Diese Arbeit untersucht mithilfe einer wissenschaftlichen Bilderbuchanalyse Fragen nach den Darstellungen des Todes in ausgewählten Bilderbüchern und Entwicklungstendenzen die angesichts neuster Bilderbucherscheinungen ausfindig gemacht werden können.
Die vier für die vergleichende Untersuchung ausgewählten Bilderbücher erschienen innerhalb der Jahre 2004 bis 2015. Gemeinsame Merkmale sind zunächst die Verarbeitung des Themenkomplexes Tod und die personifizierende Todesdarstellung. Diese Bilderbücher stellen innerhalb der großen Gruppe der den Tod personifizierenden Bilderbücher jene dar, in der entweder kindliche Protagonisten oder Tiere, mit denen sich Kinder identifizieren können, auftreten.
Inwiefern Kinder für diese Bilder und Bilder im Allgemeinen Zugänge finden, muss im Hinblick auf den Einsatz der Bilderbücher beleuchtet werden. Fragt man nach kindlichen Vorstellungen, die Kinder vor dem Betrachten eines Bilderbuches besitzen, begegnet man Hoffnungs- und Schreckensbildern, die sich trotz ihrer Individualität und Dynamik wie Muster über bestimmte Altersgruppen ziehen. Diese entwicklungsbedingten Todeskonzepte sind unter anderem von gesellschaftliche Ansichten und Ausdrucksformen abhängig, die es kritisch zu beleuchten gilt. Gerade die Schule muss sich als Teil eines Systems, das den Tod verdrängt und „totschweigt“ seiner Aufgabe bewusst werden, Kindern Möglichkeiten zu offerieren, sich mit existentiellen Fragen auseinanderzusetzen. Der Tod als zunächst religionspädagogisches Thema, das transzendente Fragen aufwirft und eine Sinngliederung fordert.
Eine Möglichkeit, das Thema Tod und verschiedene Interpretationen von ihm zu diskutieren, sind Bilderbücher. Zunächst zeigt ein historischer Abriss den mühsamen Einzug der Themen Sterben und Tod in die Kinder- und Jugendliteratur, speziell in das Bilderbuch. Angesichts der seit den 1990er Jahren immer vielschichtiger gewordenen Bilderbuchmarktes der Bücher mit dem Tod als Leitthema bedarf es einem Gattungsüberblick. In diesen werden die den Tod personifizierenden Bilderbücher in ihren Wesen eingeordnet. Eine Gegenüberstellung der transzendental-religiösen und philosophischen Bilderbücher zeigt erneut die Breite des Religionsbegriffs. Im Anschluss zeigt ein Überblick verschiedener Darstellungen des Todes die Vielfalt der Bilder des Todes, die die ausgewählten Bilderbücher selbstverständlich nur teilweise abdecken.
Inhalt
I Einleitung
II Forschungslage
III Das Medium Bilderbuch
III.1 Was ist ein Bilderbuch?
III.2 Historischer Überblick
III.3 Bilderbücher heute
III.3.1 Ausgangspunkt
III.3.2 Typologische Einordnung
III.3.3 Neue Erzählformen in Text und Bild und innovative Bild-Text-Beziehungen
III.3.4 Neuer Adressatenkreis, mediale Einflüsse und Medienkonvergenzen
III.3.5 Themenwandel
III.4 (Neue) Bilderbücher in der Grundschule?!
III.4.1 Bilderbücher in der Familie und im Anfangsunterricht
III.4.2 Vielfältige Einsatzbereiche
III.4.3 Bilderbücher als ästhetisch komplexe Gebilde und Visual Literacy
III.4.4 Wählen Kinder und LehrerInnen die gleichen Bilderbücher aus?
III.4.5 Veränderte Anforderungen an LehrerInnen
IV Thanatologische Grundlagen/ Der Tod
IV.1 Sterben und Tod – leere Begriffe?
IV.2 Was ist der Tod und was kommt nach ihm?
IV.3 Wie erscheint der Tod?
IV.3.1 Der allgegenwärtige Tod
IV.3.2 Totentanz
IV.3.3 Der Tod und das Mädchen
IV.3.4 Der Tod und das kleine Mädchen
IV.3.5 Bedeutungsverlust des Todes für das Leben
IV.3.6 Die Sehnsucht nach dem Tod
IV.4 Die Bildsamkeit des Kindes
IV.5 Entwicklung des Todeskonzepts
IV.6 Wie erleben Kinder den Tod in unserer Gesellschaft?
IV.7 Sterben und Tod als Themen in der Grundschule?!
IV.8 Bilder von Tod und Sterben in Bilderbüchern – resultierende Kriterien
V Tod im Bilderbuch
V.1 Historischer Abriss – Tod in der Kinder- und Jugendliteratur
V.2 Gattungseinordnung und Überblick
V.3 Die Gruppe der den Tod personifizierenden Bilderbücher – Chancen und Gefahren
V.4 Das transzendental-religiöse Bilderbuch und das philosophische Bilderbuch
V.5 Vielfalt der Bilder vom Tod im Bilderbuch
V.5.1 Der Tod als Skelett
V.5.2 Der Tod als Gevatter
V.5.3 Weitere Darstellungen
V.6 Bilderbuchanalyse
V.6.1 Der Besuch vom kleinen Tod – Kitty Crowther
V.6.2 Ente, Tod und Tulpe – Wolf Erlbruch
V.6.3 Als der Tod zu uns kam – Jürg Schubiger und Rotraut Susanne Berner
V.6.4 Limonade – Jutta Bauer
V.7 Vergleichende Untersuchung
V.7.1 Wie wird der Tod dargestellt?
V.7.2 Wie reagieren die auftretenden Personen auf den Tod?
V.7.3 Welche Beziehung hat der Tod zu den auftretenden zentralen Figuren? Wann tritt der Tod auf?
V.7.4 Wie gestaltet sich die Aufgabe des Todes? Wie geht er mit seiner Rolle um?
V.7.5 Über welches Wissen im Bezug auf ein mögliches Leben „nach dem Tod“ verfügt er? Welche expliziten Äußerungen werden über ein Jenseits getroffen?
V.7.6 In welchem Zusammenhang stehen die kindlichen Todeskonzepte und die Darstellungen im Bilderbuch?
V.8 Zusammenführung der Ergebnisse
VI Abschließendes Resümee und didaktischer Ausblick
VIII Literaturverzeichnis
VIII.1 Primärliteratur
VIII.2 Sekundärliteratur
IX Abbildungsnachweis
I Einleitung
Das dieser Arbeit vorausgestellte Zitat aus dem Bilderbuch „Ente, Tod und Tulpe“ spricht die Gedanken der Ente über die Person aus, der sie begegnet – dem Tod. Sie setzt sich nicht alltäglich mit dem Tod auseinander, doch hat sie wie jeder Mensch ein bestimmtes Bild von ihm. Und dieses scheint nicht mit dem übereinzustimmen, das ihr verkörpert gegenübersteht. Bilderbücher ermöglichen die notwendige Auseinandersetzung mit Fragen bezüglich des Sterbens und Todes. Das Thema Tod ist dabei zunächst ein religionspädagogisches Thema, dass transzendente Fragen nach dem Sinn des Todes ins Zentrum rückt. Doch es sollte nicht ausschließlich Thema des Faches evangelischer oder katholischer Religion und Vermittlungsaufgabe der Religionslehrkräfte sein. Die Fragen nach Sterben und Tod sind existentiell und gehören damit als schulpädagogische Aufgabe in jedes Fach und das ganze System Schule. Diese Arbeit deckt auf, warum es gerade in der heutigen Gesellschaft wichtig ist, Räume und Impulse für die Entwicklung des individuellen Todeskonzeptes, zu eröffnen. Bilderbücher, vor allem „neue Bilderbücher“ bieten sich an, um die eigenen Vorstellungen zu überdenken und die anderer Menschen kritisch zu hinterfragen. Jedes Bilderbuch bietet einen anderen Zugang zur (Todes)wirklichkeit an und vermittelt eigene Bilder und Vorstellungen. Gerade die Gruppe der Bilderbücher, in denen der Tod personifiziert auftritt, verkörpern den zunächst abstrakten Begriff sprachlich und visuell als konkret handelnde Person.1 Sie greifen in ihren Darstellungen bewusst die inneren Bilder von Kindern auf oder wählen Bilder, die ihnen wiedersprechen. Die vorliegende Arbeit untersucht mithilfe einer wissenschaftlichen Bilderbuchanalyse Fragen nach den Darstellungen des Todes in ausgewählten Bilderbüchern und Entwicklungstendenzen die angesichts neuster Bilderbucherscheinungen ausfindig gemacht werden können. Dieser Gruppe der Bilderbücher erfuhren in der Forschung, wie ein Einblick in die aktuelle Forschungslage bestätigt, bislang noch nicht das verdiente Interesse. Die vorliegende Arbeit soll Anstoß für eine weitere intensive Auseinandersetzung mit diesen Bilderbüchern sein. Didaktisch wird mithilfe vorhandener Erkenntnisse angedeutet, wie einzelne Darstellungen auf Kinder wirken können. Diese müssen jedoch in weitern Untersuchungen detailliert ergründet werden. Erst daraus können gesicherte Schlussfolgerungen für den Unterricht gezogen werden. In einem didaktischen Ausblick können Fragen nach Bedingungen des Einsatz der den Tod personifizierenden Bilderbücher allerdings schon anklingen.
Die vier für die vergleichende Untersuchung ausgewählten Bilderbücher erschienen innerhalb der Jahre 2004 bis 2015. Gemeinsame Merkmale sind zunächst die Verarbeitung des Themenkomplexes Tod und die personifizierende Todesdarstellung. Diese Bilderbücher stellen innerhalb der großen Gruppe der den Tod personifizierenden Bilderbücher jene dar, in der entweder kindliche Protagonisten oder Tiere, mit denen sich Kinder identifizieren können, auftreten. Sie bieten damit gute Anknüpfungspunkte an die kindliche Auseinandersetzung mit Todeskonzepten. Außerdem weisen sie einen narrativen Erzählverlauf und einen alltäglichen Sprachstil auf. Alle ausgewählten Bilderbücher sind nicht vorrangig auf Trauerverarbeitung angelegt, sondern thematisieren den Tod eher emotional distanziert. Diese Gemeinsamkeiten ermöglichen eine vergleichende Gegenüberstellung.
