2010, S. 230) Virtuelle Klassenzimmer (Virtual Classrooms) haben den Charakter einer Videokonferenz, bei der Kursteilnehmende über eine physische Distanz hinweg am Unterricht teilnehmen und kommunizieren können. (Arnold et. al., 2018, S. 89) Eine Software für virtuelle Klassenzimmer verfügt in den meisten Fällen über mehr Funktionalitäten, wie beispielsweise ein Whiteboard, einen Chat oder Moderationshilfen. (Wilms, 2010, S. 233) Begriffe wie virtuelles Seminar, Web-Seminar beziehungsweise Webinar dienen als Synonyme für diese Art des Unterrichts. (Förg, 2005, S. 21; Hilpert et. al., 2014, S. 294)
Die dritte Welle des E-Learning nach Dittler (2017), beginnend in etwa im Jahr 2005, ist die Phase des sogenannten Web 2.0. (S. 31) Häufig wird dies auch mit dem Begriff E-Learning 2.0 verbunden. Während beim E-Learning 1.0 Lernumgebungen lediglich Inhalte und Werkzeuge zur Verfügung stellen, die von Lernenden genutzt werden können, konfigurieren und gestalten diese nun ihre eigene Lernumgebung. (Kerres, 2006, S. 6) Technologische Lernanwendungen sind nicht länger ein reines Abrufmedium, sondern entwickeln sich weiter zum Mitmachmedium, bei dem Lernende aktiv an Lerninhalten mitarbeiten, während sie von einer Lehrperson begleitet werden. (ebd.; Arnold et. al., 2018, S. 224) Typische Lernanwendungen des sogenannten Web 2.0 sind Wikis, Weblogs, Podcasts, E-Portfolios oder auch soziale Netzwerke wie Facebook. (Ebner & Schön, 2013, S. 8; Kergel & Heidkamp-Kergel, 2020, S. 64) Während bei Blogs beziehungsweise Weblogs die Lernenden Beiträge erstellen und veröffentlichen, die wiederum von anderen kommentiert werden können, sind Wikis eine Art webbasierte Datenbank, bei der viele Personen kollaborativ Inhalte erstellen. (Handke & Schäfer, 2012, S. 68/71; Niegemann & Weinberger, 2020, S. 638) Diese können jederzeit von anderen Benutzern bearbeitet oder ergänzt werden. (ebd.) E-Portfolios ermöglichen die Sammlung, Organisation und Kommentierung von Online-Materialien, Aufsätzen, Bildern oder Notizen, zum Beispiel zur Dokumentation für Dozierende. (Swanwick, 2014, S. 166) Und unter Podcasts versteht man schließlich online verfügbar gemachte Audiodateien, auf die Nutzende zugreifen und sie örtlich und zeitlich flexibel anhören können. (Apostolopoulos et. al., 2009, S. 258) Die Vermittlung erfolgt in der Regel asynchron und wird in der Bildung beispielsweise zur Entlastung von Präsenzveranstaltungen genutzt. (Handke & Schäfer, 2012, S. 89)
Neben den drei genannten Phasen spricht Dittler (2017) inzwischen schon von einer vierten Welle des technologiegestützten Lernens, der sogenannten Postmedialität, in der technische Informations- und Kommunikationsmedien im Alltag des Menschen allgegenwärtig sind und Wissen jederzeit verfügbar machen. (S. 37f) Dies äußert sich beispielsweise im mobilen Lernen, das mithilfe von portablen Geräten jederzeit und überall stattfinden kann, was unter dem Begriff E-Learning 3.0 bekannt ist. (Thalhammer, 2014, S. 50) Abbildung 1 versucht einen Überblick über die vier Entwicklungsphasen zu geben, die nun beschrieben wurden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Überblick über die vier Entwicklungsphasen des technologiegestützten Lernens und die zu dieser Zeit entstandenen typischen Anwendungen (eigene Darstellung in Anlehnung an Wilms, 2010, S. 230 und Dittler, 2017, S. 12ff)
Es muss festgestellt werden, dass es nahezu alle Formen, die im Laufe der Zeit entstanden sind, noch heute gibt und deren Verwendung nicht mit dem Ende des Zeitabschnitts aufhörte. Sie wurden lediglich weiterentwickelt, da sich auch die Technologien stetig verändern. Beispielsweise sind Anwendungen computergestützten Unterrichts, wie beispielsweise Übungsprogramme, inzwischen auch webbasiert verfügbar. Auf diese Weise entstehen ständig neue Formen des Lernens mit Medien, die das Feld immer unüberschaubarer machen.
2.1.2.2 Klassifizierung nach Visualisierungsgrad
Neben der Chronologie ist eine noch viel weiter verbreitete Möglichkeit die Klassifizierung nach dem Grad der Virtualisierung. Doch auch hier gibt es in der Literatur verschiedene Ansätze. Sehr einfache Unterteilungen finden sich bei Cragie und bei Bachmann & Dittler. Cragie (2011) unterscheidet lediglich zwischen klassischem Präsenzunterricht, Blended Learning und vollständig virtuellem Lernen. (S. 146) Bachmann & Dittler (2004) nennen dagegen drei Konzepte, in denen Technologien in der Lehre eingesetzt werden. Während beim Anreicherungskonzept der Präsenzunterricht bestehen bleibt und lediglich durch digitale Skripte oder Präsentationsfolien ergänzt wird, werden Online- und klassische Lehre beim integrativen Konzept aufeinander abgestimmt und es kann sowohl Präsenzunterricht als auch Online-Phasen wie Online-Sprechstunden, -Tutorien oder -Tests geben. (Bachmann & Dittler, 2004, S. 2) Das dritte Konzept stellt die rein virtuelle Lehre dar, zum Beispiel in Form von Online-Kursen, -Vorlesungen oder -Seminaren. (ebd.) Schulmeister (2005) beschrieb dagegen vier prototypische Szenarien des digitalen Lernens nach dem Grad der Virtualität, zu sehen in Abbildung 2. (S. 177) Im ersten Szenario werden Präsenzveranstaltungen lediglich durch digitale Elemente wie Downloadangebote angereichert, wobei der Virtualisierungs- und Interaktionsgrad sehr gering ist. (ebd.) Szenario II geht bereits von einer Gleichrangigkeit von Präsenz- und Netzkomponenten aus und es werden zusätzliche Kommunikationstools eingesetzt. (ebd.) Eine weitere Steigerung ist die gegenseitige Ergänzung von Online- und Offline-Lernangeboten. (ebd.) Im vierten und letzten Szenario ist die Lehre schließlich rein virtuell mit einem vollkommenen Verzicht auf Präsenzveranstaltungen, wobei das Lernen im Selbststudium oder in Lerngruppen stattfindet. (ebd.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Vier Lernszenarien nach Virtualisierungsgrad nach Schulmeister (eigene Darstellung nach Schulmeister, 2005, S. 177)
Neben dieser weit verbreiteten vierstufigen Kategorisierung nach Schulmeister haben viele andere Autoren versucht, den Virtualisierungsgrad zu nutzen, um Formen technologiegestützten Lernens zu ordnen. Zu nennen wären hier beispielsweise die zehn Einsatzszenarien von Online-Medien nach Kaltenbaek (in Klimsa & Issing, 2011, S. 374f), die sieben Stufen des Technologieeinsatzes nach Jarosch (2009, S. 25) oder aber die sechs Formate digitaler Bildung nach Zawacki-Richter (2018, S. 27ff).
2.1.2.3 Klassifizierung nach Grad der Interaktionsfreiheit
Eine dritte Möglichkeit, E-Learning-Anwendungen voneinander zu unterscheiden, ist der Grad der Kontrolle des Lernenden über das Programm. Als Beispiel kann hier wieder ein Modell nach Schulmeister (2007) genannt werden, der eine Liste von sieben Formen technologiegestützten Lernens aufstellte. (S. 62) Die Anwendungen reichten von Drill-&-Practice-Anwendungen mit nahezu keiner Interaktionsfreiheit, über Anwendungen mit fest umrissenen Lerneinheiten, Präsentationen, elektronischen Büchern, Hypertext-Systemen bis hin zu Simulationen und interaktiven Programmen, bei welchen die lernenden Personen einen hohen Einfluss auf den Lernprozess haben. (Schulmeister, 2007, S. 62) Ein anderer Fokus im Hinblick auf die Interaktion findet sich bei Reinmann-Rothmeier (2003). Sie unterscheidet zwischen dem sogenannten E-Learning by distributing, E-Learning by interacting und dem E-Learning by collaborating. (Reinmann-Rothmeier, 2003, S. 33) Während den Lernenden bei ersterer Form lediglich Informationen über Medien zur eigenständigen Erarbeitung zur Verfügung gestellt werden, findet bei der zweiten Ausprägung eine intensive Auseinandersetzung und Interaktion mit didaktisch und medial aufbereiteten Materialien statt. (ebd., S. 34) Unter E-Learning by collaborating versteht Reinmann-Rothmeier schließlich die gemeinsame, kooperative Zusammenarbeit voneinander getrennter Lernender innerhalb eines virtuellen Raums, während sie von Lehrpersonen unterstützt werden. (ebd.)
Ähnlich erscheint das Klassifizierungssystem nach Treumann et. al. (2012), bei dem drei methodische Grundformen beim technologiegestützten Lernen unterschieden werden. Beim sogenannten Teleteaching wird der Unterricht über Videokonferenzen oder Aufzeichnungen von Vorlesungen zu den Studierenden übertragen, wobei es sich um ein dozierendenzentriertes Lernarrangement handelt, bei dem die Lernenden die Inhalte meist ohne Interaktionsmöglichkeiten rezipieren. (Treumann et. al., 2012, S. 43) Unter der zweiten Form, dem Teletutoring, ist eine zeitlich getaktete Distribution von Lernmaterialien zu verstehen, wie beispielsweise in Online-Seminaren oder videogestützten Gruppensitzungen, welche durch eine Betreuung durch Dozierende als eine Art Lernbegleiter ergänzt werden. (ebd., S. 44) Das offene Telelearning stellt die dritte Klasse nach Treumann et. al. dar und bezeichnet das vollkommen selbstständige Lernen mit Materialien, die im Internet oder einem Lernprogramm zur Verfügung gestellt werden, meist ohne Kooperation mit anderen Lernenden oder tutorieller Betreuung. (ebd.) Wie auch bei allen anderen Klassifikationsschemas ist auch die Abgrenzung zwischen Teleteaching, Teletutoring und Telelearning selten trennscharf.
Es wurde nun deutlich, wie viele Versuche es bereits gab, einen Überblick über die immer größer werdende Vielfalt an Lehr- und Lernszenarien zu gewinnen. Die umfassendste Form der Klassifizierung bietet letztendlich Schulmeister (2005), der technologiegestützte Lernangebote nach ihrer Organisationsform, ihrer Funktion im Hinblick auf Kooperation und Kommunikation sowie die letztendlich umgesetzten Methode unterscheidet. (S. 178ff) Abbildung 3 zeigt Schulmeisters Klassifizierungsschema. In Vergleich zu allen vorherigen genannten Unterscheidungsmodellen werden hier viele relevante Aspekte berücksichtigt und damit ein überwiegender Teil technologiebasierter Lehre abgedeckt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Klassifikationsschema zum E-Learning nach Schulmeister (eigene Darstellung nach Schulmeister, 2005, S. 178)
Trotz allem gibt es noch viele weitere Formen des Lernens mit neuen Medien, die kaum alle benannt werden können. Von virtuellen Laboren, virtuellen Exkursionen, über Erklärvideos, auch Digitale Lectures genannt, bis hin zu Lernspielen, dem sogenannten Game-Based Learning, bei dem spielerisches Lernen, Herausforderungen und Belohnungen zu einer höheren Motivation führen sollen, sind dem Lernen keinen Grenzen gesetzt. (Bremer & Krömker, 2013, S. 380; Handke & Schäfer, 2012, S. 64; Niegemann & Weinberger, 2020, S. 273; Schulmeister, 2006, S. 227) Eine weitere Ausprägung der Online-Lehre sind die sogenannten Massive Open Online Courses (MOOCs). Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie mehrere tausend Teilnehmende haben können, keine Zugangsvoraussetzungen haben, kursförmig organisiert und zeit-lich begrenzt sind. (Reinmann, Ebner & Schön, 2013, S. 46f) Zudem werden immer neue Konzepte entwickelt, um Präsenzunterricht effektiv mit digitaler Lehre zu verbinden, wie das Flipped Classroom oder Inverted Classroom Modell, bei dem sich Lernende mittels asynchroner Lernvideos zu einem Themengebiet vorbereiten, das anschließend in der Präsenzphase mit der Lehrkraft vertieft wird. (Handke & Schäfer, 2012, S. 95)
Zusammenfassend lässt sich sagen, es ist fast unmöglich, trennscharfe Unterscheidungen beim technologiegestützten Lernen zu treffen. Im Falle des Sommersemesters 2020 lässt sich jedoch sehr klar sagen, dass es sich um ein vollkommen virtuell stattfindendes Studiensemester handelte, das aufgrund der Corona-Pandemie ohne jeden Präsenzunterricht auskommen musste. Dies erleichtert zwar eine Einordnung im Hinblick auf den Grad der Virtualisierung, jedoch dürften die Technologien und Methoden, die Lehrende und Lernende der Universität Passau in diesem Zusammenhang genutzt haben, deutlich variieren. Ob virtuelle Klassenzimmer, Foren, Blogs, digitale Skripte oder einfach nur eine aufgezeichnete Vorlesung, letztendlich lag es in der Hand der Lehrpersonen, welche Formen sie für geeignet hielten, um den Bildungsbetrieb in dieser außergewöhnlichen Zeit aufrecht zu erhalten.
2.1.3 Chancen und Probleme des technologiegestützten Lernens
Die nun aufgezeigte Vielfalt macht deutlich, dass es nicht die eine richtige Form technologiegestützten Lernens gibt, sondern dass jede ihre eigenen Merkmale und damit auch spezifische Stärken und Schwächen aufweist. Auch deshalb war die Entwicklung der verschiedenen Ausprägungen des „digitalen“ Lernens nie ohne Höhen und Tiefen, Optimismus und auch Skepsis, und ist bis heute sehr umstritten. Zentrale Herausforderung der Medienpädagogik und -didaktik ist daher, die Nachteile und Probleme, aber auch die Vorteile und Chancen genau abzuwägen, die im Folgenden genauer beschrieben werden.
