Das grundlegende Interesse dieser Arbeit besteht in der Forschungsfrage (1), welche prüfen möchte, ob sich die Konfliktstrukturen einer unternehmerischen Gruppe einer dyadischen Größe von den Konfliktstrukturen einer triadischen unternehmerischen Größe unterscheiden. Mit der Forschungsfrage (2) soll untersucht werden, ob sich die im Forschungsstand gezeigte Konflikttendenz, in der meist keine präzisen Gruppengrößen erwähnt werden – oft kleinere und größere Gruppen –, auch im speziellen Fall des dyadischen und triadischen Vergleichs bestätigen lässt. Trotz der Nummerierung geht die zweite Forschungsfrage der ersten voraus, da sie implizit die Forschungslücke darstellt. Aus der Forschungslücke begründet sich das grundlegende Interesse für die erste Forschungsfrage.
Im ersten Kapitel werden zuerst die unternehmerischen Gruppen – abgeleitet von der Organisationsforschung – im Rahmen der Kleingruppenforschung vorgestellt sowie definiert. Darauffolgend wird der Konflikt im Rahmen der Organisationsforschung und der organisationspsychologischen Ansätze auf den Stand der Forschung gebracht. Daraus werden zwei erste Hypothesen abgeleitet, mit denen die Forschungsfrage (2) untersucht wird. Aus der im Anschluss definierten Forschungslücke wird er Übergang zum Kapitel 3 gemacht, der sich der theoretischen Grundlage zuwendet. In diesem Block werden die Untersuchungen Georg Simmels zu Qualitäten dyadischer und triadischer Gruppengrößen betrachtet, wodurch sich die Spezifität der Gruppengrößen theoretisch begründen wird. Der Bezug zum Konflikt wird mit Simmels Untersuchungen über den Streit ergänzt. Auf dieser Basis werden weitere drei Hypothesen aufgestellt, um der Beantwortung der Forschungsfrage (1) im empirischen Teil entgegenzukommen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Forschungsstand
2.1. Forschung unternehmerischer Gruppen
2.2. Forschung bezüglich unternehmerischer Konflikte
2.3. Arbeits- und Beziehungskonflikte im Zusammenhang unternehmerischer Gruppengrößen
2.3.1. Wechselwirkungen der Beziehungs- und Arbeitskonflikte
2.3.2. Forschungslücke
3. Theoretische Grundlagen
3.1. Dyadische Gruppen
3.2. Interaktionssystem als Bedingung für Gruppe?
3.3. Georg Simmels Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung
3.4. Die spezifische Dyade und der Hinzutritt des Dritten
3.4.1. Interaktionsdynamiken in dyadischen und triadischen Gruppen
3.4.2. Bezug zum Konfliktgegenstand
3.4.3. Strukturen der Stimmungsherstellung in den Gruppenformen
4. Methoden
4.1. Sekundärdatenanalyse und Auswahl der Daten
4.2. Ziele und Vorgehen der Münchener Gründerstudie
4.3. Forschungsdesign, Auswahlverfahren und Stichprobenziehung
4.4. Messung theoretischer Begriffe und deskriptive Ergebnisse
4.5. Hypothesenüberprüfung
4.6. Auswertung der Ergebnisse
4.6.1. Alternative Erklärungsansätze
4.6.2. Probleme der Inhaltsvalidität, der Sekundärdatennutzung sowie des Stichprobenumfangs
5. Schluss und Ausblick
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
In der vorhandenen Forschung zu Gruppengröße und Konflikt wird aufgezeigt, dass eine wachsende unternehmerische Teamgröße die Tendenz besitzt, meist aufgrund der steigenden Abstimmungsschwierigkeiten mit internen Konflikten der Gruppe in Beziehung zu stehen. Kaum umstritten ist dabei die Annahme, dass größere Unternehmerteams im Gegensatz zu kleineren vermehrt Arbeitskonflikte aufweisen (Pelled et al. 1999).
Nach dem deutschen KfW-Gründungsmonitor 2019 sowie aus den Jahren zuvor bilden Teamgründungen mit 21 % einen wesentlichen Anteil (KfW 2020). Der Deutsche Startup Monitor 2019 verzeichnet auch seit drei Jahren dieselbe durchschnittliche Teamgröße von 2,4 Gründungspersonen - im Schnitt zwischen zwei und drei Personen - bei 75 % der Teamgründungen (Kollmann 2019).
Obwohl Unternehmensgründungen zum erheblichen Anteil dyadisch und triadisch sind, hat die organisationswissenschaftliche Forschung die dyadischen und triadischen unternehmerischen Gruppen bislang nicht explizit auf Konfliktstrukturen untersucht. Gestützt auf die Theorie Georg Simmels zur „Quantitativen Bestimmtheit der Gruppe“ sind besonders dya- dische und triadische Gruppenformen von besonderen Unterschieden in deren Wechselwirkungssystemen. Diese Wechselwirkungssysteme der Gruppengrößen sollen in vorliegender Arbeit hinsichtlich der auf dem Forschungsstand basierenden Konfliktstrukturen in unternehmerischen Gruppen überprüft werden.
Dyadische und triadische Gruppen sind aufgrund ihrer kleinen und unterschiedlichen Zahl jeweils von spezieller und origineller Struktur (Simmel 1922). Diese Größen dyadischer und triadischer Einheiten bestimmen in gewissem Umfang die Interaktions- und Wechselwirkungsrahmen der jeweiligen Gruppen. Demnach kann es bspw. in der Gruppe von zwei Personen keine Mehrheit geben, weil jedes Individuum die Einheit mit jeweils 50 % teilt, während in Dreiergruppen Mehrheiten und Überstimmungen sowie auf dieser Grundlage entstehende Spannungen schon möglich werden. Diese auf Strukturen der dyadischen und triadi- schen Gruppengrößen basierende theoretische Fassung lässt einen Zusammenhang zwischen der Gruppengröße und den Konfliktstrukturen vermuten. Die Annahme, dass es zwischen Gruppengröße und Konflikt einen Zusammenhang gibt, wird durch den Forschungsstand bereits deutlich.
Das grundlegende Interesse dieser Arbeit besteht in der Forschungsfrage (1), welche prüfen möchte, ob sich die Konfliktstrukturen einer unternehmerischen Gruppe einer dyadischen Größe von den Konfliktstrukturen einer triadischen unternehmerischen Größe unterscheiden. Mit der Forschungsfrage (2) soll untersucht werden, ob sich die im Forschungsstand gezeigte Konflikttendenz, in der meist keine präzisen Gruppengrößen erwähnt werden - oft kleinere und größere Gruppen -, auch im speziellen Fall des dyadischen und triadischen Vergleichs bestätigen lässt. Trotz der Nummerierung geht die zweite Forschungsfrage der ersten voraus, da sie implizit die Forschungslücke darstellt. Aus der Forschungslücke begründet sich das grundlegende Interesse für die erste Forschungsfrage.
