Diese Hausarbeit fragt danach, welche Fehler es im Denken gibt, die dafür sorgen, dass Alltagsrassismus auftritt und von den Ausübenden oftmals nicht als solcher erkannt wird. Zunächst wird hierfür der notwendige theoretische Hintergrund erläutert, indem Rassismus definiert wird. Ebenso wird aufgezeigt, wie Rassismus verschiedenen Ansätzen nach aufgebaut ist, um dann die laut Terkessidis “banale Form“ von Rassismus, den Alltagsrassismus, und seinen Aufbau vorzustellen. Anschließend wird das Denken nach Kahneman vorgestellt, um anhand von dem Beispiel Alltagsrassismus nach Terkessidis genauer zu untersuchen, wie die verschiedenen Aspekte von Alltagsrassismus im Denken zustande kommen. Abschließend wird kurz angerissen, wie das Thema Rassismus im Bildungsplan verortet ist.
„Wir sind alle Rassisten – aber das können wir ändern!“ Der von Andrea Dernbach verfasste Kommentar im Tagesspiegel setzt sich mit der Frage auseinander, wieviel Rassist in einem jedem Menschen steckt und welche Maßnahmen bei jedem Einzelnen notwendig sind, um aktiv und möglich ist effektiv gegen Rassismus vorzugehen. Während sie in ihrem Kommentar dafür plädiert, über die eigene Weltsicht nachzudenken und zu versuchen, alle Stereotype aus dem eigenen Denken zu verbannen, argumentieren manche Leser in den Kommentaren gegen ihre Ansicht. So argumentiert ein Leser damit, dass Asiaten bei Noten und Abschlüssen weit vorne dabei sind, während türkische SchülerInnen hingegen eher weder bildungsaffin noch strebsam sind. Wenn etwa Eltern demnach beschließen, ihr eigenes Kind lieber auf eine Schule mit Asiaten zu schicken – um eine bessere Lernumgebung zu schaffen – so handelt es sich dem Kommentar nach um ein „vernünftiges Handeln auf Basis von Fakten[.]“
1 Einleitung
„Wir sind alle Rassisten - aber das können wir ändern!" Der von Andrea Dernbach verfasste Kommentar im Tagesspiegel setzt sich mit der Frage auseinander, wieviel Rassist in einem jedem Menschen steckt und welche Maßnahmen bei jedem Einzelnen notwendig sind, um aktiv und möglich ist effektiv gegen Rassismus vorzugehen. Während sie in ihrem Kommentar dafür plädiert, über die eigene Weitsicht nachzudenken und zu versuchen, alle Stereotype aus dem eigenen Denken zu verbannen, argumentieren manche Leser in den Kommentaren gegen ihre Ansicht. So argumentiert ein Leser damit, dass Asiaten bei Noten und Abschlüssen weit vorne dabei sind, während türkische Schülerinnen hingegen eher weder bildungsaffin noch strebsam sind. Wenn etwa Eltern demnach beschließen, ihreigenes Kind lieberaufeine Schule mit Asiaten zu schicken - um eine bessere Lernumgebung zu schaffen - so handelt es sich dem Kommentar nach um ein „vernünftiges Handeln auf Basis von Faktenf.]"1
Wie gefährlich Rassismus ist wurde eindrucksvoll in der shooter bias study von der Pennsylvania State University gezeigt.
Bei einer Computersimulation wurden die Probanden dazu aufgefordert, innerhalb von Sekunden zu entscheiden, ob der Gegenüber eine Waffe in der Hand hält und erschossen werden sollte oder nicht. Die Ergebnisse waren fürviele überraschend: Alle Probanden zeigten eine eindeutige Tendenz, eher einen "Schwarzen" zu erschießen anstelle von einem "Weißen".
Die folgende Hausarbeit fragt danach, welche Fehler es im Denken gibt, die dafür sorgen, dass Alltagsrassismus auftritt und von den Ausübenden oftmals nicht als solcher erkannt wird.
Zunächst wird hierfür der notwendige theoretische Hintergrund erläutert, indem Rassismus definiert wird. Ebenso wird aufgezeigt, wie Rassismus verschiedenen Ansätzen nach aufgebaut ist, um dann die laut Terkessidis "banale Form" von Rassismus, den Alltagsrassismus, und seinen Aufbau vorzustellen.
Anschließend wird das Denken nach Kahneman vorgestellt, um anhand von dem Beispiel Alltagsrassismus nach Terkessidis genauer zu untersuchen, wie die verschiedenen Aspekte von Alltagsrassismus im Denken zustande kommen.
Abschließend wird kurz angerissen, wie das Thema Rassismus im Bildungsplan verortet ist.
