Das Buch lenkt sein Hauptaugenmerk auf die Besiedlung alpiner Fließgewässer und Seen im Bundesland Salzburg. Nach einem Einleitungs- und Methodenkapitel wird der Fokus zunächst auf die malakologische Kartierung der Nördlichen Kalkalpen gelegt, ehe die Zentralalpen mit ihrer Kolonisation durch aquatische Weichtiere in den Blickpunkt des Interesses treten. Die alpine Region zeigt in ihrer Gesamtheit eine zum Teil wesentlich geringere Artenvielfalt als der voralpine Raum, wobei jedoch einzelne Pionierspezies auch in abgelegenen Gewässern des alpinen Höhenniveaus anzutreffen sind. Die anhand spezieller mathematischer Verfahren gewonnenen Erkenntnisse zur Ökologie der Mollusken und zu deren spezifischen Verbreitungsstrategien werden einer umfassenden Diskussion unterzogen.
Inhaltsverzeichnis des vorliegenden Buches
1 Einleitung— Malakologische Forschung und Ziel des Buches
1.1 Grundzüge der malakologischen Forschung
1.2 Biologie von heimischen Weichtieren
1.2.1 Biologie aquati scher Gastropoden
1.2.2 Biologie heimi scher Muscheln
1.2.3 Untersuchungen zur Ökologie heimischer Wassermollusken
1.2.4 Gefährdung der aquatischen Molluskenfauna
1.3 Malakologische Untersu chungen im Land Salzburg
1.3.1 Kurzer historischer Abriss der malakologischen For schung
1.3.2 Zukünftige Aufga ben der malakologischen Forschung im Bundesland Salzburg
1.4 Geografische und klimati sche Charakterisierung des Bundeslandes Salzburg
1.4.1 Naturräumliche Gliederung
1.4.2 Klimatologische Besonderheiten im Bundesland Salzburg
1.5 Ziele der vorliegenden Monografie
2 Allgemeine Methoden in der malakolo- gischenForschung
2.1 Einleitung
2.2 Methodik
2.2.1 Methoden für das effektive Sammeln von Wassermollusken
2.2.2 Methoden für die Messung von physikalischen und chemischen Gewässerparametern
2.2.3 Mathematische Ver fahren in der malakologischen Forschung
2.2.4 Methoden zur Be stimmung aquatischer Weichtiere
2.2.5 Zeichnerische und fotografische Dokumentation von aquatischen Weichtieren
3 Wassermollusken in den Kalkalpen — Verbreitung und Ökologie
3.1 Probengebiet und allgemeine Fundsituation
3.1.1 Beschreibung des Probengebietes und Position der Sammelpunkte
3.1.2 Biodiversität der aquatischen Mala- kofauna in den Kalakalp en
3.1.3 Ökologische Untersuchungen — Identifikation eventueller Habitatpräferenzen
3.2 Malakologische Kartierung im Postalmgebiet
3.2.1 Beschreibung des Untersuchungsgebietes
3.2.2 Analyse der Mala- kofauna im Postalmgebiet
3.3 Studien zur aquatischen Malakofauna des Bluntau- tales
3.3.1 Geografische Lage des Untersuchungsgebietes
3.3.2 Malakologische Kartierung im Bluntautal
3.4 Modelle zur Ökologie der Österreichischen Quellschnecke Bythinella austriaca
3.4.1 Kurze Charakteri sierung der Gastropodenspezies
3.4.2 Verbreitung der Österreichischen Quellschnecke im Bundesland Salzburg
3.4.3 Detaillierte Unter suchungen zur Ökologie der Österreichischen Quell Schnecke
4 Aquatische Mollusken in den Zentralalpen — Verbreitung und Ökologie
4.1 Probengebiet und allgemeine Fundsituation
4.1.1 Beschreibung des Probengebietes und Lage der Sammelpunkte
4.1.2 Artenvielfalt der aquatischen Weichtierfauna in den Zentralalpen (Schieferalpen, Hohe und Niedere Tauern)
4.1.3 Verbreitungsmuster der einzelnen aquatischen Weichtierarten in den Zentralalpen
4.2 Wasserschnecken und Mu scheln in ausgewählten Seen der Hohen Tauern
4.2.1 Geografische Position und Beschreibung der Seen
4.2.2 Untersuchung der Malakofauna in den Gebirgsseen
4.3 Wasserschnecken und Muscheln in ausgewählten Seen der Niederen Tauern
4.3.1 Geografische Posi tion und Beschreibung der Gewässer
4.3.2 Untersuchung der Malakofauna in den stehenden Gewässern
4.4 Genauere Betrachtungen zur Ökologie zentralalpiner Wassermollusken
4.4.1 Regressionsana lyse zur Beschreibung der Höhenabhängigkeit einzelner Umweltvariablen
4.4.2 Multivariate Ana- lyse
5 Zusammenfassung und Schlussbemerkung
6 Ausgewählte Literatur zu den einzelnen Buchkapiteln
1. Einleitung - Malakologische Forschung und Ziel des Buches
1.1 Grundzüge der malakologischen Forschung
Die Malakologie bezeichnet im Allgemeinen jene Teildisziplin der Zoologie, welche sich mit den Weichtieren oder Mollusken beschäftigt. In der zoologischen Systematik setzt sich der Tierstamm der Mollusca aus sieben Klassen zusammen, von denen in Mitteleuropa jedoch nur die Schnecken (Klasse Gastropoda) und Muscheln (Klasse Bivalvia) eine Rolle spielen. Während bei den Schnecken grundsätzlich terrestrische von aquatischen Formen unterschieden werden können, bleiben die Muscheln zur Gänze auf alle Arten von Gewässerbiotopen beschränkt.
Die malakologische Forschungsarbeit gliedert sich grundsätzlich in drei große Aufgabenbereiche. Hier sind zunächst Untersuchungen zur Biologie einzelner Weichtierarten zu nennen. Dazu zählen beispielsweise anatomische Studien oder alle Formen von Arbeiten, welche sich mit der Fortpflanzung der Tiere auseinandersetzen. Ein weiterer Aufgabenbereich widmet sich der Ökologie der Mollusken. Hier werden alle Arten der Interaktion zwischen Organismus auf der einen Seite und seiner Umwelt auf der anderen näher beleuchtet. Dies schließt auch Fragen der Verbreitung einzelner Spezies in verschiedenen Lebensräumen mit ein. Zudem spielen innerhalb der Ökologie alle Fragen in Bezug auf intra- und interspezifische Konkurrenz und deren Wirkung auf die Tierpopulation eine bedeutende Rolle. Der dritte Aufgabenbereich der Malakologie setzt sich mit der Gefährdung einzelner Weichtierarten auseinander, wobei in regelmäßigen Zeitabständen in den Ländern Mitteleuropas sogenannte Rote Listen mit unterschiedlichen Gefährdungskategorien („nicht gefährdet” bis „vom Aussterben bedroht”) erstellt werden. In diese fließen die Ergebnisse aktueller Faunenkartierungen, welche in Form von regionalen oder landesweiten Kampagnen durchgeführt werden, ein. Die malakologische Kartierung ist generell an der Schnittstelle zwischen ökologischer Forschung und Artenschutz angesiedelt und hat gerade in den vergangenen Jahrzehnten einen zum Teil massiven Aufschwung und Zulaufjunger Biologen und Biologinnen erfahren.
Bei allen hier genannten Arbeitsbereichen ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Dies gilt insbesondere für die ökologische Forschung und Faunenkartierung, welche manche Weichtierarten noch nicht in zufriedenstellendem Maße erfasst oder etliche, in teils extremen Bereichen befindliche Biotope noch vollständig ausgeklammert haben. Diese Defizite sollten in zukünftigen Forschungsarbeiten behoben werden.
1.2 Biologie von heimischen Weichtieren
1.2.1 Biologie aquatischer Gastropoden
Die in den heimischen Gewässern lebenden Schnecken gliedern sich ganz allgemein in Kiemen- und Lun- genatmer (Prosobranchia und Pul- monata) auf. Die mit Kiemen atmenden Tiere besitzen die Fähigkeit zum Verschließen ihres Gehäuses mit einem Deckel. Dies setzt freilich voraus, dass der Mündungsrand geschlossen und zusammenhängend ist. Der Deckel befindet sich bei kriechenden Tieren in der Regel am hinteren Ende des Fußes und bietet den Schnecken die Möglichkeit, sich für eine gewisse Zeitspanne vollständig von der Außenwelt abzuschotten. Dies ist etwa dann notwendig, wenn das besiedelte Habitat trockenfällt und die notwendige Körperfeuchte aufrechterhalten bleiben muss.
Die durch Lungenatmung gekennzeichneten Gastropoden besitzen weder Deckel noch zusammenhängenden Mündungsrand. Die spezielle Form der Sauerstoffaufnahme zwingt die Tiere, in regelmäßigen Zeitabständen an die Wasseroberfläche zu kommen oder - im Falle von Tiefenbewohnern - einen Großteil der Atmung über die Haut zu vollziehen. Längere Trockenperioden können bei einigen Arten durch Bildung eines an der Luft trocknenden Schleimdeckels überdauert werden. Tiere, welche zu einer derartigen Aktion nicht befähigt sind, graben sich für gewöhnlich in den Grund ein, um von dessen verbliebener Feuchtigkeit zu zehren.
Kopf und Fuß der aquatischen Gastropoden sind in der Regel durch eine bilaterale Symmetrie charakterisiert. Während die Kiemenschnecken einen kurzen und breiten Fuß mit guten Hafteigenschaften besitzen, verfügen die Lungenschnecken über einen langen und schmalen Fuß, der ihnen die Möglichkeit zum schnelleren Kriechen bietet (Abb. 1.1).