2.1.3.1 Chancen und Stärken
Die positiven Aspekte des Lernens mit neuen Medien lassen sich im Wesentlichen aus drei Perspektiven beschreiben, die der Lernenden, der Lehrenden und die der Institution. (Al-Qahtani, & Higgins, 2012, S. 220) Betrachtet man die Sicht der Mediennutzenden, so ist in erster Linie die Möglichkeit einer selbstständigen Gestaltung des Lernprozesses als klarer Vorteil zu nennen. (Förg, 2005, S. 22f) Die räumliche und zeitliche Flexibilität, die durch das Lernen mit technischer Unterstützung erreicht wird, gilt als eine der größten Stärken der Lernform. (Dittler, Krameritsch, Nistor, Schwarz & Thillosen, 2009, S. 272; Ehlers, 2011, S. 86; Kerres, 2002, S. 4) E-Learning bedeutet in den vielen Fällen eine individuelle und selbstständige Aneignung des Lernstoffs durch Lernende, eventuell mit Anleitung durch eine Lehrperson. Deshalb kann der Lernprozess sehr viel flexibler in den eigenen Alltag integriert werden, als es beim klassischen Unterricht der Fall ist. (Landgraf, 2019, S. 50) Teilnehmende an Online-Kursen können meist lernen wann, wo, wie oft und in welchem Tempo sie möchten, ganz nach ihren individuellen Bedürfnissen und ihren Vorkenntnissen, ohne an Vorlesungszeiten gebunden zu sein. (Förg, 2005, S. 23; Ruf et. al., 2008, S. 1062; Tergan & Schenkel, 2004, S. 34) Digitale Lernanwendungen verfügen also über eine hohe Interaktivität. (Niegemann & Weinberger, 2020, S. 21) Lernende können Bilder heranzoomen, Videos abspielen, pausieren, zurückspulen und erneut ansehen, wodurch sie deutlich eigenständiger sind als im Präsenzunterricht. Lernmaterialien aus Online-Kursen oder Vorlesungsaufzeichnungen sind im Gegensatz zur Präsenzveranstaltungen häufig rund um die Uhr verfügbar und von jedem Ort mit Internetzugang abrufbar. (Neumann et. al., 2002, S. 19; Wünsch, Debatin & Beck, 2005, S. 50) Im Falle eines Auslandssemesters, Krankheitsfalls oder bei Überschneidungen mehrerer Lehrveranstaltungen, besteht dennoch die Möglichkeit, an Kursen teilzunehmen oder vergangene Vorlesungen abzurufen. (Handke & Schäfer, 2012, S. 21) Informationen können „just in time“ oder „on demand“ abgerufen werden, also genau dann, wenn sie benötigt werden. (Arnold et. al., 2015, S. 7) Diese Form des bedarfsorientierten Lernens ist auch bei der beruflichen Weiterbildung ein wesentlicher Vorteil, um den Arbeitsprozess nicht unnötig zu unterbrechen und keine Zeit für die Anreise zu Schulungen einplanen zu müssen. (Rin, 2003, S. 170) Eine Ausnahme bilden synchrone Medien, wie das virtuelle Klassenzimmer, die lediglich eine örtliche Unabhängigkeit bieten. Auf vielen Lernplattformen besteht auch die Möglichkeit, in einem Online-Selbsttest die eigenen Kenntnisse zu prüfen, automatisch Rückmeldung zu erhalten und bei vorhandenen Wissenslücken auf Zusatzmaterialien zuzugreifen. (Bremer, o. J., S. 4; Hromkovic & Lacher, 2019, S. 359) Hier wird ein weiterer Vorteil deutlich: Das selbstgesteuerte Lernen wird gefördert. Studierende werden dazu angeregt, ihren Lernprozess eigenverantwortlich zu organisieren und alleine oder mit anderen Lernenden zusammen Wissen aufzubauen. (Klimsa & Issing, 2011, S. 42; Neumann et. al., 2002, S. 18) Um die dadurch erhöhten Anforderungen an die Studierenden zu reduzieren, kann die Online-Lehre mit Präsenzkursen kombiniert werden. (Jarosch, 2009, S. 24) Auch auf die Medienkompetenz der Beteiligten wirkt sich der Umgang mit digitalen Lernmitteln positiv aus. (Nikolopoulos, 2009, S. 47)
Neben der Interaktivität ist auch die Multimedialität neuer Lernmedien ein Vorteil. (Niegemann & Weinberger, 2020, S. 23) Inhalte können in Form von Texten, Bildern, Videos, Animationen, Diagrammen oder anderen Repräsentationsformen vielfältiger gestaltet und individuell an den Lernenden, seine Präferenzen, das Thema und an das Lernziel angepasst werden. (ebd.) Zudem ist es möglich, komplexe, unsichtbare oder abstrakte Vorgänge anschaulicher und verständlicher zu visualisieren, als es bei herkömmlichen Lehrmaterialien der Fall ist. (Euler & Seufert, 2005, S. 235; Hromkovic & Lacher, 2019, S. 360; Kimpeler, 2010, S. 369) Simulationen und Planspiele bieten zudem ein exploratives, spielerisches und praxisnahes Lernen, was die Theorie für Lernende verständlicher und anwendbarer macht. (Hromkovic & Lacher, 2019, S. 360; Nikolopoulos, 2009, S. 46) Inhalte können in computergestützten Lernformen leichter dokumentiert werden, da Lernmaterialien, Forumsbeiträge oder Audio-Podcasts gespeichert und jederzeit wieder abgerufen werden können. (Lampe & Zentraf, 2012, S. 65) Intelligente tutorielle Systeme sind sogar in der Lage, sich den Voraussetzungen der Lernenden anzupassen, indem sie die Aufgabenschwierigkeit an deren Vorwissen oder Lernfortschritte angleichen. (Niegemann & Weinberger, 2020, S. 23) Aufgrund dessen, dass in solchen Lernszenarien die technische Affinität der Lernenden angesprochen wird und Inhalte abwechslungsreicher dargeboten werden, wird neuen Medien auch ein motivierender Effekt unterstellt, der jedoch meist auf dem Neuigkeitseffekt beruht und nicht von großer Dauer ist. (Ehlers, 2011, S. 88; Hilpert et. al., 2014, S. 298)
Durch die Wissensaneignung mithilfe neuer Technologien wird zudem das lebenslange Lernen unterstützt. (Müller, 2005, S. 385) In der heutigen Zeit ist es wichtig, sich in allen Lebensphasen weiterzubilden, um den steigenden Anforderungen von Arbeitgebern gerecht zu werden. (Tergan & Schenkel, 2004, S. 157) Neue Medien können hierfür einen wertvollen Beitrag leisten, da sie Menschen in verschiedensten Lebenslagen die Möglichkeit bieten, auf Lernressourcen zuzugreifen. Und zwar auch solchen, für die das Präsenzlernen nicht möglich wäre, weil sie beispielsweise familiär gebunden, berufstätig oder körperlich eingeschränkt sind. (Schulmeister, 2006, S. 4) Die Studierendenschaft ist in den letzten Jahrzehnten deutlich heterogener geworden. Über 70% davon werden heute als „nicht-traditionelle“ Studierende eingestuft. (Apostolopoulos et. al., 2009, S. 349) Dazu zählen unter anderem Personen, die ein Teilzeit- oder Abendstudium absolvieren, die neben dem Studium erwerbstätig sind oder Kinder beziehungsweise Angehörige betreuen müssen. (ebd., S. 348f) Vor allem diese können von der Möglichkeit des zeit- und ortsunabhängigen Studiums profitieren. Ebenso können Personen mit Krankheiten, eingeschränkter Mobilität sowie Hör- oder Sehbeeinträchtigungen diese Hindernisse mithilfe von technischer Unterstützung ausgleichen. (Euler & Seufert, 2005, S. 236; Thalhammer, 2014, S. 51) Und auch Studierende, die sich in großen Vorlesungen verloren und isoliert fühlen oder schüchtern sind, haben die Möglichkeit, im virtuellen Lernraum eine Stimme zu finden. (Cragie, 2011, S. 147; Young & Nichols, 2017, S. 10) Insofern bietet das computergestützte Lernen für Personengruppen mit den verschiedensten Voraussetzungen die Chance, an Lernprozessen teilzunehmen.
Neben den Lernenden bietet technologiegestütztes Lernen aber auch Vorteile für Dozierende. So lassen sich Inhalte online schneller für eine große Anzahl an Personen verfügbar machen, standardisieren, zentral verwalten und mit weniger Aufwand aktualisieren, wie es bei klassischen Medien wie Büchern der Fall ist. (Nikolopoulos, 2009, S. 46; Ruf et. al., 2008, S. 1062) Zudem können asynchrone Kursangebote oder Aufzeichnungen, nachdem sie einmal erstellt wurden, wiederverwendet werden und müssen nicht immer wieder neu in Präsenzveranstaltungen präsentiert werden. (Handke & Schäfer, 2012, S. 89; Tavangarian & Nölting, 2005, S. 78) Eventuell kann durch den Einsatz digitaler Medien Präsenzunterricht reduziert oder sogar ganz darauf verzichtet werden, was weniger Aufwand für die Lehrperson bedeutet. (Handke & Schäfer, 2012, S. 23) Es wird auch vermutet, dass durch den schnellen Zugang zu Informationen, die tutorielle Unterstützung und das eigenständige Lernen in digitalen Lernumgebungen die Qualität der Lehre gesteigert wird. (Arnold et. al., 2018, S. 473) Dieses Argument ist jedoch umstritten, da die Qualität in der Regel nicht durch den Medieneinsatz allein erreicht wird, sondern vom didaktischen Konzept und den Bedürfnissen der Lernenden abhängt. (Bremer, o. J., S. 1; Tergan & Schenkel, 2004, S. 30)
Eine große Chance beim Online-Lernen bietet auch Learning Analytics. Hierbei werden Informationen über die Aktivitäten der Lernenden in einer Lernumgebung gesammelt und analysiert, mit dem Ziel, den Lernprozess zu verstehen und gegebenenfalls zu optimieren. (Niegemann & Weinberger, 2020, S. 515) Im Gegensatz zu Präsenzkursen können bei digitalen Lernformaten deutlich mehr Daten erhoben und genutzt werden, wie beispielsweise welche Module bearbeitet wurden, wie hoch die Abbruchquote war, wie die Ergebnisse der Selbsttests ausgefallen sind oder wie viele Personen ein Webinar bis zum Ende verfolgt haben. (Davis, 2020, S. 78) So können Dozierende erkennen, inwieweit die Inhalte verstanden wurden und eventuell Studierende mit Nachholbedarf identifizieren. (Young & Nichols, 2017, S. 8f) Gleichzeitig bekommen Lernende durch Online-Selbsttests unmittelbar Rückmeldung zu ihrem Wissenstand, die Lehrpersonen aufgrund großer Teilnehmendenzahlen häufig nicht jedem Einzelnen geben können. (Bremer, o. J., S. 5)
Nicht zuletzt gilt es, die Perspektive der Institutionen zu berücksichtigen. Als Grund für die Einführung von E-Learning werden häufig mögliche Kosteneinsparungen genannt. So fallen durch den Einsatz virtueller Seminare beispielsweise keine Raumnutzungskosten an und Hochschulen können Kapazitätsengpässe aufgrund hoher Studierendenzahlen abbauen. (Cragie, 2011, S. 147; Handke & Schäfer, 2012, S. 26; Holten & Nittel, 2010, S. 71) Auch für Unternehmen, die digitales Lernen einsetzen, kann dies finanzielle Vorteile bringen, da Übernachtungs-, Verpflegungs- oder Reisekosten für Teilnehmende und Dozierende entfallen, ebenso wie die Miete für Schulungsräume, Kosten für die Organisation, gedruckte Lernmaterialien und sogar für die Lehrenden selbst, falls der Lernprozess selbstgesteuert abläuft. (Neumann et. al., 2002, S. 144; Rin, 2003, S. 65; Treumann et. al., 2012, S. 90) Nicht zu vergessen ist auch die Möglichkeit der Mehrfachnutzung. Dadurch dass Kursinhalte nicht jedes Mal neu erstellt, sondern lediglich aktualisiert werden muss, können Produktionskosten und Personal eingespart werden. (Cragie, 2011, S. 148f; Schulmeister, 2001, S. 24) Zudem bieten neue Medien Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Hochschulen, wodurch Online-Kurse hochschulübergreifend angeboten werden können. (Bremer, o. J., S. 1)
Ein Vorteil, der vor allem Hochschulen betrifft, ist die Möglichkeit, durch virtuelle Lernangebote eine größere Zielgruppe zu erreichen. (Griesehop & Bauer, 2017, S. VI; Riekhof & Schüle, 2002, S. 96) Wie bereits erwähnt, können Personengruppen teilnehmen, für die aufgrund ihrer persönlichen Situation ein Vollzeit-Präsenzstudium nicht möglich ist. Insofern bieten digitale Medien die Chance, mit der zunehmenden Diversität Studierender umzugehen und Bildungsprozesse für eine breite Bevölkerungsschicht zu öffnen. (Arnold et. al., 2015, S. 53) Ebenso sind auch Unternehmen darauf angewiesen, sich an veränderte Lebenssituationen ihrer Angestellten anzupassen und arbeitsplatznahe Weiterbildungsangebote anzubieten. (Voigtländer & Breitner, 2012, S. 39)
Doch Bildungseinrichtungen können durch den Einsatz von Technologien nicht nur das Studium für neue Zielgruppen öffnen, sondern gleichzeitig die Qualität und Attraktivität der Lehrangebote steigern und damit das eigene Image verbessern. (Fischer, 2013, S. 47; Holten & Nittel, 2010, S. 69; Kreidl, 2011, S. 19) Sowohl Hochschulen als auch Konzerne sind dem zunehmenden Innovationsdruck ausgesetzt und müssen sich im nationalen und internationalen Wettbewerb behaupten. (Fischer, 2013, S. 43; Voigtländer & Breitner, 2012, S. 39) Während Hochschulen um die Gunst der Studierenden kämpfen, geht es großen Firmen um die Konkurrenz um qualifizierte Arbeitskräfte. (ebd.)
