Die Bildung im Mittelalter wird oftmals als rückständig und wenig innovativ angesehen. Bereits in der Zeit der Aufklärung wird mit Herablassung auf die Bildung des Mittelalters zurückgeblickt, der Begriff des "finsteren" Zeitalters prägt weite Teile der Sicht auf die Epoche. Die mittelalterliche Bildung wurde von den Menschen späterer Zeit als eine intellektuelle Sackgasse verstanden, die erst mit dem Ausgang aus der „Finsternis“ durch die Renaissance langsam ein Ende fand. Die heutige Forschung hingegen blickt auf die Epoche, die sich in etwa von 500 nach Chr. bis 1500 nach Chr. erstreckt, wesentlich optimistischer zurück, da diese erkannt hat, dass das Mittelalter weitaus fortschrittlicher als bisher häufig angenommen war. Besonders zwei Wendepunkte stechen dabei für das Mittelalter speziell heraus, welche die Bildungswelt dieser und der heutigen Zeit nachhaltig geprägt haben: Zum einen die Bildungsexpansion des lateinischen Hochmittelalters und die Karolingische Renaissance, die Bildungsreform durch Karl den Großen, prägten maßgeblich das Mittelalter und haben Auswirkungen, die bis in die heutige Zeit nachwirken.
Einleitung
Die Bildung im Mittelalter wird oftmals als Rückständig und wenig innovativ angesehen. Bereits in der Zeit der Aufklärung wird mit Herablassung auf die Bildung des Mittelalters zurückgeblickt, der Begriff des „finsteren“ Zeitalters prägt weite Teile der Sicht auf die Epoche. Die mittelalterliche Bildung wurde von den Menschen späterer Zeit als eine intellektuelle Sackgasse verstanden, die erst mit dem Ausgang aus der „Finsternis“ durch die Renaissance langsam ein Ende fand. Die heutige Forschung hingegen blickt auf die Epoche, die sich in etwa von 500 nach Chr. bis 1500 nach Chr. erstreckt, wesentlich optimistischer zurück, da diese erkannt hat, dass das Mittelalter weitaus fortschrittlicher als bisher häufig angenommen war. Besonders zwei Wendepunkte stechen dabei für das Mittelalter besonders heraus, welche die Bildungswelt dieser und der heutigen Zeit nachhaltig geprägt haben: Zum einen die Bildungsexpansion des lateinischen Hochmittelalters und die Karolingische Renaissance , die Bildungsreform durch Karl den Großen prägten maßgeblich das Mittelalter und haben Auswirkungen, die bis in die heutige Zeit nachwirken. Diese Wendepunkte der Bildungsgeschichte des Mittelalters sollen das Thema dieses Essays werden, indem begründet wird, weshalb diese die beiden wichtigsten Wendepunkte der Bildungswelt des Mittelalters darstellen.
Die Bildungsreform Karls des Großen
Ein Schwerpunkt, welcher die Bildung des Mittelalters im Zeitraum zwischen 500 und 1200 in europäischer Perspektive nachhaltig geprägt hat, ist die Bildungsreform Karls des Großen, die auch als karolingische „Renaissance“1 bezeichnet wird und kann als eine Kulturerneuerung verstanden werden, welche sein Reich, sowie die Bildungswelt des Mittelalters in vielfältigen Bereichen nachhaltig beeinflusst hat. Die Reform umfasste wesentliche Erneuerungen im Bereich der Kirche, die Laien waren deshalb lediglich in einer sekundären, indirekten Art und Weise davon betroffen. Doch um verstehen zu können, weshalb sich Karl der Große dazu veranlasst sah, eine solch umfassende und aufwändige
Reform einzuleiten, muss auf die Entstehungszeit des Reichs Karls des Großen eingegangen werden.
Bemerkenswert für die karolingische Bildungsreform ist besonders die Organisation: Karl der Große versammelte zum Ende des 7. Jahrhunderts und zu Beginn des 8. Jahrhunderts Gelehrte von verschiedenen Stämmen, zum Beispiel der Langobarden, Angelsachsen, Iren und Westgoten . Durch das Herbeirufen der Gelehrten aus den unterschiedlichen Gebieten war es möglich, ein großes Wissensspektrum abzudecken, welches unter anderem die Dialektik des Aristoteles umfasste, um ein konkretes Beispiel zu nennen. Der Anlass für diese Reform ist die sogenannte norma recti tudiaes , die rechte Norm der Herrschaft. Diese geht zurück auf Alkuin von York den wohl bekanntestem Mitglied der Hofschule Karls. Der Herrscher wollte sechs wesentliche Punkte in seiner Reform einbringen: Corrigere, emendare, meliorare, restituere, renovare und reformare .