Für ihre effektive Fortbewegung sondern die Schnecken vom Fuß eine Schleimspur ab, auf der sie entlanggleiten. Der aus speziellen Drüsen sezernierte Schleim kann auch als Schwimmkörper dienen, wobei die Tiere mit nach unten ausgerichtetem Gehäuse an der Wasseroberfläche treiben. Einige aquatische Gastropoden besitzen die Fähigkeit zur Erzeugung von Schleimfäden, welche netzartig durch das Wasser gesponnen werden und den Tieren als Auf- und Abstiegshilfe dienen. Manche Kiemenschnecken bauen ein Schleimnetz, mit dem sie kleinste Nahrungspartikel (Detritus, Mikroorganismen) auffangen. Die auf diese Weise gesammelte Beute wird gemeinsam mit dem Netz gefressen.
Schnecken verfügen im Allgemeinen über einen Kiefer und ein sogenanntes Raspelorgan (Radula) zur Zerkleinerung der aufgenommenen Nahrung. Bei der Radula handelt es sich um ein zungenförmiges Gebilde, auf dem in Längs- und Querreihen hakenförmige Zähnchen angeordnet sind. Der Zerkleinerungsprozess besteht nun in einer reibenden Bewegung der Radula gegen den Kiefer. Abgenutzte Zähnchen werden in regelmäßigen Zeitabständen durch neu gebildete ersetzt, welche in der Ra- dulatasche gelagert sind.
Während die Kiemenschnecken eine getrenntgeschlechtliche Fortpflanzung aufweisen, treten die Lungenschnecken ausschließlich als Zwitter auf. Die lungenatmenden Tiere sind bei Absenz eines Paarungspartners zur inneren Selbstbefruchtung fähig, wodurch sie einen raschen Populationszuwachs und eine schnelle Ausbreitung erfahren können. Die weiblichen Geschlechtsorgane der Lungenschnecken sind durch die Ausbildung einer sogenannten Bursa copu- latrix gekennzeichnet, in der es zur Sammlung und temporären Lagerung des Spermas kommt.
Die befruchteten Eier werden entweder einzeln abgelegt oder in Laichpaketen gesammelt, die an Pflanzen, Hartsubstrat oder die Gehäuse anderer Tiere angeheftet werden. Da die meisten Gastropoden lediglich einige Jahre alt werden, erfolgt mehrmals im Jahr eine Laichperiode. Einige Vertreter der Kiemenschnecken (Sumpfdeckelschnecke, Neuseeländische Zwergdeckelschnecke) sind lebend gebärend.
Das als wesentlichstes Bestimmungsmerkmal der Schnecken geltende Gehäuse wird vom Mantelrand gebildet, wobei spezielle Drüsen zur Absonderung des Schalenmaterials (Kalk, Conchiolin) befähigt sind. Die Embryonalschale, welche bereits im Ei ausgebildet wird, stellt die Gehäusespitze (Apex) des Adulttieres dar. Das kalkige Grundmaterial der Schale (Ostrakum) wird von einem Perios- trakum überzogen, das in erster Linie als Korrosionsschutz gegenüber sauren Bestandteilen des Wassers dienen soll. Das Kalkgehäuse zeichnet sich durch in regelmäßigen Zeitabständen gebildete Anwachsstreifen aus, die vergleichbar mit den Jahresringen eines Baumes sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.1. Lebendaufnahmen zweier Süßwassergastropoden: (a) Bithynia tentaculata als Vertreter der Kiemenschnecken besitzt einen kurzen und breiten Fuß, der das Festheften an Pflanzen, Hartsubstrat und den Gehäusen anderer Mollusken ermöglicht (Größe: ca. 7 mm); (b) Radix balthica als Vertreter der Lungenschnecken zeichnet sich dagegen durch einen langen schmalen Fuß aus, mit dessen Hilfe eine relativ hohe Fortbewegungsgeschwindigkeit erzielt werden kann (Größe: ca. 1 cm).
1.2.2 Biologie heimischer Muscheln (Bivalven)
Alle heimischen Muscheln sind der Unterklasse der Eulamellibranchiata zugehörig, welche sich durch eine Lamellenform der Kiemen, durch die Präsenz zweier Schließmuskeln und durch zumeist nur eine geringe Anzahl an unterschiedlich geformten Schlosszähnen auszeichnen. Bivalven besitzen im Gegensatz zu Gastropoden keinen Kopf. Dafür verfügen sie über einen bilateral symmetrischen Körperbau und zwei Schalenklappen, welche durch ein Schloss und ein elastisches Schlossband (Ligament ihren Zusammenhalt erfahren. Am hinteren Körperende befinden sich einerseits die Einströmöffnung zur Aufnahme von Frischwasser und Nahrungspartikeln und andererseits die Ausströmöffnung, über die das verbrauchte Wasser und Verdauungsreste ausgestoßen werden. Das in den Organismus aufgenommene Wasser gelangt zu den in der Mantelhöhle sitzenden Kiemen, wo ihm durch entsprechende Diffusions- und Filterungsprozesse der Sauerstoff und die Nahrungspartikel entzogen werden. Da Muscheln in Bezug auf ihre Nahrungsaufnahme ausnahmslos als Fil- trierer agieren, sind sie in der Regel nicht zu größeren Ortswechseln gezwungen. Manche Vertreter dieser Weichtiergruppe graben sich im Substrat des Gewässers ein und lassen lediglich ihr Hinterende mit Ein- und Ausströmöffnung aus dem Sediment herausragen. Andere Tiere nutzen die in den sogenannten Byssusdrüsen produzierten Fäden zum Festheften an Steinen, Pfählen und Booten, wobei sich hier oftmals große Kolonien bildenkönnenfAbb. 1.2).
Bivalven vermögen ihren zumeist zungenförmigen Fuß zur Fortbewegung zu nutzen, indem sie diesen an der Unterseite zwischen den Schalenklappen hervorstrecken und rhythmisch von vorne nach hinten schieben. Die im Süßwasser lebenden Weichtiere verfügen allesamt über keine Augen, jedoch über einzelne Sinneszellen, welche ihnen die Wahrnehmung von Hell-Dunkel-Unterschieden ermöglichen. An Einström- und Mundöffnung befinden sich spezielle Tastorgane, während ein Gleichgewichtsorgan für koordinierte Bewegungsabläufe sorgt. Das Nervensystem der Muscheln setzt sich aus Nervensträngen und Ganglien zusammen, welche für die Regelung der lokalen Muskelmotorik verantwortlich zeichnen.
Die an der Manteloberfläche gebildete Schale unterliegt im Allgemeinen einem konzentrischen Wachstum, das im Bereich des Wirbels seinen Anfang nimmt. Die Schale ist hinter dem Wirbel ein wenig dicker ausgebildet als davor. Zudem befindet sich hinter dem Wirbel stets das elastische Ligament, welches das Auseinanderklaffen der Schalenklappen verursacht und somit als Antagonist zu den Schließmuskeln auftritt. Die Muschelschale setzt sich aus der äußeren Prismenschicht und der inneren Perlmuttschicht zusammen. Eine äußere organische Schicht (Periostra- kum) soll die Schale vor Säureeinwirkung schützen, erfährt jedoch durch Reibung an Steinen und anderem Hartsubstrat ihre rasche Zerstörung, wodurch die kalkige Prismenschicht vermehrten Umwelteinflüssen ausgesetzt ist. Die Innenseite der beiden Schalenklappen zeichnet sich durch zwei eher unregelmäßig geformte Eindrücke aus, welche durch die konvexe Mantelrandlinie miteinander verbunden sind als Ansatzstellen für die Schließmuskeln dienen.
Während die Kugelmuscheln im Allgemeinen als Hermaphroditen auftreten, sind die anderen heimischen Muscheln zum größten Teil getrenntgeschlechtlich. Die Tiere sind lediglich mit Geschlechtsdrüsen (Gonaden), nicht jedoch mit speziellen Begattungsorganen ausgestattet. Die Dreikantmuschel (Dreissena) entlässt ihre befruchteten Eier ins freie Wasser, wohingegen andere Bivalvenar- ten aktive Brutpflege betreiben. Zu diesem Zweck werden die Eier in einer Kiemenhöhle des Muttertieres aufbewahrt. Bei den Kugelmuscheln werden die Jungtiere erst nach dem Schlüpfvorgang und nach Erreichen einer bestimmten Größe an die Umwelt abgegeben (lebendgebärende Tiere). Bei den Großmuscheln hingegen kommt es zur Entwicklung eines gesonderten Larvenstadiums, der sogenannten Glochidien, welche in großen Mengen in das umgebende Wasser abgestoßen werden und durch Auf- und Zuklappen ihrer Schale umherschwimmen. Die Larven vermögen sich teilweise an den Kiemen und Schwanzflossen von Fischen festzuheften, um dort zwei bis zehn Monate als Schmarotzer zu fungieren und sich dabei zu kleinen Muscheln zu entwickeln. Die vollständig ausdifferenzierten Tiere lösen sich von ihren Wirten und setzen ihr Leben als benthische (auf dem Gewässergrund lebende) Organismen fort.
Wie bei den Schnecken gilt auch bei den Muscheln die Schale als wichtigstes determinatives Merkmal. Die fünf in Mitteleuropa beheimateten Muschelfamilien (Margaritiferidae, Unionidae, Corbiculidae, Sphaerii- dae, Dreissenidae) können durch die Größe und Form der Schale, aber auch durch die Lage und Erscheinungsform der Wirbel recht gut voneinander unterschieden werden. Innerhalb der Kugelmuscheln (Sphae- riidae) wird die Bestimmungsarbeit teilweise deutlich erschwert, da einzelne Vertreter zum Teil nur wenige Millimeter groß werden und manche Arten große Ähnlichkeiten aufweisen. Die Situation wird noch zusätzlich dadurch verkompliziert, dass die Tiere in ihrem Aussehenje nach Umweltbedingungen stark variieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.2. Lebendaufnahme der Kugelmuschel Sphaerium corneum mit hervorgezogenem Fuß ander Vorderseite und Ein- beziehungsweise Ausströmöffnung an der Rückseite.