Schulmeister (2006) stellte zusammenfassend fest, dass sich mithilfe von E-Learning vier wesentliche Schranken überwinden lassen: (S. 207)
- Zeitschranke (asynchroner Unterricht ermöglicht zeitunabhängiges Lernen)
- Raumschranke (Personen können sich von verschiedenen Orten aus vernetzen)
- Analog-Digital-Schranke (die Kombination verschiedener Medien wird ermöglicht)
- Normenschranke (Lernen kann barrierefrei und personalisiert stattfinden)
Diese vielen Vorteile haben – zusammen mit dem technischen Fortschritt – das technologiegestützte Lernen an Bildungseinrichtungen und in Unternehmen maßgeblich vorangetrieben.
2.1.3.2 Probleme, Hindernisse und Herausforderungen
Doch trotz der Hoffnungen und Erwartungen, die mit technologiegestütztem Lernen verbunden sind, hat sich im Laufe der Zeit gezeigt, dass diese Form des Lernens längst nicht als Allheilmittel sämtlicher Bildungsprobleme angesehen werden kann. Die Tatsache, dass E-Learning einfacheres, schnelleres und kostengünstigeres Lernen als die Präsenzlehre verspricht, macht deutlich, dass der Aufwand, der mit der Konzeption, Erstellung und Einführung einer technologiegestützten Lernumgebung verbunden ist, in den meisten Fällen deutlich unterschätzt wird. (Holten & Nittel, 2010, S. 103; Kerres, 2001, S. 88) Eicker, Kress & Mense (in Breitner, Bruns & Lehner, 2007) konnten belegen, dass die Betreuung einer Online-Lehrveranstaltung in etwa gleich aufwändig ist wie bei einem Präsenzkurs. (S. 73) Dies beginnt schon bei der Verfügbarkeit der technischen Infrastruktur. Geräte müssen angeschafft, benötigte Software lizensiert und der Internetzugang für Studierende und Lehrende sichergestellt werden. (Wünsch et. al., 2005, S. 51) Zumindest diese Herausforderung scheint in der heutigen Zeit wenig problematisch, da viele Bildungseinrichtungen ohnehin schon über eine gute technische Ausstattung verfügen. Doch damit allein ist es nicht getan. Die Integration von Bildungstechnologien in Lehrveranstaltungen oder den Lehrplan eines ganzen Studiengangs braucht in erster Linie Zeit und Planung. Es müssen Ziele formuliert, Aufgaben verteilt, Zeitpläne erstellt, Finanzmittel akquiriert und IT-Unterstützung bereitgestellt werden. (Cragie, 2011, S. 149) Auch für die Produktion muss in der Regel ausreichend Zeit und Geld eingeplant werden. Vor allem Anwendungen wie intelligente tutorielle Systeme können großen Mehraufwand bei der Erstellung verursachen, den Lehrende selten tragen möchten. (Jokiaho & May, 2017, S. 27; Kerres, 2002, S. 2) Ebenso war die Betrachtung des Kostenfaktors in der Vergangenheit oft unrealistisch, denn tatsächlich ist gut gemachtes Lernen mit neuen Medien alles andere als günstig. (Dittler et. al., 2009, S. 265) Dabei geht es längst nicht nur um die einmalige Investition in die Technik, sondern E-Learning-Angebote müssen fortwährend aktualisiert, gepflegt und gewartet werden, was mit personellen und technischen Kosten verbunden ist. (Arnold et. al., 2018, S. 32; Tavangarian & Nölting, 2005, S. 165/233) Nicht zu vernachlässigen ist der Aufbau von Schulungsangeboten und Support-Strukturen für Lehrende und Lernende, um diese bei der neuen Form des Lernens und Lehrens zu unterstützen. (ebd.) Denn der größte Hemmfaktor im Hinblick auf das Lernen mit neuen Medien ist Unerfahrenheit mit digitaler Lehre, sowohl seitens der Dozierenden als auch der Lernenden. (Jarosch, 2009, S. 24; Toth, 2020, S. 10) Geringe Computer- oder Internetkenntnisse der Studierenden können dazu führen, dass Online-Kurse abgebrochen oder gar nicht erst begonnen werden. (Hameed, Badii & Cullen, 2008, S. 5; Hilpert et. al., 2014, S. 299) Der vorrübergehend motivierende Effekt, der Medien häufig unterstellt wird, kann durch technische Probleme, mangelnde Benutzerfreundlichkeit und Zuverlässigkeit der Tools schnell ins Gegenteil umgekehrt werden, weshalb der technische Support umso wichtiger ist, um der Ablehnung von frustrierten Mediennutzenden entgegenzuwirken. (Lampe & Zentraf, 2012, S. 67; Mayr, Resinger & Schratz, 2009, S. 115; Wünsch et. al., 2005, S. 50) Zwar kommt die Mehrheit der jüngeren Lernenden aufgrund ihrer privaten Vorerfahrung heute gut mit Lernplattformen zurecht, doch diese Lernform stellt auch neue Anforderungen an sie. Computergestützte Lernumgebungen setzen ein hohes Maß an Selbstlernkompetenz voraus, da Lernende häufig mit dem Material allein gelassen werden. (Ehlers, 2011, S. 86; Handke & Schäfer, 2012, S. 98; Schulmeister, 2001, S. 229) Nach Töpper (in Tergan & Schenkel, 2004) verfügt nicht jeder über die Fähigkeit, trotz vollkommener Autonomie einen Lernprozess langfristig durchzuhalten. (S. 158) Bei Lernenden, die nicht mit der offenen Unterrichtsform vertraut sind und mit dem Freiheitsgrad umgehen können, besteht die Gefahr der Überforderung. (Lampe & Zentraf, 2012, S. 135) Tergan & Schenkel (2004) beschrieben in dem Zusammenhang das Problem „des Sich-Verlierens im Informationsraum“, welches sie als „Lost in Hyperspace“ bezeichneten. (S. 16) Ähnliches berichteten auch andere Autoren. (Förg, 2005, S. 23; Lampe & Zentraf, 2012, S. 66) Um ein Scheitern zu vermeiden, gilt es, den Lernenden in Online-Kursen qualifizierte tutorielle Betreuung zur Seite zu stellen, die sie bei der selbstbestimmten Wissensaneignung unterstützen. (Jarosch, 2009, S. 26; Klimsa & Issing, 2011, S. 24) Vor diesem Hintergrund lässt sich sagen, dass die Sicherstellung der Akzeptanz durch Schulungen und intensive Betreuung der Beteiligten, eine große Herausforderung beim Einsatz neuer Medien in der Bildung darstellt. (Riekhof & Schüle, 2002, S. 392) Gerade hier sind noch deutliche Defizite vorhanden. (Jokiaho & May, 2017, S. 27; Tergan & Schenkel, 2004, S. 163)
Der wohl offensichtlichste Nachteil des technologiegestützten Lernens liegt im fehlenden persönlichen Kontakt. (Ananga, 2020, S. 317; Kerres, 2001, S. 261) Die Mehrheit sieht im Lernen nach wie vor einen sozialen Prozess, der den Austausch mit anderen Personen braucht und davon lebt. (Ehlers, 2011, S. 87; Tergan & Schenkel, 2004, S. 158) Die Tatsache, dass andere Lernende und Lehrende in Online-Kursen selten sichtbar sind, kann zu einem Gefühl der Anonymität und Isolation führen. (Hromkovic & Lacher, 2019, S. 360; Yousuf, 2007, S. 118; Zawacki-Richter & Anderson, 2014, S. 301f) Selbst Videokonferenzen filtern soziale Präsenz, da sie nur begrenzt nonverbale Signale und Körpersprache vermitteln können, die im alltäglichen Kontakt essenziell sind. (Kerres, 2001, S. 261; Klimsa & Issing, 2011, S. 32/188) Dies kann die Kommunikation unter allen Beteiligten erschweren. Vor allem asynchron, beispielsweise per E-Mail, kann es zu Koordinations- und Verständnisproblemen kommen. (Klimsa & Issing, 2011, S. 32) Im Übrigen hat sozialer Kontakt nachweislich einen positiven Einfluss auf die Lernmotivation, während Studierende in einer elektronischen Lernumgebung meist ein sehr fokussiertes Vorgehen brauchen, um trotz Isolation gute Leistungen zu erreichen. (Hameed et. al., 2008, S. 5; Junge, Klebl & Mengel, 2011, S. 18) Schnell besteht die Gefahr von Unsicherheit, Frustration und schlimmstenfalls der Abbruch des Kurses. (Handke & Schäfer, 2012, S. 40) Nur zwischen einem und zehn Prozent der Teilnehmenden an Online-Kursen beenden diese erfolgreich. (Dittler, 2017, S. 107; Hromkovic & Lacher, 2019, S. 360) Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Konzentrationsfähigkeit der Lernenden unter der permanenten Arbeit am Computerbildschirm leiden kann. (Hromkovic & Lacher, 2019, S. 361)
Ein häufig aufgeführter Kritikpunkt an der Einführung von neuen Lernmedien ist die Tatsache, dass es noch immer keine verbindlichen und allgemein akzeptieren Standards und Gestaltungsempfehlungen für die Umsetzung gibt, was die Einführung digitaler Lernumgebungen erschwert. (Fischer, 2013, S. 145; Klimsa & Issing, 2011, S. 69; Riekhof & Schüle, 2002, S. 97) Der Technologieeinsatz an Schulen und Hochschulen folgt in den meisten Fällen keinem expliziten Konzept. (Tavangarian & Nölting, 2005, S. 243) Handke & Schäfer (2012) waren der Ansicht, „[e]ine gut organisierte Lehrveranstaltung – ob elektronisch unterstützt oder nicht – bedarf einer klaren zeitlichen und inhaltlichen Struktur, muss klare Lernziele definieren und diese auch überprüfbar machen“ (S. 12). Doch strategische Planung sucht man meist vergeblich. (Jokiaho & May, 2017, S. 20) Dies wird auch häufig als Grund dafür genannt, dass die Mehrheit der E-Learning-Projekte nur von kurzer Dauer war. (Arnold et. al., 2015, S. 54; Dittler et. al., 2009, S. 275; Klimsa & Issing, 2011, S. 376) Oft wird viel in die Umsetzung der Lernumgebung investiert, die Inhalte dabei jedoch vollkommen vernachlässigt. (Hilpert et. al., 2014, S. 299) Die Folge ist eine schlechte didaktische Qualität der Anwendungen, die wiederum einen geminderten Lernerfolg der Lernenden nach sich zieht. Wuttke (in Klimsa & Issing, 2011) beschrieb die interdisziplinäre Zusammenarbeit bei Bildungstechnologien als „ein Spannungsfeld zwischen aktuell technisch Machbarem und pädagogisch/inhaltlich Sinnvollem“ (S. 50). Einerseits blieben manche Möglichkeiten ungenutzt und auf der anderen Seite wird der Multimedia-Einsatz übertrieben eingesetzt und Lernende werden mit Informationen überfrachtet. (Kerres, 2001, S. 261; Klimsa & Issing, 2011, S. 50) Digitale Lernprozesse scheitern selten an der Technik, sondern an der pädagogisch-didaktischen Umsetzung. (Tergan & Schenkel, 2004, S. 160) Weithin ist die Tendenz erkennbar, vorhandene Lerninhalte für den Präsenzunterricht unverändert und ohne Anpassung auf digitale Medien zu übertragen. (Handke & Schäfer, 2012, S. 86; Kerres, 2001, S. 93) Davis (2020) schrieb dazu, „[e]infach die Präsenzveranstaltung durch ein paar Videos oder ein Webinar oder ein paar PDF-Dateien zu ersetzen, ist [in vielerlei] Hinsicht fatal“ (S. 107). Bildungsangebote sollten immer in ihrer Didaktik und Darstellung den Eigenschaften des Mediums angepasst werden. (Lucke & Specht, 2012, S. 26) Zudem ist technologiegestütztes Lernen längst nicht für alle Personengruppen, Lerngegen-stände und Disziplinen gleichermaßen geeignet. Wissenschaftliche, praxisorientierte und auch kreative Bereiche oder Lerninhalte sind häufig auf Präsenzunterricht angewiesen. (Ananga, 2020, S. 317; Hilpert et. al., 2014, S. 299; Hromkovic & Lacher, 2019, S. 362) Manche Interaktionsformen beim Lernen sind in digitalen Lernumgebungen nur bedingt möglich, wie beispielsweise Rollenspiele. (Klimsa & Issing, 2011, S. 423)
Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit technologiegestütztem Lernen ist der Datenschutz. Erfolgt in E-Learning-Umgebungen eine Erfassung von Nutzungsdaten, beispielsweise im Rahmen von Learning Analytics, so sind die Regelungen des Datenschutzes zu berücksichtigen. (Arnold et. al., 2018, S. 447; Niegemann & Weinberger, 2020, S. 572; Riekhof & Schüle, 2002, S. 290) In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass rechtliche Unklarheiten problematisch sind und die Akzeptanz der Lehrenden für technologiegestütztes Lernen deutlich mindern können. (Landgraf, 2019, S. 5)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit dem technologiegestützten Lernen viele Hoffnungen, aber auch viele Unsicherheiten und Probleme seitens Lernender, Lehrender, Unternehmen, aber auch Schulen und Hochschulen verbunden sind, die dazu führen können, dass die Potenziale neuer Medien nicht vollständig ausgeschöpft werden. (Ehlers, 2011, S. 23) Die neue Form des Wissenserwerbs stellt für alle Beteiligten eine Herausforderung dar. Vielen Problemen, wie die fehlende Technik-Affinität, Ängste und Unsicherheiten lässt sich mit Schulungsangeboten und Support-Strukturen entgegenwirken, was wiederum finanziellen, zeitlichen und personellen Aufwand nach sich zieht. (Jokiaho & May, 2017, S. 28) Der Lernprozess wird nicht allein durch den Gebrauch neuer Medien effektiver, schneller und kostengünstiger. Im Gegenteil, es erfordert Planung, Strategie sowie ständige Optimierung. Ohne personelle, finanzielle und technische Investitionen kann und wird es auf Dauer nicht erfolgreich sein. Doch Bildungseinrichtungen, die sich bewusst sind, dass E-Learning kein Selbstläufer ist, sondern einer intensiven didaktischen Vorbereitung, Betreuung und ständigen Weiterentwicklung bedarf, können sicherlich langfristig von dem Technologieeinsatz profitieren. Die genannten Vor- oder Nachteile sind nie allgemeingültig, da die Formen des technologiegestützten Lernens nahezu unüberschaubar sind. Je nachdem ob es sich bei dem Lernarrangement um die einfache Wissensbereitstellung auf einer Website oder um komplexe interaktive Lernplattformen und Simulationen handelt, können sich für Lernende und Lehrende verschiedene Chancen und Herausforderungen ergeben. Insofern hat jede Form des Lernens mit neuen Medien eigene spezifische Stärken und Schwächen. Auch deshalb wird verstärkt versucht, eine Kombination aus Präsenz- und Online-Lehre zu finden, um die Vorteile der beiden Lernformen zu nutzen und gleichzeitig deren Nachteile auszugleichen. (Kerres, 2002, S. 2) Es gilt, in jedem Einzelfall abzuwägen, welche Form des Lernens sich für den ausgewählten Lerngegenstand und das jeweilige Fachgebiet am besten eignet und dabei die Zielgruppe und deren Fähigkeiten nicht aus den Augen zu verlieren.
