Die Fragestellung für die vorliegende Arbeit kann wie folgt formuliert werden: Mit welchen räumlichen, malerischen und ikonografischen Mitteln setzt Martin Schongauer das Thema des Weltgerichts in Szene? Verfolgt er, im Vergleich zur deutschen Wandmalerei, eine traditionelle Umsetzung oder bringt er Erneuerungen ein? Beeinflussen mögliche Erneuerungen die Interpretation des dargestellten Weltgerichts? Im Verlauf der Arbeit wird zu erkennen sein, dass er gattungsübergreifend gearbeitet hat. Daraus resultiert die Überlegung: aus welchen Gattungen übernimmt er Inspirationen und wie verändert sich die ikonografische Interpretation seines Werkes dadurch?
Die Darstellung des Jüngsten Gerichts von Martin Schongauers im St. Stephans Münster zu Breisach ist ein großformatiges Wandgemälde, das der Colmarer Künstler um das Jahr 1485 anfertigte. Er sollte das Weltgericht auf einer Gesamtfläche von 312 Quadratmeter in Szene setzen. Somit entstanden an den Wänden der Westhalle, einem Erweiterungsbau der Stadtpfarrkirche Breisach, die Richterszene an der Westwand, das Paradies an der Südwand und die Hölle an der Nordwand.
Da die Schriftquellen zu Martin Schongauers Leben sowie zu diesem Auftrag sehr lückenhaft sind, bleiben viele Fragen zu dem Werk offen. So ist bis heute nicht geklärt, wer der Auftraggeber war, wie Martin Schongauer dieses großformatige Wandgemälde umsetzte, wer seine Mitarbeiter/Gehilfen waren, und ob das Kunstwerk fertiggestellt wurde, oder ob er unvermittelt währenddessen verstorben ist.
Aufgrund dieser ungeklärten Fragen, liegt in der vorliegenden Arbeit der Fokus auf der Umsetzung des Werkes. Mit welchen Motiven hat Schongauer das Weltgericht in Breisach in Szene gesetzt? Folgt Martin Schongauer einer traditionellen Umsetzung oder weicht er davon ab?
Das Thema des Weltgerichts war im Mittelalter und auch im Spätmittelalter ein sehr beliebtes und häufig umgesetztes Motiv. Es ergeben sich daraus viele Vergleichsmöglichkeiten. In erster Linie soll in dieser Arbeit der Vergleich mit der deutschen Wandmalerei im Vordergrund stehen, um so die Erneuerungen für diesen geografischen Raum und die Gattung der Wandmalerei deutlich werden zu lassen. Dafür wurden 61 Wandgemälde in Deutschland mit dem Motiv des Jüngsten Gerichts ausgewertet.
Inhaltsverzeichnis
I. EINLEITUNG
1. Methode und Vorgehen
2. Forschungsstand
II. DIE SCHRIFTQUELLEN ZU MARTIN SCHONGAUERS WERK DES JÜNGSTEN GERICHTS IN BREISACH / AUFTRAGGEBER
III. WERKANALYSE
IV. DAS WERK MARTIN SCHONGAUERS IM KONTEXT SEINER ZEIT
1. Exkurs zur deutschen Wandmalerei
2. Die räumliche Konzeption
2.1 Die räumliche Umsetzung des Breisacher Weltgerichts
2.2 Die Westinnenwand
3. Die malerische Umsetzung des Breisacher Weltgerichtes
3.1 Die Flächenstrukturierung des Breisacher Weltgerichts
3.2 Das Figurenpersonal
3.3 Anordnung der Figuren
3.4 Die malerischen Ausführung des Weltgerichts
4. Die ikonografische Analyse
4.1 Der Quellentext
4.2 Die Herrlichkeit Christi
4.3 Das Reich Gottes
4.4 Der Höllensturz
V. DIE FUNKTION DES BREISACHER WELTGERICHTS
VI. ZUSAMMENFASSUNG
VII. LITERATURVERZEICHNIS
VIII. ABBILDUNGSVERZEICHNIS
I. Einleitung
Immer werden sie sein, was sie waren, die [Freuden des ewigen Lebens, denn die Ursache der Freude wird Gott [selbst sein,1 Diese Worte des Vertrauens wurden niedergeschrieben von Prosper von Aquitanien und sind Bestandteil einer Paradiesdarstellung, die sich im St. Stephans Münster zu Breisach befindet. Es handelt sich dabei um ein großformatiges Wandgemälde, das den Tag des Jüngsten Gerichts wiedergibt und von dem Maler und Kupferstecher Martin Schongauer angefertigt wurde.
Der Colmarer Künstler Martin Schongauer wurde um das Jahr 1485 Bürger zu Breisach, um diesen großen Auftrag anzunehmen. Er sollte das Weltgericht auf einer Gesamtfläche von 312 Quadratmeter in Szene setzen. An den Wänden der Westhalle, einem Erweiterungsbau der Stadtpfarrkirche [Abb. 1], ist an der Westwand die Richterszene, an der Südwand das Paradies und an der Nordwand die Hölle dargestellt [Abb. 2, 3, 4]. Da die Schriftquellen zu Martin Schongauers Leben sowie zu diesem Auftrag sehr lückenhaft sind, bleiben viele Fragen zu dem Werk offen. So ist bis heute nicht geklärt, wer der Auftraggeber war, wie Martin Schongauer dieses großformatige Wandgemälde umsetzte, wer seine Mitarbeiter/Gehilfen waren, und ob das Kunstwerk fertiggestellt wurde, oder er unvermittelt währenddessen verstorben ist. Aufgrund dieser ungeklärten Fragen, wird in der vorliegenden Arbeit werkimmanent gearbeitet. Der Fokus liegt damit auf der Umsetzung des Werkes. Mit welchen Motiven hat Schongauer das Weltgericht in Breisach in Szene gesetzt? Folgt Martin Schongauer einer traditionellen Umsetzung oder weicht er davon ab?
Das Thema des Weltgerichts war im Mittelalter und auch im Spätmittelalter ein sehr beliebtes und häufig umgesetztes Motiv. Es ergeben sich daraus viele Vergleichsmöglichkeiten. In erster Linie soll in dieser Arbeit der Vergleich mit der deutschen Wandmalerei im Vordergrund stehen, um so die Erneuerungen für diesen geografischen Raum und die Gattung der Wandmalerei deutlich werden zu lassen.
Da die technischen Möglichkeiten eines Tafelbildes von denen eines Wandgemäldes abweichen und es auch gattungsspezifische Konventionen gibt, soll es nicht in den Kontext zur deutschen Malerei der Gotik gestellt werden. Im Verlauf der Arbeit wird zu erkennen sein, dass Martin Schongauer gattungsübergreifend gearbeitet hat. Daher wird eine Frage sein: Aus welchen Gattungen übernimmt er Inspirationen und wie verändert sich die ikonografische Interpretation seines Werkes dadurch?
Die Fragestellung für die vorliegende Arbeit kann wie folgt formuliert werden: Mit welchen räumlichen, malerischen und ikonografischen Mitteln setzt Martin Schongauer das Thema des Weltgerichts in Szene? Verfolgt er, im Vergleich zur deutschen Wandmalerei, eine traditionelle Umsetzung oder bringt er Erneuerungen ein? Falls er Erneuerungen einbringt, inwiefern beeinflussen diese die Interpretation des dargestellten Weltgerichts?
1. Methode und Vorgehen
Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der ikonografischen Analyse der Motive, die in eine Interpretation der Weltgerichtsdarstellung, wie sie Martin Schongauers vorgenommen hat, mündet. Es wird nach der Methode des Dreistufensystems von Erwin Panofsky gearbeitet2. Die dritte Stufe nach Panofsky, die ikonologische Interpretation, soll in dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden. Für die Einordnung des Werkes in die Zeit des Spätmittelalters wären u. a. die in der Einleitung genannten offenen Fragen von Interesse, die für den Umfang einer weiterführenden Arbeit geeignet sind.
In der ersten vorikonografischen Stufe wird das Werk Schongauers in Bezug auf seine räumliche Konzeption und die malerische Umsetzung analysiert. Bei der räumlichen Konzeption geht es um die Aufteilung der Weltgerichtsdarstellung auf drei Einzelwände und die Anbringung an der Westinnenseite der Kirche. Es wird deutlich werden, dass die räumliche Präsentation zudem eine Auswirkung auf die Interpretation des Weltgerichts hat. Die Untersuchung der malerischen Umsetzung bezieht sich sowohl auf die Flächenstrukturierung, den Einsatz und die Anordnung des Figurenpersonals als auch auf Motive ohne ikonografische Bedeutung.