1.2.3 Untersuchungen zur Ökologie heimischer Wassermollusken
Wie bereits in Kapitel 1.1 angedeutet wurde, beschreibt die Ökologie im Allgemeinen die Beziehungen von Lebewesen zu ihrer Umwelt. Hier wird unter anderem die Frage nach der Reaktion der Organismen auf unterschiedliche Umweltbedingungen gestellt. Zudem versucht man die Rolle von Tieren als Sekundärproduzenten in einem trophischen System zu klären und Erkenntnisse zur Ausbreitung verschiedener Lebewesen zu gewinnen.
Wenn man einen genaueren Blick auf die mitteleuropäische Malako- fauna wirft, gelangt man zu dem Schluss, dass beinahe alle Gewässer eine Besiedlung durch Wasserschnecken und Muscheln aufweisen. Auf Änderungen von Umweltbedingungen wird bei zahlreichen Arten oftmals durch eine erhöhte Formenvariabilität reagiert. Biotope mit erhöh- terWasserdynamik (Brandungszonen, Fließgewässer) enthalten in manchen Fällen Formen mit vergrößerter Mündung und gedrungenerem Gehäuse, wohingegen Stillwasserzonen entsprechende Formen mit kleinerer Mündung und stärker elongiertem Gehäuse beherbergen. Obwohl die meisten Mollusken gegenüber Temperaturschwankungen eher unempfindlich reagieren, gibt es doch auch einige Spezies, welche auf kälteres oder wärmeres Wasser spezialisiert sind (Kaltstenothermie und Warm- stenothermie).
Die meisten Süßwassermollusken sind an einen niedrigen Salzgehalt im Wasser angepasst. Nur wenige Arten verfügen noch über eine gewisse Salztoleranz und treten dementsprechend in Brackwasserzonen auf. Dort bilden sie aber zumeist nur Kümmerformen mit stark reduzierter Anzahl der Gehäusewindungen aus. Lungenschnecken erweisen sich größtenteils als unempfindlich gegenüber dem Sauerstoffgehalt des Wassers beziehungsweise der Sauerstoffsättigung, weshalb dieser Umweltparameter für ihre Verbreitung keinen limitierenden Faktor darstellt. Ganz anders sieht die Angelegenheit dagegen bei Kiemenschnecken und Muscheln aus, die in der Regel auf sauerstoffreicheres Wasser angewiesen sind.
In etwas näherer Vergangenheit wurde anhand zahlreicher Publikationen der Wert von heimischen Wassermollusken für die Bestimmung der Gewässergüte (Bioindikation) diskutiert. Dabei konnte unter anderem festgestellt werden, dass manche Arten wie die Bachmuschel (Unio crassus) oder die Flussperlmuschel (Mar- garitifera margaritifera) nur in sauberen Fließgewässern (Güteklasse I und II) auftreten, während andere Spezies wie die Gemeine Erbsenmuschel (Pisidium casertanum) oder die Leberegelschnecke (Galba truncatu- la) eher die Qualitäten von „Durchläufern” besitzen, welche bei nahezu allen Wasserqualitäten anzutreffen sind.
Ein wichtiges ökologisches Teilgebiet beschäftigt sich mit der Rolle der auf Süßwassermollusken zurückzuführenden Sekundärproduktion in trophischen Systemen. Diese drückt sich durch den Anteil der Biomasse aus, welche ausschließlich auf die Weichtiere zurückgeführt werden kann. Betrachtet amn beispielsweise einen See mit entsprechendem Zu- und Abfluss, so überwiegt in den Fließgewässern mitunter die von Muscheln produzierte Biomasse, während im Standgewässer selbst auch Gastropoden sehr stark zur Biomasseerzeugung beitragen können. Muscheln tragen freilich nicht nur zur Biomasseproduktion bei, sondern zeichnen sich auch durch ihre Leistung als Partikelfiltrierer aus. Je größer der betreffende Organismus ist, desto mehr Trübstoffe vermag er aus dem Wasser zu filtrieren. Experimentelle Studien konnten demonstrieren, dass Großmuscheln wie Anodonta oder Unio zur Filtrierung von bis zu 40 1/h in der Lage sind und demzufolge eine Durchsatz von fast 1 m3 Wasser pro Tag verzeichnen.
Eine wichtige ökologische Frage betrifft die Ausbreitung von aquatischen Weichtieren im mitteleuropäischen Gewässersystem. Die Besiedlung eines Flusses oder Sees kann entweder zufällig oder gezielt erfolgen, wobei im zweiten Fall den Tieren besondere, für die Kolonisation günstige Lebensbedingungen geboten werden. Die Ausbreitung von Wassermollusken innerhalb eines Gewässers oder von einem Wasserkörper in den nächstgelegenen kann auf recht unterschiedliche Art und Weise geschehen. Kleinmuscheln besitzen etwa die Fähigkeit, sich an den Extremitäten von Wasserkäfern festzuklammern und dadurch zum Teil beträchtliche Strecken zurückzulegen. Auch andere im Wasser lebende Insekten kommen für Kleinstmollusken als Transportmittel in Frage. An anderer Stelle wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Glochidien der Großmuscheln an Fischkiemen parasitieren. Dies eröffnet ihnen die Möglichkeit, durch ihre Wirtstiere in andere Gewässer transferiert zu werden. Frisch geschlüpfte Schnecken halten sich in der Regel an der Wasseroberfläche auf, wo sie in großer Zahl alle möglichen Pflanzen und Algenrasen abweiden. Dabei können sie von Wasservögeln aufgeschnappt und in weiter entfernte Gewässer verschleppt werden. Manche Tiere passieren während ihres Transportes unbeschadet den Verdauungstrakt der Vögel, andere hingegen verfangen sich im Federkleid und werden bei nächster Gelegenheit wieder abgewaschen. Ein weiteres wichtiges Transportmedium von Wassermollusken sind verschiedene Säugetiere, welche Fließ- und Standgewässer als Tränken benutzen. Hier sind insbesondere frei gehaltene Kühe zu nennen, deren Vorder- und Hinterextremitäten zahlreihe Möglichkeiten zum Festheften von Kleinmuscheln bieten. Die auf diese Weise vertragenen Weichtiere können einen Transfer von einem Gewässer zum anderen erfahren, aber auch in Kuhtritten, welche im weichen Almboden entstehen und durch Regen mit Wasser gefüllt werden, Zurückbleiben. Zuletzt tritt auch noch der Mensch selbst als Instanz auf, die zum Teil sehr maßgeblich zur Ausbreitung von Wasserschnecken und Muscheln beiträgt. Die bereits weiter oben genannte Dreikantmuschel wurde durch den Schiffsverkehr von Asien nach Europa verschleppt, wo sie sich binnen kürzester Zeit an die neuen Lebensverhältnisse anzupassen vermochte. Manche Großschnecken und -muscheln wurden in der Vergangenheit von Fischern häufig als Köder genutzt. Jene Tiere, welche keinen Gebrauch mehr fanden, wurden einfach im Fischereigewässer ausgesetzt und dadurch einem neuen Lebensraum zugeführt(Abb. 1.3).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.3. Möglichkeiten der Verbreitung von aquatischen Weichtieren in mitteleuropäischen Gewässern. Grundsätzlich können fünf Verbreitungsmedien unterschieden werden, wobei manche Medien für eine verstärkte Distribution innerhalb eines Gewässers, andere hingegen für einen Transport in nächstgelegene Wasserkörper sorgen (schwarze Pfeile = bevorzugte Verbreitung, weiße, strichlierte Pfeile = untergeordnete Verbreitung).
Der Mensch vermag auch aktiv in die Verbreitung von aquatischen Weichtieren einzugreifen, etwa wenn es darum geht, verdrängte Arten wieder ihren ursprünglichen Biotopen zuzuführen. Dies gilt etwa für die Flussperlmuschel, welche einst in den Bächen Mitteleuropas eine starke Verbreitung besaß,jedoch aufgrund ihrer Perlen eine enorme Bestandsdezimierung erfuhr. Anhand ökologischer Projekte wurde in den vergangenen Jahrzehnten der Versuch einer Wiederansiedlung der Muschel unternommen. Dabei ergab sich jedoch das Problem, dass sich die Glochi- dien der Flussperlmuschel nur an den Kiemen der Bachforelle zu entwickeln vermögen und die weit verbreiteten Zuchtformen der Regenbogenforelle nicht als Wirtsfische akzeptieren. Um also ein dauerhaftes Überleben der Muschel gewährleisten zu können, ist in Zukunft wieder eine sukzessive Vergrößerung der Bachforellenbestände notwendig.
Trotzdem die Reaktivierung des Muschelbestandes langsam Früchte zu tragen scheint, zeichnet sich die Population vieler Gewässer durch stark überalterte Tiere und wenige jüngere Individiuen aus. Deshalb sollten entsprechende Bemühungen in der Zukunft noch mit aller gebotenen Intensität fortgesetzt werden. Das dargelegte Beispiel zeigt zwei Dinge sehr deutlich. Zum einen ordnen sich viele aquatische Weichtiere in ein übergeordnetes ökologisches Gefüge ein, bei dem nachhaltige Störungen des Gleichgewichts (z. B. Verdrängung der heimischen Bachforelle durch die nordamerikanische Regenbogenforelle) starken Einfluss auf die Verbreitung einzelner Arten nehmen können. Zum anderen zeigt vor allem die Malakologie sehr deutlich auf, wie eng der als oberste Direktive des Biologen geltende Artenschutz mit der Erhaltung von Biotopen verwoben ist. Während die Zerstörung von natürlichen Lebensräumen in der Regel eine zum Teil deutliche Reduktion der Biodiversität nach sich zieht, bedeutet die Renaturierung von Landschaften natürlich keinesfalls, dass hier wiederum ein automatischer Anstieg der Artenvielfalt auftritt. Dazu sind in den meisten Fällen sehr große und von der gesamten Bevölkerung getragene Anstrengungen notwendig.
