Zunächst stelle ich den aktuellen Forschungsstand der möglichen Gründe für das Auftreten von Dualisierung auf dem Arbeitsmarkt dar. Anschließend werde ich Rathgeb´s (2018) Theorie von der Interaktion zwischen einer schwachen Regierung und einer starken Gewerkschaft vorstellen. Danach gehe ich auf seinen Vergleich zwischen den Ländern Österreich und Schweden ein, sowie die Ergebnisse seiner Analyse. Dieses Vorgehen von Rathgeb werde ich auf die Länder Deutschland und Schweiz anwenden, um seine Theorie zu überprüfen. Damit verbunden, erläutere ich in der Methodik meine Fallauswahl der beiden Länder. Dann werde ich alternative Lösungen vorschlagen. Zum Schluss komme ich zur Limitation meiner Arbeit und gehe auf den zukünftigen Ausblick der Forschung ein.
Inhalt
1. Einleitung
1.1 Gesellschaftliche Relevanz der Dualisierung
1.2 Wissenschaftliche Relevanz der Dualisierung
2. Forschungsstand
2.1 Producer Group Theory vs Vote Seeking
2.2 Interaktion zwischen Regierung und Gewerkschaft
2.3 Vergleich Schweden und Österreich
2.4 Quantifizierung der Erkenntnisse
3. Fallauswahl
4. Dualisierung in Deutschland
5. Dualisierung in der Schweiz
6. Diskussion und Ausblick
7. Limitation
1. Einleitung
1.1 Gesellschaftliche Relevanz der Dualisierung
Die relative Gleichheit innerhalb einer Gesellschaft, die man über viele Jahre in der Vergan- genheit hinweg verzeichnen konnte, verandert sich zunehmend. Es finden sich mittlerweile viele in einer sozialen Ausgeschlossenheit, als auch einer ökonomischen prekaren Situation wieder (Fervers und Schwander, 2015). In vielen Landern innerhalb der Organisation für wirt- schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kann man ein Auseinanderdriften ins- besondere auf dem Arbeitsmarkt erkennen. Dies ist keine neue Erscheinung, sondern begann bereits in den 1980er Jahren (Rueda, 2014). Dieses Auseinanderdriften nennt sich Dualisierung und teilt die Arbeitskrafte eines Landes in privilegiertere und gut geschützte Insider und weni- ger privilegierte Outsider (vgl. Emmenegger et al., 2012; Palier und Thelen, 2010; Rueda, 2007; Schwander, 2012).
Die genauere Definition zu Insider und Outsider ist nicht ganz einfach. Zu sagen, dass ein Insider eine Arbeitsstelle besitzt und ein Outsider arbeitslos ist, würde der Komplexitat und Viel- schichtigkeit der Thematik nicht gerecht werden. Für diese Hausarbeit nutze ich daher folgende Abgrenzung: Ein Insider ist ein Beschaftigter, der sozialversicherungspflichtig, das heiBt in die sozialen Sicherungssysteme eingebettet und unbefristet in Vollzeit angestellt ist. AuBerdem ge- nieBen Insider einen gewissen Schutz vor Arbeitsmarktrisiken. Ein Outsider, auch prekar oder atypisch Beschaftigter genannt, weist eines der genannten Merkmale nicht auf, wodurch pre- kare Beschaftigung sehr heterogen ist und auch diskutiert wird.
Die Dualisierung ist höchst problematisch für eine Gesellschaft, da Outsider laut Literatur durchgehend Nachteile erfahren (Fervers und Schwander, 2015). Von geringeren Entgeltzah- lungen (Autor und Houseman, 2010; Kalleberg, 2009), über geringere Aufstiegsmöglichkeiten und Weiterbildungsangeboten (Boeri, 2011), bis hin zu einer geringeren Zufriedenheit mit der eigenen Anstellung sowie den generellen Lebensumstanden (Booth et al., 2002; Wulfgramm, 2011) reicht die strukturelle Benachteiligung. Da die Leistungen der Sozialversicherung in manchen Fallen (z.B. deutsche Rentenversicherung, deutsche Arbeitslosenversicherung) ein- kommensbezogen sind, sind sie Insidern gegenüber generöser als bei Outsidern, was die Un- gleichheit zusatzlich ankurbelt (Palier und Thelen, 2010).
Dies macht deutlich, dass das Thema der Dualisierung auf dem Arbeitsmarkt gesellschaftlich höchst relevant ist.