In der zweiten Stufe wird die ikonografische Analyse vorgenommen. Da der Quellentext zum Tag des Jüngsten Gerichts sich auf unterschiedlichen Bibelstellen des Alten und Neuen Testaments und außerbiblische Schriften bezieht, sollen im ersten Schritt die Textstellen vorgestellt werden, die im Wandgemälde nachvollziehbar sind. Dadurch können die theologische Grundlage und eine damit einhergehende Auslegung des Weltgerichts ermittelt werden. In den sich daran anschließenden drei Kapiteln werden die Szenen der Richterdarstellung, des Paradieses und der Hölle ikonografisch analysiert und die Texte, die Schongauers Werk integriert sind, interpretiert.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Arbeit ist, das Werk Martin Schongauers in den Kontext zur deutschen Wandmalerei zu stellen. Um eine Vergleichsgrundlage zu generieren, wurden 61 Wandgemälde in Deutschland mit dem Motiv des Jüngsten Gerichts ausgewertet. Die vollständige Liste kann in [Abb. 140a, b] nachvollzogen werden. Aus dieser Sammlung der Weltgerichtsdarstellungen sind exemplarisch zwei Umsetzungen ausgewählt worden, die einen Querschnitt der häufig verwendeten Motive gut repräsentieren. Dazu gehören die Weltgerichtsdarstellungen aus der Silvesterkapelle des Münsters zu Konstanz aus dem Jahr 1472 und aus der Friedhofskirche in Nussdorf aus dem Jahr 1482. Ein drittes Beispiel, das in vieler Hinsicht eine Ausnahme darstellt, ist das Weltgericht aus dem Münster zu Ulm aus dem Jahr 1471. Es soll trotzdem als Vergleichsgrundlage dienen, denn, wie in der Arbeit zu zeigen sein wird, ist es für die Entstehung des Breisacher Wandgemäldes wichtig.
So ist die Untersuchung des Werkes Martin Schongauers aufgebaut, indem zu Beginn auf die Schriftquellen zu seinem Leben sowie des Breisacher Wandgemäldes eingegangen wird. Mit den wenigen Schriftquellen kann die stilistische Zuschreibung an Martin Schongauer untermauert und die Datierung des Werkes eingegrenzt werden. Zudem wird die These von Ulrike Heinrichs bezüglich der Auftraggeber vorgestellt. Da ich ein Dokument im Stadtarchiv Breisach recherchieren konnte, das die Ratsmitglieder der Stadt zur Zeit der Auftragsvergabe an Martin Schongauer benennt, könnte dieses Dokument die These von Ulrike Heinrichs unterstützen.
Im Anschluss wird das Werk Martin Schongauers im St. Stephans Münster zu Breisach untersucht. Diese Werkanalyse gewährleistet eine Grundlage, für den folgenden Vergleich mit der deutschen Wandmalerei. Diese wird in einem Exkurs vorgestellt, um einen exemplarischen Eindruck des Darstellungskanons in Deutschland aufzeigen zu können. Die vorikonografische Analyse schließt daran an. Mit Hilfe der Ausarbeitungen der vorhergehenden Kapitel können die Besonderheiten der räumlichen Konzeption, der Flächenstrukturierung und der malerischen Umsetzung bei Martin Schongauer benannt werden. Nach der ikonografischen Analyse kann mit Hilfe dieser und den vorhergehenden Ergebnissen die Frage beantwortet werden, inwieweit Martin Schongauer dem deutschen Darstellungskanon verpflichtet ist.
Zuletzt wird die Frage nach der Funktion des Wandgemäldes gestellt. In der Regel lässt sich die Funktion eines Kunstwerkes anhand dessen Umsetzung und / oder der ikonografischen Auslegung erkennen. Insofern sollten die zu Beginn vorgestellten Auftraggeber und die Ergebnisse der ikonografischen Analyse ein stimmiges Bild ergeben. Das wird im letzten Kapitel untersucht.
2. Forschungsstand
Die Forschungsliteratur zu Martin Schongauer beschäftigt sich überwiegend mit seinem grafischen Werk3, das den größten Anteil seines ffiuvres ausmacht. Weitaus weniger Forschungsliteratur erscheint zu den Tafelbildern Schongauers, deren Anzahl auf sechs bis sieben Werke4 eingegrenzt wird. Die Breisacher Fresken sind die heute einzig bekannten und erhaltenen Wandgemälde Schongauers. Daher sind kaum Publikationen dazu erschienen. Dies mag auch dem schlechten Erhaltungszustand der Wandgemälde geschuldet sein.
Im Folgenden soll nur die Forschungsliteratur zu den Fresken vorgestellt werden.
Nach der partiellen Freilegung des Wandgemäldes im Jahr 1885 publizierte Karl Gutmann 1922 über die Wiederentdeckung und schrieb es mittels der stilistischen Methode Martin Schongauer zu. Zudem benannte er die Tafelbilder des Jüngsten Gerichts von Rogier van der Weyden und Hans Memling als Vorbilder5. Josef Sauer, der sich maßgeblich für die vollständige Freilegung eingesetzt hatte, die 1931 erfolgte, verfasste 1934 sein Buch „Der Freskenzyklus im Münster zu Breisach“6. Darin bestätigte er die Autorenschaft Martin Schongauers, nahm eine ikonografische Interpretation vor und verwies auf regionale Bezüge und die Vorbilder der Altniederländer. Diesen wissenschaftlichen Ergebnissen von Josef Sauer schlossen sich Ernst Buchner (1941) sowie Eduard Flechsig (1946) und Julius Baum (1949) an.
Mitte der 1990er Jahre wurden die Fresken aufwändig gereinigt. Helmut F. Reichwald (1991) verfasste den Restaurierungsbericht7 dazu. Darin beschreibt er die technische Analyse des Werkes und verweist auf die Fehler der ersten Freilegung sowie auf die vorgenommenen Korrekturmaßnahmen in den 1990er Jahren.
Im Jahr 2000 veröffentlichte Mischa von Perger als Philologe die Übersetzung der Inschriften, die in Schongauers Wandgemälde integriert sind8. Die Bibelzitate der Richterszene wurden ebenfalls von Josef Sauer übersetzt, wohingegen Mischa von Perger darüber hinaus die im Paradies angebrachten Schriften Boethius und Prosper von Aquitanien zuordnen konnte.
In der Auseinandersetzung mit Schongauers Fresken ergaben sich viele offene Fragen, derer sich Stephan Kemperdick 2004 annahm und Hypothesen für diese entwickelte9. Er beschäftigte sich u. a. mit der Frage, ob Schongauer an der großformatigen Konzeption des Werkes beteiligt war oder ob er eine entsprechende Werkstatt führte, die in der Lage war, ein solchen großen Auftrag umzusetzen. Eine weitere Hypothese betrifft den Beginn der Arbeiten in Breisach. Kemperdick würde den Beginn um 1486 ansetzen, da Schongauer Dürer nicht mehr als Lehrling aufnahm, eventuell da Schongauer schon in Breisach lebte.
Die neueste Untersuchung von Ulrike Heinrichs aus dem Jahr 2007 beschäftigt sich dezidiert mit dem Umfeld des Auftrags. Sie tut dies unter Berücksichtigung der Baugeschichte des Breisacher Münsters, möglichen Auftraggebern, der Auftragserstellung durch Martin Schongauer sowie einer stilistischen Untersuchung und einer ikonografischen und ikonologischen Interpretation10.
Da sich der Fokus dieser Arbeit mit einer veränderten Weltgerichtsikonografie bei Martin Schongauer beschäftigt, ist es zwingend notwendig, sich eingehender mit der Darstellungstradition des Jüngsten Gerichts auseinanderzusetzen. Publikationen, die die Entwicklung des Motivs untersuchen, und sich mit den Textquellen oder detailliert mit Teilaspekten des Weltgerichts auseinandersetzen, waren daher von besonderem Interesse.
Das Weltgericht wird in der Bibel nicht in einer zusammenhängenden Passage beschrieben, weshalb viele Autoren die verschiedenen Texte zum Jüngsten Gericht und ihre Quellen zusammenfassen. Diese Textstellen stammen aus der Bibel11 und den apokryphen Schriften12. Weitere Schriftquellen, die das Verständnis des Jüngsten Gerichts beeinflusst haben, sind in erster Linie die Ausführungen der Kirchenlehrer13 sowie die Visionsliteratur14. Dabei können Rückschlüsse darauf gezogen werden, welchen Einfluss diese Texte auf die Motiventwicklung hatten. Für eine ikonografische Interpretation sind die Quellentexte von Bedeutung.
Die Textgrundlage ist der erste Schritt für die Entstehung eines bildlichen Ausdrucks. Sowohl der Anbringungsort innerhalb der Kirche als auch die Art und Weise der Umsetzung - eingebunden in einen Bilderzyklus oder als Einzelthema dargestellt - sind Ausdruck einer gesellschaftlichen Relevanz, die von einigen Autoren nachgezeichnet wird.15 Zuerst wurde das Thema des Weltgerichts im privaten Bereich (Sarkophag-Deckel) aufgegriffen, dann wurde es zu einem gesellschaftlich wichtigen Thema, das häufig und an prominenter Stelle innerhalb der Kirche, entweder als Monumentalgemälde an der Westinnenseite oder im Chor bzw. in Form der Portalplastik, an der Außenfassade wiedergegeben wurde. Auch in Bezug auf Martin Schongauer ist der Ort der Darstellung innerhalb der Kirche und die Frage, wie dieser zu bewerten ist, wichtig.