1.2.4 Gefährdung der aquatischen Molluskenfauna •
Obwohl sich in den vergangenen Jahrzehnten der Zustand der mitteleuropäischen Gewässer deutlich verbessert hat - man denke in diesem Zusammenhang etwa an die Erhöhung der Wasserqualität in Rhein und Donau - treten nach wie vor zahlreiche anthropogene Prozesse auf, die gefährdend auf die Weichtierfauna wirken. Ein besonderes Problem stellt noch immer die Eutrophierung in Seen durch den Düngemitteleintrag aus der Landwirtschaft dar. Die Einleitung von Phosphorund Stickstoffverbindungen hat ein erhöhtes Wachstum von Pflanzen und eine steigende Planktonproduktion zur Folge. Dadurch kommt es in weiterer Konsequenz zu einer Eintrübung des Wassers und Abnahme des Sauerstoffgehaltes in tieferen Wasserzonen. Organisches Material, welches auf den Grund eines derartigen Gewässers absinkt, wird aufgrund des reduktiven Milieus lediglich durch Fäulnisprozesse zersetzt, an deren Ende die vermehrte Bildung von Schwefelwasserstoff (H2S) steht. Der weiche Faulschlamm stellt für benthische Organismen wie Muscheln ein völlig ungeeignetes Substrat dar und fnührt demzufolge zum Verschwinden eines Großteils der Tiere (Abb. 1.4).
Während die Eutrophierung vor allem bei stehenden Gewässern ein signifikantes Problem repräsentiert, wurden zahlreiche Fließgewässer in näherer Vergangenheit von Begradi- gungs- und Verbauungsmaßnahmen erfasst. Diese bewirkten unter anderem eine Erhöhung der Fließgeschwindigkeit und ein Wegfällen von Totwasserzonen. Zudem trat vielerorts ein massiver Rückgang der aub- mersen Vegetation auf, wodurch vielen aquatischen Weichtieren die Lebensgrundlage entzogen wurde. Bei jenen Flüssen, welche dem Schiffsverkehr zugänglich gemacht wurden, erfolgte im Laufe der Zeit eine sukzessive, mit teils aufwendigen technischen Mitteln herbeigeführte Vertiefung der Fahrrinne. Dies wiederum hatte eine Abnahme der Fließgeschwindigkeit und damit verbundene Erhöhung der Sedimentationsrate zur Folge. Die neu entstandenen Schlammschichten wurden von den meisten Mollusken als Biotope gemieden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.4. Prozesse bei der Eutrophierung von ste-henden Gewässern. Durch Eintrag von Phosphor und Stickstoff wird das Wachstum der submersen Vegetation gesteigert, die dem See sukzessive Sauerstoff entzieht. Abgestorbenes organisches Material wird am Seegrund unter reduzierenden Bedingungen zu Faulschlamm abgebaut (Bildung von Schwefelwasserstoff), welcher von den aqua¬tischen Weichtieren gemieden wird.
In zahlreichen Flüssen und Bächen Deutschlands und Österreichs gelangen nach wie vor maschinelle Entkrautungsmaßnahmen und Grundräumungen zur Anwendung. Diese Prozesse bewirken oftmals eine Ver frachtung ganzer Molluskenbestände vom Gewässergrund zum Ufer, wo diese durch Austrocknung absterben. In den 1970er Jahren wurden auf diese Weise die Populationen einzelner Weichtierarten in etlichen Flüssen (z. B. Alster) zur Gänze vernichtet. Anhand gezielter Studien konnte herausgefunden werden, dass mit der Hand getätigte Entkrautungen wesentlich schonender mit der Malakofauna umgehen als maschinelle Prozesse. Die infolge von massiver menschlicher Einwirkung in ihrem Fortbestehen gefährdeten Wassermollusken sind in der sogenannten Roten Liste zusammengefasst, welche sich in Deutschland und Österreich sehr ähnlich gestaltet. Grundsätzlich können die einzelnen Arten fünf unterschiedlichen Gefährdungskategorien zugeordnet werden. Die Kategorie 0 beinhaltet alle bereits ausgestorbenen oder verschollenen Organismen. Zu den verschollenen Arten zählen per definitionem jene Tiere, deren Vorkommen in früherer Zeit belegt werden konnte, die aber seit 20 Jahren oder mehr nicht mehr nachzuweisen sind. Gefährdungkategorie 1 umfasst all jene Organismen, welche vom Aussterben bedroht sind und demzufolge nur noch in Form kleiner Populationen anzutreffen sind. Die dieser Gruppe zugehörigen Arten zeichnen sich durch einen sukzessiven Rückgang beziehungsweise durch eine sehr schnelle Verkleinerung der Gesamtpopulation aus, wodurch ihnen nur noch eine zeitlich stark begrenzte Existenz bescheinigt werden kann. Kategorie 2 beinhaltet alle stark gefährdeten Organismen, die im Allgemeinen durch niedrige Bestände und einen massiven Rückgang der Populationsdichte charakterisiert sind. Zu dieser Gruppe zählen auch solche Arten, die zwar bundesweit noch über eine gewisse Präsenz verfügen, auf regionaler Ebene aber bereits deutliche Verbreitungslücken erkennen lassen. Der Kategorie 3 gehören alle gefährdeten Tiere an, welche im regionalen Maßstab durch niedrige bis sehr niedrige Bestände gekennzeichnet sind und auf lokaler Ebene völlig verschwunden sein können. Der zuletzt noch zu nennenden Kategorie 4 sind alle potenziell gefährdeten Tiere zuzuordnen. Diese besitzen in manchen Gebieten nur mehr wenige Vorkommen, welche zumeist in kleinen Populationen zusammengefasst sind. Potenziell gefährdete Arten sind zwar noch keineswegs vom Aussterben bedroht, weisen aber ein räumlich eng begrenztes Vorkommen auf, wodurch sie relativ rasch in eine höhere Gefährdungskategorie rutschen können. Innerhalb der Gefährdungskategorie 4 kann noch eine zusätzliche Differenzierung in rückläufige Gruppen (4R) und solche Tierarten, welche wegen ihrer Seltenheit potenziell gefährdet sind (4S), durchgeführt werden. Das Kürzel R wird für all jene Arten mit geografischer Restriktion verwendet, wohingegen der Buchstabe V Spezies auf der sogenannten Vorwarnliste bezeichnet. Diese umfasst im Allgemeinen alle Organismen, bei denen die Bestände noch ein zufriedenstellendes Ausmaß erreichen, die aber dennoch einem messbaren Rückgang unterliegen. Der Buchstabe D steht für defizitäre Angaben und kennzeichnet diejenigen Arten, die bislang von der malakologischen Forschung weitestge hend ausgespart blieben. Derartige Spezies erfahren erst nach eingehenden Untersuchungen ihre Kategorisierung in der Roten Liste.
Wenn man einen etwas genaueren Blick auf die Gefährdung von aquatischen Weichtieren in der Bundesrepublik Deutschland (Stand 2003) wirft, gelangt man zu dem Schluss, dass sowohl bei den Wasserschnecken als auch bei den Muscheln bereits ein fortgeschrittener Bedrohungsgrad erreicht ist (Abb. 1.5). Unter den 64 in der Roten Liste erfassten Gastropodenarten sind lediglich 18 als ungefährdet einzustufen (28,1%). Der Gefährdungskategorie 4 können 10 Spezies (15,6 %) zugeordnet werden, wohingegen die Gefährdungskategorie 3 14 Spezies (21,9%) umfasst. Zur Gefährdungskategorie 2 zählen wiederum 10 Schneckenarten (15,6 %) und zur Gefährdungskategorie 1 immerhin schon 12 Schneckenarten (18,8%). Zwischen den deutschen Bundesländern liegen hinsichtlich der Gefährdung einzelner Spezies zum Teil erhebliche Unterschiede vor, wobei unter anderem ein ausgeprägtes Ost-West-Gefälle mit Erhöhung des Bedrohungsgrades von den neuen zu den alten Bundesländern zu beobachten ist. Auch jene Bundesländer mit überdurchschnittlich hoher Urbanisierung (z. B. NordrheinWestfalen) zeigen in Bezug auf die Besiedlung ihrer Gewässer durch Schnecken eine zum Teil sehr angespannte Situation.
Bei den Muscheln gelten lediglich 7 der insgesamt 29 Arten, welche auf der Roten Liste stehen, als ungefährdet (24,2%; Abb. 1.5). Jeweils fünf Muschelspezies (17,2%) können der Gefährdungskategorie 4 beziehungsweise Gefährdungskategorie 3 zugeordnet werden. Je sechs Arten (20,7 %) sind hingegen in die Gefährdungskategorie 2 beziehungsweise Gefährdungskategorie 1 zu stellen. Die Differenzierung zwischen den Bundesländern gestaltet sich bei den Muscheln sehr ähnlich wie bei den Schnecken.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1.5. Säulendiagramme zur Darstellung der Gefährdung von Wasserschnecken und Muscheln in der Bundesrepublik Deutschland (Stand 2003; ug. = ungefährdet, Gk. = Gefährdungskategorie).
In Österreich liegt grundsätzlich eine ähnliche Gefährdungssituation wie in Deutschland vor. Erschwerend kommt hier sicherlich noch hinzu, dass manche Regionen Österreichs wie etwa der hochalpine Raum nur sehr eingeschränkt als Lebensraum für die Tiere dienen kann.