1.2 Wissenschaftliche Relevanz der Dualisierung
Aufgrund dieser Relevanz wird das Thema auch im Bereich der Soziologie und insbesondere der vergleichenden Politikwissenschaft sehr intensiv diskutiert. Schwander (2019) wies einen signifikanten Anstieg der Publikationen in den international wichtigsten politikwissenschaftli- chen Journals zwischen den Jahren 2003 und 2017 nach.
Demnach beschaftigt sich die Forschung hauptsachlich mit den politischen Auswirkungen der Dualisierung auf dem Arbeitsmarkt. Die Auswirkungen zeigen sich in grundsatzlichen Elementen der Demokratie wie im politischen Wettbewerb der Parteien, der politischen Partizipation von Outsidern, sowie deren Reprasentation (Schwander, 2019). Gerade durch die Reprasenta- tion der Outsider kann man den wissenschaftlichen Diskurs gut erkennen. Schwander (2019) beschreibt, wie insbesondere Rueda (2005, 2006, 2007) der Auffassung ist, dass sozialdemo- kratische Parteien sich bei Verteilungskonflikten den Insidern gegenüber solidarisch verhalten, die Belange der Outsider jedoch vernachlassigt. Die Debatte, inwiefern sozialdemokratische Parteien die gesamte, oder lediglich den privilegierteren Teil der Arbeiterschaft reprasentiert, war eröffnet (vgl. Hübscher, 2017; Iversen und Soskice, 2015; Tepe und Vanhuysee, 2013; Vlandas, 2013). Laut Ferrera (2005) und Hausermann (2012) stellen sich Sozialdemokratische Parteien, entgegen Rueda's Ausführungen, sehr wohl auf die Seite von Outsider. Durch diese divergierenden Meinungen innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses stellt sich die Frage, ob eine sozialdemokratische Partei überhaupt der ausschlaggebende Faktor ist, welcher die Höhe der Dualisierung auf dem Arbeitsmarkt innerhalb einer Gesellschaft definiert.
Was führt zu einer Dualisierung auf dem Arbeitsmarkt und warum gibt es zwischen den entwi- ckelten Landern einen Unterschied?
Für diese Hausarbeit werde ich folgendermaBen vorgehen:
Zunachst stelle ich den aktuellen Forschungsstand der möglichen Gründe für das Auftreten von Dualisierung auf dem Arbeitsmarkt dar. AnschlieBend werde ich Rathgeb's (2018) Theorie von der Interaktion zwischen einer schwachen Regierung und einer starken Gewerkschaft vorstellen. Danach gehe ich auf seinen Vergleich zwischen den Landern Österreich und Schweden ein, sowie die Ergebnisse seiner Analyse. Dieses Vorgehen von Rathgeb werde ich auf die Lander Deutschland und Schweiz anwenden, um seine Theorie zu überprüfen. Damit verbunden, er- lautere ich in der Methodik meine Fallauswahl der beiden Lander. Dann werde ich alternative Lösungen vorschlagen. Zum Schluss komme ich zur Limitation meiner Arbeit und gehe auf den zukünftigen Ausblick der Forschung ein.
Zur besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die mannliche Form verwendet, wobei selbst- verstandlich hier auch alle anderen Formen der Anrede miteingeschlossen sind.
2. Forschungsstand
Die Dualisierung hat ihren Ursprung nicht nur in den Strategien von Shareholder Value maxi- mierenden Managern, sondern auch von Deregulierungsbestrebungen seitens der Politik, um Arbeitsplatze zu schaffen (Rathgeb, 2018). Als Beispiel kann man die von Frankreichs Prasi- denten Emmanuel Macron angestrebte Lockerung des Arbeitsrechts ansehen. Durch diese Lo- ckerung hofft Macron, dass daraus resultierend die Arbeitslosenzahlen sinken und die Wirt- schaft in dem Land unterstützt wird (Wirtschaftswoche.de, 2017). Frankreich ist mit dieser neo- liberalen Tendenz nicht alleine. Auch die Bundeskanzlerin von Deutschland, Dr. Angela Merkel, spricht sich auf dem Arbeitgebertag 2018 für eine Lockerung des Arbeitsrechts aus (Wirt- schaftswoche.de, 2018). Dieser sukzessive Abbau des Schutzes von Arbeitnehmerrechten führt zwar dazu, dass Arbeitgeber eher gewillt sind Arbeitssuchende einzustellen, allerdings erodiert es gleichzeitig Sicherheit und Stabilitat von Arbeitnehmern. Diese Ankündigungen stehen sinn- bildlich für das Auflösen der versuchten Erhaltung einer Balance zwischen Arbeit und Kapital (Rathgeb, 2018). Die Kapitalbildung sowie die soziale Stabilitat eines Landes befanden sich schon immer in einem Spannungsverhaltnis (Polanyi, 1944; Streeck, 2009), doch der Drang der Flexibilisierung zugunsten von Arbeitgebern zulasten der sozialen Sicherheit von Outsidern ist in allen entwickelten Ökonomien erkennbar (Rathgeb, 2018).