Im ersten Kapitel werden zuerst die unternehmerischen Gruppen - abgeleitet von der Organisationsforschung - im Rahmen der Kleingruppenforschung vorgestellt sowie definiert. Darauffolgend wird der Konflikt im Rahmen der Organisationsforschung und der organisationspsychologischen Ansätze auf den Stand der Forschung gebracht. Daraus werden zwei erste Hypothesen abgeleitet, mit denen die Forschungsfrage (2) untersucht wird. Aus der im Anschluss definierten Forschungslücke wird er Übergang zum Kapitel 3 gemacht, der sich der theoretischen Grundlage zuwendet. In diesem Block werden die Untersuchungen Georg Simmels zu Qualitäten dyadischer und triadischer Gruppengrößen betrachtet, wodurch sich die Spezifität der Gruppengrößen theoretisch begründen wird. Der Bezug zum Konflikt wird mit Simmels Untersuchungen über den Streit ergänzt. Auf dieser Basis werden weitere drei Hypothesen aufgestellt, um der Beantwortung der Forschungsfrage (1) im empirischen Teil entgegenzukommen.
Die Überprüfung der Hypothesen erfolgt anhand von Daten aus der Gründerstudie von Brüderl et al. (1998) mit dem Titel „Der Erfolg neugegründeter Betriebe“. Das Forscherteam untersuchte Risiken und Erfolgschancen von neugegründeten Klein- und Handelsregisterbetrieben mittels quantitativer Daten von 1849 Betrieben, welche anhand von standardisierten Interviews mit den Unternehmensgründern in den Räumen von München und Oberbayern erhoben worden sind. Da die Forscher in der Erkundung der Charakteristiken erfolgreicher Betriebsgründungen auch gescheiterte Betriebe als spätere Referenzkategorie erfragt haben, war die Erhebung von Konflikten von Relevanz. Die Gründerstudie wird dann im Methodenteil sowohl inhaltlich als auch im Rahmen des Forschungsdesigns vorgestellt. Die Hypothesenüberprüfung mit dem Datensatz geschieht anhand der Statistik-Software Stata. Anschließend werden die Ergebnisse in der Auswertung und der Diskussion zusammengetragen.
2. Forschungsstand
2.1. Forschung unternehmerischer Gruppen
Zum Thema Unternehmertum war in der früheren Organisationsforschung der 1980er und 1990er Jahre vornehmlich von Solo-Unternehmertum die Rede. Der Erfolg eines Unternehmens stand oft einer einzelnen Person zu. Diese tendenziell amerikanische Sichtweise basiert auf einer Kultur- und Gesellschaftsvorstellung eines erfolgreichen unternehmerischen Individuums (Peterson 1988). Diese Zeit war allerdings auch die Schnittstelle zum Überdenken dieser Annahmen. Die Studie mit dem Titel „Entrepreneurship reconsidered: the team as hero“ von Reich (1987) betrachtet nicht mehr die heroische Einzelperson, sondern das Team als Erfolgsfaktor eines Unternehmens. Das hängt u. a. mit der beschleunigten Technologieentwicklung in der Zeit und den erforderten Anpassungen an die verschiedenen Marktspezifika zusammen, wodurch der Einzelne nicht mehr imstande war, das Unternehmen allein zu führen. Seitdem untersucht die Entrepreneurship-Forschung vordergründig Unternehmergruppe anstatt einer Einzelpersonen (Ucbasaran et al. 2003; Lechler 2001; Schjoedt und Kraus 2009).
Gruppenforschung sei, so Neidhardt (2017), ein neuer Forschungsbereich der Soziologie. Obwohl der Begriff Gruppe vor allem bei den Klassikern, wie Weber und Marx, sowie bei dem Vorläufer der Gruppensoziologie Georg Simmel seine regelrechte Verwendung hatte, besaß der Begriff Gruppe, im Sinne der Forschung und der Begriffsverwendung, keinen systematischen Stellenwert. Zumindest seit den Erkenntnissen der Organisationsforschung, dass im Zusammenhang mit Unternehmertum die Rede von Unternehmergruppen ist, untersucht dieser Forschungszweig unternehmerische Gruppen in Verbindung mit dem Begriff Gruppe und ihren Synonymen. Die Forschungsrichtung, die daran ansetzt, ist die Kleingruppenforschung - small group research.
Die Kleingruppenperspektive eröffnet für das Verständnis von Gruppen in ihren jeweils charakteristischen Eigenschaften neue Diskurs- und Forschungsfragen und fordert theoretische Entwicklungen, bspw. in der Definitionskonkretisierung unternehmerischer Gruppen. Diesbezügliche Fragen lauten etwa wie folgt: Was sind die Unterscheidungskriterien unternehmerischer Gruppen hinsichtlich ihrer unterschiedlichen Kompositions- und Merkmalsausprägungen? Wo sind die Grenzen einer unternehmerischen Gruppe hinsichtlich der Möglichkeit, gleichzeitig mehreren unternehmensbezogenen Gruppen zuzugehören?
Stamm et al. (2019) entwickeln eine Definition unternehmerischer Gruppen im Kontext der Entstehung der Kleingruppen-Perspektive in der Organisationsforschung und der Analyse früherer Definitionen. Die früheren Deutungen von unternehmerischen Gruppen sind, so Stamm, unzureichend konkretisiert (Stamm et al. 2019). Diese Feststellung veranlasst die Forscher, die Definition unternehmerischer Gruppen nach drei zentralen Fragen strategisch zu überarbeiten und sie neu zu formulieren. Die Fragen lauten wie folgt:
1. Was macht eine Gruppe aus?
2. Wie qualifizieren sich Gruppenaktivitäten als diejenigen unternehmerischer Art?
3. Was ist die Beziehung einer unternehmerischen Gruppe zur Organisation?
(Stamm et al. 2019, 16, Übers. d. Vers.)
Die Antworten auf die Fragen bzw. die umdefinierte Definition lauten folgend.