Um den ausgewählten Bilderbüchern in ihrer Konzeption gerecht werden zu können, bedarf zunächst der Beleuchtung des Mediums Bilderbuch (Kap. III) in seiner entwicklungsgeschichtlich bedingten Ausdifferenzierung und der Verwendung im Kontext Grundschule. Aktuell tatsächliche und literarästhetisch geforderte Anwendung stehen in diesem Zusammenhang einander gegenüber. Aus diesem Abschnitt resultieren erste Kriterien bezogen auf die Gestaltung der ausgewählten Bilderbücher. Diese Arbeit betrachtet Bilderbücher dementsprechend als ästhetisch komplexe Gebilde, die zunächst nicht hinsichtlich einer didaktischen Funktionalisierung betrachtet werden. Deshalb werden sie weitestgehend unabhängig von einem speziellen pädagogischen Einsatz in einem Unterrichtsfach beleuchtet.
Im Anschluss an die Betrachtung des Mediums Bilderbuch widmet sich die Arbeit dem Thema, das in den (neuen) Bilderbüchern verarbeitet wird – dem Tod (Kap. IV). Er ist keine an sich feststehende Tatsache, sondern wird von Individuen und Gemeinschaften interpretiert und gedeutet.2 Seine (Be)deutung für unser Leben und die Deutung des Lebensendes bestimmen unser „Verhältnis“ zu ihm. Unterschiedliche Interpretationen finden sich in der Geschichte der bildenden Künste, die in den Bilderbüchern des Korpus´ aufgegriffen und kritisch verarbeitet werden. Inwiefern Kinder für diese Bilder und Bilder im Allgemeinen Zugänge finden, muss im Hinblick auf den Einsatz der Bilderbücher beleuchtet werden. Fragt man nach kindlichen Vorstellungen, die Kinder vor dem Betrachten eines Bilderbuches besitzen, begegnet man Hoffnungs- und Schreckensbildern, die sich trotz ihrer Individualität und Dynamik wie Muster über bestimmte Altersgruppen ziehen. Diese entwicklungsbedingten Todeskonzepte sind unter anderem von gesellschaftliche Ansichten und Ausdrucksformen abhängig, die es kritisch zu beleuchten gilt. Gerade die Schule muss sich als Teil eines Systems, das den Tod verdrängt und „totschweigt“ seiner Aufgabe bewusst werden, Kindern Möglichkeiten zu offerieren, sich mit existentiellen Fragen auseinanderzusetzen. Der Tod als zunächst religionspädagogisches Thema, das transzendente Fragen aufwirft und eine Sinngliederung fordert. Die Bearbeitung existentieller Lebensfragen sollte sich nicht auf die Fächer evangelische und katholische Religion beschränken, sondern Teil aller Fächer und des gesamten Schulalltags werden. Deshalb wählt die vorliegende Arbeit einen schulpädagogischen Zugang. Die Fragementarerkenntnisse des Kapitels für die Grundlagen zum Tod zusammenfassend kristallisieren sich erste Kriterien für die Bewertung der Darstellungen heraus, auf die in den Einzelanalysen verwiesen werden soll.
Eine Möglichkeit, das Thema Tod und verschiedene Interpretationen von ihm zu diskutieren, sind Bilderbücher. Zunächst zeigt ein historischer Abriss den mühsamen Einzug der Themen Sterben und Tod in die Kinder- und Jugendliteratur, speziell in das Bilderbuch. Angesichts der seit den 1990er Jahren immer vielschichtiger gewordenen Bilderbuchmarktes der Bücher mit dem Tod als Leitthema bedarf es einem Gattungsüberblick. In diesen werden die den Tod personifizierenden Bilderbücher in ihren Wesen eingeordnet. Eine Gegenüberstellung der transzendental-religiösen und philosophischen Bilderbücher zeigt erneut die Breite des Religionsbegriffs. Im Anschluss zeigt ein Überblick verschiedener Darstellungen des Todes die Vielfalt der Bilder des Todes, die die ausgewählten Bilderbücher selbstverständlich nur teilweise abdecken. Diese vier Bilderbücher werden auf visueller und textueller Ebene untersucht, um ihrer Eigenart gerecht zu werden. Die vergleichende Analyse konzentriert sich anschließend geleitet durch einen Fragenkatalog auf das äußere Erscheinungsbild, das Wesen, das Verhalten, die Funktionen des jeweils dargestellten Todes und auf Beziehungen zwischen ihm und dargestellten Protagonisten. Dabei lassen sich Entwicklungstendenzen in den Darstellungen vermuten, jedoch angesichts der exemplarischen Auswahl nicht ausreichend belegen. Die Ergebnisse sollen anschließend zusammengefasst werden.
Ein abschließendes Resümee und ein didaktischer Ausblick führen einzelne Erkenntnisse der Arbeit zusammen und zeigen Forderungen eines Umgangs mit den Bilderbüchern, die den Tod personifizieren auf (Kap. VI). Diese müssen jedoch empirisch in weiteren Studien gestützt werden.
Verwendungen von Personen-, Berufsbezeichnungen und ähnliches beziehen sich jeweils auf die Angehörigen beider Geschlechter. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde an einigen Stellen nur die männliche Form gewählt.
II Forschungslage
Die Forschungsfrage dieser Arbeit baut auf wissenschaftliche Erkenntnisse verschiedener Untersuchungen und Konzeptionen auf. Diese resultieren einerseits aus wissenschaftlichen Diskussionen um das Bilderbuch und zum anderen auf neuen Erkenntnissen, wie der Themenkomplex Sterben und Tod im Bilderbuch verarbeitet wird.
Das Bilderbuch hatte es, wie sich herausstellen wird (Kap. III.2), lange Zeit sehr schwer, sich innerhalb der allgemeinen Literaturwissenschaft zu behaupten. Der Literaturwissenschaftler und -didaktiker Jens Thiele stellt fest, dass es vermehrt nur vage Umschreibungen anstatt empirisch belegte Ergebnisse einer grundlegenden Bilderbuchtheorie gibt.3 Doch die wachsende Zahl an Tagungen, Weiterbildungen und Neuerscheinungen im Hinblick auf das literarisch-ästhetische Potential neuer Bilderbücher deuten auf das gegenwärtige Interesse an diesem ernst zu nehmenden Gegenstand hin. Dabei zeigt sich teilweise eine starke Konzentration auf didaktische Aspekte.4 Zunehmend blickt die Forschung jedoch auch auf die Bezugswissenschaften des Bilderbuches, die Literatur-, Bildungs- Kunst- und Kulturwissenschaft.5 Die umfassendste theoretische Zusammenstellung der Erscheinungsform Bilderbuch, die verschiedene Bezugswissenschaften des Bilderbuches zu Wort kommen lässt, lieferte Jens Thiele mit seiner Monografie „Das Bilderbuch. Ästhetik – Theorie – Analyse – Didaktik – Rezeption“ (2000). Neuen Bilderbüchern in ihrer Form, Wirkung und Rezeption gerecht zu werden, versuchen auch andere Literaturwissenschaftler und -didaktiker, zum einen mit theoretischem, aber auch praktischen Fokus. Zu ihnen gehören Iris Kruse und Andrea Sabbisch mit der Aufsatzsammlung „Fragwürdiges Bilderbuch“ (2013) und Christoph Jantzen und Stefanie Klenz mit „Text und Bild – Bild und Text“ (2013). Alexandra Ritter blickt in ihrer Dissertation „Bilderbuchlesarten von Kindern“ (2014) auf die Rezeption neuer Bilderbücher durch Kinder. Die Theorie und Praxis neuer Bilderbücher verbinden Julia Knopf und Ulf Abraham in ihren Bänden „BilderBücher“ (2014). Das im Theorieband vorgestellte Modell zur Bilderbuchanalyse von Michael Staiger ermöglicht eine interdisziplinäre Erschließung des Bilderbuches und soll Grundlage der Einzelanalysen dieser Arbeit sein.6
Wissenschaftliche Erkenntnisse zu der Verarbeitung von Sterben und Tod in Kinder- und Jugendliteratur, speziell im Bilderbuch, ermöglichen vor allem die in den letzten Jahren erschienen Publikationen. Barbara Cramer konzentriert mit ihrer praxisorientierten Bibliographie „Bist du jetzt ein Engel?“ (2008) auf Anregungen für die Arbeit mit Kindern und stellt einzelne Bilderbücher über Sterben und Tod in ihren Besonderheiten vor. Einleitend erläutert sie theoretische Grundlagen zu Bildern der Bilderbücher über Sterben und Tod. Ähnlich kann man auch aus anderen Zusammenstellungen vor allem aus der Einführung einzelne Erkenntnisse ableiten. Viele Handreichen untersuchen Bilderbücher über den Tod vor allem im Hinblick auf deren präventive oder das trauernde Kind unterstützende Brauchbarkeit und beschränken sich auf eine (religions-)pädagogische und didaktische Untersuchung.7 Wichtig sind neben auf den didaktischen Einsatz bezogene Erscheinungen, vor allem Werke, die sich dem Thema literaturwissenschaftlich oder analytisch widmen.8 Martina Plieth untersucht Bilderbücher über Sterben und Tod vor allem im Hinblick auf die religionspädagogische Praxis. Dabei nähert sie sich in „Kind und Tod“ (2001) und „Tote essen auch Nutella …“ (2013) kindlichen Todeskonzepten und -bildern. Sie analysiert verschiedene Bilderbücher literaturästhetisch und stellt Kriterien zu deren Untersuchung auf.
Auch verschiedene Zeitschriften und Themenhefte beziehen sich auf Bilderbücher, die den Tod thematisieren, wie das Themenheft „Du fehlst mir, Du fehlst mir …! Tod in der KJL“ (2010) der Reihe kjl&m. Darin und in weiteren Veröffentlichungen, wie zum Beispiel in denen des Deutschen Verbandes Evangelischer Büchereien e.V., finden sich eine Vielzahl von Empfehlungen.
Eine allgemeine, literaturwissenschaftliche, jedoch unsystematische, Untersuchung der Bilderbücher zum Tod versucht Florinne Egli in „Sterben und Tod in ausgewählten Bilderbüchern der Gegenwart“ (Untertitel). Sie betrachtet „33 zufällig ausgesuchte[…] Bilderbücher[…]“9 hinsichtlich verschiedener Kriterien. Egli untersucht dabei explizit verschiedene Personifizierungen des Todes.
Die bisher umfangreichste und systematische Erschließung des Themenkomplexes Sterben und Tod im Bilderbuch gelang Margarete Hopp in ihrer 2014 erschienenen Dissertation „Das Bilderbuch, der Tod und das Kind“. Sie verbindet eine ausführliche Theorie des Bilderbuches mit thanatologischen Grundlagen und bezieht ihre Erkenntnisse auf einzelne Bilderbücher.