1.3 Malakologische Untersuchungen im Land Salzburg
1.3.1 Kurzer historischer Abriss der malakologischen Forschung
Historische Übersichtsarbeiten zur malakologischen Forschung im Bundesland Salzburg wurden erstmals in den 1950er und 1960er Jahren veröffentlicht. Diese Studien geben sehr klar zu erkennen, dass sich frühe Untersuchungen zur aquatischen Mala- kofauna vorwiegend auf die Stadt Salzburg, ihre nähere Umgebung und den Flachgau im Norden des Bundeslandes beschränkten. Die Gebirgsgaue erfuhren bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts lediglich eine sporadische Erforschung in Bezug auf ihre Besiedlung durch Wasserschnecken und Muscheln.
Die Literatur zu den Wassermollusken im Bundesland Salzburg lässt sich im Allgemeinen in drei unterschiedliche Epochen untergliedern. Die erste Epoche nimmt in der Mitte des 19. Jahrhunderts ihren Anfäng und erstreckt sich bis in die 1920er Jahre. In dieser Phase wurden bereits bestehende Sammlungen wie jene im Museum Carolino-Augusteum einer systematischen Analyse unterzogen. Zudem gerieten insbesondere die Voralpenseen zum Ziel von teilweise sehr ausführlichen malakologischen Felduntersuchungen. Auch der unmittelbar benachbarte bayerische Raum wurde in der genannten Zeitspanne von ungewöhnlich hoher wissenschaftlicher Aktivität erfasst, wobei beispielsweise die Weichtierfauna rund um Bad Reichenhall in den Blickpunkt des Interesses geriet.
Die zweite Phase der aquatischen Molluskenforschung reicht von etwa 1935 bis zum Ende der 1950er Jahre und zeichnet sich durch eine überdurchschnittliche Publikationstätigkeit aus. In dieser Zeit traten die beiden großteils für das Haus der Natur arbeitenden Forscher Friedrich Mahler und Walter Klemm mit ihren zahlreichen Veröffentlichungen besonders hervor. Der Fokus der malakologischen Arbeit verschob sich in dieser Phase auf jene nahe der Landeshauptstadt befindlichen Regionen. So wurde unter anderem der Bestand an Wasserschnecken und Muscheln in den Moorgebieten nördlich des Un- tersberges, in der Tiefsteinschlucht bei Schleedorf, im Bereich der Seealm auf dem Hagengebirge oder im Seewaldsee nahe St. Kolomann erhoben. Inneralpine Landschaften blieben weitestgehend von der malakologischen Kartierung ausgespart, was mehrere Ursachen gehabt haben dürfte. Zum einen war die verkehrstechnische Erschließung des alpinen Raumes in der Zwischenkriegszeit und nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht in dem Maße gegeben, dass größere und vor allem flächendeckende Untersuchungen der Ma- lakofauna durchgeführt werden konnten. Viele Hochgebirgsseen waren nur unter Inkaufnahme stundenlanger Fußmärsche zu erreichen. Zum anderen wurde die Auffassung vertreten, dass die in der alpinen Höhenzone (1400 bis 2600 m) gelegenen Gewässer entweder gar keinen Besatz mit aquatischen Weichtieren aufweisen oder lediglich Zwergformen verschiedener Arten mit überdurchschnittlich hoher Toleranz gegenüber widrigsten klimatischen Bedingungen und stark reduziertem Nährstoffeintrag beherbergen.
Von den frühen 1960er bis zu den späten 1980er Jahren verzeichnete das Interesse an der malakologischen Forschung im Bundesland Salzburg einen deutlichen Rückgang. In dieser Periode wurden lediglich Zusammenfassungen bereits bestehender Erkenntnisse zur heimischen Malako- fauna sowie wenige neue Bearbeitungen publiziert. In diesem Zusammenhang nennenswert sind vor allem die Studien von J. G. J. Kuiper, welche sich mit der Verbreitung verschiedener Arten der Gattung Pisidium beschäftigen und deren Rolle bei der Kolonisation alpiner Gewässer besonders hervorstreichen. Die Arbeiten gelten bis zum heutigen Tage als wichtige Grundlage für alle Arten von weiterführenden Untersuchungen. Der Österreichische Naturschutzbund und das Institut für Ökologie führten in den 1970er und 1980er Jahren malakologische Untersuchungen an mehreren kleinen und größeren Gewässern durch. Dabei erfolgte neben einer groben Bestandserhebung der Malakofauna auch eine Analyse zur Ökologie der Bäche, Flüsse und Seen, welche auch für gegenwärtige Untersuchungen noch wertvolle Daten zu liefern vermag. Hydrobiologische Gutachten, die ebenfalls in dieser Zeitspanne erstellt wurden, zeichneten sich teilweise durch die Berücksichtigung der aquatischen Molluskenfauna aus, wodurch auch erstmals der Wert dieser Organismen für die Einschätzung der Gewässergüte erkannt wurde.
Die dritte Phase der Forschung zu den aquatischen Weichtieren im Bundesland Salzburg nimmt in den 1990er Jahren ihren Anfang und dauert bis zum heutigen Tage an. In diesem Zusammenhang besonders erwähnenswert sind hier zunächst die Arbeiten von Robert A. Patzner und Peter L. Reischütz, welche detaillierte Ergebnisse zur Verbreitung verschiedener Gastropoden- und Bival- venarten liefern. Darüber hinaus werden die aus der malakologischen Kartierung gewonnenen Daten mit Messdaten unterschiedlicher Umweltparameter (siehe Kapitel 2) in Verbindung gebracht, wodurch letztlich ausführliche ökologische Aussagen zu einzelnen aquatischen Weichtierarten getätigt werden können und der Wert dieser Organismengruppe für die Bioindikation eine zusätzliche Unterstreichung erfährt. Die Forschungen von Patzner und Mitarbeitern/Mit- arbeiterinnen bleiben zunächst auf die nördlichen Bezirke (Flachgau und Tennengau) des Bundeslandes Salzburg beschränkt, werden aber ab den 2000er Jahren sukzessive auf die Gebirgsregionen (Pongau, Pinzgau, Lungau) ausgedehnt. Hier kommen unter anderem die Studien des Autors der vorliegenden Monografie ins Spiel, welche eine nahezu flächendeckende malakologische Kartierung des Tennengaus und Lungaus beinhalten, sich aber vor allem der Besiedlung von Hochgebirgsseen und -bächen durch Wassermollusken widmen. Anhand verschiedener mathematischer Näherungsverfahren (siehe Kapitel 2) werden die Daten einer quantitativen Erhebung von Wasserschnecken und Muscheln mit den Ergebnissen der Messungen unterschiedlicher Umweltparameter verbunden, wodurch sich für manche Arten zum Teil neue ökologische Erkenntnisse ergeben und innovative Verbreitungsstrategien formuliert
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Abb.1.6. Entwicklung der Anzahl jener publikationen welche sich mit der Besiedlung von Gewassern im Bundeland Salzburg beschaftigen, im Zeitraum von 1900 vis 2020.
werden können. Die Untersuchungen geben letztendlich sehr klar zu erkennen, dass bei der Besiedlung des alpinen Raumes durch Wassermollusken eine klare Trennung zwischen Spezialisten auf der einen Seite und Generalisten auf der anderen zu erfolgen hat.
Wenn man die einzelnen historischen Phasen der Erforschung von Wassermollusken im Bundesland Salzburg zusammenfasst, kann man zwischen 1900 und 2020 eine stetig steigende Anzahl an Publikationen festhalten (Abb. 1.6). Gab es bis zum Jahre 1950 noch etwa 30 Veröffentlichungen zu den heimischen Wasserschnecken und Muscheln, so verdoppelte sich diese Anzahl bis zum Jahre 1970. Im Jahr 2000 konnten bereits dreimal soviele Publikationen wie im Jahre 1950 gezählt werden, und seit der Jahrtausendwende steigt die Anzahl der veröffentlichten Studien rasant an, wobei neben deutschsprachigen auch etliche englischsprachige Arbeiten vorliegen, um die Thematik einem größeren Kreis an Interessenten zur Vorstellung bringen zu können. In der Zwischenzeit sind mehr als 200 Publikationen zu aquatischen Schnecken und Muscheln im Bundesland Salzburg erschienen. Da es noch viele offene Fragen in Bezug auf die Besiedlung voralpiner und alpiner Gewässer durch Weichtiere zu klären gilt, wird die Veröffentlichungsaktivität in den kommenden Jahren vermutlich kaum abnehmen.
Bedeutende Sammlungen von im Land Salzburg gesammelten Wassermollusken befinden sich einerseits im Stift Kremsmünster, wo Friedrich Mahler seine Fundstücke zusammengetragen hat, sowie im Naturhistorischen Museum in Wien, wo die Fundstücke von Walter Klemm archiviert sind. Weitere Sammelstücke befinden sich im Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz und im ehemaligen Zoologischen Institut (heute: Abteilung für Organismische Biologie) der Universität Salzburg.