„(1) Entrepreneurial groups are collaborative circles committed to an entrepreneurial project. (2) They strive to achieve an imagined future through the coordination of their activities. (3) In their collaborative efforts, they experience high internal and external pressures to organize formally (e.g., the creation of a business) and organization provides grounds for their activities.“ (Stamm et al. 2019, 23)
Eine unternehmerische Gruppe lediglich als einen kollaborativen Kreis zu verstehen, erweist sich insofern als schwierig, als dass ein kollaborativer Kreis die Aktivität einer Gruppe von Freund*innen oder Familie ebenfalls definieren kann. Deshalb ist der Zweck der Kollaboration zu nennen, der im Fall unternehmerischer Gruppen das gemeinsame Arbeiten am unternehmerischen Projekt ist. Die zweite Frage/Antwort betont die Wichtigkeit der Ziele sowie der Rahmensetzung von Gruppenaktivitäten in Bezug auf die unternehmerische Ebene. Zuletzt sei erwähnt, dass die Art und Weise der Aktivitätengestaltung im Rahmen der Organisation für die Definition unternehmerischer Gruppen wesentlich sind.
2.2. Forschung bezüglich unternehmerischer Konflikte
In der soziologischen Nutzung des Begriffs „sozialer Konflikt“ bedeutet „der soziale Konflikt [...] immer soziale Interaktion“ (Coser 2009, 43). Nach dem Konflikttheoretiker Ralf Dahrendorf müssten soziale Konflikte aus „der Struktur der sozialen Einheiten“ abgeleitet werden und so gesehen „überindividuell“ sein (Dahrendorf 1955, 33). Der soziale Konflikt im Sinne der sozialen Interaktionen ist jedoch nicht gleichzusetzen mit feindseligen Haltungen oder Gefühlen anderen Personen oder Gruppen gegenüber. Solche Haltungen oder Gefühle beeinflussen allerdings die soziale Interaktion im Konflikt (Coser 2009).
Für das Verstehen und die Untersuchung der intragruppalen Konflikte in Arbeitsgruppen sowie Führungsetagen können Komponenten, wie feindselige oder freundschaftliche Haltungen und deren Gründe sowie Folgen des Konfliktes, von Bedeutung sein. Die Konfliktforschung gliedert dabei theoretische Ansätze nach VanDeVliert und Janssen (2001) in deskriptive, erklärende und präskriptive Bereiche. Während präskriptive Ansätze handlungsempfehlend und lösungsorientiert sind, widmen sich erklärende Methoden der Konfliktentstehung, den Konfliktverläufen und den Konfliktfolgen (VanDeVliert und Janssen 2001; Solga 2011).
Für die vorliegende Arbeit ist der deskriptive Ansatz relevant. Dieser beschreibt den Konflikt entweder nach Konfliktgegenstand oder nach Konfliktverhalten (VanDeVliert und Janssen 2001). Diese Konzepte werden in der Forschung unternehmerischer Konflikte hinsichtlich der Teamproduktivität und der Arbeitszufriedenheit1 verwendet. Rüttinger und Sauer 2016 kategorisieren den Konfliktgegenstand in Bewertungs-, Beurteilungs-, Vertei- lungs- sowie Beziehungskonflikt. Jehn und Bendersky (2003) unterteilen den Konfliktgegenstand dagegen in zwei Typen: Beziehungs- und Aufgabenkonflikt. Letzterer wird für Untersuchung dieser Arbeit einbezogen.
Bevor der Forschungsstand zum Zusammenhang zwischen Gruppengröße und dem Konfliktgegenstand vorgestellt sowie die ersten Hypothesen formuliert werden, sei der Unterschied zwischen Beziehungs- und Arbeitskonflikt2 genannt. Der Beziehungskonflikt leitet sich von den affektiven, emotionalen Aspekten zwischen den Mitgliedern einer Gruppe ab, wohingegen Aufgabenkonflikte mit kognitiven Differenzen hinsichtlich einer Aufgabe in Verbindung stehen (Brehmer 1976).
2.3. Arbeits- und Beziehungskonflikte im Zusammenhang unternehmerischer Gruppengrößen
Der Zusammenhang zwischen der Größe der Unternehmerteams und intragruppalen Konflikten interessierte Haleblian und Finkelstein (1993) in Bezug auf die die Unternehmensperformance in Abhängigkeit von der Gruppengröße (durchschnittlich 3,39 Mitglieder) und der CEO-Dominanz. Große Gruppen verfügten (unabhängig von der CEO-Dominanz) über einen eher breiten und vielfältigen kognitiven Input. Kognitive und kreative Potentiale, die sich aus der Größe der Führungsteams ergeben, können, so die Autoren, das Gruppenwissen erweitern, die Gruppen- bzw. Unternehmensperformance positiv beeinflussen und sich insgesamt positiv auf die Gruppendynamik auswirken. Dennoch geht die Größe des Unternehmerteams mit der Schwierigkeit der Übereinstimmung aller Mitglieder aufgrund der Meinungsheterogenität und der Informationsvermittlung einher (Hambrick et al. 1996). Charakteristisch für Teams mit vielen Mitgliedern ist die höhere Heterogenität, die aus der Gruppenkomposition hervorgeht (Wiersema und Bantel 1993; Blau et al. 1982). Je mehr Mitglieder existieren, desto vielfältiger sind die Meinungs-, Hintergrund- und Beziehungsdifferenzen, weshalb u. a. ein hoher Einsatz von Kontroll- und Koordinationsstrategien von Nöten ist (Ucbasaran et al. 2003; Shaw und Harkey 1976); Dieser Zusammenhang wird mit erhöhtem kognitivem Konfliktpotential in Verbindung gebracht (Pelled et al. 1999; Knight et al. 1999; Eisenhardt und Schoonhoven 1990).
Bantel und Jackson 1989 untersuchen die Heterogenität auf Innovativität der unternehmerischen Gruppen mit verschiedenen Heterogenitätsbereichen. Neben demografischen Faktoren, wie Alter, Geschlecht und Bildung, schauen sie sich auch die Faktoren der funktionalen Differenziertheit innerhalb unternehmerischer Gruppen an. In Bezug auf die letzten Faktoren könne, so die Forscher3, bei kleinen Gruppen bereits eine dazukommende Person die Heterogenität enorm steigern, weil dadurch der maximale Betrag an Heterogenität, der innerhalb einer solchen Gruppe möglich ist, erreicht wird (vgl. Bantel und Jackson 1989, 112).
Daraus wird für diese Arbeit die Vermutung erschlossen, dass der Zutritt einer dritten Person zur „kleineren“ dyadischen Gruppe die bisherige Heterogenität der Gruppe von zwei Personen erhöht. Dementsprechend besteht die Vermutung, dass Triaden im Gegensatz zu Dyaden höhere Heterogenitätswerte haben, welche die auf Arbeit bezogene Konfliktwahrscheinlichkeit in Triaden erhöht.
Hypothese 1: Triadische Unternehmerteams (UT) haben eine höhere Heterogenität als dyadische UT.
Hypothese 2: Triadische Unternehmerteams haben aufgrund der höheren Heterogenität öfter kognitive Konflikte als dyadische UT.