Die vorliegende Arbeit baut auf den Erkenntnisfragmenten der einzelnen Untersuchungen zum Medium Bilderbuch und der Verarbeitung des Todes im Bilderbuch auf und konzentriert sich explizit auf Personifikationen in neuen Bilderbüchern. Damit kann eine momentane Forschungslücke stückweit gefüllt werden und fordert anschließende empirische Untersuchungen zur Wirkung der Bilder auf die Todeskonzepte einzelner Kinder.
III Das Medium Bilderbuch
Das Medium Bilderbuch ist die Projektionsfläche der Autoren und Illustrationen für die Verarbeitung der Thematik Tod und Sterben. In den folgenden Ausführungen sollen Bilderbücher in ihrer historisch entfalteten Spezifik, in den komplexen Darstellungsmöglichkeiten, den Chancen, Gefahren und Einsatzbereichen im Unterricht beschrieben werden. Zunächst bedarf es einer Eingrenzung, was das Medium Bilderbuch meint und inwiefern sich traditionelle Bilderbücher von den neuen Formen unterscheiden. Voraussetzung, um das Bilderbuch in seiner heutigen Aufbereitung zu fassen, ist ein Blick in die Entwicklungsgeschichte der Kinder- und Jungendliteratur und des Bilderbuches. Er deckt die jeweiligen Spannungsfelder und Strömungen auf, denen das Bilderbuch in seiner Entwicklung ausgesetzt war. Des Weiteren kristallisieren sich Erwartungen und Vorurteile, die dem Bilderbuch entgegen gebracht werden, heraus. Diese gilt es bei der Betrachtung der Auswahl und des Einsatzes von Bilderbüchern im Unterricht im Hinterkopf zu behalten, um Bilderbücher analysieren und erste Entscheidungen treffen zu können, welche Bücher eher oder weniger für Grundschulkinder geeignet sind. Interessant wird sich in diesem Zusammenhang zeigen, inwieweit die Auswahl bestimmter Bilder von Lehrkräften und die der Kinder, für die Bilderbücher in erster Linie bestimmt sind, übereinstimmen und welche veränderten Anordnungen neue Bilderbücher an Lehrkräfte bei deren Auswahl und Einsatz stellen.
III.1 Was ist ein Bilderbuch?
Jens Thiele, einer der führenden Bilderbuchtheoretiker umschreibt das Bilderbuch in Hinblick auf seine formalen Merkmale als „eine spezielle Untergattung der Kinderliteratur, die in der Regel 30 Buchseiten nicht überschreitet und sich durch eine enge Wechselbeziehung von Bild und Text auszeichnet. Das Bilderbuch richtet sich im Allgemeinen an Kinder, die noch nicht lesen können oder sich im frühen Lesealter befinden; nicht zuletzt deswegen kommt den Bildern im Bilder-Buch auch eine führende Rolle zu.“10 Diese von vielen Theoretikern übernommene und auch für diese Arbeit grundlegende Begriffsbestimmung orientiert sich vor allem an äußerlich erkennbaren Anzeichen, an der Gattungsspezifik, der Dominanz des Bildes und an dem für das Bilderbuch bestimmten Adressatenkreis. Das Bilderbuch kann in seiner heutigen Form nicht ohne den historischen Kontext betrachtet werden.11 Es erfuhr aufgrund verschiedener Strömungen, Kunstrichtungen und Ansprüchen, die als Maßstab an das Medium angelegt wurden und vielfältige Veränderungen. In einem kurzen geschichtlichen Rückblick wird das Spannungsfeld zwischen Ansprüchen der Pädagogik, des Bilderbuchmarktes und die der Kunst aufgezeigt. Verschiedene Qualitätskriterien, die im Laufe der Geschichte von unterschiedlichen Postionen festgelegt wurden, werden teilweise bis heute zur Bewertung von Bilderbüchern herangezogen.
III.2 Historischer Überblick
Das Bilderbuch ist ein „kulturelles Produkt der jeweiligen Zeit und Gesellschaft“12, „ein Spiegel der Entwicklung der Gesellschaft“13. Es durchläuft eine Entwicklung zwischen Einflüssen und Strömungen der jeweiligen Zeit und ihrer Denker, Didaktiker, Pädagogen und Künstler, verändert sich kurzzeitig oder dauerhaft. Es muss sich immer wieder im Spannungsfeld zwischen Kind und Pädagogik, Kunst beziehungsweise ästhetisches Ansprüchen und dem Kommerz des Buchmarktes austarieren.14 Zu jeder Zeit schufen Bilderbuchkünstler auch Bücher, die nicht in das Schema ihrer Entstehungszeit passten und andere Strömungen umsetzten. Diesen Werken verschloss sich der Bilderbuchmarkt häufig und setzte auf altbewährte Bücher. Entscheidend für die Ausdifferenzierungen des Bilderbuches sind auf Seite der Marktdynamik pädagogische Vorstellungen und vermutete Wahrnehmungs- und Sehbedürfnisse und -kompetenzen des Adressatenkreises15. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der „Kindgemäßheit“, die in verschiedenen Epochen sehr unterschiedlich beantwortet wurde. Entscheidend für Weiterentwicklungen des Bilderbuchs im künstlerischen Bereich ist weniger der Blick auf das Kind, sondern vor allem die Entdeckung des Bilderbuches als Medium durch die Künstler. Die Entwicklung des Bilderbuchs zu den Bezugspunkten Kind, Kunst/Kultur und Kommerz16 soll in den folgenden Ausführungen beleuchtet werden ohne jedoch angesichts der Knappheit der Überblickes auf einzelne Beispiele genauer einzugehen.
Erste bezahlbare, mit Bildern ausgestattete Bücher konnten nach der Erfindung des Buchdruckes 1445 erscheinen. Diese Bilderbücher waren nicht an Kinder, sondern an lesekundige Erwachsene adressiert. Sie gelten dennoch als Vorläufer der Bilderbücher, weil sie illustriert und auch von Kindern betrachtet wurden.17 Früheste Form der speziell an Kinder adressierten Bücher sind die seit dem 15. Jahrhundert erschienenen ABC-Bücher, die vor allem zum Erlernen des Lesens bestimmt waren.18 Ab Mitte des 17. Jahrhunderts etablierten sich illustrierte Sachbücher, wie das Lehrbuch „Orbis sensualium pictus“ des Pädagogen Johann Amos Comenius. In der Zeit der Aufklärung, die die Kindheit als selbstständige Phase, das Kind jedoch auch als „Erziehungsobjekt [betrachtete], das auf die Zeit als Erwachsener vorbereitet werden muss“19 verstand, entwickelte sich eine speziell an Kindern und Jugendlichen ausgerichtete Literatur, die vor allem als pädagogisches Instrument in der Erziehung diente. Meist traten in den Erzählungen kindliche Hauptprotagonisten auf, meist sehr besonnen, die von Erwachsenen begleitet wurden.20 Die Auffassungen der Aufklörung spiegeln sich bis heute in einer Gruppe von Bilderbüchern wieder.21
In der entgegengesetzten Richtung vertrat die Romantik ein idealisierten Kindheitsbild, das Kinder als unschuldige und göttliche Wesen verstand. Sie forderte von der Literatur, im Gegensatz zu den Aufklärern, keine pädagogisierende Moralisierung oder didaktischen Normen, sondern legte den Fokus auf das Ästhetische, Künstlerische und Phantastische.22 Die Bilder, die von dem neu hervorgegangenen Beruf des Berufszeichner, entworfen wurden, waren meist nur schmückendes Beiwerk der Bücher und richteten sich an neu entwickelten „bildnerischen Standards aus, die zum Inbegriff der leicht fassbaren, gefälligen Buchillustration wurden“23. Die Bilder sollten den Geschmack der breiten Bevölkerung treffen, Illustrationen waren zweckgebunden. Das Bilderbuch wird zum Massenprodukt, das das Kind als Bezugspunkt aus dem Blick verliert. Gesteigert wurde diese Anschauungsweise des Bilderbuchs zum Zweck der Unterhaltung in der Biedermeierzeit zwischen 1815 und 1848 und führte zu grotesken, kaum realistischen und kitschigen Bildern.24 Diese Bildästhetik verdeutlichte den Blick der Zeit, in der das Kind als unverdorben und naiv galt.
Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts konnte sich das Bilderbuch als eigene Gattung etablieren.25 Seit 1830 erschienen Bilderbücher für Kinder mit poetischen Gehalten wie beispielsweise Märchen.26 Das Kindheitsbild dieser Gattung verstand das Kinder als unschuldig und unberührt.27
Auf der anderen Seite entstanden erzählende Bilderbücher, wie der „Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann, die die biedermeierliche Erziehungsmoral aufnahmen und Kinder angesichts drohender Strafen vor Fehlverhalten warnten.28
Um 1900 etablierten sich Bilderbücher, die das Erleben von Kindern mithilfe vermenschlichter Tiere darstellten.29 Auch hier hatten die Bilder vorrangig eine veranschaulichende Funktion. Das bürgerliche Bilderbuch, in dem sich das Bürgertum selbst darstellte, breitete sich immer weiter aus. Trotz des Versuchs einer realistischen, lebensnahen Darstellung der Lebenswirklichkeit der Menschen, idealisierte diese Bilderbuchgattung das Familienleben und sparte viele Probleme der Menschen aus oder verharmloste Gefahren.30 Die Bilderbücher dienten vorrangig der Erziehung und Moralisierung der Kinder.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zogen mit der „pädagogischen Reformbewegung vom Kinde aus“31 und dem Jugendstil, der die Trennung zwischen Kunst und Leben aufheben wollte, neu dargestellte Lebenswelten und Themen, wie die soziale Ungerechtigkeit, in das Bilderbuch ein.32 Der Jugendstil legte den Schwerpunkt vor allem auf die Ästhetik der Bilderbücher und weniger auf die vermittelte Pädagogik. Pädagogen dagegen wollten die künstlerischen Ansprüche durch normative Standards, die klare, eindeutige Formen und Farben forderten, begrenzen. Malerei galt als für Kinder ungeeignet.33 Der Büchermarkt reagierte nur bedingt auf diese Strömungen und es entstehen weiterhin Werke, die an konservativen Rollenmustern und idealisierten Familienstrukturen und Lebenswelten festhielten. Auch in der ästhetischen Gestaltung der 1920er Jahre wurde das romantische Bild vom Kind übernommen, die Natur wurde idealisiert und Tiere vermenschlicht dargestellt, wie in dem Buch „Die Häschenschule“ (1924) von Fritz Koch-Gotha und Albert Sixtus nachzuvollziehen ist.34
Innerhalb der Zeit des Nationalsozialismus verbot die Zensur zahlreiche Bilderbücher. Es entstanden ideologiebesetzte Bilderbücher mit klaren pädagogischen Intentionen. Das Bilderbuch „Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid“ (1936) von Elvira Bauer spricht bereits im Titel von seinem Interesse, Juden zu verteufeln. Die Ästhetik der Bilder war dabei unbedeutend.