Neben dem Wandel des Bildträgers kommt es ebenfalls zu einer Veränderung in der Weltgerichtsikonographie. Dabei kann es zu regionalen oder auch länderspezifischen Unterschieden kommen, die von verschiedenen Autoren aufgezeigt und manchmal auch klassifiziert werden.16 Da in dieser Arbeit das Weltgericht Martin Schongauers in Bezug zur deutschen Wandmalerei gesetzt wird, kann über die Veränderung der Motive ebenso eine veränderte Interpretation herausgearbeitet werden, wie in Kapitel IV.4. deutlich werden wird.
Die dargestellte Ikonografie wird häufig auch durch die Funktion des Werkes bestimmt. Dieses Thema wird in der Forschungsliteratur selten behandelt. Meist wird eine rein theologische Funktion zur Unterweisung der Gläubigen angenommen. Die Überlegung zu weiteren Funktionen ist an die Frage nach den Auftraggebern gekoppelt, die in Einzelfällen thematisiert wird.17 Im Zuge dessen konnte in der Forschungsliteratur in einigen Beispielen eine klare politische Absicht der Auftraggeber nachgewiesen werden. Im Falle des Weltgerichts in Breisach könnte ebenfalls eine politische Funktion eine Rolle spielen.
Zum Schluss sollen die Autoren genannt werden, die sich mit Teilaspekten des Weltgerichts beschäftigen; entweder mit Engeln18, mit Paradies und Hölle19, detailliert mit den Dämonen20 oder den abgebildeten Musikinstrumenten21 in Himmel und Hölle. Dieser ausführliche detaillierte Blick ist allgemein hilfreich für das ikonografische Verständnis der Weltgerichtsdarstellung.
II. Die Schriftquellen zu Martin Schongauers Werk des Jüngsten Gerichts in Breisach / Auftraggeber
Es gibt nur wenige Schriftquellen zur Entstehung des Wandgemäldes im St. Stephans Münster zu Breisach. Mit den wenigen Daten zu Schongauers Leben und zur Baugeschichte des Breisacher Münsters lässt sich zum einen die Zuschreibung an Martin Schongauer belegen und zum anderen kann die Datierung des Werkes eingrenzt werden. Des Weiteren soll in diesem Kapitel kurz die Theorie von Ulrike Heinrichs bezüglich der Auftraggeber vorgestellt werden, denn ihre These kann durch ein Dokument der Ratsmitglieder der Stadt Breisach, das ich im dortigen Stadtarchiv recherchiert habe, untermauert werden.
Im Jahr 1793 brannte das Stadtarchiv Breisach ab22. Damit sind viele Dokumente verloren gegangen. Allerdings kann man aufgrund der Lebensdaten zu Martin Schongauer beweisen, dass er tatsächlich in Breisach ansässig war. In einem Urteilsbuch aus dem Jahr 1487/89 aus dem Gerichtsarchiv Basel [Abb. 5] wird Martin Schongauer als Bürger zu Breisach benannt23. Neben der stilistischen Zuschreibung des Werkes an Schongauer ist auch dies ein deutlicher Hinweis darauf, dass er der Künstler des Wandgemäldes ist.24
Die Datierung des Werkes kann zum einen über das oben genannte Dokument und zum anderen über die Baugeschichte des Münsters, eingegrenzt werden. Da die Westhalle, in der das Wandgemälde zu sehen ist, erst 1485 fertiggestellt wurde25, ergibt sich der frühestmögliche Beginn in diesem Jahr. Schongauers Todesjahr bedingt den Abschluss der Wandarbeit. Für sein Todesjahr gibt es im Urteilsbuch der Stadt Basel aus dem Staatsarchiv einen Eintrag [Abb. 6]. Dieser Eintrag besagt, dass der Bruder Martin Schongauers, Georg, seinem Bruder Paul die Vollmacht erteilt, seinen Erbanspruch in Breisach zu vertreten. Das Urteil ist auf den 19. Mai 1491 datiert. Aufgrund einer weiteren Notiz auf einem Schongauer Gemälde von Hans Burgkmair aus München, ergibt sich der Todestag des 2. Februar 149126. Ob er das Wandgemälde zu seinem Todestag fertig gestellt hatte oder nicht, wird in der Forschung diskutiert.27
Zu diesen unterschiedlichen Quellen aus dem Leben Schongauers, die in der Forschung hinlänglich bekannt sind, kann nun noch ein Dokument aus dem Stadtarchiv Breisach hinzugefügt werden. Dieses Dokument betrifft die eventuellen Auftraggeber, zu denen Ulrike Heinrichs in ihrer Publikation eine These entwickelt hat28. In ihren Ausführungen heißt es, dass die Stadt Breisach ihr Schultheißenamt 1473 verloren hatte.29 Um dies wieder zu erhalten, beschloss der Stadtrat, die Stadtpfarrkirche aufzuwerten. So wurde mit dem Bau der Westhalle begonnen und parallel dazu der Chor erweitert. Die Stadtpfarrkirche sollte zu einer Hallenkirche mit drei gleichgroßen Schiffen umgebaut werden.30 Dazu kam es nicht, der Umbau wurde gestoppt und man verlagerte sich auf eine bildliche Ausstattung der Kirche31 und den Erwerb weiterer Kunstwerke32.
Das Dokument aus dem Stadtarchiv, das von mir recherchiert wurde, benennt die Ratszusammensetzung aus dem Jahr 1489 [Abb. 7]. Es werden der Obristenmeister und weitere 18 Ratsmitglieder namentlich aufgezählt. Ausgehend von Ulrike Heinrichs Theorie, der Stadtrat sei für die bildliche Ausgestaltung der Kirche verantwortlich, ist es möglich, dass diese die Initiatoren des Werkes sind. Dieser Quelle müssten weitere Nachforschungen zu den jeweiligen Ratsmitgliedern folgen. Beispielsweise wäre es interessant zu wissen, welche weitere Funktionen sie in der Stadt innehatten oder wie sie eventuell in der Stadtgeschichte in Erscheinung getreten sind. Aufgrund der schlechten Datenlage aus der Zeit Schongauers, wurde dieser Weg nicht weiterverfolgt. Trotzdem möchte ich auf das Dokument der Ratszusammensetzung noch zwei Mal in dieser Arbeit eingehen, und zwar unter dem Punkt der Interzessoren33 und in Bezug auf die Funktion des Wandgemäldes34.
Aus diesen Ausführungen lässt sich ableiten, dass das Wandgemälde frühstens 1485 begonnen und mit dem Tod Schongauers 1491 entweder schon fertig gestellt war oder unfertig verblieb. Des Weiteren konnten mit Hilfe des Dokuments der Ratszusammensetzung die Namen der eventuellen Auftraggeber ermittelt werden.
Im Folgenden soll das Wandgemälde beschrieben und analysiert werden.
III. Werkanalyse
Das Weltgericht von Martin Schongauer in Breisach ist das einzige von ihm erhaltene Wandgemälde. Es erstreckt sich auf die drei Wandabschnitte der Westhalle des Breisacher Münsters, der Süd-, West- und Nordwand [Abb. 2, 3, 4]. Das zentrale Thema, die Richterszene an der Westwand, beträgt 13,2 x 7,4 m; die Darstellung des Paradieses auf der Südwand, umfasst 14,4 x 7,3 m und die Fläche der Nordwand mit der Höllenszene entspricht einer Größe von 14,4 x 7,6 m.35 Damit ergibt sich eine Gesamtfläche von 312 Quadratmetern. Es handelt sich bei allen drei Wandflächen um die jeweilige Schildwand, da die Westhalle von einem Netzgewölbe überzogen wird [Abb. 8].
Die Wandgliederung der Westwand mit der Richterszene [Abb. 2] wird durch die architektonischen Elemente eines zentral angeordneten Westportales und eines darüber liegenden quadratischen Rosettenfensters strukturiert. Die Richterszene wird ausgehend von der Hauptfigur des Richters aufgebaut. Jesus Christus thront mittig und oberhalb des Westportals auf einem doppelten Regenbogen. In dieser himmlischen Sphäre wird die Deesis mit Jesus Christus, der Mutter Gottes Maria und Johannes d. T. [Abb. 9] gezeigt. Lilie und Schwert weisen Christus als Richter aus und seine Handstellung unterstreicht diese Funktion mit dem Anheben seines rechten Armes, dem Segensgestus, und dem Herabsenken seines linken Armes, ein Zeichen für die Verdammung. Aus seinen Händen entwickeln sich Schriftbänder, die über die Bibelzitate (Mt. 25,34 und 25,41)36 diese Geste unterstreichen.