2.1.4 Einsatzgebiete von technologiegestütztem Lernen
Die vielen Vorteile, die das Lernen mit digitaler Unterstützung mit sich bringen kann, würden dafür sprechen, dass es in weiten Teilen des Lebens eingesetzt wird. Und tatsächlich sind dessen Anwendungsmöglichkeiten inzwischen so vielfältig und breit gefächert, wie die Formen des technologiegestützten Lernens selbst. (Niegemann & Weinberger, 2020, S. 26; Thalhammer, 2014, S. 51) Es gibt kaum einen Bildungssektor, in dem E-Learning noch nicht präsent ist, von der Schul- und Hochschulbildung, über berufliche Aus- und Weiterbildung, bis zu privaten Bildungsprozessen. (Arnold et. al., 2018, S. 9; Kimpeler, 2010, S. 364; Rin, 2003, S. 63) Die Tatsache, dass Lernen längst nicht mehr auf den Zeitabschnitt des Schulbesuchs reduzierbar, sondern ein lebenslanger Prozess ist, hat das orts- und zeitunabhängige Lernen mittels technischer Geräte auch schon vor der Corona-Pandemie mehr und mehr an Bedeutung gewinnen lassen. (Kimpeler, 2010, S. 364) So haben große und mittelständische Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen neben klassischen Präsenz-Fortbildungen in den letzten Jahren vermehrt elektronische Medien wie Computer und das Internet in ihre betrieblichen Aus- und Weiterbildungsprozesse integriert. (Harhoff & Küpper, 2002, S. 1) Um trotz ständiger Veränderungen in der Arbeitswelt wettbewerbsfähig bleiben zu können, sind sie darauf angewiesen, ihre Mitarbeiter fortwährend weiterzubilden. (Dittler, 2011, S. 206; Treumann et. al., 2012, S. 90) Das computergestützte Lernen wird genutzt, um IT- oder Produktschulungen durchzuführen, aber auch Fremdsprachenkenntnisse oder Teamkompetenzen werden auf diese Weise vermittelt. (Harhoff & Küpper, 2003, S. 24; Wilms, 2010, S. 229) Unzählige internationale Großunternehmen wie Siemens, Bosch, Continental, ZF Friedrichshafen oder BASF nutzen die Chancen von digitalen Medien schon seit Jahren, indem sie Online-Schulungen durchführen oder Community-Plattformen zur Vernetzung der Mitarbeiter einrichten. (Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, 2006, S. 36; Dittler, 2017, S. 223; Hugl, 2004, S. 377; Neumann et. al., 2002, S. 204) Der Automobilhersteller Daimler setzt seit den 1980er Jahren auf den Einsatz von Business-TV, bei dem Mitarbeitern durch Live-Sendungen Service-Trainings und Neuigkeiten aus der KFZ-Technik dargeboten werden. (Dittler, 2017, S. 33) In Bankinstituten, Versicherungen und sogar in der städtischen Verwaltung setzt man inzwischen auf Online-Weiterbildungen, um Mitarbeiter auf dem neuesten Stand zu halten. (Dittler, 2011, S. 287; Neumann et. al., 2002, S. 182; Riekhof & Schüle, 2002, S. 370) Und auch die Tourismus-Branche nutzt Online-Schulungen und virtuelle Trainings beispielsweise für Mitarbeiter von Reisebüros, Fluglinien oder im Hotelmanagement. (Schulmeister, 2001, S. 118; Wilms, 2010, S. 240) Einige Unternehmen gründen sogar eigene Lerninstitutionen, sogenannte „Corporate Universities“, bei denen die Weiterbildung der Angestellten optimal in die betriebliche Praxis eingebunden wird, meist in Form von E-Learning. (Nikodemus, 2017, S. 23) Das Branchenspektrum reicht dabei von Kreditinstituten (Master Card University), über Automobilkonzerne (Corporate University von Daimler-Chrysler) bis hin zu Fast Food-Ketten wie McDonalds (Hamburger University). (Schulmeister, 2001, S. 118) In der Regel erwarten sich Unternehmen von dieser Form des Lernens neben qualifizierten Arbeitskräften geringere Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen, aber auch mehr Flexibilität, beispielsweise da sich die Lernmethode besser für Mitarbeiter im Schicht- oder Außendienst eignet, die schwer an Präsenzschulungen teilnehmen können. (Riekhof & Schüle, 2002, S. 384) Ergebnisse vergangener Studien zum Verbreitungsgrad technologiegestützten Lernens in Unternehmen schwankten zwischen 61% (MMB-Institut, 2013, S. 4) und 88% (Riekhof & Schüle, 2002, S. 116), je nachdem, ob von einem weiten oder engen E-Learning-Begriff ausgegangen wurde. Insgesamt ist jedoch von einem höheren Nutzungsgrad bei Großunternehmen auszugehen als in klein- und mittelständische Unternehmen. (MMB-Institut, 2013, S. 4; Nikolopoulos, 2009, S. 59) Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass diese über mehr finanzielle Mittel und eine größere Zielgruppe verfügen. Doch auch in Schulen gibt es längst nicht mehr nur PC-Pools, sondern interaktive Whiteboards, Tablet-PCs, Smartphones und soziale Medien ermöglichen Schülern und Schülerinnen eine neue Form kollaborativer Lernprozesse. (Niegemann & Weinberger, 2020, S. 26) Die Fachoberschule in Passau nutzt beispielsweise seit Jahren das Flipped Classroom Modell, um Lernenden betriebswirtschaftliche Kenntnisse mithilfe von Erklärvideos zu vermitteln (siehewww.die-ott-casts.de). Diese werden online zur Verfügung gestellt und von Schülern und Schülerinnen als Vorbereitung auf den Präsenzunterricht genutzt, wo schließlich das Wissen eingeübt und vertieft wird.
Ein weiteres Einsatzgebiet des Lernens mit neuen Medien stellt inzwischen auch das Bibliothekswesen dar. Beispielweise bietet die Stadtbibliothek Ludwigsburg seit 2013 eine Lernplattform an, auf der Nutzer und Nutzerinnen mit ihrem Bibliotheksausweis auf Online-Kurse im Bereich Sprachen, Wirtschaft und EDV zugreifen können. (Nachtwey & Sterz, 2014, S. 406) Universitätsbibliotheken wie die in Tartu nutzen das Internet zudem, um Studierenden in Online-Kursen Grundlagen der Informationskompetenz zu vermitteln und Studienanfängern auf ihrer Webseite Servicepunkte und Lesesäle vorzustellen. (Seiler & Miil, 2009, S. 70) Sogar Museen arbeiten inzwischen mit digitalen Medienformaten, um kulturelle, naturwissenschaftliche und historische Inhalte an Interessierte weiterzugeben. (Niegemann & Weinberger, 2020, S. 696) Nicht zuletzt kann E-Learning also auch zur persönlichen Weiterbildung genutzt werden. Von einfachen Lern-Apps zur Auffrischung von Sprachkenntnissen, über zertifizierte On-line-Kurse bis hin zu Wissensportalen im Internet wie zum Beispielwissen.de, die kostenlos Informationen, Lexika oder Datenbanken zu unterschiedlichsten Themen bereithalten, sind dem Lernen mit Technologien keine Grenzen gesetzt.
Neben schulischem Unterricht sowie privater und betrieblicher Weiterbildung können neue Medien auch in der beruflichen Erstausbildung genutzt werden. Videoplattformen wie beispielsweiseedubreak.dewerden in der Ausbildung von Sporttrainern oder Fahrlehrern eingesetzt, um Bewegungen oder Verhaltensmuster aufzeichnen und im Anschluss ansehen und reflektieren zu können. (Dittler, 2011, S. 175) Fahrsimulationen eignen sich zudem besonders für die Ausbildung von Berufskraftfahrer oder Piloten, um gefährliche Manöver risikofrei trainieren zu können. (Niegemann & Weinberger, 2020, S. 670) Und auch im Bereich Gesundheitspflege und medizinische Ausbildung werden Technologien zunehmend eingesetzt. In der Vergangenheit gab es mehrere Pilotprojekte für Medizin-Lernplattformen, um digitale Medien verstärkt in Arbeits- und Lernprozesse einzubinden, wie beispielsweiseMeCoPflege, eine Plattform, die im Rahmen eines Projekts 2012 bis 2015 im Einsatz war und Personen im Pflegedienst neben einem Glossar mit multimedialen Beiträgen auch ein Online-Fallarchiv für webbasierte Falldiskussionen bot. (Arnold et. al., 2015, S. 17) Medizinstudierende an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf haben seit einigen Jahren die Möglichkeit, bestimmte reale Praktikumsversuche durch mobile Online-Praktika zu ersetzen, in denen mithilfe von Animationen, Videos, Übungsaufgaben sowie interaktiven Bildschirmexperimenten Wissen über körperliche Funktionsweisen vermittelt wird (siehewww.online-praktikum.uni-duesseldorf.de). An dieser Stelle offenbart sich die wichtigste Zielgruppe des technologiegestützten Lernens nach den Unternehmen: Die Hochschulen. Zum einen profitieren natürlich Fernuniversitäten von der Möglichkeit der Distanzlehre. Hierzulande ist die Fernuniversität Hagen die größte Einrichtung für Fernstudiengänge. (Klimsa & Issing, 2011, S. 377) Sie hat schon Ende der 1990er Jahre webbasierte Lehr- und Lernwerkzeuge in die Studienalltag integriert und papierbasierte Studienmaterialien online verfügbar gemacht. (ebd., 2011, S. 377) So gibt es inzwischen reine Online-Studiengänge ohne Präsenzunterricht, bei denen Lernmaterialien oder aufgezeichnete Vorlesungen im Internet abrufbar sind und sogar Übungen und Tests mit automatischer Rückmeldung online absolviert werden können. Die technischen Entwicklungen haben in den letzten Jahrzehnten zur Gründung einer Reihe sogenannter virtueller Hochschulen geführt. Recht früh hat sich die Virtuelle Hochschule Bayern als Verbundinstitution der bayerischen Hochschulen etabliert. (Dittler et. al., 2009, S. 24) Diese bietet Studierenden kostenfrei netzgestützte, zertifizierte Lehrangebote, die in deren reguläres Studium eingebunden werden können, um die Präsenzlehre sinnvoll zu ergänzen. (ebd., S. 25) Viele virtuelle Hochschulen und Lernplattformen folgen einem ähnlichen Prinzip, wie der Virtual Linguistics Campus (siehewww.oer-vlc.de), der als größte Lernplattform im Bereich Sprachwissenschaft Online- und Blended-Learning-Kurse anbietet, die in den Regelbetrieb vieler Hochschulen eingebettet sind. (Tavangarian & Nölting, 2005, S. 42f) Aber auch Präsenzuniversitäten haben die neuen technologischen Möglichkeiten für sich entdeckt und etablieren sie in Form von reinen Selbstlernkursen oder Blended-Learning-Konzepten in das Studium. So werden unter anderem Präsenzvorlesungen durch Online-Tutorien ergänzt, Lernmaterialien über Lernmanagementsysteme zur Verfügung gestellt oder Weblog-Beiträge, Wikis und E-Portfolios im Rahmen von Lehrveranstaltungen von Studierenden erstellt und geteilt. (Bremer & Krömker, 2013, S. 408; Dittler, 2017, S. 36; Handke & Schäfer, 2012, S. 86/88) Viele Universitäten haben sogar eigene Mobilapplikationen, über die Terminpläne, Notenübersichten und Informationen zu Lehrveranstaltungen eingesehen werden können, die aber auch der Kursanmeldung oder dem Zugriff auf Lernmaterialien dienen. (Bremer & Krömker, 2013, S. 45) Über das Podcast-Portalpodcampus.dehaben Hochschulen die Möglichkeit, Vorlesungsaufzeichnungen, Interviews oder Dokumentationen aus allen Fachdisziplinen für Studierende hochzuladen. (Dittler et. al., 2009, S. 119) Durch den vielfältigen Medieneinsatz wollen Hochschulen Lehrveranstaltungen mit hohen Studierendenzahlen entlasten und die Betreuung auch ohne persönlichen Kontakt sicherstellen, beispielsweise während Praktikumsphasen. (Neumann et. al., 2002, S. 61; Reinmann & Schulmeister, 2011, S. 4f) Manche Hochschulen versuchen auch, den hohen Abbruchquoten durch digitale Lern-, Betreuungs- und Unterstützungsangebote entgegenzuwirken und Studierenden bei der Behebung von Wissens- oder Motivationsdefiziten zu helfen. (Arnold et. al., 2015, S. 27)
Trotz vielfältiger Einsatzgebiete, von denen hier nur einige Beispiele genannt wurden, konnten sich viele Projekte mediengestützten Lernens nicht langfristig in den schulischen oder betrieblichen Alltag etablieren. In vielen Bereichen hat erst der Ausbruch der Corona-Pandemie schulische, universitäre, aber auch private Bildungsprozesse deutlich vorangetrieben. Eine Verbraucherumfrage belegt, dass 30% der Deutschen nun erstmalig einen Online-Kurs genutzt hätten, beispielsweise zu Fitness und Gesundheit. (McKinsey & Company, 2020) Die vielfältigen und größtenteils erfolgreichen Projekte in der Vergangenheit, aber auch der derzeitige Einsatz neuer Medien beim Lernen macht deutlich, dass die Menschen – unter gewissen Bedingungen – durchaus von dieser Lernform profitieren können. Es wird sich zeigen, ob die durch Corona neu entstandenen oder wieder entdeckten Anwendungsgebiete des technologiegestützten Lernens die Pandemie langfristig überdauern können.