2.3.1. Wechselwirkungen der Beziehungs- und Arbeitskonflikte
Auf Arbeit bezogene Konflikte scheinen die Teameffektivität sowie eine strategische Entscheidungsfindung zu begünstigen, weil sie bspw. die Sichthorizonte der anderen Teammitglieder auf das Problem erweitern und daher konstruktiv genutzt werden können (Amason et al. 1995; Jehn 1995; Brehmer 1976). Dagegen besteht die Annahme, dass Beziehungskonflikte mit Misstrauen und Feindseligkeit begleitet werden und sich im Team destruktiv auswirken (Jehn 1995; Guetzkow und Gyr 1954).
Eine scharfe Typentrennung zwischen Aufgaben- und Beziehungskonflikt ist dennoch nicht immer gegeben, da sich diese ineinander verwickeln können, indem sich bspw. eine kognitive Diskrepanz zu einer emotionalen Auseinandersetzung steigern kann (Glasl 1999). Das bestätigt eine meta-analytische Studie von DeDreu und Weingart 2003, die die hohe Korrelation beider - Beziehungs- und Aufgabenkonflikte - mit p = 0.54 (durchschnittliche korrigierte Korrelation) in Unternehmensgruppen aufzeigt. Mehr Einfluss auf Teamperformance und Gruppenzufriedenheit, welche das vordergründige Interesse der Studie waren, hatte somit weniger der Konflikttyp an sich, sondern eher der Schwierigkeitsgrad der Aufgaben - je schwerer die Aufgabe, desto eher ging der Aufgabenkonflikt auf einen Beziehungskonflikt mit entsprechend negativen Auswirkungen auf Teamleistung und -zufriedenheit über (siehe auch: Jehn und Shah 1997). Andersherum fand Yitshaki 2008 die umgekehrte Wirkung heraus, dass affektive Konflikte sich in kognitive Konflikte umwandeln können, solange der Raum für Verbesserung/Umgestaltung der Unternehmergruppenbeziehung gewährt war. Neben diesen Einflussgrößen sind weitere Faktoren wie Vertrauen, Offenheit und Freundschaft in der Wechselwirkung der Konflikttypen bedeutend.
Eine Studie von Simons und Peterson (2000), die diese Korrelation affektiver und kognitiver Konflikte in beide Richtungen genauer betrachtet haben, bestätigte die Erwartungen der Autoren, dass der Faktor des Vertrauens diese Zusammenhänge erklärt. Je vertrauter und freundschaftlicher die Gruppendynamiken waren, desto geringer fiel die Tendenz der Untersuchten aus, Kritik als persönlichen Angriff zu interpretieren, und desto größer fiel sie aus, den Konflikt auf der Sachebene beizubehalten, während in Gruppen mit geringem Vertrauen kognitive Konflikte eher in affektive Unstimmigkeiten übergingen.
Vertraute Beziehungen können in Form von intragruppalen Zusammenhalt mit Teamgröße und Heterogenität verlinkt werden. Größere Teams haben höhere Heterogenität, die mit Konflikten verlinkt werden (Knight et al. 1999; Pelled et al. 1999). Größere Teams benötigen mehr Aufwand für die Integration von neuen Mitgliedern, wodurch der Aufbau vertrauter Beziehungen, mehr Zeit und Koordination in Anspruch nehmen könnte. Dies wiederum kann zu Austritten von Mitgliedern führen und den Zusammenhalt dadurch wieder schwächen (Ucbasaran et al. 2003). Gruppen mit Zusammenhalt und engen sozialen Beziehungen präsentieren dabei höhere Werte von Vertrautheit und gegenseitiger Affinität (Ensley et al. 2002).
Diese Zusammenhänge sind im Hinblick auf die Konfliktstrukturen der dyadischen und tri- adischen Gruppengrößen ein wichtiges Überschneidungsfeld. Die Konflikttypen - das kann hier festgehalten werden - hängen im Zusammenhang der Gruppengröße von Beziehungsaspekten, wie Freundschaft, Vertrautheit und Offenheit, sowie von der Schwierigkeit der Aufgaben ab. Außerdem sind die Kategorien Beziehungs- und Arbeitskonflikt nicht frei voneinander zu trennen, da sie sich gegenseitig begünstigen und überschneiden können.
Im späteren Block der Theorie werden sich Aspekte der Freundschaft und der Enge der Beziehungen in Gruppen wiederfinden und in die Herleitung der Hypothesen eingebracht. Im Folgenden sei die Forschungslücke vorgestellt und der Übergang zur Theorie vollzogen.
2.3.2. Forschungslücke
Die aufgestellten Hypothesen vertreten das Fragestellung 2, nämlich die Anwendbarkeit der bisherigen Forschungsergebnisse auf dyadische und triadische Unternehmensgruppen. Genau genommen wird die höhere Heterogenität und das größere Potential zum kognitiven Konflikt in größeren unternehmerischen Gruppen auf Triaden bezogen und im Unterschied zu Dyaden untersucht. Dieses Untersuchungsinteresse stellt gleichzeitig die Forschungslücke dar, indem es deutlich macht, dass bisher kein Konfliktbezug auf die spezifischen - dyadischen und triadischen - unternehmerischen Gruppengrößen genommen worden war.
Die Fragestellung 1 leitet sich von der Forschungslücke ab und soll hier in der folgenden Formulierung nochmals festgehalten werden: unterscheiden sich die Konfliktstrukturen der jeweiligen unternehmerischen Gruppengrößen aufgrund derer gruppenspezifischen Strukturen? Der theoretische Block, der nun folgt, befasst sich mit den strukturellen Eigenschaften der jeweiligen spezifischen Gruppengrößen und arbeitet den Bezug auf den Konflikt bzw. den Konfliktgegenstand heraus. Daraus werden weitere drei Hypothesen gebildet.
Zuvor werden im Rahmen der Definition einer Gruppe die Frage besprochen, ob dyadische Unternehmerteams als Gruppen theoretisch greifbar sind. Dabei geht es weniger um die Mitglieder-bindenden, handlungsorientierten Charakteristiken einer Gruppe, sondern vor allem um die notwendige Zahl von Personen.
3. Theoretische Grundlagen
3.1.Dyadische Gruppen
Zahlreiche Definitionen von Unternehmerteams bezeichnen die Gruppe in ihrer Größe als lediglich eine Menge an Personen bzw. ohne Benennung der Personenzahl (Wiersema und Bantel 1993; Harper 2008; Ruef 2010; Klotz et al. 2014). Bei weiteren heißt es oft zwei oder mehr Individuen (Cooney 2005; Schjoedt und Kraus 2009; Lechler 2001). Dabei entstehen folgende Fragen: Was sind mehr und was sind weniger Individuen? Können die besonderen Merkmale bestimmter numerischer Gruppenkomposition für die Organisationsforschung - besonders im Rahmen der Kleingruppen-Perspektive - von Bedeutung sein?