1.3.2 Zukünftige Aufgaben der ma- lakologischen Forschung im Bundesland Salzburg •
Trotzdem bereits in den vergangenen 120 Jahren zahlreiche Erkenntnisse in Bezug auf die Besiedlung der Salzburger Gewässer durch Gastropoden und Bivalven gewonnen werden konnten, sind noch etliche Fragen entweder gar nicht oder nur in unzureichendem Maße beantwortet worden. So ist es bislang beispielsweise noch nicht gelungen, für das Bundesland Salzburg flächendeckende Verbreitungskarten für einzelne Weichtierarten zu erstellen. Dieses Defizit mag zum größten Teil damit zu begründen sein, dass erhebliche Anteile der Landesfläche dem hochalpinen Raum zuzuordnen sind. Dieses Areal eröffnet sich dem Malakologen nur innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens, der von einem Jahr zum nächsten signifikanten Schwankungen unterliegen kann. Eine weitere Frage betrifft die Ökologiejener Wassermollusken, welche den hochalpinen Raum als Pionierarten besiedeln. Hier wird es in Zukunft notwendig sein, genauere quantitative Bestandsdaten und Messwerte von Umweltparametern zu erheben. Die systematische Untersuchung von Tier-Umwelt-Interaktionen dient in weiterer Folge als Basis für ein ökologisches Modelling, mit dessen Hilfe Vorhersagen hinsichtlich der Besiedlungsentwicklung spezifischer Habitate getroffen werden können. Neben den ökologischen Fragen bedürfen auch solche zur Morphologie einzelner Spezies (Ausbildung angepasster Wuchsformen) einer genaueren Klärung. Zuletzt sind die Regionen noch einem dauerhaften Biomonitoring zu unterziehen, um etwaige Änderungen bezüglich des Gefährdungsgrades einzelner Arten festhalten zu können (Abb. 1.7).
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Abb. 1.7. Zukünftige Tätigkeitsfelder in der ma- lakologischen Forschung.
1.4 Geografische und klimatischeCharakterisierung des Bundeslandes Salzburg
1.4.1 Naturräumliche Gliederung
Das Bundesland Salzburg mit seiner Fläche von 7.154 km2 ist zu etwa 45 % mit Wald bedeckt, wohingegen 17 % des Areals einer landwirtschaftlichen Nutzung unterliegen. Etwa 20 % der Landesfkäche werden von subalpinen und alpinen Lebensräumen wie Almen, Zwergstrauchgesellschaften, Grasheiden sowie Fels und Eis eingenommen. Feuchtgebiete und Gewässer machen nur ungefähr 0,3 % des Areals aus und treten damit im Vergleich zu anderen Bundesländern und Regionen Mitteleuropas anteilsmäßig deutlich zurück (Abb. 1.8).
Aus geografischer Sicht lässt sich das Bundesland Salzburg in sechs Großlandschaften gliedern. Neben dem Alpenvorland, welches die nördlichen Landesteile definiert und das Salzburger Becken beinhaltet, sind hier die Kalkalpen, die Schieferalpen (Grauwackenzone), die Hohen Tauern, die Niederen Tauern und das Lungauer Becken zu nennen.
Das Alpenvorland repräsentiert im Wesentlichen eine bäuerliche Kulturlandschaft mit Nutzwiesen, Mischwäldern sowie Bach- und Flussauen. Die zwischen Moränenwällen eingeschlossenen Vorlandseen (Trumer- seen, Wallersee, Zeller See) weisen eine zum Teil reiche Fauna und Flora auf und werden mancherorts von Nieder- und Hochmoorresten umgeben. Die sogenannten Flyschberge wie Haunsberg, Plainberg, Heuberg oder Kolomannsberg grenzen das Alpenvorland vom eigentlichen Alpenhauptkamm ab.
Das am Übergang zwischen Alpenvorland und Kalkalpen positionierte Salzburger Becken stellt aus hydrologischer Sicht eine bedeutende Region dar, weil in ihm große in den Nordalpen gebildete Wassermengen zusammenfließen. Die Beckenlandschaft reicht von der Stadtgrenze im Norden bis zum Salzachdurchbruch bei Golling und erreicht damit eine Nord-Süd-Ausdehnung von über 50 km. Sie weist aufgrund ihrer geringen Höhenlage eine klimatische Begünstigung auf, zeichnet sich aber andererseits infolge ihrer Position im Nordstau der Kalkalpen durch gesteigerte Niederschlagsraten aus.
Die Kalkalpen als weitere wichtige Naturlandschaft gliedern sich im Allgemeinen in die Kalkvor- und Kalkhochalpen. Die Kalkvoralpen beinhalten größtenteils Berge und Gebirgszüge mit einer Höhe unter 2000 m. Die Kalkhochalpen erreichen teilweise eine Höhe von knapp 3000 m (Hochkönig, Dachstein) und durchziehen das Bundesland als breites Band in West-Ost-Richtung. Die mitunter durch steile und schroffe Felswände gekennzeichneten Gebirgsstöcke verfügen über eine zum Teil intensive unterirdische Entwässerung, welche zur Ausbildung von Karstphänomenen führt.
Die südlich an die Kalkalpen angrenzenden Schieferberge der Grauwackenzone repräsentieren eine relativ sanft geformte Landschaft („Grasberge”). Im Vergleich zu den Kalkhochalpen sind sie um durchschnittlich 600 m niedriger, wobei in ihren Hochlagen noch weiträumige extensive Weiderasen ausgebildet sind, in die bisweilen auch größere Standgewässer eingebettet sein können.
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Abb. 1.8. Karte des Bundeslandes Salzburg mit und Kulturräumen sowie dessen bebauten Zonen dessen Bedeckung durch unterschiedliche Natur- (Quelle: Umweltbundesamt).
Zwischen den Schieferalpen und den südlich daran anschließenden Hohen Tauern verläuft die Salzachtallängs- furche als markante Trennlinie. Der Boden des Salzachtals galt bis ins 19. Jahrhundert hinein als ausgedehntes Sumpfgebiet, von dem heute jedoch nur noch vereinzelte Reste erhalten geblieben sind. Die Hohen Tauern beinhalten die höchsten Berggipfel Österreichs und zeichnen sich zudem durch eine lokale Vergletscherung aus, welche jedoch infolge des Klimawandels einer kontinuierlichen Abnahme unterliegt. Die Täler der Hohen Tauern verlaufen mit Ausnahme des Murtales in Nord-SüdRichtung, wobei in den Talschlüssen oftmals ein kleinerer oder größerer Gletschersee gelegen ist. Manche dieser Standgewässer besitzen einen aus feinem Geschiebematerial bestehenden Grund, in welchem sich sowohl submerse Vegetation als auch eine hinsichtlich ihres Artenreichtums stark begrenzte Tierwelt anzusiedeln vermochte.
Im Osten folgen auf die Hohen die Niederen Tauern, welche in die Radstädter Tauern und Schladminger Tauern gegliedert werden können. Erstere setzen sich hauptsächlich aus kalkreichen Gesteinen zusammen, während zweitere vor allem durch kristalline Gesteine geprägt sind. Die Niederen Tauern zeigen mancher- orts eine ausgeprägte Seen- und Bachlandschaft, die mitunter in dichte Waldflächen eingebettet sein kann.
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Abb. 1.9. Karte des Bundeslandes Salzburg mit seinen wichtigsten Großlandschaften. Mit Ausnah- me von Mur und Enns münden alle Fließgewässer in die Salzach (Quelle:Umweltbundesamt)
Der Lungau im Südosten des Bundeslandes Salzburg stellt eine ungefähr 1000 km2 große inneralpine Beckenlandschaft dar, welche von den Bergketten der Hohen und Niederen Tauern sowie den Gurktaler Alpen umrahmt wird. Das Lungauer Becken ist zwar teilweise durch eine extensive landwirtschaftliche Nutzung charakterisiert, verfügt aber auch über etliche großflächige Moorgebiete, welche zahlreichen Pflanzen und Tieren einen nahezu idealen Lebensraum bieten. Die Seenlandschaft des Lungaus ist eher überschaubar, weist aber mit dem Prebersee und dem Seeleitensee zwei beachtliche und aus malakologischer Sicht interessante Exponenten auf.
1.4.2 Klimatologische Besonderheiten im Bundesland Salzburg •
Da das Bundesland Salzburg hauptsächlich an der Nordflanke des Alpenbogens gelegen ist, weist sein Klima in überwiegendem Maße eine atlantisch-maritime Prägung auf. Grundsätzlich lassen sich für Salzburg drei Klimazonen unterscheiden. Das Alpenvorland und die südlich daran anschließenden Kalkalpen zeichnen sich durch ihre Exposition gegenüber den von Westen und Nord- westen herangetragenen Luftströmungen aus. Die natürliche Barriere der Kalkhochalpen bewirkt die relativ häufige Entstehung von Stauwetterlagen und Steigungsregen. Dieses im gesamten Alpenvorland zu beobachtende Wetterphänomen zieht teilweise sehr hohe Niederschlagsraten nach sich. Die höchsten Niederschlagswerte sind für gewöhnlich im Sommer zu verzeichnen, während sowohl der Herbst als auch das Frühjahr etwas trockenere Jahreszeiten repräsentieren.
Der inneralpine Raum zwischen Kalk- und Zentralalpen zeichnet sich durch seinen deutlich trockeneren Klimacharakter aus. In den Wintermonaten kommt es häufig zur Bildung von Kaltluftseen, wohingegen die relativ warmen Sommer oftmals Gewitter mit kurzen Starkregen hervorbringen. Staueffekte treten, wenn überhaupt, nur an den Zentralalpen (Hohe und Niedere Tauern) auf, erreichen jedoch bei Weitem nichtjene Intensität wie in den voralpinen Regionen.
Der im Südosten des Bundeslandes gelegene Lungau weicht klimatisch relativ deutlich von den anderen Landesteilen ab. Hier machen sich bereits die Einflüsse der Alpensüdseite sehr stark bemerkbar. Die Niederschlagsrate des Lungaus ist durch die Abschirmung der Zentralalpen deutlich geringer als jene der übrigen Bezirke. Das Klima nimmt stellenweise aufgrund seiner Trockenheit schon kontinentale Züge an.
Als ein aus hydrologischer und ma- lakologischer Sicht wichtiges Phänomen ist die Zunahme der Niederschlagsmenge mit zunehmender Seehöhe zu bewerten. In den Kalkalpen und im Zentralbereich der Hohen Tauern können 2000 mm Niederschlag pro Jahr und mehr fallen. In Abhängigkeit von der Seehöhe fallen zwischen 15 und 55% der Niederschläge in Form von Schnee, wobei sich die Dauer der Schneedecke im Alpenvorland auf 60 bis 75 Tage bemisst, in den montanen Höhenlagen (bis 1400 m) und im Salzachtal hingegen 75 bis 100 Tage beträgt. Die Schneegrenze liegt je nach Exposition in 3000 bis 3200 m Höhe.