Nach dem zweiten Weltkrieg, sprich nach 1945 erschienen zunächst nur sehr wenige Bilderbücher.35 Angesichts des geteilten Deutschlands und der verschiedenen Schwerpunkte und Maßstäbe, die an die Bilderbücher angelegt wurden, müssen die zwei Stränge der Bilderbuchentwicklung in der DDR und BRD unterschieden werden.
Die BRD hielt in den 1950er und 1960er Jahren konservativ an bereits vor dem Krieg erschienenen Bilderbüchern fest und wehrte sich gegen alles Neue, experimentell Innovative.36 Kinder sollten im Bilderbuch in eine heile, fernab von ihren Problemen dargestellte Welt eintauchen können. Die Buchillustrationen richteten sich an der Zeit des Biedermeier aus.37 Die antiautoritäre Bewegung Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre nahm das Kind als Rezipienten stärker in den Blick, verbannte Strafen aus dem Bilderbuch, rief zum Kampf gegen Erwachsene auf und forderte für Kinder mehr Selbstbestimmungsrecht ein38. Ein Paradebeispiel der in dieser Zeit entstandenen Bilderbücher ist „Antistruwwelpeter“ (1970) von Friedrich K. Waechter. Das Kind wurde zum gleichberechtigten Gegenüber und gleichgestellten Mitglied der Gesellschaft.39 Im Zuge des entpädagogisierenden Blickes auf Kindheit entstanden neben den alten neue Qualitätskriterien für das Bilderbuch.40 Die neu herausgekommenen Bilderbücher konnten sich jedoch nur kurz auf dem Buchmarkt etablieren und diesen kaum nachhaltig prägen. Die Pluralität der Künste, auf die sich das Bilderbuch bezog, nahm in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren rasant zu. Die in den 1980er Jahren entstandenen Bilderbücher nahmen das Innenleben der Kinder verstärkt in den Blick. Die Illustrationen verdeutlichten die „Mediatisierung“41 des Bilderbuches, indem sie sich verschiedener neuer Gestaltungstechniken bedienten. Die digitalen Bildweiten entwickelten sich immer weiter und veränderten die visuelle, textuelle und inhaltliche Gestaltung der Bilderbücher. Ein Beispiel dafür ist das Bilderbuch „Der Aufstand der Tiere oder Die neuen Stadtmusikanten“ (1989) von Jörg Müller und Jörg Steiner, auf das später genauer eingegangen werden soll.
Wie auch in der BRD bewegte sich die DDR in den 1950er und 1960er Jahren weg von der freien Kunst.42 In der DDR diente die Kinder- und Jugendliteratur dem Staat als moralisierendes Erziehungsinstrument.43 Abstraktionen oder idyllisch fantastische Zeichnungen waren unerwünscht. Stattdessen sollten die Kinder im Bilderbuch inhaltlich und visuell der idealisierten gesellschaftlichen Realität begegnen.44 Die zwischen 1970 und 1980 entstanden Bilderbücher richteten sich entweder nach den vom Staat ausgearbeiteten Vorgaben, dienten belehrenden, erzieherischen Zwecken, wie zum Beispiel „So ein Struwwelpeter“ (1970) von Karl Schrader und Hans-Georg Stengel oder standen aktuellen gesellschaftlichen Zusammenhängen kritisch gegenüber, wie das Bilderbuch „Wenn die Katzen älter werden“ (1982) von Martin Karau und Ute Hipfel.45 Die IllustratorInnen orientierten sich teilweise an der bildenden Kunst. Die Bilderbücher dieser Zeit gelten als weitestgehend künstlerisch anspruchsvoll.46
Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands erfuhren die Bilderbücher der DDR zunächst mangelndes Interesse und hatten Mühe, sich auf dem Buchmarkt weiterhin zu behaupten.47 Am Ende der 1990er Jahren wurde renommierten, bekannten BilderbuchautorInnen der DDR neues Interesse entgegen gebracht und ihre Werke etablierten sich zu Klassikern des Bilderbuchmarktes.48 Der Themenkreis, der in Bilderbüchern aufgriffen wird, erweiterte sich unter anderem um die Tabuthemen „Tod“ und „sexueller Missbrauch“49, die in den Bilderbüchern auf unterschiedliche Weise umgesetzt wurden.
Seit den 1990er Jahren haben sich die Darstellungsmöglichkeiten von Text und Bild immens erweitert. Immer mehr Bilderbücher nehmen die vernetzenden, entgrenzenden und experimentellen Entwicklungstendenzen der Postmoderne auf.50 Die zu Beginn der 1990er Jahre als Qualitätsmerkmal bezeichnete Geschlossenheit des Bilderbuches, die eine eindeutige Darstellung und Verstehensweise forderte, wich einer neuen Offenheit, die in ihrer Vielfalt besser zu dem Erfahrungskontext der kindlichen RezipientInnen passte. Die Bilderbücher bedienten sich beispielsweise neuer mediale Erzählweisen. Sie nutzten ungewohnte Perspektiven, Ansichten und Effekte. Ein prägnanter Vertreter stellt das bereits erwähnte Bilderbuch „Der Aufstand der Tiere oder Die neuen Stadtmusikanten“ (1989) von Jörg Müller und Jörg Steiner dar. In den Bildern wurden Zeichen und Symbole der Medienkultur aufgegriffen (Abb.1).
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Abb. 1: Die Illustrationen bedienen sich Perspektiven aus der Filmtechnik und greifen Werbenamen unverändert auf ("Der Aufstand der Tiere oder Die neuen Stadtmusikanten")
Nicht nur Themen wie das Großstadtleben, Kommerz und Werbung wurden aus dem Kinderalltag entnommen und im Bilderbuch unterschiedlich verarbeitet, auch Tabuthemen wie sexueller Missbrauch oder Tod fanden vermehrt Einzug. Jacky Gleich beispielswiese zeichnete in ihrem Bilderbuch „Hat Opa einen Anzug an?“ (1994) mit expressiven Pinselstrich die realistische Welt eines Kindes, dessen Großvater gestorben ist (Abb.2).51
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Abb. 2: Der Sarg des Großvaters aus der Perspektive des Kindes ("Hat Opa einen Anzug an?")
Durch Illustratoren, wie Wolf Erlbruch fanden neue Stile Einzug in das Bilderbuch. In den von ihm illustrierten Bilderbüchern „Die Menschenfresserin“ (1996) und „Nachts“ (1999) mischt er die Stile Collage und Zeichnung52 und bedient sich Ausschnitte anderer Quellen (Abb. 3).
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Abb. 3: Erlbruch verwendet in seinen Collagen Schriftstücke aus anderen Zusammenhängen; hier besteht der Boden aus Zahlen einer Auflistung ("Die Menschenfresserin")
Dieses für seine Illustrationen signifikante Merkmal hat viele Nachahmer gefunden.
Lina Wolfsgruber griff mit dem Bilderbuch „Wolf oder Schaft – böse oder brav?“ (1996) neue Erzählformen auf, die mit dem bekannten Topos des „Wolfes“ und des „Schafes“ spielen.53 Im Buch sind beide Erzählstränge in Bild und Text voneinander getrennt. Die Autorin bediente sich intertextueller Verweise auf zum Beispiel andere Märchen, wie Rotkäppchen, indem der Wolf ebenfalls auftritt. Diese Vorlagen werden aus ihrem alten Kontext entnommen und ganz neu zusammengesetzt. Das Buch lässt sich mehrdeutig lesen und weist intendierte Leerstellen auf, die der Betrachter selbst füllen kann.
Die Veränderungen der 1990er Jahren setzen sich fort und differenzieren sich aus. Deshalb sollen die wenigen Beispiele genügen und neue Bilderbücher in ihrer Spezifik vorgestellt werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse dienen als Grundlage für die Analyse der Bilderbücher meines Korpus´.
III.3 Bilderbücher heute
III.3.1 Ausgangspunkt
Bilderbücher haben eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich, eine Geschichte „zwischen Abwehr und Öffnung […], eine Geschichte der verpaßten Chancen und einer potentiellen Kraft des Mediums“54. Sie nahmen bestimmte pädagogische Ansprüche, Kindheitsbilder und Kunstströmungen auf und wehrten andere ab. Wie lässt sich die Vielzahl der Bücher des Bilderbuchmarktes heute unterscheiden? Was macht die Spezifik postmoderner Bilderbücher aus?
III.3.2 Typologische Einordnung
Klar abgrenzbare, eindeutige und dennoch der Spezifik des einzelnen Bilderbuches gerecht werdende Typologien innerhalb der Vielfalt und Komplexität des Bilderbuchmarktes zu formulieren, ist schwierig. Meist vermischen und überschneiden sie sich oder es gibt einzelne Bilderbücher, die sich nicht in starre, vorgefertigte Raster einfügen lassen. Der Wert einer Typologie liegt aber in der Erstellung einer Ordnung angesichts eines unübersichtlichen Bilderbuchmarktes. Von Bilderbuchkritikern formulierte Kategorien unterscheiden sich hinsichtlich verschiedener Merkmalen, die sich auf die äußere Erscheinungsform, das Material, verwendete bildnerische Techniken, pädagogische Ansprüche oder inhaltliche Kriterien beziehen. Viele Einteilungen sind jedoch unsystematisch, überschneiden sich und werden nicht konsequent durchgehalten. Thiele differenziert allgemein zwischen „erzählenden Bilderbüchern“, mit narrativem Charakter und dem „Sachbilderbüchern“55. Inhaltlich ist eine weitere Differenzierung im Hinblick auf den Realitätsbezug zwischen fantastischen und realistischen Erzählungen möglich. Eine Untergattung der realistischen Bilderbücher stellen Problembilderbücher dar, die sich Tabuthemen wie sexuellen Missbrauch, Gewalt oder Tod annehmen56. Im Folgenden soll Thieles Typologie, die durch die literarische Forschung bestätigt wurde, Grundlage der weiteren Auseinandersetzung der Bilderbücher des für die Untersuchung ausgewählten Korpus´ sein. Diese lassen sich alle den erzählenden realistischen Bilderbüchern zuordnen und beziehen phantastische Elemente mit ein.