Es gibt keinen eindeutigen Konsens in der theoretischen Bestimmung über die Größengrenzen einer Gruppe. Schäfers (2016) bestimmt in seiner Definition einer Kleingruppe die Triade als Mindestzahl und 25 als Maximum einer solchen (vgl., Schäfers 2016, 158). Dennoch stellt er anschließend in der Diskussion die Frage, unter welchen Bedingungen die Dyade als Gruppe geltend gemacht werden kann. Levine und Moreland (1990) schließen die dya- dische Form aus dem Gruppenbegriff im Rahmen ihrer Untersuchung zum Progress der Kleingruppenforschung komplett aus, weil sie der Überzeugung sind, dass Dyaden bedeutend anders als größere Gruppen zu betrachten und zu handhaben sind.
Der Sozialpsychologe Gary Alan Fine widmet sich in seinem Buch „Tiny Publics“ von 2012 den kleinen Gruppen, indem er diesen die folgende Funktion zuweist: „[.] small groups order and organize human life, emphasizing the power of immediate surroundings and microcultures“ (Fine 2012, 1). Er bezeichnet sie als Kognitiv-, Affektiv- und Verhaltensdomänen (vgl., Fine 2012, 21, Übers. d. Verf.). Dabei sind Zusammenschlüsse von Personen gemeint, in denen Einzelne sich als eine sinnvolle soziale Einheit anerkennen und auf dieser Basis untereinander interagieren sowie in dieser sozialen Einheit engagiert dazu gehören (vgl., Fine 2012, Übers. d. Verf.). Die genauere Definition entnimmt Fine von Robert Freed Bales4. Small Groups sind - so Bales - „[...] any number of persons engaged in interaction with each other in a single face-to-face meeting or series of meetings, in which each member receives some impression or perception of each other member [...].“ (Bales 1950, 33, zit. n. Fine 2012: 22)
Obwohl Fine Bales Definition nutzt, bei der - um dies nochmals explizit zu erwähnen - eine „small group“ jegliche Anzahl an Personen decken kann, wie demnach auch Dyaden, befasst er sich mit der Gruppe aus zwei Personen etwas länger. Er betrachtet Dyaden als eine Gruppenform, welche seiner Meinung nach viele Eigenschaften einer solchen vertritt (vgl., Fine 2012, 22).
„It is an interaction system and, as couples recognize, can generate a robust and powerful culture that enforces social control and mutual dependency.“ (Fine 2012, 21)
Die von Fine aufgegriffene Eigenschaft einer Gruppe ist ein starkes, einander verbindendes interaktionales System. Auch Bales 1970 beschreibt Kleingruppen mit der interaktionellen Arena, auf der die Kollaboration entsteht.
In der Einbeziehung der Dyade in das Verständnis der interaktiven Gruppenform stützt sich Fine auf Georg Simmel, der die Vergesellschaftung durch Wechselwirkungen als Bedingung betrachtet. Wechselwirkungen in Dyaden erachtet Simmel als diejenigen der besonderen Art, welche sich mit dem Zutritt der dritten Person fundamental ändern. Ähnlich wie Simmel spricht Fine über Interaktionssysteme, die sich mit dem Zutritt des Dritten komplett ändern. Diese Änderung geschieht mit den Zutritten weiterer Personen nicht. Auch die Struktur bleibt beibehalten, obwohl sie sich verkompliziert. Darauf wird später in der Vorstellung von Simmels Werk sowie in der empirischen Arbeit zurückgegriffen.
Als Nächstes sollen die Analogie der Funktionen der Interaktionssysteme (Kleingruppenforschung) und der Wechselwirkung nach dem Klassiker hinsichtlich der dyadischen Zusammensetzung aufgezeigt werden.
3.2.Interaktionssystem als Bedingung für Gruppe?
In Simmels Darlegungen über die Möglichkeit der Vergesellschaftung haben Wechselwirkungen zwischen Individuen oder den Gruppen, denen sie zugehören - ähnlich wie die Interaktionssysteme als Bedingung einer Gruppe nach Fine - die bedeutenden Rollen. Die Wechselwirkung sei, so Simmel, die Bedingung für Vergesellschaftung (Simmel 1922, 24). Diese entnimmt er, so Badorf, aus der soziologischen Grundkonstellation, die dyadisch ist. Die allgemein gültigen Bestimmungen, die kennzeichnend für den Prozess der Vergesellschaftung sind, basieren alle auf Wechselwirkungen und stammen aus dyadischen Verhältnissen.
Das heißt, eine Gruppe von zwei aneinander durch Wechselwirkungen gebundenen Personen stellt nach Simmel eine mögliche Form der Vergesellschaftung dar. Wechselwirkungen bzw. ein Interaktionssystem zwischen zwei Personen sind bzw. ist hinreichend für den Status einer Form der Vergesellschaftung nach Simmel sowie für eine Gruppe nach Fine. Da die kleinstmögliche Gruppenform einer Vergesellschaftung nach Simmel eine Dyade ist, ist demnach eine Dyade mit Wechselwirkungen/Interaktionssystem, bspw. ein aus zwei Personen bestehendes Unternehmerteam, eine Gruppe.
Der Anspruch der Argumentation in diesem Abschnitt war es, die Verwendung der Dyade im Gruppenbegriff zu plausibilisieren, damit die besonderen Merkmale dyadischer und tria- discher Einheiten auf derselben theoretischen Grundlage untersucht werden können. Das nächste Kapitel befasst sich mir den Wechselwirkungseigenschaften dyadischer und triadi- scher Gruppen, die mithilfe von Simmels Untersuchungen zur der Quantitativen Bestimmtheit der Gruppe und zum Thema Streit in einen theoretischen Rahmen eingeordnet werden.
3.3. Georg Simmels Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung
Simmel verfolgt in seinem zum ersten Mal im Jahr 1908 erschienenen Buch „Soziologie: Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung“ die folgende Frage: Wie ist eine Gesellschaft möglich? Diese übergeordnete Frage untersucht er im Zuge des Buches anhand von Beispielen auf der Ebene der Stände, des Staates, des Nationalstaates, der Religion etc., entnimmt jedoch die Grundsätze seiner Untersuchungen aus der Mikroebene der menschlichen Beziehungen. Wie in vorigen Kapiteln schon erwähnt wurde, betrachtet Simmel Wechselwirkungen als unabdingbare Voraussetzung für eine Vergesellschaftung. Gesellschaft sei die Summe aller menschlichen Wechselwirkungen (vgl. Simmel 1922, 8). Diese Wechselwirkungen veranschaulicht er an den Grundformen des menschlichen Zusammenseins - der Dyade und Triade -, erwähnt aber auch die Beziehung der Monade zur Gesellschaft. Seine präzise Darstellung dyadischer und triadischer Strukturen dient dieser Arbeit zu einem differenzierten Verständnis dieser Gruppengrößen.