2.2 Theoretische Modelle zur Wirksamkeit technologiegestützten Lernens
Nach der Einführung in die wesentlichen Begrifflichkeiten gilt es nun, den lerntheoretischen Hintergrund aufzuarbeiten. In der Vergangenheit haben sich unzählige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit der Effektivität des Lernens mit (neuen) Medien beschäftigt und auf dieser Basis verschiedenste Theorien und Modelle aufgestellt. Da sich die vorliegende Arbeit mit der Wirksamkeit des reinen Online-Lernens und den damit verbundenen Einflussfaktoren beschäftigt, wird im Folgenden eine Auswahl an drei theoretischen Rahmenmodellen vorgestellt, die von lernrelevanten Kontexten und Faktoren handeln und welche die lerntheoretische Grundlage für die vorliegende Studie bilden sollen.
2.2.1 Effektivitätsmodell für elektronische Lernumgebungen nach Simon, Treiblmaier & Neumann
Simon et. al. (2008) entwickelten ein Modell für die Effektivität elektronischer Lernumgebungen, in welchem sie Einflussfaktoren beschrieben, die für den Erfolg des technologiegestützten Lernens von großer Bedeutung sind. Die Effektivität einer elektronischen Lernumgebung definierten sie als die erzielte Kompetenzzunahme beziehungsweise den Grad der Zielerreichung, jedoch weisen sie darauf hin, dass eine Reihe weiterer Indikatoren für die Messung zu Hilfe genommen werden können. (Simon et. al., 2008, S. 719) Dazu zählen die wahrgenommene Qualität der Lernunterstützung, die Zufriedenheit der Lernenden, die relative Lernleistung sowie die Nutzungshäufigkeit und -intensität, deren Messung als Zeichen für die Effektivität mediengestützten Lernens fungieren können und auf die wiederum zahlreiche Faktoren Einfluss nehmen können. (ebd.) Diese bilden gemeinsam das Effektivitätsmodell nach Simon et. al. (veranschaulicht in Abbildung 4). Die Autoren gruppierten alle empirisch belegten, relevanten Faktoren in die drei Kategorien „Lernende“, „Lernplattform und Inhalte“ sowie „Lehrende“. (ebd.) Demnach sind die lernende Person selbst, deren Internetkenntnisse, Erfahrungen, technische Ausstattung und persönliche Eigenschaften grundlegende Voraussetzungen, um eine elektronische Lernumgebung effektiv einführen zu können. (ebd.) Nach dem Effektivitätsmodell sind eine höhere Innovationsbereitschaft der Lernenden, eine höhere Motivation aber auch ein größeres Vorwissen im Hinblick auf technologiegestütztes Lernen Faktoren, die den Lernerfolg in elektronischen Lernumgebungen positiv beeinflussen können. (ebd.) Ebenso sind Vorkenntnisse im zu lernenden Fachgebiet hilfreich, da es Lernenden häufig leichter fällt, neues Wissen in bereits bestehende Wissensstrukturen zu integrieren. (ebd., S. 720) Und auch Medienpräferenzen der Lernenden, die sich aufgrund von vorherigen E-Learning-Erfahrungen entwickelt haben, können die Effektivität des Lernprozesses beeinflussen. (ebd.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Einflussfaktoren für die Effektivität des Lernens in elektronischen Lernumgebungen nach Simon, Treiblmaier & Neumann (eigene Darstellung nach Simon et. al., 2008, S. 720)
Die zweite Kategorie der Einflussfaktoren bildet die Lernplattform beziehungsweise die darin enthaltenen Inhalte. Nach Simon et. al. (2008) ist deren didaktische und technologische Qualität wesentlich, um ein gutes Lernergebnis erreichen zu können. (S. 720) Das Lernen wird erleichtert, wenn die Inhalte qualitativ hochwertig sind, die Plattform technisch zuverlässig und einfach zu bedienen ist und diese die Aktivitäten der Lernenden unterstützt. (ebd.) Die Autoren machen jedoch auch deutlich, dass der Einsatz technologiegestützter Aktivitäten letztendlich den Lehrenden obliegt. Deshalb sind auch diese ein wesentlicher Einflussfaktor für den Lernprozess. Zunehmende Innovationsbereitschaft, Verfügbarkeit, Einfühlungsvermögen und bisherige Lehrerfahrung der Lehrperson trägt maßgeblich zur Effektivität der elektronischen Lernumgebung bei. (ebd., S. 721) Damit spielen die Fähigkeiten des Lehrenden ebenso eine wichtige Rolle, wie die der Lernenden selbst.
Neben diesem Modell für elektronische Lernumgebungen hat Simon bereits im Jahr 2003 ein Effektivitätsmodell entwickelt, das sehr ähnlich ist, jedoch speziell auf das Lernen in virtuellen Klassenzimmern ausgerichtet ist. (Simon, Haghirian & Schleglmilch, 2003) Auch in diesem Fall wurde davon ausgegangen, dass lerner-, technologie- und lehrerspezifische Variablen die Effektivität digitaler Lehre beeinflussen. (ebd., S. 31) Jedoch wurden die Faktoren in die drei Kategorien „Lernende“, „Technologie“ und „lehrerkontrollierte Lernumgebung“ untergliedert, was sich leicht von der Unterteilung des anderen Modells unterscheidet. (ebd., S. 32) Die lernerspezifischen Variablen waren noch sehr ähnlich, wobei Angebotsnutzung, Motivation sowie sprachliche und IT-Kenntnisse als Einflussfaktoren benannt wurden. (ebd.) Der Faktor „Technologie“ bezog sich überwiegend auf die technische Qualität und Zuverlässigkeit der Lernumgebung, während die letzte Kategorie eher die Variablen Interaktion innerhalb des virtuellen Klassenzimmers, Empathie sowie Qualität des Unterrichtsmaterials in den Fokus rückte. (ebd., S. 33) Insofern lässt sich feststellen, dass sich die Modelle lediglich in ihrer Unterteilung unterscheiden, die relevanten kritischen Erfolgsfaktoren jedoch übereinstimmen. Die genannten Variablen aus den Effektivitätsmodellen von Simon, Treiblmaier & Neumann (2008) und von Simon, Haghirian & Schleglmilch (2003) gelten als empirisch hinreichend gestützt.
2.2.2 Modell lernrelevanter Kontexte und Komponenten technologiebasierter Lernszenarien nach Tergan
Neben Simon beschäftigte sich auch Sigmar O. Tergan (2004) mit der Frage, was technologiegestütztes Lernen eigentlich erfolgreich macht und entwickelte hierzu ebenfalls ein Rahmenmodell. Auch wenn sich seine Argumente teilweise mit denen von Simon et. al. (2003; 2008) überschneiden, bevorzugt Tergan eine andere Kategorisierung der Einflussfaktoren in sogenannte Lernkontexte. Darunter versteht er „Rahmenbedingungen für das Lernen […], die sich förderlich oder hinderlich auf das Lernen auswirken können“ (Tergan & Schenkel, 2004, S. 18). Nach Tergans Modell gibt es vier lernrelevante Kontexte mit zugehörigen Komponenten und Rahmenbedingungen, die technologiebasierte Lernszenarien kennzeichnen und in einen Wirkungszusammenhang gestellt werden (siehe Abbildung 5). (ebd.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Lernrelevante Kontexte und Komponenten technologiebasierter Lernszenarien nach Tergan (eigene Darstellung nach Tergan & Schenkel, 2004, S. 18)
Unter dem individuellen Lernkontext werden die persönlichen Rahmenbedingungen verstanden, vor deren Hintergrund das Lernen stattfindet, wie beispielsweise Bildungsstand, Berufs- und Lernerfahrungen, sozialer, finanzieller und zeitlicher Kontext, aber auch Zugangsmöglichkeiten zu nötigen Technologien und Lernmaterialien. (Tergan & Schenkel, 2004, S. 18f) Hinzu kommen lernrelevante Merkmale seitens der Lernenden. Hierzu zählen unter anderem kognitive, emotionale, soziale sowie Persönlichkeitsmerkmale, wie Vorwissen, Motivation, Interessen, Vorerfahrungen und subjektive Wahrnehmungen. (ebd., S. 19)
Neben dem individuellen Kontext hat laut Tergan auch der Anwendungskontext großen Einfluss auf das Lernergebnis. (ebd.) Dieses kann je nach Lernort, -situation und zur Aufgabenbewältigung notwendigen kognitiven, emotionalen und sozialen Anforderungen variieren. (ebd.) Merkmale des Lerngegenstands, wie beispielsweise die Authentizität, sachliche Korrektheit, Kodierungsform, angesprochene Sinnesmodalität oder die Art der Inhalte können Einfluss auf den Lernerfolg nehmen. (ebd., S. 20)
Der pädagogische Lernkontext bezieht sich auf die Methode, mit der Lerninhalte aufbereitet, organisiert und medial präsentiert werden. (ebd., S. 20f) Hierzu gehören auch bewusste Maßnahmen zur Lernunterstützung und -förderung. (ebd.) Diese Methoden basieren meist auf klassischen lerntheoretischen Ansätzen wie dem Konstruktivismus oder verschiedenen Instruktionsdesign-Modellen, nach denen digitale Lernumgebungen gestaltet werden. (ebd.)
Den letzten Aspekt der vier lernrelevanten Kontexte bilden schließlich die Technologien. (ebd., S. 21) Hier geht es insbesondere um die spezifischen Merkmale und technischen Rahmenbedingungen der verwendeten Medien, beispielsweise die Möglichkeiten der Interaktion zwischen den Lernenden und der Plattform oder auch die mediale Umsetzung didaktischer Methoden mithilfe der elektronischen Lernumgebung. (ebd., S. 21)
All diese genannten Faktoren und Rahmenbedingungen beeinflussen nach Tergan die Auseinandersetzung eines Lerners mit einem elektronischen Lernangebot und tragen dazu bei, „entsprechende [Lerna]ktivitäten und [Lernp]rozesse auszulösen, zu unterstützen und zu fördern“ (Tergan & Schenkel, 2004, S. 17). Sie spielen eine wesentliche Rolle für die Wirksamkeit einer elektronischen Lernumgebung und können zusammen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen als Grundlage für die Entwicklung von Gestaltungsempfehlungen für E-Learning-Angebote dienen. (ebd., S. 18; Richert, 2009, S. 31) Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Inhalte, Technologien und didaktische Methoden in elektronischen Lernumgebungen dann zum Lernerfolg beitragen, wenn sie die Bewältigung der Aufgabenstellungen unterstützen und gleichzeitig den individuellen Voraussetzungen der Lernenden entsprechen. (ebd., S. 21) Auch wenn die Lehrperson die Aufgabe hat, solche Plattformen umzusetzen, ist dies nur möglich ist, wenn die lernunterstützenden Bedingungen auch angenommen werden, denn nach Ansicht von Sigmar O. Tergan haben die Lernenden selbst „ein absolutes Veto über das, was letztlich das eigene Lernen bestimmt“ (Tergan & Schenkel, 2004, S. 21).
Das Modell lernrelevanter Kontexte und Komponenten technologiebasierter Lernszenarien weist deutliche Überschneidungen zu dem zuvor beschriebenen Rahmenmodell auf, da auch hier die Eigenschaften der Lernenden und der Technologien von entscheidender Bedeutung sind, jedoch werden bei Tergans Modell die Eigenschaften der Lehrperson nicht berücksichtigt. Doch auch hier wird deutlich gemacht, dass es aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren auf das Lernen keine Lernszenarien mit Erfolgsgarantie geben kann. (ebd., S. 22)
2.2.3 Rahmenmodell für das Lernen mit Multimedia nach Najjar
Zuletzt folgt ein schon etwas älteres Rahmenmodell, das einen lernrelevanten Aspekt aufgreift, der von den wenigsten Wissenschaftlern bisher wahrgenommen wurde. Das Modell von Lawrence J. Najjar (1997) ist zwar auf das multimediale Lernen ausgerichtet, jedoch ist es auch im Kontext von technologiegestütztem Lernen anwendbar und wird in diesem Zusammenhang auch in der Literatur aufgegriffen (z. B. bei Rey, 2009, S. 71ff), da multimediales Lernen heute häufig im E-Learning-Bereich stattfindet. Najjar (1997) war der Meinung, bestehende Theorien und Modelle wären nicht Lage, die uneinheitlichen Auswirkungen multimedialer Inhalte auf dem Lernerfolg vorherzusagen und zu erklären. (S. 3) Aus diesem Grund entwickelte er einen aus seiner Sicht vollständigeren theoretischen Rahmen, der vier wesentliche Elemente umfasst, die bei der Evaluation multimedialer Lernumgebungen berücksichtigt werden sollten. (ebd., S. 4) Nach Najjar sind die Eigenschaften der Lernenden, der Lernmaterialien, der präsentierten Aufgaben sowie des anschließenden Lerntests jene Faktoren, die darüber entscheiden, wann und warum Multimedia-Inhalte das Lernen verbessern. (ebd., S. 4) Im Hinblick auf die Lernenden-Eigenschaften nannte Najjar das Vorwissen im entsprechenden Fachgebiet sowie die kognitiven Fähigkeiten des Lernenden als relevante Aspekte (ebd.) Demnach sind multimediale Inhalte vorwiegend bei Personen mit geringen Vorkenntnissen und kognitiven Fähigkeiten effektiv. (ebd.; Najjar, 1995, S. 10) Dies wird darauf zurückgeführt, dass Lernende mit wenig Vorwissen nicht über die notwendigen Kenntnisse und kognitiven Fähigkeiten verfügen, neue Informationen zu fokussieren und zu verknüpfen, sodass sie mehr von der Multimedialität profitieren können. (Najjar, 1997, S. 5) Bei Personen mit besseren kognitiven Fähigkeiten erscheinen multimediale Lernmaterialien als weniger wichtig, da die Lernende hier generell sehr gute Lernergebnisse erreichen. (ebd.) Als zweiten Einflussfaktor nennt Lawrence J. Najjar die Eigenschaften der Lernmaterialien. Er weist darauf hin, dass nicht jedes Material gleichermaßen für jede Wissensform geeignet ist. (ebd.) Beispielsweise eignen sich Illustrationen besser für das Lernen räumlicher, bildhafter Informationen, während sich für die Vermittlung verbaler Inhalte eher sprachliche Erläuterungen und Texte anbieten. (ebd.)