2 Rassismus
Rassismus lässt sich in den unterschiedlichsten Bereichen der Gesellschaft und der Lebenswelt von jedem Einzelnen auffinden. Jeder Mensch ist unterschiedlichen Formen von Rassismus ausgesetzt, egal ob am Arbeitsplatz, in der Politik oder im Freundeskreis.
Im Folgenden werden zunächst verschiedene Ansätze zum Thema Rassismus erläutert. Dabei werden die Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen diesen verschiedenen Theorien zu der Funktion und Beschaffenheit von Rassismus aufgezeigt.
2.1 Die unterschiedlichen Formen von Rassismus
Rassismus ist „die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher und fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden des Opfersj.]"2 Diese Unterschiede werden dann als Begründung für Privilegien gegenüber der eigenen Gruppe und Benachteiligungen gegenüber vermeintlich Andersartigen genutzt.
Dabei ist Rassismus ein Konstrukt, bei dem die Objekte, auf den der Rassismus sich bezieht, „mittels sozialer Differenzierungsprozesse konstruiert"3 werden und oftmals Aggressionen ausgesetzt sind:
Es gibt verschiedene Theorien, wie die Differenzierungsmarkierungen für das Schaffen von Andersartigen überhaupt entstehen.
Robert Miles geht von der Annahme aus, dass das Andersartige geschaffen wird, indem auf zwei verschiedenen Ebenen biologischen Unterschieden zwischen Menschen unterschiedliche soziale Bedeutungen zugeschrieben werden. Zunächst werden allgemeine physische Merkmale gesammelt, um diese dann anschließend in Hinblick darauf, welche verwendet werden können um angenommene Unterschiede zwischen den Personen zu legitimieren, auszuwählen.4
Wulf D. Hund hingegen ist der Ansicht, dass Rassismus kulturelle Argumentationslinien verwendet, „um bestimmte soziale Gruppen zu minderwertigen Anderen zu machen und sie gesellschaftlich auszugrenzen."5 Der Differenzierungsmarker erfolgt laut Hund indem Andersartigen die Vollwertigkeit ihrer eigenen Kultur abgeschrieben wird. Zusätzlich zu dieser Minderwertigkeitszuschreibung werden anschließend physiologische Merkmale genutzt, um die Zugehörigkeit zu der Kultur sichtbar zu machen. Wichtig ist hierbei, dass nur ein physiologisches Merkmal nicht ausreicht, um diese Zugehörigkeit zu generieren. So werden etwa zusätzlich zu dem Merkmal "Hautfarbe" noch Merkmale wie "Geruch" oder "Sprechweise" hinzugefügt, um einen Menschen als "schwarz" zu klassifizieren. Spannend ist in diesem Kontext auch, dass beim Nichtvorhandensein von physiologischen Merkmalen, wie beispielsweise einer bestimmten Glaubenszugehörigkeit, verpflichtende physiologische Merkmale eingeführt werden können. Das prägnanteste Beispiel hierfür wäre die Verpflichtung für Juden einen Judenstern zu tragen.6 Doch auch davor wurden solche Maßnahmen bereits getroffen. So wurden etwa im Mittelalter Dieben ein Finger oder in schweren Fällen sogar die ganze Hand abgehackt - so konnte jeder sofort erkennen, wer ein Dieb war.
Zusätzlich zu dieser Abwertung der Kultur wird den Andersartigen „der Status ihres Menschseins abgesprochen, weshalb Hund Rassismus als „Entmenschlichung" [...] definiert."7 Für beide ist die Unterdrückung und Ausgrenzung von Andersartigen der wahre Zweck des Rassismus. Indem diese auf einzelne Merkmale reduziert werden, wird ihre Individualität geleugnet. Die jeweiligen Merkmale werden mit negativen Eigenschaften gekoppelt, um Gründe zu schaffen, diese Minderheiten „abzuwerten, zu benachteiligen, auszuschließen oder Gewalt auszuüben - zum Vorteil der eigenen Gruppe, zur Selbsttaufwertung oder Verteidigung von Privilegien."8
Ein anderer Ansatz ist von Mark Terkessidis. Für ihn ist Rassismus ein "Apparat". Die Entstehung des Rassismus lässt sich laut ihm in der Moderne verorten - er datiert sie auf das Jahr 1492. Die Entdeckung Amerikas, welche aufgrund der spanischen Kolonialherrschaft zur Sklaverei führte, ist laut Terkessidis der Geburtsmoment der „Hautfarbe als rassistisches Unterscheidungsmerkmal bei gleichzeitiger Symbolisierung eines unterschiedlichen sozialen Status [,]"9 Der Apparat besteht dabei aus drei Säulen: der Rassifizierung, der Ausgrenzungspraxis und derdifferenzierenden Macht.