Im ähnlichen Muster überträgt Simmel im Kapitel „Der Streit“ (Simmel 1922, 186-255) den Konflikt zwischen einzelnen Elementen auf die Ebenen des Intergruppalen und befasst sich weitgehend mit der Funktion des Streites/Kampfes/Konfliktes. Der Konflikt habe bei all seiner Negativität auch reinigende und spannungsnachlassende Kräfte für eine Gruppe (Simmel 1922, 188). Dies wird nach Simmel als gruppenerhaltende Bestimmung des Konflikts bewertet.
Coser (2009) sieht eine Unschärfe in Simmels Verwendung des Konfliktbegriffs. Das Konfliktverhalten und antagonistische Haltungen oder Gefühle seien bei dem Klassiker nicht ausdifferenziert genug, denn die Wirkung geschehener Konflikte sei nicht mit der Wirkung feindseliger Gefühle gleichzusetzen. Die Letzteren müssen sich nicht im direkten Konflikt abspielen. Sie können Umwege finden und sich an Ersatzobjekten entladen (Coser 2009, 46). Diese Alternative spiegelt sich in der Wechselwirkung von Beziehungs- und Arbeitskonflikt, welche - wie der Forschungsstand gezeigt hat - korrelieren können, wenn bspw. ein vermeintlicher Arbeitskonflikt in der Realität ein Beziehungskonflikt ist.
Anders als mit der fehlenden Unterscheidung in feindselige Haltungen und Handlungen, unterscheidet Simmel zwischen den Arten des Konflikts. Er stützt sich auf die Situation der persönlichen Interessenkonflikte, geregelt durch den Rechtsstaat. Dabei verliere der Kampf die persönliche Komponente, da sich die beiden Parteien den gleichen Voraussetzungen unterordnen und „die Parteien von einem objektiven Interesse erfüllt sind“ (Simmel 1922, 202) . In einem Konfliktfall, wo das Persönliche zurückgehalten wird, wird der Konflikt versachlicht, indem die Streitenden die Sache und ihr Recht verteidigen (vgl. Simmel 1922, 203) .
Diese Form des Eingriffs in einen Konflikt zwischen Zweien trägt den Charakter eines streitschlichtenden Dritten. Später wird das Rollenverhalten des Dritten vorgestellt, der die Rolle „der Unparteiische“ nach Einschätzung dieser Arbeit diese Art Streitschlichtung repräsentiert. Das dient der späteren Ausdifferenzierung des Konflikts in Beziehung- sowie Sach- vs. Arbeitskonflikt für die Gruppengrößen.
3.4. Die spezifische Dyade und der Hinzutritt des Dritten
Simmels Beobachtungen der Beziehungen Zweier resultiert in der Erkenntnis ihres spezifischen Charakters, welcher sich gänzlich verändert, sobald ein Dritter hinzutritt (Simmel 1922, 70; 73).
„Man wird von vornherein und aus den alltäglichen Erfahrungen heraus zugeben, dass [...] engere Kreise Qualitäten und Wechselwirkungen aufweisen, die bei ihrer numerischen Erweiterung unvermeidlich verloren gehen.“ (Simmel 1922, 32)
Obwohl der Soziologe von einem Verlust der Eigenschaften bei einer Erweiterung zwar enger, dennoch unbestimmter Kreisgröße spricht, bestimmt er diesen Verlust bei einer Erweiterung einer Dyade um eine weitere Person als einzigartig.
„Dass Verhältnisse zu zweien überhaupt als solche spezifische Züge haben, zeigt nicht nur die Tatsache, dass der Zutritt eines dritten sie ganz abändert, sondern mehr noch die vielfach beobachtete: dass die weitere Ausdehnung auf vier oder mehrere das Wesen der Vereinigung keineswegs noch entsprechend weiter modifiziert.“ (Simmel 1922, 70)
Aus dem Zitat geht hervor, dass nicht nur die Beziehung zwischen Zweien durch den Dritten5 ihren spezifischen Charakter verliert, sondern auch Zutritte vierter, fünfer etc. Personen zu keiner grundlegenden strukturellen Veränderung mehr beitragen können. Am Beispiel der Ehe veranschaulicht Simmel den Hinzutritt eines zweiten oder dritten Kindes zum Elternpaar, dessen Fundamente aus dyadischen und triadischen Wechselwirkungen, wenn auch mit verkomplizierten Strukturen, trotzdem bestehen bleiben (Simmel 1922, 68).
Diese Spezifik sowohl der Dyade als auch der einzigartige Unterschied zwischen der Dyade und Triade ist im Wesentlichen diejenige Behauptung, die in der vorliegenden Arbeit vermittelt durch den Konflikt überprüft werden soll. Anders ausgedrückt, es wird geschaut, ob die Spezifik der Wechselwirkungen sich in der Spezifik des Konflikts widerspiegelt. Im Folgenden werden die durch Gruppengrößen bedingten Interaktionsstrukturen vorgestellt.
3.4.1. Interaktionsdynamiken in dyadischen und triadischen Gruppen
Im Rahmen der Selbsterhaltung der Gruppe, also einer Gruppe im Sinne einer Freundschaft oder jeglicher Zweckverbindungen, ist es „mehr als ein bloßes Nebeneinander gegebener Individuen“ (Simmel 1922, 66). Der Entstehung der Dyade, so Simmel, liegt im Gegensatz zu vereinzelten Individuen die erhöhte Leistungserbringung zugrunde. Deshalb müssen die Partner beide Leistungen erbringen und sind im Gegensatz zum alleinigen Individuum oder einer vereinigten Gruppe höherer Zahl auf gegenseitige Verlässlichkeit angewiesen (Simmel 1922, 67). Während die unterlassene Verantwortlichkeit einer Monade, dem „die immer etwas mystische Kraft der Gesamtheit“ (Simmel 1922) gegenübersteht, aufgrund ihrer Anonymität meist unbemerkt bleibt, ist eine Verantwortungslosigkeit zwischen Zweien nicht zu verstecken (Simmel 1922). Wenn bspw. in der A-B-Beziehung A Aufgaben auf B abschiebt, dann weiß B diese direkt an die einzig mögliche Person A zurückzuweisen. Die Gegenüberstehenden sind permanent mit der „Alles oder Nichts“-Entscheidung (Simmel 1922, 69) konfrontiert, von welcher die Existenz jeder Dyade abhängen kann. In einer Dyade besteht daher eine höhere gegenseitige Abhängigkeit ihrer Mitglieder. Simmel beschreibt es auch als „eigen artige [sic] Enge“ der Zweierverbindung (Simmel 1922, 68). Für Lindemann ist es ist wie „ein Für-Sich-Gegenüberstehen“ in einer „Ich-Du-Beziehung“ (Lindemann 2010, 164).