Bilderbücher unterscheiden sich weiterhin hinsichtlich ihrer inhaltlichen, ästhetischen und literarischen Offenheit und Qualität. Dabei differenziert man zwischen offenen und geschlossenen Bilderbüchern. Seit den 1990er Jahren entsteht eine eigene Untergattung von Bilderbüchern, in denen ohne Begrenzungen mit Darstellungs- und Erzählformen, dem Aufgreifen und Verarbeiten von Themen und Gestaltungsmitteln experimentiert wird, die sogenannten offenen oder „neuen Bilderbücher“. Von einigen Bilderbuchtheoretikern werden sie auch „künstlerisch und inhaltlich anspruchsvolle Bilderbücher“57 oder von Halbey als „Postmoderne Bilderbücher“58 bezeichnet. Auf der anderen Seite begegnet man den sogenannten geschlossenen „Waren-/ Kaufhausbilderbüchern“59, in denen vor allem stereotype, verniedlichte Protagonisten in klischeebehafteten Handlungsverläufen agieren. Die dargestellten Welten sind harmonisch und idealisiert. IllustratorInnen verwenden häufig grelle Farben und klaren Konturen. Die Bilder haben nur dienende Funktion und bilden keinen eigenen Erzählstrang. Die Intentionen und pädagogischen Funktionen des Bilderbuches treten klar h3rvor, das Bilderbuch wird zu einem zweckgebundenen preislich erschwinglichen Gebrauchsgegenstand, der sich in seiner spezifischen Ästhetik nur bedingt entwickeln kann. Ansprüche, die an die Qualität „Waren-/ Kaufhausbilderbücher“60 gestellt werden, haben ihre Ursprünge in der Geschichte des Bilderbuches, vor allem der Zeit der Reformpädagogik. Kaufhausbilderbücher dürfen jedoch nicht vor schnell verteufelt werden, sondern können beispielsweise auch der Leseförderung dienen. Im Hinblick auf den Einsatz von Bilderbüchern mit Rahmen des Grundschulunterrichts muss jedoch kritisch hinterfragt werden, ob Kaufhausbilderbücher ähnliche ästhetische Potentiale offerieren, wie es neue Bilderbücher ermöglichen.
III.3.3 Neue Erzählformen in Text und Bild und innovative Bild-Text-Beziehungen
Von den Standards der Kaufhausbilderbücher, die den Ansprüchen eines Massenartikels gerecht werden müssen und den Geschmack der breiten Bevölkerung treffen müsse, emanzipieren und distanzieren sich eine Vielzahl von AutorInnen und IllustratorInnen. Sie betrachten das Bilderbuch nicht als ein pädagogisches Instrument, sondern als ein „hoch komplexes ästhetisches Gebilde“61. Sie entfernen sich von dem geschlossenen Bilderbuch, das klare pädagogische Ziele verfolgt und den Kriterien des Komerzes folgt und öffnen sich der vielfältigen thematischen, textuellen und bildnerischen Darstellungsmöglichkeiten.62 Sie reagieren auf veränderte Seh- und Wahrnehmungskompetenzen des kindlichen Rezipienten und beziehen ihn als Teilnehmer, „kreativer Betrachter“63 und aktive Mitgestalter eines ästhetischen Erfahrungsprozesses mit ein.
Moderne Bilderbücher verbinden die medialen kindlichen Erfahrungen und sind die „Gelenkstelle zwischen Alt und Neu“64. Sie verbinden bekannte Traditionen, wie zum Beispiel Märchenstoffe, denen bereits die Kleinsten begegnen, mit neuen Medien und stellen Bekanntes in andere Zusammenhänge. Claudia Blei-Hoch bezeichnet es als „Spiel mit dem Bekannten“65. Diese Intertextuelle Bezüge werden durch die BilderbuchkünsterInnen aufgegriffen und bewusst verändert. Tradierter Topen, mit scheinbar festgelegten Charakterzügen werden aufgebrochen und neu zusammengesetzt. Die AutorInnen und IllustratorInnen spielen mit den gelenkten Erwartungshaltungen des Lesers, die sich in einer Vielzahl der Bilderbücher nicht erfüllen. Figuren treten ungewohnt kontrastierend auf. Der Tod, ein scheinbar übermächtiger Charakter begegnet in drei Bilderbüchern des ausgewählten Korpus´ einem wehrlosen Mädchen.66 Diese „Gegensatzpaare“ lösen Irritation, Komik und Spannung aus.67 Neben bekannten Topen bedienen sich die Bilderbücher Stilen, Darstellungsmitteln, Zitaten oder Verweisen aus Literatur und anderen Künsten. Dabei vermischen sich die von Thiele herausgearbeiteten bildnerischen Stilformen des „grafischen Stils“, des „malerischen Stils“, der „Karikatur“, des „Fotorealismus´“, der „Abstraktion“ und der „Collage“68 unbeschwert miteinander. Neben den hybriden Mischformen mehrerer Stile erkennt man dennoch Spezifika einzelner Künstler. Die neuen Erzählformen lassen Bilder und Texte mehrdeutige Aussagen treffen, ermöglichen mehrere Lesarten und können nicht auf einem Blick und vor allem keinesfalls losgelöst voneinander erschlossen werden. Der Text ist in einzelne Fragmente zerbrochen, die durch den Leser aktiv zusammengesetzt werden müssen. Auch die Bilder sind sehr offen gestaltet und können nicht mit einem flüchtigen, oberflächlichen Blick erfasst werden. Sie fordern das Kind zur aktiven Konstruktion und Meinungsbildung heraus.
Bild und Text zeigen sich in postmodernen Bilderbüchern in neuen Verbindungen. Thiele plädiert für die Verwendung des Begriffes „Bild“ anstatt „Illustration“.69 Der Illustration, der historisch eine bebildernde und eine den Text ausschließlich ergänzende Funktion innewohnte, gelang die Emanzipation als gleichberechtigt zum Text stehender Erzählstrang bis hin zur „visuellen Narration“70, in der Bilder über Seiten hinweg im Alleingang erzählen. Thiele unterscheidet bei den neu entstandenen vielfältigen Beziehungen zwischen Text und Bild zwischen „Parallelität“, „kontrapunktischer Korrelation“ und einem „geflochtenen Zopf“.71 Laufen Text und Bild parallel zueinander, treibt der Text vor allem die Handlung weiter und das Bild stellt einzelne Situationen dar. Die Kontrapunktische Erzählweise zeichnet sich durch die Widersprüchlichkeit von Bild und Text aus. Der Leser wird aufgefordert, die dramaturgischen Erzählweisen genau zu betrachten und sich der Spannung bewusst zu werden. In einem „geflochtenen Zopf“ können Bild und Text nicht losgelöst voneinander existieren. Die Geschichte wird entweder durch das Bild oder durch den Text erzählt, sie wechseln sich ab und bilden dabei ein Ganzes, bestehend aus textlichem und nicht-textlichem Code.72 Thiele weist auf das „Dazwischen“73 von Bild und Text hin als genau dem Moment, der zwischen den beiden Ebenen liegt. In neuen Konzeptionen verschmelzen Bild und Text soweit, dass die Schrift in das eigentliche Bild einfließen kann und ein Teil von ihm wird. Text und Bild sind nicht mehr zwingend räumlich getrennt, sondern häufig ineinander verknüpft. Die Folgen für die Rezeption müssen separat untersucht werden. Dieser neuen Form der Typografie wendet sich beispielsweise Karin Vach in dem Artikel „Typographie im Bilderbuch“ zu.74
III.3.4 Neuer Adressatenkreis, mediale Einflüsse und Medienkonvergenzen
Die anspruchsvollen literarischen und bildästhetischen Gestaltungen neuer Bilderbücher führen zur Erweiterung des Adressatenkreises. Das Bilderbuch „hat sein Image als Kunst zweiter Klasse abgestreift“75 und den jugendlichen und auch den erwachsenen Leser als „Leser, Liebhaber und Sammler von Bilderbüchern“76 gewonnen. Angesichts dieser Entwicklung dürfen jedoch nicht die spezifischen entwicklungsbedingten Fähigkeiten in der Wahrnehmung, Verarbeitung und im Verstehen der Kinder77 aus dem Blick geraten. Das ist nicht zu verwechseln mit einer rückläufigen „kindgemäßen“, komplexitätsentleerenden Vereinfachung des Inhalts oder der Darstellung.
Das neue Bilderbuch hat nicht nur an einer neuen „Sinnschicht“78 gewonnen, die sich vor allem den erwachsenen LeserInnen öffnet. Neuen Bilderbüchern wird die Beschreibung als „doppelsinnig“ nicht mehr gerecht. Sie lassen in ihrer neu gewonnenen Offenheit nicht nur auf zwei, sondern viele weitere Lesarten zu.
Das Bilderbuch steht in Kommunikation und Wechselbeziehungen zu seinem medialen Umfeld79. Mit dem „Medienwechsel“80, dem Experimentieren mit neuen Techniken und dem Überschreiten zur Kunst reagiert es auf die „medialen Bildsprachen und offeneren Erzählkonzepte“81 von Film, Fernsehen, Computer und anderen digitalen Medien und geht auf veränderte Sehgewohnheiten von Kindern ein. Die Illustratoren experimentieren mit extremen Blickwinkeln, Perspektiven, Ansichten und Bildmontagen.
III.3.5 Themenwandel
Neue Bilderbücher sparen Tabuthemen wie sexuellen Missbrauch, Krieg, Gewalt oder Tod nicht aus. Sie thematisieren aktuelle, die Realität von Kindern betreffende Probleme. Die Aufarbeitung der problematischen Lebenssituationen und -bedingungen hat sich in den letzten Jahren stark verändert und lässt vielfältige Bearbeitungsweisen zu. Stereotype Rollenmuster und tradierte Strukturen werden aufgebrochen und in einer Vielfalt verarbeitet. In diesem Zusammenhang veränderte sich ebenfalls die Verarbeitung der Thematik Sterben und Tod im Bilderbuch. Inwiefern sich die Herangehensweise an das Thema und die Sicht auf den kindlichen Betrachter, die Darstellung des Todes und seine dem Leben zugeschriebene Bedeutung gewandelt haben, wird die Untersuchung dieser Arbeit ein Stück weit aufdecken.
III.4 (Neue) Bilderbücher in der Grundschule?!