Zwei zentrale Schriften gelten als „Programm“ für die Renovatio Karls des Großen: Erstens die Epistola de litteris colendis in etwa aus dem Jahr 784/85 und zweitens die Admonitio generalis , welche circa um das Jahr 800 erlassen wurde. Die Epistola de litteris colendis ist ein Brief der vermutlich hauptsächlich von Alkuin von York verfasst wurde und sich an alle Bischofskirchen und Klöster im Reich richtete. Er mahnte zu einer Notwendigkeit einer korrekten Rede und Schrift und verwies dabei auf die Pflege der Literatur. Leseschulen für Knaben sollten errichtet werden, wo sie den korrekten Umgang mit Literatur, vor allem kirchlichen Texten, erlernen sollten. Darüber hinaus sollten die Knaben in der Lage sein, auch fehlerfrei Latein zu sprechen. Dies stellt einen Grund dar, weshalb Karl der Große eine Notwendigkeit für seine Bildungsreform sah, nämlich die lateinische Sprache, welche in der Übergangszeit von der Antike bis zur Regierungszeit Karls in einem von der ursprünglichen Sprache eher abgewichenem Zustand war. Dies stellte insofern ein Problem dar, als dass das Verständnis von beispielsweise Schriften anderer erschwert war, denn diese waren häufig nicht frei von Fehlern. So wird unter anderem Berichtet, dass die Kenntnisse der lateinischen Sprache in weiten teilen des Klerus mangelhaft gewesen sei, sodass mancher Priester nicht einmal mehr in der Lage gewesen sein soll, das Pater noster in fehlerfreiem Latein zu beten. Die mangelhafte Kenntnis der lateinischen Sprache innerhalb des Klerus verdeutlicht, dass Reformen im Bereich der Bildung deshalb als eine Notwendigkeit von Karl dem Großen angesehen wurde, denn Fehler bei wichtigen Sakramenten waren aus damaliger Sicht möglicherweise eine Bedrohung für das spätere Seelenheil im Paradies, weshalb diese unbedingt fehlerfrei sein mussten. Die Beseitigung dieser Fehler erfüllte den Punkt der Correctio der Verbesserung, welche obig angesprochen wurde. Dies konnte beispielsweise durch das Anfertigen von Mustertexten erreicht werden, die vervielfältigt weitergegeben wurden. Dadurch konnte das Entstehen von Fehlerquellen eingedämmt werden.
Die Admonitio generalis also die „allgemeine Ermahnung“ stammt aus dem Jahr 789 und geht ebenfalls weitestgehend auf Alkuin zurück. Der Text besagt, dass es die Aufgabe des Herrschers aber auch der Untertanen sei, Fehler zu korrigieren und das Richtige zu stärken. Eine religiöse Motivation ist hierbei gut zu erkennen, denn Alkuin sieht den „Segen des Himmels“ als Belohnung für eine Ausrichtung an diesem Ziel. Der Herrscher sollte berichtigen, vervollkommnen, verbessern, in den rechten Zustand zurückversetzen, erneuern und wiederherstellen . Dabei ist eine starke Orientierung an der Spätantike zu erkennen, die als Idealzustand verstanden wurde, insbesondere die verschiedenen Literaturformen, die als besonders ausgereift galten. Karl der Große verfolgte diese Ziele bereits vor seiner Ernennung zum Kaiser und sah dies als eine Fortsetzung der Tradition der Kaiser aus der Spätantike, welche die Obhut für den rechten Vollzug des Glaubens als eine ihrer Pflichten betrachteten.