In einer Triade ist dagegen die Verlässlichkeit mittelbar, da es kein ausschließliches Für- Sich-Gegenüberstehen mehr gibt. Durch den Dritten bildet sich eine neue zusätzliche Verbindung, die sich zwischen von den je Zweien mit einer direkten Verbindung, zu dem Dritten indirekt (gestrichelt) vollstreckt6. Durch diese strukturelle Veränderung entstehen erweiterte Spielräume, bspw. für den Umgang mit den Leistungspflichten, wodurch sich die Gelegenheit, bietet Verantwortung des Einen auf den Dritten abzuschieben bzw. sich „hinter der Gruppe zu verstecken“ (Simmel 1922, 68). .
Der gleichberechtigt geteilte Raum zwischen zwei Individuen, gestattet einer dyadischen Einheit keine Majoritätsmöglichkeit. Ausgenommen sind dabei Verhältnisse mit missbrauchenden Zügen, bei denen eine Individualität von der anderen unterdrückt wird (vgl. Simmel 1922, 69). Mit dem Eintritt der dritten Person zu einer gleichberechtigten Dyade ermöglicht das neue Gewicht, eine der drei Personen zu überstimmen, indem sich zwei z. B. durch sie verbindende Gemeinsamkeiten zusammentun. Gibt es Übereinstimmung zwischen zwei Personen, führt dies in einer Triade zu einer Majorität gegenüber dem Letzteren.
Lindemann (2010) interpretiert die Veränderung der Dyade durch den Dritten von Simmel als eine Ermöglichung für die Entstehung von Recht sowie von Machtverhältnissen7 und Konkurrenz um den Dritten (Lindemann 2010, 165). Simmel selbst verwendet die Begriffe des Kampfes, der Konkurrenz und der Eifersucht erst in der Verbindung mit dem Dritten.
Die sogenannte gestrichelte Verbindung der je beiden zum Dritten kann die unmittelbare sowohl verstärken als auch trennen. Diese Variation veranschaulicht der Theoretiker mit den Rollenverhalten des Dritten. Diese seien nun vorgestellt.
Trennende Rollen
Der Typ des Teilenden und Herrschenden - „Divide et impera“ - ist daran interessiert, die anderen beiden in einen Streit zu verwickeln, denn damit ist er in der Lage, Macht zu gewinnen oder seine Macht zu erhalten. Dafür sorgt er präventiv, indem er die Einigung der anderen beiden, bevor sie überhaupt passierte, zu verhindern versucht. Ist die Vereinigung bereits im Prozess, leitet der Dritte Handlungen ein, diese zu verhindern. Das Entscheidende bei dem Teilungsprozess ist die Unsichtbarkeit des Dritten, der die Streitenden „nur an unsichtbaren Fäden lenkt“ (Simmel 1922, 92).
Der Typus des lachenden Dritten - „Tertus gaudens“ - charakterisiert die Geschicktheit, den eigenen Vorteil im richtigen Moment ziehen zu können, ohne dabei selbst aktiv zu werden oder sich in die Dyade einzumischen. Wenn zwei Personen auseinandergeraten, kann sich der Dritte hintergründig zurückziehen sowie unbemerkt die Gunst seiner Teilnahmslosigkeit am Streit für sich und seine Vorteile ausspielen. Gewinne kann er ebenfalls durch zuneigende „Wohltaten“ einer Partei erhalten, die sie ihm zuwirft, um die gegnerische Partei zu schwächen (vgl. Simmel, S. 135).
Stärkende Rolle
Der Unparteiische und der Vermittler werden im Gegensatz zu den trennenden Rollen als der unparteiische Friedensstifter definiert. Während der Vermittler die Runde schließt und als Symbol der Harmonie zwischen den anderen Zweien gelten kann, indem er deren Verbindung verstärkt (Simmel 1922, 76), bewirkt der Unparteiische die Friedensstiftung bzw. Streitschlichtung. Dabei zieht er sich entweder für die Wiederverbindung der anderen zurück oder sorgt für die Ausgleichung der Ansprüche der Streitenden sowie für die Eliminierung der ursächlichen Widersprüche. Damit vertritt er in gewissen Maßen den Einigungswillen der Streitenden. Beiden Formen ist jedoch die Vertretung der objektiven, emotionslosen Einstellung gleich, die unabhängig vom Motiv schlussendlich zur Streitschlichtung führt.
3.4.2. Bezug zum Konfliktgegenstand
Da in Triaden die stärkenden und die trennenden Rollen erstmals wirksam werden, hat diese Gruppenform gegenüber der dyadischen Zusammensetzung hinsichtlich des Konfliktgegenstandes mehr Spielraum. Die Mitglieder der Dyade können diese Rollen, bedingt durch deren Wechselwirkungsstrukturen, nicht einnehmen. Damit kann eine situative Dyade weder auf die zusätzliche Komponente der Konfliktstiftung noch auf die der Konfliktschlichtung mittels dritter Personen zugreifen. In der triadischen Struktur ist beides möglich. Da es jedoch ungewiss ist, unter welchen Bedingungen die Rollenwahl in Triaden erfolgt, können hier keine eindeutigen Herleitungen bezüglich des Konfliktgegenstands in Triaden unternommen werden. Dennoch lassen sich Verknüpfungen zu diesen herstellen.
Am Ende des Kapitels 3.3 wurde die Verlinkung des Rechtsstaats als eines streitschlichtenden Dritten zum Rollenverhalten des unparteiischen Dritten vollzogen. Diese Rolle kann - übertragen auf den Konfliktgegenstand - dabei behilflich sein, den Konflikt vom Persönlichen, Affektiven zum Sachlichen, Objektiven überzuleiten.
Andererseits beschreibt Simmel Konzepte des Konflikts, der Konkurrenz sowie des Kampfes und der Macht erst in Verbindung mit dem Dritten und dessen Rollen in einer Dreierbeziehung. Die Namensgebung der Rolle des teilenden und herrschenden Dritten suggeriert bereits die Überordnung der Minderheit und die Unterordnung der Mehrheit. Die Anwendung der Rolle des lachenden Dritten ist latenter, während der Motivationshintergrund im Grunde derselbe ist.