III.4.1 Bilderbücher in der Familie und im Anfangsunterricht
Bilderbücher gehören zu den ersten Erfahrungen eines Kindes mit Literatur, ein Vorgeschmack, der späteres Interesse nachhaltig prägen kann. Meist eingebettet im Rahmen sozialer Nähe und Geborgenheit können Bilderbücher sinnlich wahrgenommen werden. Zwischen dem Kind und dem Vermittler, anfangs vor allem einem Eltern- oder Familienteil, baut sich emotionale Nähe auf. Damit unterstützt die Bilderbuchrezeption psycho-soziale Aspekte.82 Eltern und Kinder erleben etwas gemeinsam. Vorlesen wird zum Dialog, in dem sprachliches Lernen stattfindet und sich Kinder automatisch literale Praktiken, beispielsweise, wie man ein Buch hält oder durchblättert, aneignen.83 Das Kind kann narrative Erzählstrukturen nachempfinden und selbst erproben. Die Bilder lassen sich dabei, anders als die angesichts einer immer schneller werdenden digitalen Welt vorbeirennenden visuellen Eindrücke, im eigenen Rhythmus, auch mehrmals, betrachten. Das Bilderbuch wird zum Medium des Genusses, das zum Eintauchen in ferne Welten einlädt und die Fantasie beflügelt. Es bietet Sinn- und Identifikationsangebote und kann zum Beispiel zur Gesprächshilfe und zur Lösungsfindung eines Problems eingesetzt werden. Diese positiven Eigenschaften des Mediums sprechen zunächst für die Bedeutung des Bilderbuch in der Entwicklung des Kindes im Allgemeinen, unabhängig von seinem Einsatz im Schulalltag. Hatte ein Kind vor Schuleintritt nicht diese reiche Fülle an Erfahrungen mit Bilderbüchern und keinen Kontakt mit konzeptioneller Schriftlichkeit, kann die Rezeption von Bilderbüchern kompensatorisch wirken. Vor allem die Unterstützung durch die visuelle Ebene ermöglicht ein leichteres Heranführen. Über die kompensatorische Funktion des Bilderbuches hinaus gibt es weitere Gründe, Bilderbücher im Bereich des Anfangsunterrichtes und weit darüber hinaus als festen Bestandteil des Schulalltags zu betrachten. Die Rezeption von Bilderbüchern ermöglicht das Erlernen vieler Grundlagen für den Lese- und Schriftspracherwerb, wie zum Beispiel Einblicke in das System der Schrift84 und deren Konventionen. Die phonologische Bewusstheit des Kindes, das heißt, „die Fähigkeit der Kinder, die Lautstruktur der gesprochenen Sprache zu analysieren und damit operieren zu können“85 und die Buchstabenfunktionen zu verstehen, werden gefördert. Das Buch fungiert als Brücke zwischen konzeptionell mündlichem und konzeptionell schriftlichem Sprachgebrauch, der von der Alltagssprache abweicht. Die Rezeption von Bilderbüchern kann die Weiterentwicklung des Wortschatzes, grammatischer und pragmatischer Fähigkeiten, wie beispielsweise das Erlernen von Ironie und Lügen, unterstützen.86 Kinder haben die Möglichkeit, narratives Erzählen selbst auszuprobieren und mit Hilfe der dargestellten Bilderbuchwelten erste literarische Motive und Formen, innere und äußere Textmuster und -strukturen87 und poetische Gehalte kennenzulernen. Das Bilderbuch in seiner großen Vielfalt an Textsorten ermöglicht damit eine frühe literarische Bildung. Bilderbücher fördern außerdem die kognitive Entwicklung, indem sich der Rezipient beispielweise des ablaufenden Zeitraumes bewusst wird, die emotionale Entwicklung, wenn sich das Kind zum Beispiel in Figuren hineinversetzt und auch die ästhetische Entwicklung, auf die an späterer Stelle explizit eingegangen wird.
Mittlerweile ist das Bilderbuch, vor allem im Anfangsunterricht, fester Bestandteil der Grundschule. Bis in die 1990er Jahre diente es der deutschen Didaktik in erster Linie als pädagogisches Instrument mit dem Ziel, das Kind zu erziehen und zu sozialisieren.88 Auf der anderen Seite sah man es angesichts der Bildlichkeit als geeignetes Objekt, um Kinder an das Lesen heranzuführen. Auch ungeübte Leser konnten aufgrund des übersichtlichen Textumfanges zum Lesen motiviert werden.
III.4.2 Vielfältige Einsatzbereiche
Bilderbücher bieten sich nicht nur für den Einsatz im anfänglichen Deutschunterricht an. Da sie vielfältige Einblicke in die eigene und in andere Kulturen zulassen, sind sie ein für den Fremdsprachenunterricht geeignetes Lehrmittel.89 In Sachunterricht, im Religionsunterricht oder im Mathematikunterricht dient das Bilderbuch meist als Anlass und Einstieg in eine Thematik und als Vermittler von Lösungen verschiedener Probleme oder als Abschluss einer Thematik. Das Bilderbuch wird damit zum „Vehikel und Anstoß für die Auseinandersetzung mit einem Thema/Problem“90. Bilderbücher dienen in diesem Zusammenhang als Gesprächsauslöser und Impulsgeber. Sie können Kinder dabei unterstützen, Vorstellungen auszubilden. Tholen spricht in diesem Zusammenhang von der „vorstellungserzeugenden Funktion“91. Im Sinne des „Philosophierens mit Kindern“92 betrachtet man das Kind als fähig, sich die eigene Wirklichkeit zu konstruieren und abstrakt über Begriffe zu sprechen. Auf viele Fragen lassen sich keine schnellen, einfachen und klaren Antworten geben. Mithilfe der Bilderbücher können die Kinder Wirklichkeit stückweit eigenständig konstruieren, austesten und möglicherweise wieder verwerfen. Bilderbücher geben dem Kind Informationen der Welt an die Hand, veranschaulichen verschiedene Zeiten, interpretieren Weltzusammenhänge und bewirken Denkprozesse, die Kinder herausfordern, selbst Stellung zu bestimmten Themen einzunehmen.93 Bild und Text vermitteln immer eine bestimmte Vorstellung und Meinung, mit denen sich die Kinder auseinandersetzen müssen. „Die Suchbewegungen der Kinder [nach ihrer Wirklichkeit] brauchen dabei Spielräume.“94 Diese Spielräume eröffnen viele Bilderbücher, indem Kinder im Bilderbuch auf Lebenswelten und Zusammenhänge treffen, die ihre Vorstellungen von Wirklichkeit ändern und bereichern.95
Bilderbücher regen nicht nur zum Nachdenken, sondern auch produktiven Weiterarbeit, wie dem szenischen Spiel oder zu verschiedenen Formen des kreativen Schreibens, an. „Bilderbücher sind in ihrem Wesen fächerübergreifend. Sie vereinen Literatur und Kunst“96, in dem das Medium an sich zwei Erschließungsebenen aufweist. Auch andere Fächer verbinden sich in Thematiken oder Umsetzungen einzelner Bilderbücher. Ebenso bieten sie „mediendidaktisch“97 gute Anknüpfungspunkte, da sie vielfältige Bezüge und Adaptionen zu anderen Medien aufweisen. Im Hinblick auf Umwelterziehung leisten Bilderbücher ihren Beitrag, wenn sie das Interesse an Natur wecken, Kinder für diese sensibilisieren und eine Haltung einzunehmen.98
III.4.3 Bilderbücher als ästhetisch komplexe Gebilde und Visual Literacy
„Obwohl das Bilderbuch im Anfangsunterricht [und darüber hinaus]eine immer größere Rolle spielt, wird in den entsprechenden Unterrichtsmodellen und Lehrmaterialien in der Regel nicht auf die Bilder und deren inhärente Symbolik und Codifizierung eingegangen.“99 Bilderbücher werden oft funktionalisiert. Thiele stellt bereits 2003 fest, dass LehrerInnen Bilderbücher meist aus literaturpädagogischen und -soziologischen Gründen einsetzen100 und im Hinblick auf ihre didaktische Funktion. Dieser Erkenntnis entsprechen auch die Beschreibungen der bisher vorgestellten Ansätze und Einsatzmöglichkeiten, die vor allem der Inszenierung von Lernprozessen dienen. Diesem einseitigen Umgang mit Bilderbüchern wohnt die Gefahr inne, es als ein Objekt, mit dem sich bestimmte Ziele realisieren lassen, zu instrumentalisieren. Diese „komplexitätsreduzierende Funktionalisierung“101 wird dem neuen Bilderbuch nicht gerecht. Kruse und Sabisch fordern ein neues Herantreten an das „bild- und sprachästhetische Potential“102 des Bilderbuches, indem es nicht nur als Lehrmittel, sondern als eigener Unterrichtsgegenstand mit seiner Spezifik betrachtet wird.103 Erst in den beiden letzten Jahren gab es Diskussionen der Deutschdidaktik über Potentiale und Herausforderungen104 die veränderte Angebote und ästhetische Entgrenzungen der postmodernen Bilderbücher mit sich bringen.105 Das Bilderbuch sollte Bestandteil der ästhetischen Bildung, einer „Sehschule“106 des Kindes werden, das eine Verknüpfung und Vermittlung zwischen verschiedenen Fachrichtungen ermöglicht.
Mechthild Dehn spricht im Zusammenhang mit veränderten Rezeptionsbedingungen, die das neue Bilderbuch vom Betrachter fordert, von der sogenannten „Visual Literacy“107, der „Fähigkeit, Bilderkritisch zu betrachten, zu interpretieren, zu kreieren und als Kommunikationsgrundlage zu nutzen“108. Sie betrachtet das Sehen von Bildern als Konstruktionsprozess, der Imagination und innere Vorstellungen auslösen kann.109 Bilder, die immer in einem komplexen „Text-Bild- beziehungsweise Bild-Text-Gefüge“110 stehen, können nur intensiv wahrgenommen werden, wenn sich der Betrachter für diese interessiert. „Bildwahrnehmung ist immer auf Normalisierung ausgerichtet.“111 Das bedeutet, wenn das Kind das Bild bereits mit einem schnellen, oberflächlichen Blick erschließen kann, wird es sich nicht weiter damit auseinandersetzen. Es bedarf der Irritation, die einen vorschnellen, flüchtigen Blick des Kindes und eine zu schnelle „Normalisierung“ verhindert. Der Irritationsprozess, der durch die Rezeption neuer Bilderbücher ausgelöst werden kann, ermöglicht ein intensives Arbeiten mit den ästhetischen und literarischen Gehalten des Buches. Kinder müssen sich auf die Erfahrungen der Mehrdeutigkeit, Unsicherheit und Widersprüchlichkeit erst einmal einlassen und diese aushalten. Sie werden ins Nachdenken versetzt und ihr Weltverständnis gerät ins Wanken, Zusammenhänge müssen neu ausgehandelt werden. Die Chancen der Irritationen können sich nach neusten Studien112 vor allem in offenen und weniger in regulären, gelenkten Situationen entfalten.113 Das gelenkte Gespräch mit seinen vorformulierten Aufgabenstellungen, dem vorherigen Klären einzelner Begriffe und Zusammenhänge verhindert den ertragreichen Augenblick des „Nicht-Verstehens“.114 Dieser Moment stellt jedoch nachweislich eine gute Grundlage für die weitere Beschäftigung mit dem Bilderbuch dar. Alexandra Ritter konnte in Untersuchungen zeigen, dass mit zunehmender Komplexität der Erzählstrukturen auch die Intensität der Auseinandersetzung der Kinder mit dem Bilderbuch wächst.115 Und dieses intensive Beschäftigen macht es erst möglich, das Bilderbuch in seiner Vielschichtigkeit und Komplexität zu begreifen.