Bei der Rassifizierung nach Terkessidis handelt es sich um einen Prozess, in dem eine Gruppe in Abgrenzung zur eigenen Gruppe naturalisiert wird. Die Kennzeichen für diese Rassifizierung können dabei unterschiedlich sein, wie etwa morpho-physiologische Kennzeichen, soziologische Kennzeichen, symbolische und geistige Kennzeichen oder imaginäre Kennzeichen, und können untereinander kombiniert werden. Auch ohne eine negative Bewertung der aufgezeigten Unterschiede ist bereits das Erstellen einer natürlichen Gruppe fürTerkessidis Rassismus.10
Das Andersartige wird jedoch erst durch die Ausgrenzungspraxis erzeugt - die laut Terkessidis praktische Seite des Rassismus: Sie dient „nicht nur dazu, die Anderen auszugrenzen, sondern sie zugleich sichtbar zu machen. [...Sie werden] ausgeschlossen, indem sie einbezogen werden."11
Wirklich sichtbar gemacht werden kann eine Gruppe jedoch nur, wenn eine andere Gruppe über die notwendigen Mittel verfügt, um dies durchzuführen. Nur wenn die Macht zur Differenzierung vorhanden ist, kann das Andersartige wahrhaft in einer Gesellschaft konstruiert werden. Demzufolge sieht Terkessidis die gesellschaftlichen Strukturen - vorrangig ein Komplex an verschiedenen und miteinander verwobenen Institutionen - hauptverantwortlich für Rassismus.12
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Rassismus von der Konstruktion des Andersartigen lebt. Eine zwingende Abwertung der vermeintlichen Andersartigkeit ist dabei - nach Terkessidis - nicht unbedingt notwendig, um bereits von Rassismus zu sprechen.
Betrachtet man die verschiedenen Ansätze zur Entstehung von Rassismus, wird ersichtlich, dass Rassismus demnach nicht angeboren oder im Menschen fest verankert ist. Vielmehr entsteht er in Abhängigkeit zu den Vorstellungen der Mehrheitsgesellschaft. Rassismus ist keinerTheorie nach eine biologische gegebene Gegebenheit, sondern vielmehr ein Konstrukt, welches bewusst oder unbewusst erschaffen wurde, um gewissen Menschen die Zugehörigkeit zur eigenen Gruppe abzusprechen.
2.2 Alltagsrassismus nach Terkessidis
Als Alltagsrassismus wird eine alltägliche auftretende Form von Rassismus in der Mehrheitsgesellschaft bezeichnet.
Terkessidis definiert in seiner Untersuchung über den Alltagsrassismus - oder vielmehr banalen Rassismus wie er ihn nennt - vier Akte, aus denen sich dieser zusammensetzt: Entfremdung,Verweisung, Entantwortung und Entgleichung.
Zusätzlich zu diesen vier Akten benennt er zudem den sogenannten Prozess der Spekularisation. Dieser bezeichnet die Bildlichkeit des Rassismus und ist nach Terkessidis das "Syndrom" dervier Akte.13
Die vier Akte und die Spekularisation wurden ausgehend von der Seite der Andersartigen kategorisiert, und nicht - wie sonst oftmals üblich - ausgehend von der handelnden Mehrheit, da Mark Terkessidis die Bedeutung von den Betroffenen von Alltagsrassismus in den Fokus rücken wollte, der Subjektivierungsprozess soll aufgezeigt werden.14
Alltagsrassismus ist dabei ebenso gefährlich wie jede andere Form von Rassismus-auch wenn gerade die Bezeichnung "banal" vielleicht einen anderen Eindruck erweckt. Es kommt zu Verletzungen, die häufig von den Betroffenen nicht artikuliert werden. Je nach Art und Dauer der Verletzungen entstehen Konsequenzen. Enttäuschung, Wut oder Rückzug können genauso gut möglich sein wie Ignoranz oder Ressentiments gegenüber dergesamten Gruppe der Diskriminierenden.15
[...]
1 Sar2018
2 Memmi 1994: 225
3 Buchna 2019:21
4 Vgl. ebd.: 22
5 Buchna 2019: 26
6 Vgl. ebd.: 26f.
7 ebd.: 27, zit. nach Hund 2007: 83
8 Eisengräber 2015: 8
9 Buchna 2019:35
10 Vgl. Terkessidis 2004: 98f.
11 Buchna 2019: 37
12 Vgl. Terkessidis 2004: 99f.
13 Vgl. Terkessidis 2004: 198f.
14 Vgl. ebd.: 172
15 Brinkmann 2015: 31
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