Trotz der vermittelnden Rolle scheinen die Wechselwirkungen durch und mit dem Dritten intrigierend und spannungserzeugend zu sein. Daraus lässt sich das eher affektive Konfliktverhalten in Triaden vermuten als in Dyaden. Zusammen mit der Hypothese 2 scheinen Triaden grundsätzlich mehr Gründe für Konflikte zu haben.
Hypothese 3: Triadische Unternehmerteams haben sowohl öfter affektive als auch kognitive Konflikte als dyadische Unternehmerteams.
3.4.3. Strukturen der Stimmungsherstellung in den Gruppenformen
Fischer (2001) bezieht sich in seinem Beitrag über die Anthropologie der Intersubjektivität auf den „Exkurs über den Fremden“ (Simmel 1922, 509-512) und auf die Rolle des Fremden in der quantitativen Hinsicht. Ein Fremder könne erst dann ein Fremder sein, wenn sein Zutritt zur Einheit mit mindestens zwei Personen erfolgt (Fischer 2001, 119). Der Fremde ist somit in dem Fall der Dritte und in seiner Art zunächst ein Eindringling (Simmel 1922, 68). Als Eindringling, so Simmel, werde in einer Dreierbeziehung der eine oder andere vom Rest der Gruppe regelrecht empfunden (vgl.,Simmel 1922, 68).
Dagegen hat die Dyade prädestinierende Züge für enge, direkte Verbindungen. Diese Größe charakterisiert die höchste „Individualisierung“ der Einzelnen, die in Gruppen überhaupt möglich ist (vgl.,Simmel 1922, 69). In einer größer werdenden Gruppe sinke die Individualisierung jedes Mitglieds. Hohe „Individualität“8 stellt Simmel mit freundschaftlichen Beziehungen ins Verhältnis. Eine „[...] Freundschaft ist ein ganz und gar auf die Individualitäten der Elemente gestelltes Verhältnis“ (Simmel 1922, 70). Da die direkten, engen Verbindungen zwischen den Mitgliedern dyadischer Gruppen mit der höheren Individualität der Einzelnen begleitet werden, können Freundschaften in Dyaden dieser Logik nach wahrscheinlicher sein als in Triaden mit geringerer Individualität einzelner Mitglieder. Beispielhaft seien hier die Herstellung von Stimmungen sowie deren Störungen durch den Eindringling eingeführt. Durch den Zuwachs der Gruppe ist eine gemeinsame Stimmungsfindung immer schwieriger. Stimmungen lassen sich in Dyaden, so Simmel, schneller herstellen als in Triaden. Er benennt den Dritten als Zuschauer einer bereits hergestellten Stimmung von zwei (Simmel 1922, 68). Finden A und B eine sie verbindende Stimmung, die aufgrund eines gemeinsamen Faktors entstehen, bspw. das Gespräch über die gleichen beruflichen Hintergründe in einem Gründungsteam, bleibt C mit einem anderen Berufshintergrund zunächst außenstehend und nicht teilhabend an der gemeinsamen Stimmung der anderen, bis ein anderes Gesprächsthema auftaucht, bei dem er teilhaben kann. Nach demselben Prinzip können sich alle anderen Gruppenmitglieder in der Rolle des Eindringlings vorfinden (vgl.,Simmel 1922, 68f). Der gemeinsame Nenner der Stimmungen aller drei, so der Soziologe, komme selten und kurzfristig vor (Simmel 1922, 68). Die erschwerte Stimmungsherstellung und die schwächere Verbindung in einer Gruppe können u. a. das egozentrierte vorteilsgewinnende Verhalten des Dritten erklären und unterstützen in umgekehrter Weise (ausgehend von Dyaden) die Herleitungsargumente zur Hypothese 3.
Umgekehrt könnte es für Dyaden bedeuten, dass sie durch deren hohe Individualität sowie in Anbetracht der Selbsterhaltung der Gruppe affektive Konflikte vorbeugen können und sie lieber vermeiden.
[...]
1 Grundsätzlich lassen sich in der Literatur die Grenzen zwischen den drei Perspektiven und ihren Funktionen nicht deutlich trennen. Sowohl die Ergebnisse deskriptiver als auch die erklärender Ansätze münden oft als wissenschaftliche Grundlage in den Bereich präskriptiver, handlungsempfehlender Beiträge für Führungspersonen, während die ersten beiden oft zusammen untersucht werden, wie es die Studie von DeDreu und Weingart (2003) zeigt. Der erfasste Beziehungs- und Arbeitskonflikt wird dabei auf Konfliktfolgen untersucht (auch: Amason et al. (1995)..)
2 Im folgenden Verlauf der Arbeit werden Begriffe affektiv für Beziehungskonflikte und kognitiv für Arbeitskonflikte oder abwechselnd verwendet.
3 Aufgrund der durchgehenden Nutzung von Begriffen, wie Forscher, Autoren, Partner, Gründer, Unternehmensgründer etc., wird aus platzsparenden Gründen und zwecks der Übersichtlichkeit stets die männliche Form benutzt. Diese bezieht sich auf Personen beiderlei Geschlechts.
4 Robert Freed Bales wird nach Fine als Pionier der Kleingruppenforschung und als seine eigene Inspirationsquelle für sein Interesse für kleine Gruppen vorgestellt. Das Buch „Tiny Publics“ von 2012 hat der Autor seinem Inspirator, der gleichzeitig sein Dissertationsbegutachter war, gewidmet.
5 Simmel betrachtet die Fundamente dyadischer und triadischer Wechselwirkungssysteme als Grundformel für numerisch höhere Einheiten und der Wechselwirkungen dieser Einheiten, z. B Allianzen oder Partnerschaften einzelner Staaten als Summe dazugehöriger Individuen (Simmel (1922, 70f).).
6 Für Simmel ist der Dritte eine „formal soziologische Bereicherung“ (Simmel (1922, 68)).
7 Emerson (1962) impliziert in seiner Theorie der Macht-Abhängigkeitsbeziehung dasselbe Prinzip, bei dem die dritte Person C zwar nicht prinzipiell eine Majorität in der Beziehung A-B-C herbeiführt, aber ein ungünstiges Abhängigkeitsverhältnis der ursprünglich ausbalancierten Dyade bewirkt. In dem Fall, wenn B für das Ziel von A mit einem entsprechenden Beitrag zu investieren und damit A zu verhelfen in der Lage ist, wäre A insofern unproportioniert abhängig von B, sodass B mehr Macht über A besäße (Emerson (1962, 35)). Dabei können die aus dem Gleichgewicht gekommenen Beziehungen aufgrund von resultierenden Spannungen Konflikte erzeugen.
8 Simmel verwendet beide Begriffe abwechselnd.
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