Maria, die sich als Fürbitterin betend für die Auferstehenden einsetzt, versammelt eine Gruppe von zehn männlichen Interzessoren hinter sich. Nur eine Figur weist ein Attribut auf, den Schlüssel, das Zeichen für Petrus. Auf der gegenüberliegenden Seite ist Johannes d. T. mit einer Gruppe von elf Fürbittern zu sehen. Spiegelbildlich zu Petrus ist ihm Moses mit seinen Hörnern und der Gesetzestafel gegenübergestellt, ebenfalls als einziger aus dieser Gruppe mit einem Attribut.
Diese himmlische Sphäre wird durch das Andeuten dichterer Wolken in eine höhere Himmelsphäre überführt, in der sich die Engel mit der Arma Christi um das Rosettenfenster gruppieren. Über den Köpfen der Engel entwickelt sich zwei Spruchbänder von der linken Seite des Betrachters hinüber zur rechten Seite, die Fensterlaibung mit einbeziehend37. Zwei weitere Engel sind zentral unterhalb des Richters zu sehen. Sie erwecken mit ihren Posaunen die Auferstehenden, die sich im Sockelbereich links und rechts des Westportals, zum Tag des Jüngsten Gerichts bereit machen.
Die Südwand [siehe Abb. 3] mit der Darstellung des Paradieses wird durch ein zentral gesetztes Lanzettfenster sowie durch eine kleine Rundbogentür, die sich im linken unteren Wandabschnitt befindet, strukturiert. Die Darstellung des Paradieses basiert auf einer Bewegungsrichtung von der rechten unteren Wandecke hin zur mittigen linken Wandseite, der Paradiespforte. Die Seligen werden, im rechten unteren Wandbereich, von einem Engel empfangen, der ihnen den Weg hinaufweist. Diese Gruppe kann, aufgrund ihrer Kleidung, einer einfachen sozialen Schicht zugeordnet werden38.
Oben vor der Paradiespforte ist eine weitere Gruppe von Seligen höheren Standes zu erkennen, die ebenfalls von einem Engel geleitet wird. Diese Gruppe besteht aus fünf Personen: einem Papst, einem Kardinal, einem König, einer Nonne und einer weiteren Frau. Die Paradiesarchitektur, die Wiedergabe des himmlischen Jerusalems, begrenzt sich auf ein Detail: einen kurzen Mauerabschnitt mit Pforte und eine darüber liegende Maßwerksbrüstung. Über der Pforte entwickelt sich eine Schriftbanderole mit einem Text von Boethius39 40. Auf dem anderen Wandabschnitt, rechts des Lanzettfensters, gegenüberliegend zur Paradiespforte, befindet sich eine große Schrifttafel, mit einem Textausschnitt von Prosper von Aquitanien4Q.
Die himmlische Musik der Engel beschreibt das Paradies, das sich oberhalb der Maßwerksbrüstung entfaltet. So befinden sich oberhalb der Himmelspforte ein musizierender Engel mit einer Laute und auf der anderen Seite des Fensters drei singende Engel, deren Notenblatt über die Brüstung fällt, sodass der Betrachter das Lied (Luk. 2,14)41 erkennen kann.
Die Nordwand [Abb. 4] wird durch ein mittiges Lanzettfenster und eine direkt darunterliegende Tür gegliedert. Von allen drei Wandgemälden ist die Darstellung der Hölle am stärksten beschädigt. Diese Höllenszene zeigt einem Chaos aus Flammen, Körpern und Dämonen. In der rechten unteren Wandfläche wird Luzifer gezeigt, der sich in unmittelbarer Nähe zum Betrachter befindet. Zu erkennen ist sein Kopf, wohingegen seine Handlung oder auch die Körperhaltung seines Unterleibes nicht mehr einzuordnen ist.
Aus den Flammen ragen stehende, liegende oder fallende Körper heraus. Öfter geben die Flammen die Sicht auf einen Oberkörper mit nach oben gestreckten Armen oder nur einen einzelnen Kopf frei. Ein Dämon schreitet durch das Flammenmeer, von der rechten Wandfläche Richtung Mitte. Er schwenkt einen Stahlknüppel, wobei nicht eindeutig ist, wen er treffen wird. Hinter diesem Dämon geben die Flammen eine Bestrafungsszene frei, in der eine Frau von einem Teufel angegriffen wird. Die beiden weiteren Dämonen, die im oberen Wandabschnitt rechts des Fensters zu erkennen sind, blicken über das Feuer, ihre Handlung hingegen ist nicht zu deuten.
Aufgrund der hohen Beschädigung kann die Einbettung der Szene nicht bestimmt werden. Spielt sich diese Höllenszene in einem Felsenschlund, unterhalb der Erde oder innerhalb einer Höllenarchitektur ab? Auf der linken Wandfläche neben dem Lanzettfenster sind Flammen und Rauch erkennbar, während die Wandmalerei oberhalb des Fensters vollkommen zerstört ist. Somit befinden sich die agierenden Figuren alle im unteren Wandbereich, zwischen dem Boden und dem Beginn des Fensters sowie auf der rechten Wandfläche bis zur Mitte der Wandhöhe.
Diese drei großen Fresken befinden sich in der Westhalle der Stadtpfarrkirche. Die räumliche Situation der Westhalle bedingt es, dass die bemalten Wandflächen der West-, Süd- und Nordwand sich nicht an ihren Kanten berühren. Zu beiden Seiten des Wandgemäldes der Westwand befindet sich jeweils eine schmale angrenzende Wand, die durch Bündelpfeiler von der Mittelwand getrennt ist. Beide Wände sind mit einem Lanzettfenster bestückt [Abb. 10]. Diese hatte Schongauer nicht in sein Wandgemälde einbezogen. Die drei Wandgemälde sind daher drei einzelne und voneinander unabhängige Szenen.
Die Strukturierung der Wandflächen erfolgt durch die architektonischen Elemente. Diese wurden über eine Quadermalerei eingerahmt und von den Wandgemälden abgegrenzt. Gleiches gilt für das Rosettenfenster der Westwand, obwohl es gleichzeitig über die Spruchbänder in der Laibung in die Wandmalerei einbezogen ist. Nur die Lanzettfenster der Nord- und Südwand weisen keine Quadermalerei auf, da diese nachträglich verkleinert wurden.42 Das Wandgemälde reicht an allen drei Wandflächen bis jeweils direkt an die Bündelpfeiler heran [Abb. 11, 12, 13, 14] Jedes Wandbild wird über einen Sockelbereich vom Fußboden abgesetzt. Bei der Hölle ist dieser schwer zu erkennen, teilweise ist Farbe bis an den unteren Rand sichtbar, es könnte sich aber auch um einen gemalten Sockelbereich handeln, das ist nicht mehr festzustellen.
Die maltechnische Ausführung des Wandgemäldes nahm Schongauer über einen zweischichtigen Aufbau vor, der in unterschiedlichen Dicken erfolgte. Helmut Reichwald analysierte den Aufbau des Wandgemäldes und benannte die erste Schicht als einen aufgetragener Mörtel und die zweite darüberliegende als eine durchgängig helle Grundierschicht, die als Malgrund diente .43 Allgemein zeigt sich eine kräftige Farbgebung auf hellem Untergrund, wobei der Hintergrund nur in einzelnen Bereichen durch Azurit abgedunkelt wurde.
Einzelne Figuren wurden mit einer Kohlezeichnung vorskizziert, wohingegen die Form selbst mit einer roten Zeichnung ausgearbeitet wurde. Die Modellierung führte Schongauer mit gelben und braunen Lasuren durch. Für das Inkarnat blieb der Grundton stehen. Haare und Bärte sind in gelben, braunen und grauen Grundtönen wiedergegeben, die Glanzpunkte wurden durch gelbe und weiße Farben gesetzt. Manche Gewänder zeichnen sich durch einen kräftigen Grundton, z.B. Malachit, aus. Für den Faltenwurf verwendete er eine darüber liegende schwarze Zeichnung. Der Nimbus Christi hatte eine Metallauflage.44
Im naturwissenschaftlichen Untersuchungsbericht von Elisabeth Jäger konnten folgende Farben festgestellt werden: Azurit, Malachit, Blei-Zinn-Gelb, Zinnober, Mennige und Eisenoxid-Rot. Die Mineralpigmente wurden mit folgenden Bindemitteln versehen: Kasein, Kaseintempera und etwas Leim.45 Die Vorzeichnung ist freskal abgebunden. Somit handelt es sich technologisch bei dieser Arbeit um eine Kalkmalerei.46
Die Weltgerichtsikonografie folgt in ihrer Umsetzung einem gewissen Schema. Denn es wird in diesem Motiv eine Weltordnung zum Ausdruck gebracht. Insofern ist es unabdingbar, dass der Richter als zentrale Person mittig und erhöht wiedergegeben wird. Zur heraldisch rechten Seite Christi, die einen höheren Stellenwert hat, wird immer Maria gezeigt und auf dieser Seite ist zudem das Paradies angeordnet. Des Weiteren müssen die Seligen auf ihrem Weg in das Paradies sich in einer Aufwärtsbewegung befinden, da das Paradies im Himmel und damit einen erhöhten Platz einnimmt. Auf der heraldisch linken Seite Christi, der niederen Seite, ist immer die Hölle angeordnet und Christi Gegenspieler Luzifer ist häufig in der rechten unteren Ecke anzutreffen. Die Hölle muss als Gegenpart zum Paradies örtlich niedriger angesiedelt sein. An diesen schematischen Aufbau hat sich Schongauer gehalten.47
Formal gestaltet Schongauer die Weltgerichtsdarstellung, indem er die Richterszene [Abb. 15] als zentrales Motiv an der Westwand zeigt. Allein die Westwand ist durch das gesamte Langhaus zu erkennen [Abb.16]. Die Richterszene ist bei Martin Schongauer in drei horizontale Bildbereiche unterteilt [Abb. 15], dabei zeigt die mittlere Ebene, den Weltenrichter und nimmt den größten Raum ein.