Die beiden genannten Einflussfaktoren, die bereits in den zuvor vorgestellten Rahmenmodellen beschrieben wurden, wurden von Najjar (1997) durch zwei weitere ergänzt. Der Lernerfolg soll demnach auch von der Art abhängen, wie Aufgaben präsentiert werden und wie sie letztendlich abgefragt werden. (Najjar, 1997, S. 6f) Empfohlen wird, bei der Präsentation der Aufgaben darauf zu achten, dass eine aktive Verarbeitung der Informationen durch die Lernenden stattfindet. Dies kann beispielsweise durch die Verwendung interaktiver Elemente geschehen, die sich besonders gut in technologiegestützten Lernumgebungen umsetzen lassen. (ebd.) Zudem ist es wichtig, dass die Informationsdarbietung und der anschließende Lerntest aufeinander abgestimmt sind. (ebd., S. 8) Najjar weist darauf hin, dass verbal präsentierte Informationen auch verbal abgefragt werden sollten, um ein möglichst gutes Testergebnis zu erreichen. (ebd.)
Dieses Rahmenmodell mit den vier beschriebenen Aspekten Lernende, Lernmaterialien, präsentierte Aufgaben und dem Lerntest bietet einen einfachen Leitfaden zur Evaluation der verschiedenen Einflussfaktoren multimedialer Lernumgebungen. Zudem kann es als Ergänzung anderer Theorien und Frameworks dienen, da es bis dahin unberücksichtigte Aspekte aufgreift. (Rey, 2007, S. 66) Zwar sind Najjars Annahmen weitgehend durch empirische Untersuchungen gestützt, im Gegensatz zu den Rahmenmodellen von Simon et. al. (2008) und von Tergan (in Tergan & Schenkel, 2004) sind sie jedoch stark kognitiv ausgerichtet. Aus diesem Grund kritisierte Rey (2009) auch zu Recht die Vernachlässigung motivationaler, emotionaler und methodischer Faktoren innerhalb des Modells für das Lernen mit Multimedia. (S. 74) Diese wurden von anderen Modellen als wichtige Einflussfaktoren für den Lernerfolg in elektronischen Lernumgebungen identifiziert und blieben von Najjar unberücksichtigt. Zudem lassen sich kaum Empfehlungen für die Gestaltung von multimedialen Bildungstechnologien aus Najjars Modell ableiten. (Rey, 2007, S. 67)
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich im Laufe der Zeit verschiedenste Theorien und Modelle herausgebildet haben, um den Erfolg technologiegestützten Lernens zu untermauern, wovon einige speziell für das Lernen mit neuen Medien entwickelt wurden und andere nur darauf angewendet wurden. Die nun Vorgestellten bilden nur eine kleine Auswahl davon. Dabei zeigt sich, dass sich die Vorstellung darüber, wie Lernen abläuft und was es erfolgreich macht, ständig verändert. Modelle können dabei helfen, erfolgreiche Bildungstechnologien zu entwickeln indem sie relevante Einflussfaktoren aufzeigen, es lässt sich jedoch nie entscheiden, welche Ansätze richtig oder falsch sind. Noch existiert keine ganzheitliche und allgemeingültige Theorie zum technologiegestützten Lernen. (Richert, 2009, S. 126) Stattdessen muss jede mit ihren eigenen Stärken und Schwächen vor dem Hintergrund des Lernziels, des Einsatzbereichs und zeitlicher, sozialer und kultureller Kontexte abgewogen werden. (Passey, 2019, S. 982) Einigkeit ist insofern vorhanden, dass die Eigenschaften der Lernenden für erfolgreiche Lernprozesse nicht zu vernachlässigen sind.
2.3 Forschungsstand zum technologiegestützten Lernen an Hochschulen
Nach der Einführung in die notwendigen Begrifflichkeiten und lerntheoretischen Grundlagen soll nun der bisherige Forschungsstand zur behandelten Thematik aufgearbeitet werden. Da der Unterricht mithilfe elektronischer Medien in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat, gibt es inzwischen unzählige Studien, die sich mit technologiegestütztem Lernen, dessen Nutzung, Nachhaltigkeit, Akzeptanz und Effektivität beschäftigen. Im Folgenden werden diejenigen aufgegriffen, auf deren Ergebnisse sich die vorliegende Untersuchung stützt. Zunächst wird auf die bisherige Verbreitung und Akzeptanz von elektronischen Medien in der Hochschulbildung eingegangen, ehe ein Überblick über empirische Studien gegeben wird, die den Erfolg von E-Learning und dessen Einflussfaktoren untersucht haben.
2.3.1 Bisheriger Einsatz und Nutzung von Technologien an Hochschulen
Bevor man sich dem Erfolg des mediengestützten Lernens zuwenden kann, sollte man zunächst klären, wie verbreitet das Phänomen in der akademischen Lehre bisher überhaupt ist. Tatsächlich arbeiten die Hochschulen seit den 1990er Jahren daran, E-Learning auf technischer, didaktischer und organisatorischer Ebene ins Studium zu integrieren. (Trahasch & Kandzia, 2012, S. 34) Zahlreiche vergangene Förderprojekte wie das Programm „Neue Medien in der Bildung“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sollten den Einsatz von Bildungsmedien in Deutschland vorantreiben. (Handke & Schäfer, 2012, S. 4) Sowohl an Fernhochschulen als auch an Präsenzhochschulen nimmt die Zahl Fernstudierender von Jahr zu Jahr zu, was jedoch nicht einem vollkommenen Verzicht auf klassischen Unterricht gleichkommt. (TarGroup Media, o. J.) Eine Erhebung zum Thema Distance Education im Jahr 2018 machte deutlich, dass mit 19% die wenigsten Hochschulen reines Online-Lernen in der Fernlehre einsetzen, sondern stattdessen knapp 47% Blended Learning nutzen. (Fogolin, 2019, S. 35) Zu dem Ergebnis, dass zwar die Mehrheit der Hochschulen Online-Unterstützung anbietet, aber kaum welche über reine Online-Studiengänge verfügen, kamen auch andere. (Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut, 2004, S. 11; Kleimann & Schmid, 2006, S. 194; Zawacki-Richter, 2018, S. 15) Im Übrigen scheinen andere Länder die Potenziale der Technologien im Lernprozess in Form von rein virtuellen Hochschulen schon deutlich mehr auszuschöpfen. (Zawacki-Richter, 2018, S. 16) Auch wenn der Anteil der Personen, die das Internet für Online-Kurse nutzen, in den letzten zehn Jahren stark angestiegen ist, bleibt Deutschland auf Platz 15 deutlich hinter anderen Ländern zurück. (Eurostat, 2020) Die vergleichsweise geringe Anzahl an Online-Studiengängen ist auf die hierzulande hohe Dichte an Präsenzhochschulen zurückzuführen, die ein Fernstudium nicht notwendig machen. Stattdessen wird das Präsenzstudium eher durch Online-Kurse ergänzt und nicht ersetzt.
Unter Studierenden scheint der Einsatz von neuen Medien zum Lernen inzwischen sehr verbreitet zu sein. Nach Grosch & Gidion (2011) nutzen 60% der Studierenden den Computer häufig bis sehr häufig im Studium. (S. 65) Die Erfahrung mit technologiegestütztem Lernen hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Während im Jahr 2004 noch gerade einmal 5% der Studierenden computergestützte Lernformen nutzten (Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut, 2004, S. 1), hat die Befragung der Pearson Deutschland GmbH (2019) zuletzt gezeigt, dass inzwischen 87% der Studierenden bereits Erfahrungen mit mediengestütztem Lernen haben. (S. 4) Über 18% nutzen E-Learning-Angebote sogar mehrmals pro Woche. (ebd., S. 5) Befragungen an Hochschulen wie der Universität Gießen oder Freiburg konnten hingegen lediglich eine E-Learning-Erfahrung und -Nutzung zwischen 45 und 63% bei ihren Studierenden feststellen. (Henneberg, 2015, S. 2; Justus-Liebig-Universität Gießen, 2014, S. 39) Diese Unterschiede lassen sich dadurch erklären, dass noch immer keine einheitliche Definition von E-Learning existiert und Studierende unterschiedliche Vorstellungen davon haben. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass der Stand technologiegestützten Lernens unterschiedlich wahrgenommen wird. Eine Online-Erhebung von Gilch, Beise, Krempkow, Müller, Stratmann & Wannemacher (2019) ergab, dass zwar knapp 83% der Lehrenden der Digitalisierung der Lehre einen hohen Stellenwert zuschreibt, der aktuelle Stand jedoch nur von etwa 29% der Hochschulleitungen als hoch oder sehr hoch bewertet wird. (S. 29f) Laut dem Monitor Digitale Bildung sieht noch die Hälfte der Hochschulleitungen und -mitarbeitenden Handlungsbedarf, wenn es um den Einsatz „digitalen“ Lernens geht. (Schmid, Goertz, Radomski, Thom & Behrens, 2017, S. 29)
Betrachtet man die verschiedenen Formen des Medieneinsatzes an Hochschulen genauer, so wird deutlich, dass die Ergänzung des klassischen Präsenzunterrichts durch PowerPoint-Präsentationen, Videos oder PDF-Dokumente noch immer an erster Stelle steht. (ebd., S. 15) Über 90% der Dozierenden unterstützten laut dem Monitor Digitale Bildung inzwischen ihre Lehre auf diese Weise. (ebd.) Die Bereitstellung und Nutzung digitaler lehrveranstaltungsbegleitender Materialien als Ergänzung für die Präsenzlehre ist die verbreitetste, jedoch auch die einfachste Form des technologiegestützten Lernens. (Kleimann, Özkilic & Göcks, 2008, S. 9; Klimsa & Issing, 2011, S. 376; Tavangarian & Nölting, 2005, S. 170f) Nahezu jede Hochschule verfügt heute über mindestens ein Lernmanagementsystem wie ILIAS, Moodle oder Stud.IP, das jedoch in den meisten Fällen im Bereich der Hochschulverwaltung eingesetzt wird. (Gilch et. al., 2019, S. 47; Handke & Schäfer, 2012, S. 7) So werden Immatrikulations- und Rückmeldungsprozesse, Kursanmeldungen oder die Erfassung von Prüfungsleistungen durch webbasierte Systeme unterstützt und auch fast alle Universitätsbibliotheken bieten netzgestützte Services an. (Kleimann & Schmid, 2006, S. 175; Tavangarian & Nölting, 2005, S. 231) Die Studierendenbefragung der Pearson Deutschland GmbH (2019) ergab, dass über die Hälfte der Studierenden E-Books für ihr Studium nutzen, etwa 65% Vorlesungsaufzeichnungen und sogar knapp drei Viertel Online-Übungen oder -Selbsttests. (S. 11) Grosch & Gideon (2011) wiesen zudem auf eine wachsende Bedeutung von Suchmaschinen und Internetportalen wie „Wikipedia“ im Rahmen des Studiums hin. (S. 63) Innovativere Lernformate wie Flipped-Classroom-Konzepte, Lern-Apps oder -spiele, Podcasts, Simulationen, E-Portfolios, Weblogs oder Wikis wurden dagegen bisher nur vereinzelt in der Hochschullehre eingesetzt. (Gilch et. al., 2019, S. 52; Grosch & Gidion, 2011, S. 66f; Schmid et. al., 2017, S. 15) Auch das sogenannte mobile Lernen ist im Gegensatz zum klassischen E-Learning noch wenig verbreitet, jedoch nutzen immer mehr Lernende Mobilgeräte für studentische Zwecke, wie beispielsweise zum Ansehen von Vorlesungsaufzeichnungen oder zum Austausch mit Mitstudierenden. (Niegemann & Weinberger, 2020, S. 263) Zawacki-Richter (2015) schaffte mithilfe einer Clusteranalyse einen Überblick über die verschiedenen Medien und Services des Studiums im Hinblick auf deren Nutzungshäufigkeit und teilte sie in fünf Gruppen ein. (S. 541f) Er begann hierbei mit häufig genutzten allgemeinen Webtools wie E-Mail-Konten und Suchmaschinen, über Online-Bibliotheksdienste, soziale Netzwerke, Web 2.0 Anwendungen, bis hin zu kaum genutzte Exoten wie virtuelle Welten. (ebd., S. 541f) Persike & Friedrich (2016) unterschieden bei Studierenden stattdessen zwischen PDF-Nutzenden, Videolernenden, E-Prüflingen, die eher auf elektronische Klausuren zurückgreifen und sogenannten digitalen Allroundern, die auf eine Vielzahl von konventionellen und neuartigen digitalen Medien zurückgreifen. (S. 36f) Unabhängig von der Art der digitalen Anwendung werden diese in den meisten Fällen zur Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen oder zur Prüfungsvorbereitung genutzt. (Justus-Liebig-Universität Gießen, 2014, S. 39; Pearson Deutschland GmbH, 2019, S. 6) Die Nutzung digitaler Lernformen ist dabei unabhängig vom Geschlecht der Studierenden. Sowohl Kleimann, Weber & Willige (2005, S. 41) als auch Apostolopoulos et. al. (2009, S. 47) konnten keinen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Studierenden belegen. Karapanos & Fendler (2015) stellten lediglich fest, dass Männer auf andere Lernquellen zugreifen als Frauen. (S. 51) Die Zahl an genutzten Lernformen nimmt mit dem Lebensalter der Studierenden zu. (Schmid et. al., 2017, S. 36) Zawacki-Richter (2015) fand zudem heraus, dass nicht-traditionelle Studierende deutlich mehr Medien und Services nutzen als andere. (S. 546)