III.4.4 Wählen Kinder und LehrerInnen die gleichen Bilderbücher aus?
Bilderbücher werden für vor dem Einsatz im Unterricht meist nicht von den Kindern selbst, sondern von der Lehrkraft ausgewählt. Michael Sahr beschreibt die Rolle der Lehrkraft als „Vorkoster“116, der ein Buch testen, beurteilen und auswählen muss, bevor er es an Kinder weitergibt. Die Auswahl unterliegt den individuellen Einstellungen, Wertvorstellungen, Geschmack und der Einschätzung, was für das Kind angemessen sei. Die Ansichten, welche Darstellungen und Aufarbeitungen den Wahrnehmungs- und Verstehenskompetenzen von Kindern entsprechen und pädagogisch geeignet sind, resultierten stark aus der gesamten Entwicklung des Bilderbuches, besonders der Zeit der Reformpädagogik. Oft wählen LehrerInnen auch die Bücher aus, an die sie sich als Teil der eigenen Kindheit gerne erinnern117 und greifen auf Bekanntes zurück, mit dem sie Erfahrungen sammeln konnten. Bei der Beurteilung, welche Bilder der kindlichen Rezeption entsprechen, begegnet man bei Lehrkräften oft der Vorstellung, dass für Kinder zu Anfang einfache und erst später komplexer werdende Bilder geeignet seien.118 Dabei gehen die pädagogischen Vorstellungen der LehrerInnen und die Bedürfnisse und Interessen der Kinder weit auseinander.119 Karin Richter und Leonore Jahn konnten diese Divergenz in einer Untersuchung feststellen, in der LehrerInnen und Studierende ein nach ihrer Sicht für Kinder angemessenes Bild aus einer Bilderreihe zu einer Szene des Märchens „Nussknacker und Mausekönig“ von E. T. A. Hoffmann auswählen sollten.120 Fast alle Befragten griffen zu den „einfachen“.121 Sie orientieren sich an Maßstäben vergangener Jahrzehnte wie der einfachen und klar strukturierten Gestaltung und Eindeutigkeit122 der Texte und Bilder.123 Die Kinder dagegen entschieden sich häufig für die anspruchsvolleren Gestaltungen.124 Thiele formuliert das Problem der Divergenz der Auswahl von Bilderbüchern durch Lehrkräfte/LehramtsanwärterInnen/Studierende und Kinder sehr treffend: „Wir projizieren unsere Schwierigkeiten im Umgang mit Abstraktion oder mit einer bestimmten Kunstnähe auf das Kind und dessen Wahrnehmung von Bildern. Kinder sind aber zunächst unbefangen, offen und neugierig.“125
Kinder motivieren gerade die komplexeren Bilder zur weiteren Auseinandersetzung. Diese Darstellungen lösen Interesse, Faszination, Fragen, Irritationen, Ratlosigkeit oder auch Frustration aus.126 Lusi Savas weist darauf hin, dass Bilder „von Kindern vor allem dann präferiert [werden], wenn diese für sie subjektiv bedeutsam sind und formale und inhaltliche Anknüpfungspunkte an ihre konkrete Alltags- und Lebenswelt bieten, d.h. wenn subjektive Realitätserfahrungen, wie z.B. Erinnerungen, (Vor-) Erfahrungen, Emotionen, Identitätsbilder, Hobbys, Träume und Wünsche in einem Bild zu finden sind.“127 Ist das Bild zu ungewohnt und finden Kinder keine Anknüpfungspunkte und keinen Zugang, kann es zur Resignation und Ablehnung des Bildes kommen. Daraus darf allerdings nicht geschlossen werden, dass Kinder zu einfachen und klaren Bilderbüchern tendieren, vielmehr sollte diese Erkenntnis als Anreiz dienen, Kinder mit dem neuen Medium und seiner Spezifik bekannt zu machen. Das Bilderbuch wird zum „fragwürdigen Kulturgegenstand […], der zum Befragen einlädt und herausfordert“128.
III.4.5 Veränderte Anforderungen an LehrerInnen
Die veränderte Rezeption, die neue Bilderbücher einfordern, bedarf eines offenen Unterrichts und verändert die Rolle des erwachsenen Vermittlers.129 LehrerInnen sollten ihre Vorurteile abbauen, brauchen neue Auswahlkriterien für die Bilderbücher. Sie müssen sich gegenüber der speziellen Ästhetik und sprachlichen Gestaltung des Buches und der Suchbewegungen der Kinder öffnen. Lehrkräfte sollten die veränderte medialen Einflüsse und Sehkompetenzen bei der Auswahl von Bilderbüchern mit in den Blick nehmen. Es bedarf einer so Ulrich Schmitz „ruhelosen, forschenden und erprobenden Haltung“130, einer ästhetischen Annäherung, die das Bilderbuch als „Objekt […] frei von praktischen, zielorientierten Interessen betrachtet“131, als einen Gegenstand der an sich „hörenswert und sehenswert, lesenswert oder schmeckenswert“132 ist. Das bedeutet zunächst von der subjektiven, vorschnellen Auswahl abzusehen und sich intensiv mit dem Text- und Bildmaterial auseinanderzusetzen. In der Zusammenarbeit mir SchülerInnen im Unterricht besitzen LehrerInnen aufgrund der vielfältigen Lesarten neuer Bilderbücher nicht mehr die eine allein richtige Deutung und begegnen im Laufe der Rezeption auch für sie neuen „Wahrnehmungs- und Deutungsmöglichkeiten“133.
Welches Bilderbuch für Kinder geeignet oder ungeeignet oder noch plakativer „gut“ oder „schlecht“ ist, lässt sich mit keinem Kriterienregister allgemein und für alle kindlichen Leser sagen. Jedes Bilderbuch bedarf einer eigenen Analyse der verschiedenen Handlungsebenen.134 Prinzipiell kann eine Lehrkraft bei der Wahl eines Bilderbuches pädagogische und ästhetische Kriterien betrachten, um die literarische, thematische und bildliche Qualität eines Bilderbuches zu betrachten. Spannend bei der Auswahl von Bilderbüchern ist zunächst die Frage, welche Vorstellungen von Kindheit das Bilderbuch impliziert.135 Wird das Kind belehrt? Wird ihm zugetraut, aktiv den Erfahrungsraum Bilderbuch mitzugestalten? Lässt das Bilderbuch bewusst Leerstellen, die der kindliche Leser füllen kann? Welche Rolle übernehmen erwachsene Figuren im Bilderbuch? Hat das Bilderbuch klare pädagogische Intentionen und dient einem bestimmten Zweck? Vermittelt es explizit oder implizit Erziehungsziele?136 Neben diesen pädagogischen Kriterien, gilt es, ästhetische Fragen an das Bilderbuch zu stellen. Das (neue) Bilderbuch will als ästhetisches Objekt betrachtet werden, das zunächst keinem pädagogischen Zweck dient.137 Auch wenn es sich in der Praxis nicht immer vermeiden lässt, sollte ein Bilderbuch zunächst unabhängig von seinem geplanten Einsatz angeschaut werden. Die Bild- und Textebene neuer Bilderbücher spiet mit stereotypen Mustern und Rollenzuweisungen, die Erzählformen sind offen und komplex, bildnerische Stile sind vermischt und nutzen bewusst eingesetzte Effekte, um über den Text hinaus selbst zu erzählen, Text und Bild stehen in völlig neuen Zusammenhängen.138 Diese Bilderbücher lassen sich (auch nicht von Erwachsenen) mit einem Blick erfassen und in ihrer Aussage deutlich einordnen, sie verwirren häufig zunächst und irritieren den Betrachter. Sie fordern die Wahrnehmungsgewohnheiten enorm heraus. Dieses irritierende Moment sollte man jedoch nicht als Grund sehen, sich nicht näher mit dem Bilderbuch auseinanderzusetzen, sondern als Anreiz es durchdringen zu wollen. Dafür sind neue analytische, rezeptorische und vermittelnde Kompetenzen notwendig. Die Lehrkraft darf die ästhetischen und rezeptorischen Fähigkeiten der SchülerInnen, die sich auch unter den vielfältigen medialen Einflüssen dieser Zeit verändert haben, nicht unterschätzen und Bilderbücher nicht hinsichtlich einer falsch verstandenen, unterfordernden Einfachheit auswählen.139 Die dargestellten Lebenswelten sollten nicht kitschick, verniedlicht, verklärend und idealisierend harmonisch, sonder realistisch dargestellt werden. Realistisch bedeutet in diesem Kontext kein unangemessenes Abbilden komplexer Zusammenhänge der Politik, Wirtschaft oder in Bezug auf persönliche Krisensituationen, sondern versteht sich im Sinne eines „verbildlichenden Prinzips“140, das sich durchaus auch phantastischer Elemente bedient, um Gefühlszustände und Zusammenhänge zu erklären. Das ist außerdem notwendig, da sich Wirklichkeit nie direkt abbilden lässt und der Darstellung von Spannungen, Widersprüchen und Gegensätzen bedarf.141 Ein mögliches Analysemodell wird in an späterer Stelle vorgestellt (Kap. V.6).