Des Weiteren wird die Szene entlang einer zentralen Spiegelachse aufgebaut. Auf dieser Spiegelachse befindet sich der Richter, Jesus Christus, als Hauptfigur. Unterhalb Christi ebenfalls auf der Spiegelachse befindet sich das Westportal, über ihm das Rosettenfenster. In dessen Laibung, und somit über dem Haupt Christi, ist ein Engel dargestellt, mit dem Leidenswerkzeug, den drei Nägeln [Abb. 17].
Die Wandflächen links und rechts des Richters sind in ihrer Figurenkomposition symmetrisch aufgebaut. Auf der heraldisch rechten Seite, der Seite der Seligen, befindet sich die Mutter Gottes als Fürbitterin. Sie kniet und betet. Sie versammelt eine Gruppe von zehn männlichen Personen hinter sich, die sie in ihrer Fürbitte unterstützen. Die Apostel sind alle in einem Halb- oder Dreiviertelportrait dargestellt, mit Blickrichtung auf Christus. Nur eine Figur blickt frontal aus dem Bild heraus. Auf der heraldisch linken Seite befindet sich als Interzessor Johannes d. T., der eine Gruppe von elf männlichen Personen hinter sich versammelt. Entsprechend der Gegenüberstellung von Maria und Johannes d. T., ist Petrus Moses gegenübergestellt.
Bei den Interzessoren hinter Johannes d. T. schauen zwei Personen en face aus dem Bild heraus, während die anderen in Halb- oder Dreiviertelportrait mit Blickrichtung auf den Richter ausgerichtet sind. In der dritten horizontalen Ebene befinden sich rechts und links des Rosettenfensters jeweils zwei Engel mit den Leidenswerkzeugen. Links sind die Engel mit Kreuz und Lanze, wobei der Engel mit dem Kreuz aus der Bildfläche herausblickt. Auf der rechten Seite des Fensters sind die Engel mit der Säule und der Dornenkrone versammelt, wobei auch hier der Engel mit Dornenkrone seinen Blick Richtung Betrachter wendet.
Direkt unter Christus, befinden sich zwei Posaune spielende Engel, die ihre Posaunen auf die Quadermalerei des Westportals auflegen, um mit ihrem Spiel, die, in der untersten Zone, aus ihren Gräbern auferstehende Seelen, zu rufen. In der untersten Ebene links und rechts des Westportals werden die Auferstehenden gezeigt. Links vom Betrachter sind drei Personen, die ihren Blick auf den Richter ausrichten oder sich vor dem gleißenden Licht zu schützen versuchen, während auf der rechten Seite des Portals zwei Figuren, ebenfalls mit der Blickrichtung in das Zentrum, auferweckt werden.
In der Anordnung des Paradieses ist es wichtig, dass die Figuren räumlich höher dargestellt werden als in der Hölle bzw. sich in einer Aufwärtsbewegung befinden, um sich so, von den Niederungen der Hölle, abzusetzen [Abb. 18]. Das Paradies ist unterteilt in zwei horizontale Ebenen. Der unteren Ebene, dem Zug der Seligen, und der oberen Zone, der Himmelsdarstellung. Die Darstellung des Paradieses nimmt ein Drittel der Wandfläche ein, wohingegen der Weg zum Paradies sich auf zwei Drittel der Wandfläche erstreckt. Diese Bewegungsrichtung beginnt, in Breisach, an der rechten unteren Wandfläche mit einer Gruppe von vier Personen, die von zwei Engeln geleitet werden und führt auf die linke Wandfläche zur Paradiespforte hin.
Um den stehenden Engel, im unteren Wandabschnitt, gruppieren sich drei männliche Figuren, die sich auf dessen Worte oder dessen Geste konzentrieren. Während im Rücken der vordersten männlichen Figur eine weitere Figur, eine weibliche Person gezeigt wird, die en face aus dem Wandgemälde blickt. Die Aufwärtsbewegung wird dargestellt durch eine grüne Anhöhe, deren Ausgestaltung nicht mehr auszumachen ist. Links vom Lanzettfenster auf einem höheren Standpunkt dieser Anhöhe, und vor der geöffneten Himmelspforte, ist die zweite Personengruppe zu erkennen, bestehend aus vier Personen, die ebenfalls von einem Engel in das Himmelstor geleitet werden. Direkt vor dem Paradieseingang steht ein Papst, in Rückenansicht mit Tiara, gefolgt von einem König mit Krone im Halbprofil, den Engel anschauend; und einer Nonne, die im Rücken des Königs zu sehen ist und aus dem Bild herausblickt. Hinter dem König, ebenfalls im Halbprofil dargestellt, ist eine weitere Frau, die nicht weiter spezifiziert werden kann.
Die Darstellung des himmlischen Paradieses beschränkt sich bei Schongauer auf einen Ausschnitt der Paradiesarchitektur mit singenden und musizierenden Engeln. Die lobpreisenden Engel sind in zwei Gruppen dargestellt zu jeweils drei Engeln links und rechts des Lanzettfensters. Zwischen diesen beiden Gruppen ist das Wandgemälde zerstört. Direkt über der Himmelspforte ist ein Engel mit Laute zu erkennen, die beiden Engel neben ihm sind nur noch schemenhaft erkennbar. Rechts vom Fenster sind die singenden Engel, die eng zusammenstehen und sich über ein Notenblatt beugen und mit dem Finger den Text zeigen, der gesungen wird.
Besonders markant für die Paradiesdarstellung in Breisach sind die vielen Textstellen. Zum einen werden sie in einer sehr gängigen Art und Weise, einem Schriftband wieder gegeben, dass sich oberhalb der Paradiespforte entwickelt, zum anderen in einer großen Texttafel, die auf der rechten Wand des Paradieses zu sehen ist und über einem Notenblatt, das über die Brüstung hängt.
Im Gegensatz zum horizontalen Bildaufbau des Paradieses oder der achsensymmetrischen Anordnung der Richterszene, zeichnet sich die Höllendarstellung durch eine Bildebene aus, die keiner der oben genannten Ordnungssysteme entspricht [Abb.19]. Hier werden die Personen, um den Kontrast zum Paradies herauszuarbeiten, im unteren Wandbereich dargestellt und es werden lediglich 14 am rechten Wandabschnitt noch Figuren bis zur mittigen Wandhöhe gezeigt. Die Verdammten sind einzeln dargestellt, sie kämpfen alleine mit dem Feuer. Es gibt ein einziges Dämonen-Verdammten- Paar, das im rechten Wandabschnitt gezeigt wird, direkt über Luzifer. Hier reißt ein Dämon eine Verdammte an sich und begrabscht sie an der Brust. Die Höllenszene besteht aus einer Vereinzelung von Figuren eingebettet in Flammen und Rauch.
Wie lange das Wandgemälde Schongauers im St. Stephans Münster zu sehen war, ist nicht geklärt. Seit der Entstehung um 1489/90 bis 1607 ist nichts über das Wandgemälde bekannt.48 Ab 1607 wurde der Innenraum der Kirche neugestaltet, indem Dekorationsmalereien hinzugefügt wurden. Allerdings ist nicht vermerkt, ob in diesem Zuge das Wandgemälde übertüncht wurde. 1766 erfolgte eine „Ausweißung“ des Langhauses und des Chors und im Anschluss folgten noch drei weitere teilweise farbige Übertünchungen bis zur Entdeckung der Malerei im Jahre 1887.49
Die drei Wandgemälde Schongauers stellen seinen größten Auftrag dar und es sind auch seine letzten Arbeiten vor seinem Tod im Jahre 1491. Es ist aus diesem Grund sehr verwunderlich, dass keinerlei Beschreibungen, Bezeugungen, Aussagen oder Zeichnungen über dieses Werk von Zeitgenossen bekannt sind. Denn Schongauer war zu Lebzeiten ein bekannter Kupferstecher und Maler. Aber, wie die Schongauer Forschung aufzeigen kann, sind die ersten Nennungen Schongauers nach seinem Tod, meist sehr fehlerbehaftet und eher verwirrend als aufschlussreich.50
Nach dieser Werkanalyse soll nun der Frage nach den Alleinstellungsmerkmalen, die das Wandgemälde Schongauers ausmachen, gestellt werden. Dafür soll zuerst auf die räumliche Situation eingegangen werden. Denn, wie zu zeigen sein wird, stellt die räumliche Situation eine Besonderheit zu anderen Wandgemälden mit dem gleichen Thema dar.