2.1 Producer Group Theory vs Vote Seeking
Die Forschung hat zwei theoretische Ansatze, um zu erklaren, wie politische Akteure den Schutz von Outsidern über Zeit verandern.
Laut Martin und Swank (2012) sowie Thelen (2014) ist das Koalieren von Arbeitgeber(verban- den) sowie Gewerkschaften Kern der producer group theory. Durch Koalition der beiden doch eher kontrahierenden Akteure, versuchen sie ihre Policy Praferenzen bei der Gesetzgebung durchzusetzen. Die wichtige Frage hierbei muss lauten: Inwiefern werden die Outsider bei der Koalition zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband berücksichtigt? Je inklusiver sich die Gewerkschaft den Outsidern gegenüber verhalt, desto starker werden Outsider geschützt (Rathgeb, 2018).
Die zweite Theorie ruht auf den Bestrebungen der Parteien, Wahlerstimmen zu generieren (vote-seeking), was eine der wichtigsten Strategien der Parteien im politischen Wettbewerb ist und der Tradition der rational-choice theory folgt (Strom, 1990). Hierbei liegt die Begründung des unterschiedlichen Schutzes von Outsidern in elektoralen Allianzen, welche letztendlich Ko- alitionen von Parteien wahlen und diese zur Macht verhelfen. Je nach Elektorat werden unter- schiedliche Policy Praferenzen durchgesetzt. Kurzum: Befinden sich Outsider in besagtem Elektorat oder nicht (Rueda, 2007).
Laut Rathgeb (2018) haben beide Ansatze zwei gemeinsame Merkmale. Zum einen hat ledig- lich eine Koalition, bestehend aus Insider wie Outsider innerhalb der Arbeiterschicht die Mög- lichkeit, Policy Entscheidungen in eine Richtung zu drangen, welche die divergierenden Wün- sche von Insider wie Outsider zufrieden stellt. Bevorzugen Insider eher Policies die zu Arbeits- platzsicherheit, niedrigen Steuern und Beschaftigungsstabilitat führen, wünschen Outsider ge- nerösere Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, BeförderungsmaBnahmen sowie eine Einkom- mensumverteilung (Schwander, 2019).
Zweitens fokussieren sich die Theorien entweder auf die producer groups, also Gewerkschaften und Arbeitgeberverbande, oder auf Parteien.
2.2 Interaktion zwischen Regierung und Gewerkschaft
Genau diese AusschlieBlichkeit der Fokussierung ist das Problem. Rathgeb (2018) spricht sich nicht für eine Trennung der beiden Ansatze aus, sondern verbindet diese. Er baut seine Theorie folgendermaBen auf:
Strebt eine Regierung Reformprozesse auf dem Arbeitsmarkt an, kann sie dies durchführen, sofern es eine starke Regierung ist. Ohne auBerparlamentarische Akteure ist sie dann in der Lage, unilaterale Arbeitsmarktreformen durchzuführen. Dadurch tendiert eine Regierung zu ei- ner flexibleren Arbeitsmarktpolitik, die Outsider eher vernachlassigt und die Dualisierung be- günstigt.
Die Veranderung des politische Status quo liegt jedoch nicht immer ausschlieBlich in den Handen der Regierung. Gerade wenn eine Regierung schwach ist, hat die Gewerkschaft Möglich- keiten den Reformprozess mitzubestimmen. Eine Regierung ist dann schwach, wenn es keine kohasive Policy Praferenz innerhalb der Regierung gibt, oder sich keine eindeutige parlamen- tarische Mehrheit bilden lasst, die die Regierung tragt und unterstützt. Dies führt dazu, dass eine unilaterale Reform unmöglich ist, wodurch die Regierung die Entscheidungen an die Sozialpartner delegiert. Je nach Inklusivitat der Gewerkschaft, also inwieweit die Gewerkschaft Outsider berücksichtigt, desto geringer wird die Dualisierung ausfallen. Dieser bipartistische Ansatz wird dann zum Tripartismus, wenn die Entscheidung schlieBlich durch das Nadelöhr des Parlaments, also der legislativen Gewalt geht. Obwohl man in den letzten Jahren Verande- rungen des Tripartismus bzw. Korporatismus erkennen kann, ist es immer noch eine relevante GröBe in der politischen Entscheidungsfindung (Karlhofer, 2010).