IV Thanatologische Grundlagen/ Der Tod
In den folgenden Ausführungen beleuchten den thematischen Gegenstand, die die ausgewählten Bilderbücher verarbeiten. Interessant erscheint dabei zunächst die Frage, nach den Begriffen Tod und Sterben, um den personifizierten Tod fassen zu können. Seine Wirkung und die Anschauung die Menschen von ihm haben, resultieren aus ihren Vorstellungen eines möglichen Todesdanach. Unterschiedlichen Konzepte müssen zusammengetragen werden. Sie geben Aufschluss über die Rolle, die ihm am Lebensende zukommt. Menschen haben ihre inneren Bilder und Charakterzuweisungen des Todes in Kunst und Literatur verarbeitet. Zeugnisse verschiedener Zeit können Aufschluss darüber geben. Auch Kinder sind sehr empfänglich für Bilder und besitzen schon frühzeitig Vorstellungen vom Tod. Überblicksartig soll die Reifung des Todeskonzeptes dargestellt werden, um kindliche Hoffnungs- und Schreckensbilder aufzudecken und Bilderbücher hinsichtlich ihrer Darstellungen untersuchen zu können. Um die Entwicklung des Todeskonzeptes nachvollziehen zu können, ist es notwendig und erhellend, einen Blick auf den Kindern durch die Gesellschaft vermittelten Tod zu werfen. Folgend muss sich ein Plädoyer für die Thematisierung von Sterben und Tod in der Grundschule anschließen. Abschließend laufen die Ergebnisse des Kapitels in Kriterien zusammen, nach denen Bilderbücher bezüglich ihrer verwendeten Todesdarstellung untersucht werden können.
IV.1 Sterben und Tod – leere Begriffe?
Sterben und Tod sind Themen, die jeden Menschen betreffen. Schon immer beschäftigten die existenziellen Fragen, die um das Ende des Lebens und ein mögliches Weiterleben kreisen, die Menschheit. Fast in allen Religionen ist die Frage nach einem Leben nach dem Tod bedeutend.142 Kein Mensch besitzt eindeutiges und empirisch nachweisbares Wissen über den Tod und ein mögliches Danach. Diese Begriffe stellen eine Leerstelle dar. Bleibende, scheinbar unauflösliche Fragen, die sich um Sterben und Tod drehen, werden von verschiedenen Wissenschaften, wie den bildenden Künsten, der Religionswissenschaft, Psychologie, Soziologie, Medizin oder Literaturunterschiedlich bearbeitet.143 Sie versuchen Erklärungen, Bilder und Umschreibungen für die leeren Worte „Tod“ und „Sterben“ zu finden.
Tod und Sterben werden in unserem Sprachgebrauch oft gleichgesetzt. Sagt man beispielsweise jemand hatte einen „leichten Tod“, so meint man damit eher ein „Leichtes Sterben“. Sterben beschreibt den Prozess des Versagens aller lebenswichtigen Funktionen. Der Tod ist mit Ende des Sterbens erreicht, als „Ende des Lebens“144. Wittkowski zählt das Sterben zum Leben, den Tod dagegen zum „Danach". Spannend ist die Rolle des personifizierten Todes innerhalb des Komplexes Sterben und Tod. Die Vorstellungen, ab welchem Zeitpunkt und bis wann er anwesend ist, ob er bereits Teil des Lebens ist, nur des Sterbens oder des Todes, inwieweit er in das Sterben eingreift und möglicherweise verantwortlich ist und welche Macht ihm damit zukommt werden in den Bilderbüchern dieses Korpus´ unterschiedlich aufgenommen und umgesetzt.145
IV.2 Was ist der Tod und was kommt nach ihm?
Diese Frage stellen sich die Menschen von Anbeginn der Zeit. Die Jenseitsvorstellung einer Person bestimmt ihr Bild über den Tod. Je nachdem, ob jemand den Tod als absolutes Ende oder als Übergang begreift, kann er ihn annehmen oder lehnt ihn ab. Vertreter verschiedener Ansichten finden auf diese Frage, was der Tod ist und was nach ihm kommt, unterschiedliche Antworten, die in der Literatur über den Tod und das Sterben verarbeitet werden.146 Im Folgenden sollen fünf unterschiedliche Perspektiven zusammengetragen werden.
[...]
1 Vgl. Egli 2014, 51.
2 Vgl. Platow & Böcher 2010, 20f.
3 Vgl. Thiele 2007, 8.
4 Vgl. Hopp 2014, 10.
5 Vgl. ebd.
6 Vgl. ebd. 19.
7 Vgl. Hopp 2014, 42.
8 Vgl. ebd, 27.
9 Egli 2014, 11.
10 Thiele 2003b, 71.
11 Vgl. Thiele 2003a, 157.
12 Thiele 2003a, 35.
13 Nikolajeva 2001, 257 ff.
14 Vgl. Thiele 2003a, 17.
15 Vgl. ebd, 35.
16 Vgl. ebd, 17.
17 Vgl. Egli 2014, 13f.
18 Vgl Müller 2007, 7.
19 Richter 2001, 5.
20 Vgl. Ensberg 2006, 3.
21 Vgl. V.1 Historische Abriss – Tod in der Kinder- und Jugendliteratur
22 Vgl. Müller, 8.
23 Vgl. Thiele 2000, 18.
24 Vgl. Müller, 7.
25 Vgl. Thiele 2003a, 12.
26 Vgl. Egli 2014, 13f.
27 Vgl. Ritter 2014a, 35.
28 Vgl. Müller 2007, 9ff.
29 Vgl. Müller 2007, 9ff.
30 Vgl. Ritter 2014a, 39.
31 Ebd.
32 Vgl. Thiele 2000, 23ff.
33 Vgl. Thiele 2003a, 157 ff.
34 Vgl. Ritter 2014a, 52f.
35 Vgl. Ritter 2014a, 57ff.
36 Vgl. ebd.
37 Vgl. Ritter 2014a, 57ff.
38 Vgl. ebd.
39 Vgl. Müller 2007, 12.
40 Vgl. Ritter 2014a, 69 ff.
41 Vgl. ebd, 72 ff.
42 Vgl. ebd.
43 Vgl. Ritter 2014a, 61 ff.
44 Vgl. ebd.
45 Vgl. ebd.
46 Ebd. 79 f.
47 Vgl. ebd.
48 Vgl. ebd.
49 Vgl. Ritter 2014a, 126.
50 Vgl. ebd, 81 f.
51 Vgl. Bode 2005, 29f.
52 Vgl. ebd.
53 Vgl. Blei-Hoch 2005, 3 f.
54 Thiele 2003a, 35.
55 Thiele 2003b, 71.
56 Vgl. Thiele 2000, 237.
57 Dehn, Thiele 1985, 142.
58 Halbey 1997, 211f.
59 Ebd.
60 Ebd.
61 Thiele 2003a, 13.
62 Thiele 2013, 38 f.
63 Vgl. Halbey 1997, S 209.
64 Thiele 2002, 47.
65 Blei-Hoch 2005, 3 ff.
66 Vgl. V.6. Bilderbuchanalyse.
67 Vgl. ebd.
68 Thiele2003b, 73 ff.
69 Vgl. ebd.
70 Ritter 2014a, 111.
71 Vgl. Thiele 2003a, 74 ff.
72 Vgl. Thiele 2003a, 37.
73 Ebd, 40.
74 Vach 2014, 247 ff.
75 Thiele 2003b, 71.
76 Ebd.
77 Vgl. ebd.
78 Weinkauff 2014, 40.
79 Vgl. Thiele 2013, 38ff.
80 Oetken 2014. 24.
81 Thiele 2003b, 71.
82 Vgl. Becker 2014, 164f.
83 Vgl. ebd, 169.
84 Vgl. Gressnich 2014, 150.
85 Stock & Schneider 2011, 11.
86 Vgl. Gressnich 2014, 151.
87 Vgl. Becker 2014, 170.
88 Vgl. Kruse & Sabisch 2013, 7ff.
89 Vgl. Müller 2007, 21.
90 Thiele 2003a, 176.
91 Tholen 2007, 29.
92 Petermann 2004.
93 Vgl. Thiele 1985, 12.
94 Ritter 2008, 24.
95 Vgl. Kretschmer 2003, 12.
96 Schulz 2005, 127.
97 Abraham & Knopf 2014, 10.
98 Vgl. Müller 2007, 24.
99 Kümmerling-Meibauer 2014, 61.
100 Vgl. Thiele 2003a, 176.
101 Weinkauff. 2014, 39ff.
102 Ebd.
103 Vgl. Thiele 2003a, 179.
104 Vgl. Weinkauff 2014, 39.
105 Vgl. Weinkauff & v. Glasenapp 2014, 174 ff.
106 Schulz 2005, 129ff.
107 Dehn 2014, 125 ff.
108 Müller 2007, 37.
109 Vgl. ebd.
110 Bleihoch 2014, 158.
111 Ebd.
112 Vgl. Hoffmann 2014, Kruse 2014, Lieber 2014, Merklinger & Preußer 2014, Volz 2014, Wiprächtiger-Geppert & Lüscher 2014, Scherer 2014, Schröder 2014.
113 Vgl. Weinkauff 2014, 41.
114 Vgl. ebd.
115 Vgl. Ritter 2014a, 265.
116 Sahr 1998, 6ff.
117 Vgl Ritter 2014a, 20ff.
118 Vgl. ebd.
119 Vgl. ebd.
120 Vgl. Jahn 2007, 162.
121 Vgl. ebd.
122 Vgl. Ritter 2014b, 149.
123 Vgl. Ritter 2014a, 128f.
124 Vgl. ebd.
125 Thiele 2007a.
126 Vgl. Lieber 2014, 119.
127 Savas 2009, 41f.
128 Ebd.
129 Vgl. Scherer und Volz 2013, 120.
130 Schmitz 2004, 231.
131 Mattenklott 2014, 135.
132 Baumeiser 1994, 152.
133 Ebd.
134 Vgl. V.6 Bilderbuchanalyse.
135 Vgl. III.2 Historischer Überblick.
136 Vgl. Kretschmer 2003, 25.
137 Vgl. III.4.3 Bilderbücher als ästhetisch komplexe Gebilde und Visual Literacy.
138 Vgl. ebd.
139 Vgl. ebd.
140 Kretschmer 2003, 26.
141 Thiele 1994, 69.
142 Vgl. Schweitzer 2000, 8.
143 Vgl. Egli 2014, 20.
144 Wittwer 2009, 431.
145 Vgl. V.7 Vergleichende Untersuchung.
146 Vgl. Hopp 2014, 107ff.
- Arbeit zitieren
- Caritas Höppner (Autor:in), 2015, Die Darstellung des Todes in Bilderbüchern. Eine Beleuchtung der Veränderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1131463
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