Nahezu alle bisherigen Studien sind sich darin einig, dass die Nutzung der verschiedenen digitalen Medien nicht gleichermaßen über alle Fachdisziplinen verteilt ist. Die Erhebung „Strukturdaten Distance Learning/Distance Education“ aus dem Jahr 2018 machte deutlich, dass die Wirtschaftswissenschaften bei ihrem Angebot der digitalen Fernlehre an Hochschulen mit Abstand an der Spitze stehen. (Fogolin, 2019, S. 38) Ganze 38% der Angebote fallen in dieses Fachgebiet. (ebd.) Es folgen mit rund 17 und 12% die Gesundheits- und Ingenieurwissenschaften. (ebd.) Auch Schulmeister (2006) konnte bestätigen, dass die Wirtschaftswissenschaften in der technologiegestützten Lehre anderen Fachgebieten weit voraus sind. (S. 26) Laut Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut (2004) sind digitale Lernangebote in der Informatik und Mathematik sogar noch etwas häufiger, während die Kultur- und Sprachwissenschaften deutlich hinterherhinken. (S. 1) Es kann also davon ausgegangen werden, dass „digitales“ Lernen überwiegend in Disziplinen mit großen Studierendenzahlen und hoher Computeraffinität eingesetzt wird und weniger in künstlerisch-gestaltenden oder praktischen Studiengängen. (ebd.) Auch in den Rechtswissenschaften wurde E-Learning kaum eingesetzt. (ebd.) Vor diesem Hintergrund war das Ergebnis des Monitors Digitale Bildung im Jahr 2017 eher überraschend, bei dem sich in den Sprach-, Kultur- und Sozialwissenschaften eine höhere Mediennutzung im Studium ergab als in den Natur-, Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften. (Schmid et. al., 2017, S. 38) Lehramtsstudierende zeigten hier das geringste Interesse an digitalen Lernmedien. (ebd.) Auch die konkrete E-Learning-Anwendung hängt vom Fachgebiet ab. Beispielsweise sind lehrveranstaltungsbegleitende Materialien vor allem in den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften verbreitet, während interaktive Selbstlernangebote, virtuelle Praktika und Online-Tests vermehrt in der Medizin eingesetzt werden. (Kleimann et. al., 2005, S. 33; Persike & Friedrich, 2016, S. 37)
Abgesehen vom Fachgebiet ist der Einsatz medialer Angebote nicht gleichermaßen auf alle Hochschularten verteilt, sondern dieser korreliert mit der Größe der Einrichtung. (Kleimann & Schmid, 2006, S. 177) Universitäten und Fachhochschulen setzen mehr digitale Anwendungen ein als Kunst-, Musik-, theologische oder pädagogische Hochschulen, vermutlich weil der Mehraufwand durch die E-Learning-Einführung in einem schlechten Verhältnis zu den kleinen Studierendenzahlen steht. (ebd., S. 175; Steinbacher & Bratengeyer, 2016, S. 127) Universitäten verfügen meist über ein größeres Angebot digitaler Lehr- und Lernformate als Fachhochschulen. (Gilch et. al., 2019, S. 47; Kleimann et. al., 2005, S. 35; Kreidl, 2011, S. 93) Geringere finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcen der Fachhochschulen mögen ein Grund hierfür sein. (Arnold et. al., 2018, S. 34; Kleimann et. al., 2005, S. 40) Laut Schulmeister (2006) setzen auch private Hochschulen selten Online-Studiengänge ein, da diese weniger dem Wettbewerbsdruck ausgesetzt sind als staatliche Hochschulen. (S. 21)
Grundsätzlich lässt sich also feststellen, dass es große Unterschiede gibt, inwieweit technische Möglichkeiten in der Bildung eingesetzt werden. Im Rahmen der Studie „E-Learning-Trends“ wurden drei wesentliche Nutzungstypen bei den Hochschulen identifiziert. (Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut, 2004, S. 3) Während die sogenannten „Vorreiter“ computergestützte Lernformen in hohem Maße einsetzen, bieten „Theoretiker“ keine oder wenige computerbasierte Lehrveranstaltungen, obwohl sie dieser Lernform große Bedeutung beimessen. (ebd.) „Skeptiker“ haben dagegen kaum E-Learning-Anwendungen im Angebot. (ebd.) Auf ähnliche Weise fand Fischer (2013) eine Klassifikation für akademisches Lehrpersonal, die fünf verschiedene Arten von Lehrenden beschrieb, danach geordnet, inwieweit sie Technologien für die Lehre nutzen. (S. 239ff) Er nennt diese Entdecker, Forschungsorientierte, Lehrorientierte, Netzwerker und Nicht-Übernehmer. (ebd.)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Situation vor dem Ausbruch der Pandemie durchwachsen war, auch wenn laut dem Trendmonitor des MMB-Instituts 2020 die Hochschulen – nach Unternehmen – seit Jahren die wichtigste Zielgruppe der E-Learning-Wirtschaft sind. (MMB-Institut, 2020, S. 14) Gilch et. al. (2019) bezeichneten die Hochschulen als einen „‘Flickenteppich‘ mit unterschiedlichem Stand der Digitalisierung“ (S. 42). Dies mag auch daran liegen, dass die Nutzung stark von individuellen Präferenzen und Erfahrungen Lernender und Lehrender abhängt, wie die Typologien nach Fischer (2013) und Persike & Friedrich (2016) gezeigt haben. Zwar sind inzwischen an allen Hochschulen Technologien zumindest in irgendeiner Form etabliert, doch Präsenzunterricht war bis zuletzt das Maß aller Dinge. (Handke & Schäfer, 2012, S. 81) Selbst staatlich geförderte E-Learning-Projekte konnten sich selten dauerhaft etablieren. (ebd., S. 4) Studierende sehen den Grund für den geringen Medieneinsatz vor allem in mangelnden Kenntnissen der Dozierenden oder deren fehlende Bereitschaft, Technologien in ihrer Lehre zu verwenden. (Pearson Deutschland GmbH, 2019, S. 9) Eine nicht ausreichende technische Ausstattung an Bildungseinrichtungen scheint zumindest kein Hinderungsgrund zu sein. Diese wird sowohl von Studierenden als auch von Lehrenden als sehr gut bewertet. (Dittler et. al., 2009, S. 72; Schmid et. al., 2017, S. 14) Und auch die Lernenden verfügen in der Regel über genug digitale Geräte und Kompetenzen, um E-Learning sinnvoll zu nutzen. (Pearson Deutschland GmbH, 2018, S. 15; Zawacki-Richter, 2015, S. 545) Trotzdem blieben die Potenziale technologiegestützten Lernens – abgesehen von administrativen Diensten oder dem Hochladen von PDF-Dateien – vielerorts ungenutzt. Die Studie „E-Learning Trends“ hat die Situation schon 2004 treffend zusammengefasst mit den Worten „E-Learning ist zwar Bestandteil, aber nicht Alltag der Hochschullehre“ (Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut, 2004, S. 1). Erst Corona hat es zum Alltag gemacht, als die gesamte Lehre auf Online-Unterricht umgestellt werden musste. Nahezu alle Formen technologiegestützten Lernens haben stark von der Pandemiesituation profitiert, allen voran virtuelle Klassenzimmer, Erklärvideos, adaptives und mobiles Lernen. (Schmid & Goertz, 2020) Doch gerade weil diese Lernform bisher nur begrenzt genutzt wurden, ist davon auszugehen, dass die plötzliche Umstellung auf rein digitale Lehre für viele Hochschulen eine große Hürde darstellte.
2.3.2 Akzeptanz digitaler Technologien in der Hochschullehre
Es wurde nun deutlich, inwieweit technologiegestütztes Lernen in Hochschulen bisher eingesetzt wurde. Voraussetzung für die Nutzung von Bildungstechnologien ist jedoch in erster Linie die Akzeptanz der Beteiligten, weshalb auch hierauf eingegangen werden soll. (Niegemann & Weinberger, 2020, S. 535) Ein Blick auf die Forschung zeigt, dass bisher kaum Akzeptanzstudien zum technologiegestützten Lernen in Hochschulen existieren, sondern eher Unternehmen in den Blick genommen wurden (z.B. Bürg, Kronburger & Mandl, 2004; Harhoff & Küpper, 2003). Außerdem wird dabei meist von der Verhaltensakzeptanz ausgegangen, also der tatsächlichen Mediennutzung, die bereits das vorangegangene Kapitel ausreichend dargestellt hat. Doch daneben ist noch eine weitere Dimension relevant, denn gemäß dem Technologie-Akzeptanz-Modell nach Davis (1989) ist die Verhaltensakzeptanz immer von der Einstellungsakzeptanz abhängig, also der konkreten Nutzungsabsicht.
Eine Befragung unter Hochschulangehörigen zeigte, dass die Mehrheit den Einsatz von Technologien in Lernprozessen sehr positiv bewertet, vor allem Studierende. (Daniela et. al., 2018, S. 15) So konnten Alkhanak & Azmi (2011, S. 2587) sowie Ananga (2020, S. 315) belegen, dass diese Lehrveranstaltungen bevorzugen, die zumindest teilweise durch Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt werden. Über 80% wünschen sich laut der Studierendenbefragung der Pearson Deutschland GmbH (2019) einen häufigeren E-Learning-Einsatz an der Hochschule und damit deutlich mehr als im Jahr zuvor. (Pearson Deutschland GmbH, 2019, S. 8 u. 2018, S. 3) Am höchsten ist die Akzeptanz bei den häufig genutzten lehrveranstaltungsbegleitenden Materialien und interaktiven Selbstlernangeboten. (Kleimann et. al., 2005, S. 43; Zawacki-Richter, 2015, S. 539) Grosch & Gidion (2011) nahmen in ihre Untersuchung neben typischen E-Learning-Anwendungen auch hochschulexterne Dienste auf, wie beispielsweise die Google-Websuche, E-Mail-Konten oder Webseiten wie „Wikipedia“ und stellten hier sogar eine noch höhere Akzeptanz fest als bei lehrveranstaltungsbegleitenden Online-Materialien. (S. 67) Insgesamt gibt es noch eine deutliche Differenz zwischen dem von Studierenden gewünschten und dem tatsächlich Medieneinsatz. (Kleimann et. al., 2005, S. 19; Zawacki-Richter, 2015, S. 539)
Ebenso wie die Nutzung scheint auch die positive Grundeinstellung gegenüber technologiegestütztem Lernen vom Geschlecht der Lernenden unabhängig zu sein. (Apostolopoulos et. al., 2009, S. 47; Karapanos & Fendler, 2015, S. 50; Kleimann et. al., 2005, S. 44) Lediglich Treumann et. al. (2012) stellten fest, dass weibliche Studierende gegenüber E-Learning tendenziell aufgeschlossener sind. (S. 281) Auch beim Alter lassen sich Unterschiede feststellen. Laut Monitor Digitale Bildung haben die „vermeintlichen Digital Natives zwischen 19 und 21 Jahren“ (Schmid et. al., 2017, S. 35) weniger Interesse an digitalen Lerntechnologien als ältere Studierende. Dittler & Kreidl (in Dittler, 2017) sehen den Grund hierfür darin, dass ältere Personen häufig schon beruflich etabliert sind und deshalb kürzere und kompetenzorientiertere Bildungsmaßnahmen bevorzugen. (S. 97) Im Wiederspruch dazu stehen die Ergebnisse der HISBUS-Umfrage aus dem Jahr 2005, die eine sinkende Akzeptanz der Studierenden mit steigendem Semester feststellte. (Kleimann et. al., 2005, S. 44)
Ähnlich wie bei der Nutzung unterscheidet sich auch die Akzeptanz zwischen Fachgebieten und ist in der Mathematik, den Natur-, Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften am höchsten. (ebd.; Gegenfurtner, Fisch & Reitmaier-Krebs, 2017) Studienergebnisse von Breitner et. al. (2007, S. 275), vom Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut (2004, S. 17) sowie Wünsch et. al. (2005, S. 54) ergaben, dass auch Studierende der Medienwissenschaft, Medienwirtschaft und -design große Bereitschaft für die Nutzung technologiegestützter Lernformen mitbringen, während kreative und praxisbezogene Disziplinen wie Kunst und Musik dies eher ablehnen. Das geringste Interesse haben zumeist Studierende aus dem Bereich Lehramt beziehungsweise Pädagogik. (Gegenfurtner et. al., 2017; Kleimann et. al., 2005, S. 44; Schmid et. al., 2017, S. 39) Dabei wäre gerade hier, wo die Lehrkräfte von morgen ausgebildet werden, die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Lernformen wichtig. Insgesamt lässt sich die größte Offenheit in denjenigen Fächern feststellen, die sich mit Computern befassen und somit Interesse für Technologien mitbringen. (Schulmeister, 2001, S. 354) Im Gegensatz zur Nutzung gibt es bei der Akzeptanz der Studierenden keine nennenswerten Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen. (Kleimann et. al., 2005, S. 44)