Ein wichtiger Schrittt hierfür äußert sich darin, dass im Zuge der karolingischen Bildungsreform Karl der Große große Mühen auf sich nahm, alle erreichbaren Werke der sogenannten saecularae litterae , also der Bildungswerke der Antike und der sacrae litterae , den Schriften der Kirche, zu sammeln und zu vervielfachen. Somit sollten authentische Texte beschafft werden, die die Richtigkeit sicherstellen konnten. Im Anschluss daran war es wichtig, diese authentischen Texte zu vervielfältigen und anschließend zu verbreiten. So wurden bereits früh verschiedene für die im Reich Karls des Großen wichtigen Grundgedanken Werke, wie zum Beispiel ein Exemplar der Benediktsregel vom Ursprungsort, beschafft. Diese war für die Klöster im Reich von großer Bedeutung, denn sie war die bevorzugte Klosterregel. Die Regel wurde somit vom Original vervielfältigt und im Reich verbreitet. Der englische Gelehrte Alkuin widmete sich zudem einer Korrektur der Bibel mit ihrer Orthographie, dem Textaufbau und Textäußeren. Er schuf also eine auf Richtigkeit basierende Ausgabe der Bibel, die ebenfalls Verbreitung finden sollte und als Alkuin-Bibel bekannt wurde.2Der Erfolg dieser Vorgehensweise lässt sich durch eine Verbreitung der auf der Vorlage von Alkuin basierenden Abschriften im gesamten Reich nachweisen, wird jedoch davon überschattet, dass ständig neue Bemühungen um neue Ausgaben authentischer Texte geschaffen wurden. Es lässt sich jedoch unbestreitbar feststellen, dass diese Maßnahmen wesentlich dazu beitrugen, dass das Gebiet nördlich der Alpen eine massive Zunahme an Textproduktion erfährt und somit ein kultureller Aufschwung entsteht, der diese Region maßgeblich fördert.
Die karolingischen Minuskel sind ein weiterer wichtiger Grund für die fundamentale Bedeutung der Bildungsreform, die große Auswirkungen auf die heutige Gesellschaft hat, denn die moderne Schrift beruht auf jenen Minuskeln, die aus der damaligen Zeit stammen. Das Entstehen der Schrift ist ein von Karl unbeabsichtigter Nebeneffekt und fand nicht an seinem Hof statt, sondern trat erstmals in einer experimentellen Form um das Jahr 765 im Kloster Corbie auf und fand rasch das dortige Interesse. Dies lässt sich am immer häufigeren Aufkommen der Schrift im Kloster erkennen. Die Minuskelschrift ist am Hof Karls des großen bereits ab dem Jahr 780 nachweisbar und konnte sich letztlich sukzessive gegenüber den anderen Schriftformen durchsetzen. Im 9. Jahrhundert war die Minuskel bereits als Buchschrift im Reich allgegenwärtig und breitete sich sogar in andere Länder, welche nicht Teil des Reichs waren, aus. So tritt in Spanien, welches nicht unter karolingischer Herrschaft stand, im 10. Jahrhundert die karolingische Minuskel auf. Somit löste diese Neuerung die Halbunziale als Standardschrift ab und kann als Vorgänger unserer modernen Schreib- und Druckschrift gesehen werden.
In der admonitio generalis wurde, wie obig bereits erwähnt, auf die Notwendigkeit hingewiesen, unter anderem katholische Glaubenstexte zu überarbeiten. So war beispielsweise der Westgote Theodulf im Auftrag Karls des Großen in Italien auf der Suche nach VulgataHandschriften , die für die Bibelforschung benötigt wurden und legte seinen Fokus somit auf den wissenschaftlichen Bereich und der Anfertigung einer für die Wissenschaft benötigten Ausgabe. Es wurden demnach renommierte Fachkräfte aus weiten Teilen Europas gesammelt,
[...]
1 Der Begriff Renaissance bezieht sich in diesem Kontext nicht auf die Kunst- und Kulturgeschichtliche Epoche, sondern auf die Übersetzung , Wiedergeburt".
2 Vgl. McKitterick, Rosamond, Die karolingische Renovatio. Eine Einführung, in: Stiegemann, Christoph, Wemhoff, Matthias (Ed), 799 - Kunst und Kultur der Karolingerzeit Karl der Große und Papst Leo III in Paderborn, Bd 2: Katalog der Ausstellung Paderborn 1999, Mainz 1999, 671.
- Quote paper
- Anonymous,, 2021, Zwei Wendepunkte der Bildungswelt im Mittelalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1132893
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.