2.3 Vergleich Schweden und Österreich
Folgende Analyse, die ich deskriptiv beschreibe, stammt vollstandig von Rathgeb (2018).
Rathgeb wahlte zum Vergleich Schweden und Österreich aus, da es einige Überschneidungen wie die kleine Flache des Landes, korporatistische Vermachtnisse, sowie die Prasenz von mitte- rechts Regierungen gibt. AuBerdem sind beide Lander ausgereifte Wohlfahrtsstaaten, was zu- satzlich eine Vergleichbarkeit ermöglicht.
Er stellte die Regierungskoalitionen sowie den Wahlanteil beider Parteien der letzten Jahre dar, um die Starke der jeweiligen Regierung zu messen und zu vergleichen. Dabei wurde klar, dass Schweden eine starke Regierung bilden konnte, die innerhalb der Koalition kohasiv besonders bei den arbeitsmarktpolitischen Policy Praferenzen war, wahrend die österreichische meist groBe Koalition sehr divergierende Praferenzen hatte.
Wie von Rathgeb vorhergesagt, konnte Schwedens Regierung dank der Starke unilaterale Reformen, die eindeutig die Dualisierung begünstigt, durchsetzen. Die Sozialpartner hatten kein Mitspracherecht, wodurch die Interessen der Outsider nicht vertreten wurden. Ganz anders ver- hielt es sich mit Österreich. Durch Österreichs Schwache, hervorgerufen durch intra-koalitio- nare Differenzen sowohl in den Jahre der groBen Koalition, als auch überraschenderweise wah- rend der mitte-rechts Regierung, konnte man keine unilaterale Reform für den Arbeitsmarkt auf den Weg bringen. Da das oben genannte System des Korporatismus Tradition in Österreich hat, wurden die Überlegungen an die Sozialpartner delegiert. Dadurch hatte die Gewerkschaft, wel- che zu der Zeit inklusiv Outsidern gegenüber war und somit deren Interessen mitvertrat, genü- gend Macht, eine starke Dualisierung zu verhindern.
2.4 Quantifizierung der Erkenntnisse
Rathgeb wies den drastischen Anstieg der Dualisierung in Schweden im Vergleich zu Öster- reich mit den OECD Daten der Employment protection legislation strictness, den Ausgaben für aktivierende Arbeitsmarktpolitik beider Lander, sowie dem prozentuale Anteil an Arbeitslosen, die Unterstützung bzw. Arbeitslosengeld erhalten, nach.
Employment protection legislation strictness
Hier wurde von der OECD operationalisiert, wie leicht es für einen Arbeitgeber ist, einen An- gestellten wieder zu kündigen. Rathgeb überprüfte sowohl die Daten von Festangestellten, als auch von Angestellte mit befristeten Arbeitsvertragen (siehe Table 3).
Table 3. Employment protection legislation strictness, 1990 and 2013
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Source: OECD.Stat, EPL database (version 3)
Es wird deutlich, dass sich bei den Festangestellten der Schutz vor Kündigung sowohl in Ös- terreich als auch in Schweden leicht verringerte. Dies ist vermutlich der bereits erwahnten Fle- xibilisierung in den meisten Landern geschuldet. Auf der Seite der befristet Angestellten er- kennt man eine Starkung des Schutzes in Österreich, was ein Hinweis für eine Senkung der Dualisierung in diesem Land ist. Eine signifikante Schwachung dagegen erkennt man bei den befristet Angestellten in Schweden, was wiederum eine Erhöhung der Dualisierung zur Folge hat.
Auch wenn Rathgeb ein kleiner Fehler unterlaufen ist, in dem er im Jahr 2013 bei den befristet Angestellten 0,81 anstatt wie eigentlich richtig 1,17 verwendete, schmalert dies nicht den Aus- sagegehalt der Verringerung des Schutzes für befristet Angestellte.
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- Citar trabajo
- B.A. Jonas Poré (Autor), 2019, Vergleichende Analyse der Dualisierung auf dem Arbeitsmarkt zwischen Deutschland und der Schweiz, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1130853
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