IV. Das Werk Martin Schongauers im Kontext seiner Zeit
Ist Martin Schongauer ein Erneuerer seiner Zeit? Oder bleibt er der Darstellungstradition seiner Zeitgenossen treu? Diese und weitere Fragen werden in dem folgenden Kapitel erörtert. Zuerst werden die Veränderungen gegenüber der Darstellungstradition benannt. Daran anknüpfend sollen ebenfalls die Inspirationsquellen benannt werden. Welche Bedeutung haben diese Veränderungen? Sind sie als räumliche, malerische Besonderheiten zu werten oder gehen sie darüber hinaus und beeinflussen die ikonografische Aussage?
Die von Schongauer vorgenommenen Veränderungen wurden, entsprechend ihrer Bedeutung, den drei Themenkomplexen räumliche Konzeption, malerische Umsetzung und ikonografische Bedeutung zugeordnet. Insofern wird das kommende Kapitel in diese drei Unterkapitel gegliedert.
Da die Grundlage des Vergleichs der Darstellungskanon der deutschen Wandmalerei ist, soll dieser zuerst vorgestellt werden. Dafür dienen exemplarisch drei Weltgerichtsdarstellungen, die in ihrem Aufbau sowie dem verwendeten Motivrepertoire, erläutert werden. Die Ergebnisse dieser Vorstellung dienen in den folgenden Unterkapiteln der Ermittlung der von Schongauer durchgeführten Veränderungen. Die Weltgerichtsdarstellungen werden in chronologischer Reihenfolge vorgestellt, beginnend mit dem Wandgemälde im Münster zu Ulm von 147151, einer Weltgerichtsdarstellung in der Silvesterkapelle im Münster zu Konstanz von 147252 und dem Tag des Jüngsten Gerichts in der Friedhofskirche in Nussdorf von 148253.
1. Exkurs zur deutschen Wandmalerei
Im Folgenden werden drei Beispiele der deutschen Weltgerichtsdarstellung erläutert, um so eine Vergleichsgrundlage zu haben, die es erleichtert, die Veränderungen bei Martin Schongauer zu erarbeiten. Die Darstellungen in Konstanz und Nussdorf stellen typische Wiedergaben dieses Themas dar, während die Ulmer Umsetzung in Bezug auf den deutschen Kanon eine Ausnahme bildet. Dieses Fresko soll an dieser Stelle trotzdem besprochen werden, denn im Verlauf der Arbeit wird sich zeigen, dass es für die Breisacher Umsetzung immer wieder eine Rolle spielt.
Das Fresko im Münster zu Ulm von 1471 [Abb. 20] ist nach Breisach das größte Wandgemälde einer Weltgerichtsdarstellung in Deutschland. Es misst 145 Quadratmeter.54 Zu sehen ist es am Triumphbogen des Münsters. Eine Besonderheit dieses Freskos stellt die hohe Figurenanzahl dar, wodurch es sich von den anderen deutschen Weltgerichtsdarstellungen absetzt.
Die dezidierte Trennung des Weltgerichtsmotivs in drei Themen, wie es in Breisach der Fall ist, findet in Ulm nicht statt. Dennoch werden mittels der vorhandenen Wandstruktur die drei Jenseitsorte des Jüngsten Gerichts, im Gegensatz zu den beiden folgenden Beispielen, deutlich voneinander abgesetzt. So wird oberhalb des Triumphbogenscheitels allein die himmlische Sphäre wiedergegeben, während sich Paradies und Hölle auf die beiden Zwickel beschränken.
Zentral über dem Triumphbogenscheitel thront in der himmlischen Sphäre der Weltenrichter. Ihm steht ein großes Gremium an Interzessoren bei. Hinter Maria und Johannes d. T. sind die zwölf Apostel sowie die vierundzwanzig Ältesten versammelt. Sie werden sitzend und in Reihen hintereinander gezeigt. Damit bewirkt Hans Schüchlin55, dass die himmlische Sphäre ruhig, geordnet und statisch wirkt.
Am Beginn des linken Zwickels (vom Betrachter aus) werden die Auferstehenden von Posaune spielenden Engeln zum Paradies gerufen. Unter den Auferstehenden, im Zwickel des Triumphbogens, betritt der Zug der Seligen die Paradiesarchitektur [Abb. 21]. Innerhalb der Paradiesarchitektur - einem Turm - steigen sie nach oben. Damit hat Schüchlin ebenfalls, wie Schongauer, eine Aufwärtsbewegung eingebunden. Allerdings ist seine Personenzahl im Gegensatz zur Breisacher Umsetzung so hoch, dass eine weitere Beschreibung der Umgebung um die Paradiesarchitektur nicht stattfindet. Er strukturiert die linke Seite des Triumphbogens über Menschengruppen, die untereinander angeordnet werden. Zuoberst sind die auf erweckenden Engel. Die sich darunter angeordneten Auferstehenden werden über einen farblich grünen Hintergrund zusammengefasst. Abgetrennt über ein blaues Wolkenband zieht die Gruppe der Seligen in die Paradiesarchitektur ein.
Diese strukturierte Anordnung von Personengruppen wird am rechten Zwickel, der Hölle, aufgegeben [Abb. 22a, b]. Die Auferstehenden fallen direkt in eine Menge dicht gedrängter Körper. Zusätzlich gibt es einen Zug der Verdammten, der sich vom rechten Wandabschnitt zum geöffneten Höllenrachen mit weit aufgesperrtem Maule, ganz unten im Zwickel, bewegt. Die Verdammten sind nackt in Szene gesetzt, werden aber über eine entsprechende Kopfbedeckung in soziale Schichten und auch ethnische Herkünfte eingeteilt56. Die Umgebung der Hölle wird nicht weiter bestimmt.
In der Silvesterkapelle57 des Münsters zu Konstanz gibt es eine Weltgerichtsdarstellung aus dem Jahr 1472. Das Fresko ist an der oberen Hälfte einer Schildbogenwand [Abb. 23a] angebracht. Die Darstellung ist deutlich in zwei horizontale Bildabschnitte eingeteilt [Abb. 23b]. Es wird zwischen einer himmlischen und einer irdischen Sphäre unterschieden. Der Zug der Seligen und der Höllenrachen liegen in einer schwachen Diagonale zueinander. Über eine entsprechende Farbgebung werden die drei Orte: Erde, Paradies und Hölle voneinander unterschieden.
Im Himmel thront Christus auf einem doppelten Regenbogen umgeben von der Deesis, die kniend auf Wolken gezeigt wird. In diesem Fall gibt es keine Interzessoren. Die klare horizontale Trennung wird realisiert durch den weißen Hintergrund des Himmels und den sich davon absetzenden irdischen grünen Bereich sowie den beiden Jenseitsorten, links und rechts der Erde.
Zentral unter Christus entsteigen die Auferstehenden ihren Gräbern. Zur linken der Erde wird eine gruppe Seliger auf einer Wolke von Petrus und einem Engel zur Himmelspforte geleitet. Während die Verdammten, rechts des irdischen Bereichs, an einer Kette von einem Dämon in den Höllenrachen gezogen werden. Der Farbton zwischen Erde und Hölle wechselt von grün zu schwarz. Man hat das Gefühl hier bricht die Erde weg und die Verdammten fallen nach unten. In der Unterwelt erscheint der Höllenrachen mit Luzifer, der sich die Verdammten mit Hilfe einer Kette heranzieht.
In diesem Wandgemälde kommt primär eine horizontale Einteilung zum Tragen und innerhalb des irdischen Bereichs wird eine weitere vertikale Dreiteilung vorgenommen. Eine unterschiedliche Farbgebung definiert die jeweiligen Orte. Die Seligen und Verdammten werden in Gruppen und damit als Abbreviation des Kollektivs58 dargestellt.
Als letztes Beispiel soll das Weltgericht in Nussdorf in der Friedhofskirche „Zum Heiligen Kreuz“ vorgestellt werden. Es wird auf das Jahr 1482 datiert [Abb. 24a, b]. Es ist an der Triumphbogen-Innenseite der Kirche angebracht.