Die Jahresmitteltemperaturen sind für das Bundesland Salzburg aufgrund seiner Lage im Alpenraum relativ niedrig. Während sich im Flachgau entsprechende Werte zwischen 7 und 8°C einpendeln, weisen zahlreiche inneralpine Regionen wie der Lungau Werte unter 5°C auf. Über 2700 m Seehöhe kann eine Jahresmitteltemperatur von nur noch -4°C gemessen werden. Das Lungauer Becken ist im Bereich von Mariapfarr und Tamsweg oftmals durch winterliche Inversionswetterlagen gekennzeichnet, welche infolge einer zähen Nebelschicht zu kalten Temperaturen am Boden und wärmeren Temperaturen oberhalb des Nebels führen. Das Inversionsphänomen kann in abgeschwächter Form auch im Sallfel- dener Becken, in Zell am See, in Mit- tersill und im Salzburger Becken beobachtet werden. Die mittleren Julitemperaturen verzeichnen von Norden nach Süden einen deutlichen Rückgang, wobei hier der Lungau trotz seiner Lage über 1000 m Seehöhe klimatisch bevorzugt ist. Die im Durchschnitt relativ niedrigen Jahresmitteltemperaturen haben zur Folge, dass viele alpine Gewässer lediglich einstellige Temperaturen aufweisen und damit Extremhabitate darstellen.
1.5 Ziele der vorliegenden Monografie
Das Buch wendet sich in den nachfolgenden Kapiteln drei großen Themenkreisen zu. Im nächsten Abschnitt sollen zunächst all jene Methoden im Detail erläutert werden, welche für die malakologische Kartierung einerseits und die Beantwortung ökologischer Fragestellungen andererseits von hoher Bedeutung sind. So wird unter anderem erörtert, wie eine systematische Sammlung und Quantifizierung von Wassermollusken an entsprechenden Probenorten zu erfolgen hat. Zudem sollen essenzielle Umweltparameter, ihre Messungim Gelände und ihre richtige Interpretation einer näheren Beschreibung zugeführt werden. Zuletzt gelangen noch jene mathematischen Verfahren zur Vorstellung, mit deren Hilfejenes im vorigen Abschnitt dargestellte ökologische Modelling durchgeführt werden kann.
Das dritte Kapitel des Buchs richtet sein Hauptaugenmerk auf die gegenwärtige Verbreitung von Wassermollusken in stehenden und fließenden Gewässern der Kalkalpen. Hier soll der Leserschaft zunächst anhand der Verteilung der Probenpunkte und einer Artenliste ein entsprechender Überblick geliefert werden, ehe auf einzelne Probenlokalitäten (Postalm, Bluntautal) im Detail eingegangen wird. Ein Abschnitt des Kapitels soll der österreichischen Quellschnecke Bythinella austriaca gewidmet werden, welche in den Kalkalpen mit zum Teil großer Häufigkeit auftritt, jedoch im zentralalpinen Raum durch eine nahezu vollständige Absenz gekennzeichnet ist. Die nur wenige Millimeter messende Schnecke repräsentiert mittlerweile einen Modellorganismus in Bezug auf die Anwendung verschiedener mathematischer Methoden zur Klärung ökologischer Fragen.
Im vierten Kapitel wird die Kolonisation des zentralalpinen Raums (Schieferalpen, Hohe und Niedere Tauern, Lungau) durch aquatische Mollusken näher analysiert. Auch hier wird zunächst ein Überblick mit Probenpunkten und Auflistung jener Spezies, welche im hochalpinen Gebiet präsent sind, geboten, ehe wiederum einzelne Lokalitäten (z. B. Nationalpark Hohe Tauern) etwas näher unter die Lupe genommen werden. Für die Zentralalpen spielt die Frage nach entsprechenden Ausbreitungsstrategien einzelner Molluskenarten, wie sie in Abschnitt 1.2.3 erörtert wurden, eine ganz wesentliche Rolle. Auch die Differenzierung zwischen Generalisten und Spezialisten und deren unterschiedliche Herangehensweise bei der Besiedlung hochalpiner Gewässer soll mithilfe spezieller ökologischer Parameter ihre gebührende Darstellung finden.
Die Monografie unternimmt letztendlich den Versuch einer Kombination von malakologischen Kartierungsergebnissen und ökologischen Untersuchungen. Trotzdem die Resultate auf eine kleine Region Mitteleuropas beschränkt sind, können sie zumindest teilweise auch für allgemeine Aussagen zur Biologie und Habitatselektion von aquatischen Mollusken herangezogen werden.
2 Allgemeine Methoden in der malakologischen Forschung
2.1 Einleitung
Die moderne malakologische Forschung bedient sich einer Vielzahl an Methoden, welche in den Bereichen derMolluskensammlungund -bestimmung, der Erhebung von verschiedenen Umweltparametern und der ökologischen Charakterisierung einzelner Tiere zum Einsatz kommen. Für die Anwendung einzelner Untersuchungsverfahren ist in den meisten Fällen kein allzu hoher technischer Aufwand notwendig, so dass bereits einfache Standardprozeduren zu aussagekräftigen Ergebnissen führen können. Damit besitzt die malakologische Feldarbeit gegenüber vergleichbaren Disziplinen mit entsprechendem Freilandbezug, bei denen kostspieligere Methoden verwendet werden müssen, einen wesentlichen Vorteil.
2.2 Methodik
2.2.1 Methoden für das effektive Sammeln von Wassermollusken •
Um an einem gegebenen Standort eine möglichst effiziente Beprobung der vor Ort auftretenden aquatischen Weichtierfauna gewährleisten zu können, ist ein aus mehreren Schritten bestehendes Prozedere durchzuführen. Der erste Schritt besteht darin, die nähere Umgebung des Probenpunktes mit freiem Auge abzusuchen, um eventuell auftretende Großschnecken (Lymaeidae, Vivi- paridae) und Großmuscheln (Mar- garitiferidae, Unionidae) aufzulesen. Der zweite Schritt umfasst die systematische Absuchung des Grundsubstrats. Im Falle von gröberen Steinen sind einzelne Blöcke aus dem Bachbett oder Seegrund zu entfernen und auf ihren Besatz mit Gastropoden und Bivalven zu prüfen, wobei die Entfernung der Tiere von der steinigen Oberfläche mithilfe einer Federpinzette erfolgt. Bei kiesigem oder grobsandigem Substrat empfiehlt sich die Verwendung eines speziellen Samplers, mit dessen Unterstützung die Beprobung größerer Sedimentvolumina gelingt. Diese werden anschließend in speziellen Probenwannen auf ihren Gehalt an Weichteieren untersucht. Bei feinsandigem oder schlammigem Grundsubstrat wird die Probenahme unter Heranziehung eines Siebes mit einer Maschenweite von 0,5 bis 1,0 mm vollzogen. Während das Feinsediment das Sieb in der Regel zu passieren vermag, bilden die Gehäuse verschiedener Organismen den Siebrückstand, welcher in weiterer Folge einer detaillierteren Studie zuzuführen ist.
Für die malakologische Beprobung tieferer Gewässerstellen (Tiefe > 1 rn) kann wahlweise ein Sieb mit ausziehbarem Stiel oder ein fernsteuerbarer Unterwassersampler mit schaufelartigem SedimentgreiferzurVerwendung kommen. Für das effektive Auflesen größerer Organismen sind Tauchgän ge mit Schnorchel oder Sauerstoffflasche unumgänglich, wobei die vorgefundenen Tiere in spezielle Sammelbeutel übertragen werden.
Der dritte Schritt der Sammelprozedur beinhaltet die genaue Prüfung von unmittelbar am Gewässer befindlicher Ufervegetation und Unterwasserverkrautung auf deren möglichen Besatz mit Wassermollusken. Während Schilfpflanzen, Teichrosen, Seerosen und dergleichen einfach mit der Hand abgestreift oder unter Zuhilfenahme der Federpinzette abgesucht werden können, sind dichtere submerse Pflanzenbestände mit dem Handsieb zu durchstreifen, um eine möglichst hohe Ausbeute an Weichtieren zu erzielen. Einzelne für die Sammelarbeit benötigte Geräte und Utensilien sind nochmals in Abb. 2.1 zusammengefasst.
2.2.2 Methoden für die Messung von physikalischen und chemischen Gewässerparametern
Für eine möglichst genaue Charakterisierung jener fließenden und stehenden Gewässer, welche von unterschiedlichen Wassermollusken besiedelt werden, ist eine Erhebung zahlreicher physikalischer und chemischer Parameter vorzunehmen. Eine erste Bewertung des betreffenden Wasserkörpers kann anhand der Bestimmung der Fließgeschwindigkeit im Falle von Bächen und Flüssen, der Wassertiefe im Bereich des Sammelpunktes, der Ufer- beziehungsweise Gewässermorphologie und der sogenannten Vertikalbeschattung erfolgen. Eine weiterführende Bewertung des Gewässers umfasst unter anderem die Untersuchung des Grundsubstrates, die Bestimmung von Ufer- und Submersvegetation, die Ermittlung des Grades (der Dichte) der Unterwasserverkrautung sowie die prozentuale Quantifizierung des Algenbewuchses von Steinen und Pflanzen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.1. Nützliche Geräte und Utensilien für die effektive Sammlung von Wassermollusken in stehenden und fließenden Gewässern: (a) Handsieb, (b) Federpinzette, (c) Taschenlupe mit mindestens 10-facher Vergrößerung, (d) Probengefäße (Probenfläschchen, Filmdöschen), (e) Sieb mit ausziehbarem Stiel, (f) Surber-Sampler zur Beprobung von kiesigem und grobsandigem Grundsubstrat, (g) Hess-Sampler für die Substrat- beprobung, (h) verschraubbare Flaschen für die Entnahme von Wasserproben, (i) Sedimentgreifer für die Entnahme von Substratproben aus größerer Tiefe. Die auf der linken Seite abgebildeten Gegenstände sind alle kostengünstig erhältlich, wohingegen die Sampler auf der rechten Seite bei professionellen Studien ihre Anwendung finden.