Doch nicht nur die Einstellung der Studierenden ist relevant, denn es sind in erster Linie die Lehrenden, die digitales Lernen an Hochschulen voranbringen. (Schmid et. al., 2017, S. 34) Generell wird Studierenden eine deutlich höhere Akzeptanz zugeschrieben als dem Lehrpersonal. (Grosch & Gidion, 2011, S. 17; Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut, 2004, S. 17) Dennoch glaubt die Hälfte der Hochschulvertretenden, dass die Lehrenden der eigenen Hochschule computergestütztem Lernen positiv gegenüber stehen. (Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut, 2004, S. 2) Laut Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut (2004) haben Dozierende der Fachhochschulen sogar mehr Interesse an technologiegestütztem Lernen als die der Universitäten, auch wenn sie es weniger nutzen. (ebd., S. 2) Der Monitor Digitale Bildung stellte fest, dass der Einsatz technologiegestützter Lehre maßgeblich von der Eigeninitiative und dem persönlichen Interesse der Dozierenden abhängt. (Schmid et. al., 2017, S. 6) Doch Studierenden zufolge ist langsam ein Umdenken der Lehrkräfte zu bemerken. 2019 wurde immerhin jedem zweiten eine Aufgeschlossenheit gegenüber digitaler Lehre attestiert. (Pearson Deutschland GmbH, 2019, S. 2)
In jedem Fall lässt sich sagen, dass Studierende trotz großer Akzeptanz und intensiver Nutzung digitaler Lernformen noch immer das Präsenzstudium bevorzugen. Apostolopoulos et. al. (2009) fanden im Rahmen einer Befragung von über 2000 Studierenden heraus, dass 78% der Befragten rein virtuelle Seminare ablehnen. (S. 137) Dies konnte von verschiedensten Seiten bestätigt werden. (Gloerfeld, 2020; Henneberg, 2015; Mayr et. al., 2009; Schmid et. al., 2017) Auch wenn Studierende die Vorteile des Medieneinsatzes schätzen, mögen es 68%, wenn Dozierende einen Vortrag an der Tafel halten. (Schmid et. al., 2017, S. 19) Und bei der Befragung der Pearson Deutschland GmbH (2019) kann sich mehr als jeder Zweite nicht vorstellen, persönliche Interaktion mit Dozierenden und Kommilitonen durch E-Learning zu ersetzen. (S. 2) Beim Monitor Digitale Bildung waren es sogar rund 88%. (Schmid et. al., 2017, S. 275) Präsenzunterricht ist also nach wie vor die beliebteste Lernform und E-Learning ist nur dort erwünscht, wo es traditionelle Lernformen ergänzt, aber nicht ersetzt. (Harhoff & Küpper, 2002, S. 7; Kleimann et. al., 2008; Riekhof & Schüle, 2002, S. 386)
Insgesamt lässt sich also feststellen, dass die Akzeptanzrate bei technologiegestütztem Lernen im Bildungssektor zumindest bei Studierenden hoch ist. Die bereits beschriebene Nutzungstypologie nach dem Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut (2004) zeigt jedoch, dass Technologien nicht überall gleichermaßen angenommen werden. Gerade die sogenannten „Skeptiker“ unter den Dozierenden, die über kaum Erfahrung mit Bildungstechnologien verfügen, haben meist noch große Vorurteile. (Multimedia Kontor Hamburg & MMB-Institut, 2004, S. 26) Dies mag daran liegen, dass es von verschiedenen personalen, organisationalen und technischen Faktoren abhängt, ob Lernende und Lehrende neue Medien in der Lehre befürworten oder ablehnen. (Euler & Seufert, 2005, S. 572) Gemäß dem Technologie-Akzeptanz-Modell nach Davis (1989), das bereits vielfach durch Studien belegt wurde (Bürg et. al., 2004; Chang & Tung, 2008; Rizun & Strzelecki, 2020), sind der wahrgenommene Nutzen und die wahrgenommene Benutzerfreundlichkeit einer digitalen Lernanwendung wesentlich dafür, dass diese angenommen wird. Sowohl Harhoff & Küpper (2003, S. 31) als auch Bürg & Mandl (2004, S. 15f) unterschieden zwei wesentliche Merkmalsgruppen, welche die Akzeptanz der Nutzenden beeinflussen. Dies sind zum einen personenbezogene Faktoren wie das persönliche Interesse an technologiegestütztem Lernen, technisches Vorwissen oder die wahrgenommene Kontrolle der Lernenden über den Lernprozess. (Bürg & Mandl, 2004, S. 15) Die zweite Gruppe sind organisationale oder technische Kontextfaktoren wie zum Beispiel die technische Ausstattung der Einrichtung, die Benutzerfreundlichkeit und Funktionalität der Lernanwendung, aber auch die Verfügbarkeit eines Ansprechpartners und die Unterstützung der Lernenden. (ebd., S. 16; Harhoff & Küpper, 2003, S. 31) Auch eventuelle Kosten oder die Zertifizierung eines Online-Kurses können beeinflussen, ob auf Technologien zurückgegriffen wird oder nicht. (Zhang, Wen, Li, Fu & Cui, 2010, S. 1428) Kreidl (2011) ging noch einen Schritt weiter und unterschied vier wesentliche Einflussfaktoren auf die Akzeptanz von E-Learning bei Studierenden: (S. 30ff)
- Didaktische Gestaltung (z. B. inhaltliche Klarheit/didaktische Qualität)
- Organisatorische Gestaltung (z. B. Umfang und technische Umsetzung der Inhalte, Grad der Freiwilligkeit, angebotene Lernanreize bei der Anwendung)
- Sozioökonomische Situation der Studierenden (z. B. Lebenssituation, Vorbildung)
- Studien- und Lernmerkmale (z. B. Studienerfolg, -dauer, E-Learning-Vorkenntnisse)
Zwar konnte er nur den Einfluss didaktischer und organisatorischer Rahmenbedingungen nachweisen (Kreidl, 2011, S. 142), aber andere Autoren bestätigten, dass die Nutzung einer Lernform wesentlich von der individuelle Lebenssituation einer Person sowie deren Voraussetzungen und Kompetenzen abhängt. (Tergan & Schenkel, 2004, S. 84; Treumann et. al., 2012, S. 281) Darüber hinaus ist es nachweislich wichtig für die Akzeptanz, dass Lernende die Inhalte für relevant erachten und in die Wahl der Lernform miteinbezogen werden. (Bürg et. al., 2004, S. 19; Harhoff & Küpper, 2002, S. 5; Treumann et. al., 2012, S. 281) Laut einer Umfrage zu E-Learning in Unternehmen sehen 70% die Ursache für geringe Akzeptanz in der fehlenden Information und Beteiligung der Mitarbeiter und 55% darin, dass diese die Lernanwendung nicht für berufsrelevant halten. (Bürg & Mandl, 2004, S. 7) Überträgt man die Ergebnisse auf Bildungseinrichtungen, wird deutlich, dass der Austausch zwischen Lehrenden und Lernenden bei der Einführung neuer Technologien und die Information über den Mehrwert dieser Lernform dabei helfen kann, die Nutzungsbereitschaft deutlich zu steigern.
Klar ist, dass die alleinige Bereitstellung einer digitalen Lernanwendung bei weitem nicht ausreicht, damit Lernende diese auch nutzen wollen. Stattdessen muss der Mehrwert für alle Beteiligten erkennbar sein und äußere Rahmenbedingungen müssen auf Lernende, deren Präferenzen und Bedürfnisse abgestimmt werden. Interessant wird sein, wie sich die Akzeptanz seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie verändert hat. Auch wenn bisher kaum Studien hierzu veröffentlicht wurden, lassen erste Befragungen oder Erfahrungsberichte eine Tendenz erkennen. Schwertfeger (2020a) stellte beispielsweise fest, dass viele Hochschuldozierende zwar Respekt vor der Online-Lehre hatten, inzwischen jedoch deren Vorteile zu schätzen lernen. (S. 35f) Und auch eine Studie der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich von Tengler, Schrammel & Brandhofer (2020) konnte zeigen, dass Lehrende in Zeiten von digitaler Distanzlehre eine positive Einstellung gegenüber neuen Medien entwickeln und diese – zumindest ergänzend – weiterhin zu nutzen wollen. (S. 31) Dies spricht dafür, dass durch die intensive Befassung mit E-Learning vorhandene Berührungsängste abgebaut werden können und auch die zuvor noch geringe Wertschätzung der Technologien bei Lehrenden zunehmen wird. Deshalb wird erwartet, dass Online-Lernen auch nach der Pandemie einen größeren Platz im Studium einnehmen wird. (Schwertfeger, 2020a, S. 37) Studierende akzeptieren zwar die coronabedingte Online-Lehre und sind dankbar, ihr Studium auf diese Weise fortführen zu können, jedoch wollen nur 17% dauerhaften Online-Unterricht, aus Angst, ihnen könnten wichtige Studienerfahrungen vorenthalten bleiben. (ebd., S. 37)
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Interesse an Lerntechnologien im Laufe der Zeit gestiegen ist und eine Fortsetzung dieses Trends ist – gerade angesichts der derzeitigen Situation – zu erwarten. Doch dies bedeutet nicht, dass Präsenzunterricht abgelehnt wird. Die Pearson Deutschland GmbH (2019) hat es passend formuliert: „Studierende wollen die Digitalisierung der Hochschullehre – aber sinnvoll, in Maßen und keinesfalls komplett“ (S. 2).
2.3.3 Effektivität und Erfolg des technologiegestützten Lernens
Es wurde nun gezeigt, dass technologiegestütztes Lernen bereits vielfach eingesetzt und auch mehr und mehr akzeptiert wird. Doch nun gilt es zu klären, inwieweit diese Lernform überhaupt erfolgreich ist. Häufig wird den neuen Medien unterstellt, das Lernen effizienter, schneller, motivierender oder schlichtweg effektiver zu machen. (Bremer & Krömker, 2013, S. 124; Klimsa & Issing, 2011, S. 68) Auch von Seiten der Lernenden ist die Nutzung digitaler Lernmaterialien häufig mit großen Erwartungen verbunden. (Carswell, Thomas, Petre, Price & Richards, 2000, S. 45) Simon et. al. (2008) haben bereits erörtert, dass die Effektivität in der erzielten Kompetenzzunahme liegt, aber auf verschiedene Arten gemessen werden kann. Studien, die sich mit der Wirksamkeit elektronischer beziehungsweise digitaler Lernumgebungen beschäftigen, gehen dabei auf verschiedene Weise vor. Während viele lediglich das Lernen mit einer E-Learning-Anwendung evaluieren, wird in anderen konkret das technologiegestützte Lernen mit dem in der klassischen Präsenzlehre verglichen. Nach Kerres (2001) und Tergan & Schenkel (2004) wird Lernerfolg sehr häufig auf das Behalten von Wissen reduziert, wonach Lernen immer dann erfolgreich ist, wenn dies durch einen Abschlusstest nachgewiesen werden konnte. (Kerres, 2001, S. 112; Tergan & Schenkel, 2004, S. 3) Neben dem objektivem Lernerfolg dient auch die subjektive Zufriedenheit der Lernenden als Maß für Qualität und Erfolg einer Lernumgebung, was jedoch umstritten ist. (Zawacki-Richter & Anderson, 2014, S. 294)
Ein Blick auf vergangene Forschungsarbeiten im Bereich technologiegestütztes Lernen zeigt, wie uneinheitlich die Befundlage in diesem Bereich ist. Allgemeine Untersuchungen zu den Erfahrungen Lernender mit digitalen Medien kamen überwiegend zu positiven Ergebnissen, bei denen E-Learning durchwegs gut bewertet wurde. (Bremer & Krömker, 2013, S. 167; Hölbl & Welzer, 2010, S. 65; Justus-Liebig-Universität Gießen, 2014; Wünsch et. al., 2005, S. 54) Negativbeispiele werden kaum veröffentlicht. Im schlechtesten Fall werden E-Learning-Formen durch Lernende als „befriedigend“ bewertet. (Kleimann et. al., 2005, S. 46) Neben solchen Evaluationsstudien besteht ein großer Teil mediendidaktischer Forschung aus dem Vergleich mediengestützten Lernens mit konventionellem Präsenzunterricht. (Kerres, 2001, S. 34) So konnte beispielsweise Goldberg & McKhann (2000) belegen, dass Studierende, die in einer virtuellen Lernumgebung gelernt hatten, in anschließenden Prüfungen bessere Leistungen erzielten als solche, die mit den gleichen Lernmaterialien eine klassische Vorlesung in einem Hörsaal besuchten. (S. 59) Auch Hsu (2008) konnte bei Personen, die im Rahmen eines schülerzentrierten Ansatzes individuell online lernten, signifikant höhere Leistungen feststellen als bei Präsenzlernenden in einer lehrergeführten Klasse. (S. 330) Wallace & Mutooni (1997) bestätigten dies ebenfalls, jedoch führten sie das Ergebnis auf eine bessere Aufbereitung der webbasierten Lernumgebung zurück. Ein Gesamtüberblick über die Forschung wird in Metastudien deutlich. So konnten Sitzmann, Kraiger, Stewart & Wisher (2006) zeigen, dass webbasiertes Lernen bei der Vermittlung von deklarativem Wissen zu besseren Ergebnissen führt als beim Lernen im Klassenzimmer, es bei der Weitergabe von prozeduralem Wissen jedoch keinen Unterschied zwischen webbasierten Lernumgebungen und Präsenzunterricht gab. (S. 649) Kekkonen-Moneta & Moneta (2002) bemerkten lediglich bei angewandtem konzeptuellem Wissen einen Vorteil der Online-Studierenden. Tamim, Bernard, Borokhovski, Abrami & Schmid (2011) gingen einen Schritt weiter und fassten in einem Metaanalyseverfahren zweiter Ordnung Forschungsarbeiten von 40 Jahren zusammen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Schüler*innen, die mit Technologieeinsatz gelernt hatten, durchschnittlich zwölf Prozent bessere Leistungen erbringen als solche ohne technologischer Unterstützung. (Tamim et. al., 2011, S. 17)
[...]
- Citation du texte
- Melanie Schieber (Auteur), 2021, Studieren im Ausnahmezustand. Auswirkungen eines reinen Online-Studiums auf das Lernen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1133507
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.