Auch hier wird, wie im Konstanzer Beispiel, die Flächeneinteilung horizontal vorgenommen. Wohingegen die Jenseitsorte entsprechender der Wandstruktur des Triumphbogens in den Zwickeln untergebracht sind, entsprechend des Ulmer Beispiels. Allerdings ist die Farbgebung der Orte nicht so eindeutig belegt, wie im Konstanzer Beispiel. So erkennt man, dass die horizontale Einteilung über die Absetzung des blauen Himmelbereichs zum irdischen Grün stattfindet. Der himmlischen Sphäre ist allein der Weltenrichter zugeordnet sowie die Trompeten blasenden Engel. Die Deesis sind nicht nur Beisitzer, sondern in diesem Fall auch bildlich eine Verbindung zwischen der Erde (sie knien auf der Erde) und dem Himmel (ihre Oberkörper werden vor dem himmlischen Hintergrund abgebildet).
Die Apostel befinden sich im irdischen Bereich rechts und links der Auferstehenden, die wieder zentral unterhalb Christi angeordnet sind, wie im Konstanzer Beispiel. Insofern kommt es zu einer Vermischung der Orte, da die Interzessoren und die Auferstehenden auf einer Ebene abgebildet sind. Eine weitere Vermischung entsteht indem rechts hinter den Aposteln der Zug der Seligen und links hinter den Aposteln der Zug der Verdammten erscheint.
In den Zwickeln sind jeweils Paradies und Hölle dargestellt, die sich von dem irdischen Bereich durch eine veränderte Farbgebung abgrenzen.
Das Paradies ist mit einem dunkelblauen Hintergrund und die Hölle mit einem roten Unterton versehen. In dieser Weltgerichtsumsetzung wird ebenso wie in der Darstellung von Konstanz deutlich, dass die einzelnen Akteure wie die Auf ersteh enden, die Seligen, die Verdammten in Gruppen zusammengefasst werden. Zwischen den Gruppen gibt es kein Verbindungselement - außer dem farbigen Hintergrund. Die Gruppen wirken isoliert auf der Fläche platziert.
In Hinblick auf den kommenden Vergleich mit Martin Schongauers Weltgerichtsumsetzung kann man die wichtigsten Darstellungsmerkmale folgendermaßen zusammenfassen: alle drei Weltgerichtsdarstellungen werden auf einer zusammenhängenden Wandfläche wiedergegeben und es wird in alle drei Umsetzungen der schematische Aufbau59 berücksichtigt. Zudem sind die Fresken horizontal gegliedert und deuten über eine sich verändernde Farbgebung die verschiedenen Orte an. Außer in Ulm sind in den anderen beiden Beispielen wenig Figuren eingesetzt worden. Weiterhin werden sie in Gruppen zusammengefasst und deuten die Menschheit als Ganzes an. Alle drei Darstellungen zeigen den Höllenrachen als Symbol der Verdammung. In zwei Fresken werden die zwölf Apostel gezeigt, in beiden Fällen sitzend in einer Reihe mit Heiligenschein und ihren Attributen.
Mit Hilfe dieses Exkurses kann nun die Untersuchung und der Vergleich mit der Weltgerichtsdarstellung Martin Schongauers beginnen. Zuerst soll auf die räumliche Situation im Breisacher Münster eingegangen werden, die sich deutlich abhebt von den, in diesem Kapitel, vorgestellten Beispielen. Denn zwei der vorgestellten Fresken befinden sich am Triumphbogen und nur das Konstanzer Beispiel ist an der Westwand einer Seitenkapelle (Silvesterkapelle), die vom Kreuzgang abgeht, angebracht. Anschließend wird die malerische Ausführung besprochen, die Gemeinsamkeiten zu den vorgestellten Beispielen aufzeigt, in Bezug auf Flächenaufteilung oder Farbgebung der voneinander abzusetzenden Orte, gleichzeitig aber auch viele Unterschiede erkennen lässt hinsichtlich der Anzahl und der Anordnung der Figuren. Der Schwerpunkt wird auf der ikonografischen Interpretation liegen. Hierfür kann ebenso über die verwendeten Motive, aber auch über die nicht eingesetzten Motive, eine Interpretation vorgenommen werden. Das wird vor allem deutlich an der Art und Weise, wie die Apostel dargestellt werden, oder wie eine Einteilung der Seelen stattfindet bzw. inwiefern ein Gleichgewicht zwischen Paradies und Hölle besteht. Besonders auffallend ist der Unterschied zwischen der Umsetzung Schongauers und den drei vorgestellten Beispielen in der Darstellung der Hölle.
2. Die räumliche Konzeption
Die räumliche Situation des Wandgemäldes Martin Schongauers soll unter verschiedenen Aspekten betrachtet werden. Zum einen ist die Größe des Werkes Schongauers ein wichtiges Merkmal des Freskos. Hier kann man in erster Linie einen Vergleich mit dem Weltgericht aus dem Münster in Ulm ziehen.
Zum anderen wird die Anbringung des Breisacher Weltgerichts auf drei voneinander unabhängigen Wandflächen betrachtet sowie ihre damit einhergehende thematische Trennung. Die vorgestellten Beispiele aus Ulm, Konstanz und Nussdorf haben gezeigt, dass eine Weltgerichtsdarstellung in Deutschland an einer Wandfläche wiedergegeben wird. Es lassen sich in Deutschland für die Situation in Breisach keine Vorbilder finden. In Italien hingegen findet man Beispiele für eine ähnliche räumliche Situation und auch ebenso für eine in gleicherweise thematische Aufteilung des Bildmotivs. Es wird sich zeigen, dass die räumliche Situation ähnlich, aber nicht identisch ist.
Als letzter Punkt soll der Ort der Anbringung thematisiert werden. In der Forschung wird immer wieder erwähnt, dass die Westinnenseite einer Kirche der traditionelle Ort einer Weltgerichtsdarstellung ist. Das möchte ich für die deutsche Wandmalerei in Frage stellen. Denn wie zu zeigen sein wird, baut die Forschung ihre Argumentation auf italienischen Beispielen auf, diese Situation ist nicht übertragbar auf Deutschland. Schon an den, im letzten Kapitel vorgestellten Beispielen, lässt sich zeigen, dass nur eines der Weltgerichtsfresken an der Westinnenwand umgesetzt wurde.
2.1 Die räumliche Umsetzung des Breisacher Weltgerichts
Die Größe des Breisacher Freskos ist besonders beeindruckend. Mit insgesamt 312 Quadratmeter bemalter Wandfläche gibt es in Deutschland kein vergleichbares Werk. Das, bis zur Entstehung des Breisacher Freskos, größte Wandgemälde eines Weltgerichtes befand sich bis dahin mit 145 Quadratmeter in Ulm. Es war 1471 fertiggestellt60 [Abb. 20]. Nach Kemperdick stellt das Breisacher Fresko das größte Wandgemälde des nordalpinen Europas dar.61 Somit ist schon allein die Größe der Darstellung ein Alleinstellungsmerkmal.
Ein weiterer markanter Unterschied zwischen dem Breisacher Fresko und den vorgestellten deutschen Wandgemälden ist, die in Breisach vorgenommene thematische Aufteilung des Motivs und ihre Darstellung auf drei voneinander getrennten Wänden. Dies lässt sich in einem Modellfoto genauer nachvollziehen [Abb. 25]. Hier wird deutlich, wie weit die drei Schildwände voneinander entfernt sind. Zwischen West- und Nordwand bzw. West- und Südwand liegen ca. 11 Meter Abstand während zwischen Nord- und Südwand 19,5 Meter liegen62. Nicht nur die Anbringung des Freskos auf drei voneinander getrennten Wänden ist nennenswert, sondern auch die klare thematische Trennung der Wandbilder. Das wird zusätzlich durch die beiden Seitenwände der Westwand, die nicht in das Wandgemälde integriert wurden, deutlich [Abb.30]. Die Trennung bewirkt, dass die drei Motive: das Richten, das Paradies und die Hölle stärker als Einzelthemen betont werden. Wie schon oben erwähnt, ist allein die Westwand über das ganze Langhaus erkennbar. Daher fungiert die Gerichtsszene der Westwand als eigenständige Weltgerichtdarstellung63, die, wenn man die Westhalle betritt, um das Motiv des Paradieses und der Hölle erweitert wird. Für eine solche räumliche Situation konnten in Deutschland keine Vorbilder gefunden werden. Es gibt vereinzelt Wandgemälde in Deutschland, bei denen sich ein Motiv über mehrere Wände verteilt64. Diese klare thematische Trennung eines Motivs in drei Einzelbilder, ist dort jedoch nicht gegeben.