Die Analyse des Wassers selbst umfasst in der Regel die Messung von Temperatur, pH-Wert, elektrischer Leitfähigkeit, totaler Wasserhärte, Sauerstoffgehalt beziehungsweise Sauerstoffsättigung, Nitratgehalt und biologischem Sauerstoffbedarf nach fünf Tagen (BSB5). Wie weiter unten noch im Detail zu erläutern sein wird, lässt sich die Wasseranalyse größtenteils mit einfachen, relativ kostengünstigen Messgeräten durchführen, wodurch die eingangs erwähnten Vorteile ihre weitgehende Bestätigung finden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.2. Physikalisches Prinzip einer Drucksonde zur Messung der Fließgeschwindigkeit in einer bestimmten Wassertiefe (d). Abkürzungen: A =
Fläche des Sensors, Fj und F2 = Druckkraft und Widerstandskraft (mit Federwaage gemessen), x1 und x2 = Längen der Hebelarme.
Messung der Fließgeschwindigkeit: Die Ermittlung dieses Parameters kann näherungsweise dadurch erfolgen, dass man einen schwimmenden Gegenstand (Blatt, Holzstück) im Wasser treiben lässt, und dessen zurückgelegte Strecke pro Zeiteinheit misst. Diese einfache Methode führt zwar in den meisten Fällen zu verwertbaren Ergebnissen, berücksichtigt jedoch nicht den Umstand, dass die Fließgeschwindigkeit mit zunehmender Wassertiefe infolge von Reibungsphänomenen kontinuierlich abnimmt. Dies hat freilich zur Folge, dass jene am Gewässergrund lebenden Weichtiere mit ganz anderen Strömungen als den an der Oberfläche gemessenen konfrontiert sind. Für eine genauere und vor allem tiefenabhängige Eruierung der Fließgeschwindigkeit bedient man sich einer sogenannten Drucksonde, deren physikalisches Prinzip in Abb. 2.2 skizziert ist. Wenn man eine Platte mit der Fläche A über eine dünne Hebelvorrichtung senkrecht in das Fließgewässer einführt, übt sie gegenüber der auftreffenden Strömung eine Widerstandskraft aus. Diese wird nach der mathematischen Formel berechnet, wobei cw den sogenannten Widerstandsbeiwert, p die Dichte des strömenden Mediums, und v die Strömungsgeschwindigkeit bezeichnen. Bei Umstellung der obigen Gleichung erhält man für die Geschwindigkeit den Ausdruck chen anzutreffen, da sich ihnen dort bessere Lebensbedingungen oder reichere Nahrungsquellen erschließen. Grundsätzlich ist für die Ermittlung der Wassertiefe in den meisten Fällen die Verwendung eines Zollstocks oder eines Gliedermaßstabs mit metrischer Skalierung vollkommen ausreichend. Bei tieferen Gewässerstellen hat man für derartige Messungen hingegen ein Tiefenlot mit Stahlgewicht, Schnur und Kurbelvorrichtung, auf welcher die Fadenlänge bis zum Erreichen des Grundes angezeigt wird, zu Hilfe zu nehmen. Für exakte Tiefenanalysen in größeren stehenden Gewässern ist die Nutzung eines mobilen Echolots nahezu unumgänglich. Dabei erfolgt die Tiefenbestimmung mithilfe von elektroakustischen Messungen. Konkret wird die Zeitdauer zwischen Aussendung eines Schallimpulses und der Ankunft jener vom Gewässerboden reflektierten Schallwellen eruiert. Bei bekannter Schallgeschwindigkeit im Wasser von 1500 m/s (Wassertemperatur: 20°C) kann sofort die von den Schallwellen zurückgelegte Strecke berechnet werden.
(3) Ermittlung der Gewässerstruktur: Die Gewässerstruktur umfasst all jene morphologischen Eigenschaften, welche ein Fließ- oder Stillgewässer kennzeichnen. Bei Bächen und Flüssen zählen dazu insbesondere die Laufform (gestreckt, gewunden, verzweigt), die Tiefenvariation (Kolke, Furten, Bänke usw.), das Sohlsubstrat sowie die Ausprägung der Uferbereiche. Bei Teichen und Seen sind unter anderem die Formen von Gewässerbecken und Ufern sowie das Gewässerumfeld von näherem Interesse. Die Gewässerstruktur mit ihrer zum Teil sehr hohen Variabilität stellt einen entscheidenden Faktor für die Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen in und am Wasserkörper dar. Zur effizienten Ermittlung der Struktur von Fließgewässern ist die Aufnahme von Querprofilen durchzuführen. Dazu werden in vorher festzulegenden Abständen (z. B. 10 m) Schnüre mit exakt horizontaler Orientierung quer über das Gewässer gespannt und mithilfe von Markierungen in gleich große Strecken (z. B. 0,5 m) unterteilt. An jedem Markierungspunkt erfolgt in einem weiteren Schritt die Messung der Wassertiefe unter Zuhilfenahme einer der oben beschriebenen Methoden. Die Messwerte werden in einer maßstabsgetreuen Skizze (z. B. 1:50) zusammengetragen und dadurch zu einem Gesamtbild vereinigt. Grundsätzlich weisen Fließgewässer mit starkem anthropogenen Impakt eine Gewässerstruktur auf, die oftmals signifikant von jener Struktur naturbelassener Bäche und Flüsse abweicht. Begradigungsmaßnahmen, künstliche Uferverbauungen und eingeebnete Gewässersohlen führen in der Regel zu einer zunehmenden Homogenisierung der Morphologie, wodurch etliche Habitate für aquatische Lebewesen verloren gehen. Bei noch weitgehend unberührten Bächen und Flüssen gilt die Fließgeschwindigkeit als essenzieller Faktor hinsichtlich der Strukturierung des Gewässerbetts (Abb. 2.3). Gebirgsbäche mit schmalem Lauf und hoher Strömungsgeschwindigkeit weisen zumeist eine Struktur auf, die durch große, unregelmäßig angeordnete Blöcke gekennzeichnet ist. Bäche und Flüsse in mittleren Höhenlagen (z. B. Alpenvorland) sind durch ein aus größeren Steinen und Grobkies zusammengesetztes Substrat charakterisiert, wohingegen Fließgewässer in tieferen Lagen zumeist ein feineres Substrat erkennen lassen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2.3. Querprofile unterschiedlicher Fließgewässertypen beziehungsweise verschiedener Abschnitte eines einzelnen Fließgewässers: (a) Gebirgsbach mit hoher Strömungsgeschwindigkeit, (b) Bach oder Fluss in mittleren Höhenlagen, (c) Bach oder Fluss in tieferen Lagen.
(4) Größenverteilung des Gewässersubstrates: Bei vornehmlich mineralischem Grundsubstrat kann durch Siebung eine Korngrößenverteilung ermittelt werden. Grundsätzlich sollte hierfür ein aus einzelnen Messingoder Stahlblechkomponenten bestehender Siebturm zum Einsatz gelangen, wobei das oberste Sieb zur Abscheidung der Kiesfraktion eine Maschenweite von 2 cm, das mittlere zur Abscheidung der Sandfraktion eine Maschenweite von 0,06 cm und das unterste zur Abscheidung der Schlufffraktion eine Maschenweite von 0,002 cm besitzen sollte. Die alle Komponenten passierende Tonfraktion kann theoretisch nochmals mithilfe einer sogenannten Schlämmanalyse in weitere Fraktionen aufgespalten werden. Sowohl Kies als auch Sand und Schluff werden ihrerseits in feine, mittlere und grobe Bestandteile unterteilt. Für diese Fraktionierung sind jedoch weitere Siebkomponenten erforderlich. Die den einzelnen Korngrößen zuzuordnenden Siebanteile werden im trockenen Zustand gewogen. Daraufhin werden die relativen Massenanteile der Fraktionen berechnet und in Form einer Summenkurve in ein Diagramm mit logarithmischer Abszisse zur Darstellung der Korngröße und normaler Ordinate zur Darstellung der prozentualen Massenzunahme eingetragen. Diese sogenannte Siebkurve (auch Sieblinie, Kornsummenkurve oder Körnungslinie) zeichnet sich in der Regel durch einen sigmoidalen Verlauf aus und kann für gewöhnlich sofort für eine nähere Klassifikation des am Gewässergrund vorhandenen Sediments herangezogen werden (Abb. 2.4). Die grafische Präsentation der Korngrößenverteilung in der Gestalt einer halblogarithmischen Summenkurve besitzt den großen Vorteil, dass sich sofort die mittlere Korngröße des Mineralsubstrats ermitteln lässt. Dafür ist lediglich die Korngröße am Schnittpunkt zwischen 50 %-Linie und Siebkurve abzulesen. Die Form der Kornsummenkurve wird durch zwei Parameter, die Unförmigkeitszahl Cu und die Krümmungszahl Cc, zum Ausdruck gebracht. Breite Funktionen mit geringem Anstieg, welche ein breites Korngrößenspektrum abbilden, sind durch Werte für Cu größer 6 und Beträge für Cc zwischen 1 und 3
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Abb. 2.4. Allgemeine Gestalt einer Sieb- oder einem fließenden oder stehenden Gewässer auf- Komsummenkurve zur Charakterisierung des in tretenden Grundsubstrates.
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