In Italien dagegen gibt es ähnliche Konstellationen. Zumindest in Bezug auf die klare Einteilung des Motivs in Richterszene, Paradies und Hölle65. Hier wäre zum Beispiel eine Darstellung des Weltgerichts in der Strozzikapelle, Santa Maria Novella, Florenz von Nardo di Cione [Abb. 26 a, b] oder im Duomo di San Gimignano von Taddeo di Bartolo [Abb. 27a-c] zu nennen. In beiden Fällen wird verglichen mit dem Breisacher Münster deutlich, dass die räumliche Situation insofern eine andere ist, als die Seitenwände enger zueinanderstehen. Im Falle der Strozzikapelle handelt es sich um eine Seitenkapelle, deren Wände vom Sockel bis zum Spitzbogen mit der Darstellung des Jüngsten Gerichts ausgefüllt sind. Bei Taddeo di Bartolo in San Gimignano wird die Darstellung des Weltgerichts auf der Westwand gezeigt. Das Fresko befindet sich im oberen Register des Mittelschiffs und deren Seitenwände. Durch die engeren Räume beziehen sich die Wände stärker aufeinander. Der Eindruck der Zusammengehörigkeit wird betont.
In Breisach hingegen wird die Vereinzelung betont. Die Themen stehen selbstständig für sich, und bekommen eine größere Eigengewichtung. Kemperdick formuliert es als: „...ein größeres Gleichgewicht zwischen den einzelnen Szenen...“.66 Die Aussage Kemperdicks kann besser nach voll zogen werden, wenn man sich die drei, in Kapitel IV. 1 (Exkurs zur deutschen Wandmalerei), vorgestellten Beispiele ein weiteres Mal betrachtet [Abb. 20, 23, 24]. Bei den beiden Wandgemälden, die sich am Triumphbogen befinden (Ulm, Nussdorf), erkennt man, dass Himmel und Hölle, die in den Zwickeln wiedergegeben sind, dem Thema des Gerichts, in ihrer Größe und Anordnung, untergeordnet sind. Das Gleiche gilt für Konstanz, hier müssen sich die Orte Erde, Himmel und Paradies die Hälfte der Fläche des Freskos teilen. In Breisach hingegen sind die drei Wände fast gleich groß. Dadurch werden alle drei Motive in einer gleichwertigen Größe in Szene gesetzt.
2.2 Die Westinnenwand
Die gängige Meinung in der Forschung ist, dass der traditionelle Ort für die Wiedergabe des Weltgerichts als Wandgemälde die Westinnenseite einer Kirche darstellt.67 In der Argumentation wird das erste monumentale Wandgemälde eines Weltgerichts, das sich in Müstair68 in der Schweiz befindet und an der Westinnenseite angebracht ist, als Beweis für die oben genannte Aussage angeführt. Untermauert wird dieser Beweis durch weitere italienische Beispiele, wie das Weltgericht in San Angelo in Formis (Westwand), und das Weltgericht in Torcello (ebenfalls an der Westwand). Die Aussage: „der traditionelle Ort für eine Weltgerichtsdarstellung stellt die Westinnenseite einer Kirche dar“, lässt sich in Italien bestätigen und dort auch mit vielen weiteren Beispielen belegen.
Des Weiteren wird diese Argumentation gestützt über die Deutung der Kirche als ein Abbild des Himmlischen Jerusalems. Damit stellt der Westen das Weltende und der Osten das Paradies dar.69 Thematisch kann ein Weltgericht beiden Orten, dem Weltende sowie dem Paradies, zugeordnet werden. Damit könnte man auch eine Argumentationskette aufbauen mit Beispielen, bei denen sich das Weltgericht am Triumphbogen befindet. Dazu gehört das bekannte Weltgericht in Santa Prassede in Rom70.
Es wird ersichtlich, dass eine solche Argumentation nicht zielführend ist. Um die Frage zu klären, welcher Anbringungsort für eine bestimmte Region typisch ist, wäre es notwendig eine weitaus größere Anzahl an Weltgerichtsdarstellungen auf ihren Anbringungsort hin und das für einen bestimmten geografische Raum zu überprüfen. Da sich die Fragestellung dieser Arbeit an der deutschen Wandmalerei orientiert, und die daraus gewonnenen Erkenntnisse auch in einen Bezug zu Martin Schongauer setzen zu können, soll allein dieses geografische Gebiet betrachtet werden. So konnte in Deutschland nur zwei Wandgemälde eines Weltgerichts gefunden werden, die sich an der Westwand einer Kirche befinden. Eines befindet sich in Neuenbürg, in der Schloßkapelle St. Georg (Enzkreis) und wird auf die 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts71 datiert [Abb. 28a, b]. Interessant ist, dass in dieser Kirche das Thema des Weltgerichts zweimal aufgegriffen wird, einmal an der Westwand und einmal am Triumphbogen. Die Entstehungszeit dieses Wandgemäldes wird in der malerischen Umsetzung deutlich. Die Umsetzung findet in Form eines Registers statt. Da weitere Wandbilder aus dieser Kirche bekannt sind, kann man von einer vollständigen Ausmalung der Kirche ausgehen. Insofern stellt dieses Wandgemälde des Weltgerichts kein Einzelbild dar, sondern ist Bestandteil eines Bilderzyklus. Das zweite Beispiel ist das schon vorgestellte Weltgericht in der Silversterkapelle des Münsters zu Konstanz. Die Silvesterkapelle stellt eine Seitenkappelle dar, die vom Kreuzgang abgeht. Es handelt sich nicht um die Westwand der Hauptkirche.
Im Gegensatz zur Westinnenseite als Darstellungsort eines Weltgerichts, lassen sich 18 Beispiele finden [Abb. 29], die am Triumphbogen angebracht sind72. Zwei wurden schon vorgestellt, das Weltgericht in Ulm [Abb. 20] und das Wandgemälde in Nussdorf [Abb. 24a, b]. Zwei weitere werden mit Abbildungen belegt [Abb. 30, 31]. Allein aufgrund der Häufigkeit zeigt sich, dass der traditionelle Ort in Deutschland der Chorbogen ist. Dies unterstreicht auch Michler in seiner Publikation „Gotische Wandmalerei am Bodensee“73. Weitere Argumente, warum sich das Weltgericht an der Apsis etablierte, führt Ruth Feldhusen an. Sie untersuchte den Zusammenhang zwischen der Gerichtsthematik und dem Altar. Sie beschreibt, dass die Apsis in der Basilika, dem Sitz des Gerichtstribunals in der römischen Antike entsprach. Die Apsis wurde in der christlichen Zeit der Sitz der Geistlichkeit. Aus dem Kaiserthron wurde ein Bischofsthron. So folgert sie, dass aus diesem ursprünglichen Zusammenhang heraus der Altar mit der Gerichtsymbolik verknüpft war und deshalb viele Gerichtsbilder an Apsis und Triumphbogen entstanden.74
Die räumliche Situation im Breisacher Münster zeigt, dass hier kein Triumphbogen vorhanden ist, denn zum Chor hin handelt es sich um ein Kreuzrippengewölbe und der Gurtbogen reicht bis hoch zum Gewölbe [Abb. 32]. Insofern kann man nun das Fehlen des Triumphbogens als pragmatischen Grund heranziehen für die Entstehung des Wandgemäldes an der Westwand. Stephan Kemperdick führt an, dass die Wände der Westhalle eventuell von Anfang an für eine Ausmalung angedacht waren, weshalb das Rosettenfenster an der Westwand in seiner Größe eher klein ausfällt.75 Da die Auftragslage zu diesem Werk unbekannt ist, wird man für die Wahl der Westwand keine Begründung mehr ausfindig machen. Es bleibt vollkommen offen, ob man ein Thema für die fertiggestellten Wände der Westhalle suchte oder ob man sich für eine Weltgerichtsdarstellung entschied und aufgrund des fehlenden Triumphbogens sich für eine Wand abseits des traditionellen Ortes entschied. Festzuhalten bleibt, dass der Ort der Westinnenwand für Deutschland ein ungewöhnlicher und damit besonderer Ort ist.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Breisacher Fresko in den, in diesem Kapitel untersuchten drei Punkten, in Deutschland als singulär gelten kann: dem Anbringungsort, der Größe des Freskos und der thematischen Aufteilung auf drei Einzelwände.
Im nächsten Schritt soll die malerische Umsetzung Schongauers untersucht werden, um in diesen Punkten Unterschiede und Inspirationsquellen benennen zu können. Der Schwerpunkt wird in dem folgenden Kapitel auf der Flächenaufteilung, den Figuren und ihrer Anordnung sowie auf den malerischen Besonderheiten in der Richter-, Paradies und Höllenszene liegen.
3. Die malerische Umsetzung des Breisacher Weltgerichtes
Ende des 15. Jahrhunderts wurde das Motiv des Weltgerichts sehr häufig und in vielfältiger Weise umgesetzt, so dass man annehmen könnte, es seien keine Erneuerungen mehr möglich. In der Tat bestätigt auch die Literatur, dass Schongauer, dem Kanon der Weltgerichtsikonografie folgt.76 So wird man in diesem Kapitel nicht die großen Erneuerungen benennen können. Denn auf den ersten Blick kann man erkennen, dass es bei Schongauer nicht zu solchen markanten eigenständigen Umsetzungen, wie z. B. Buffalmacco sie vorgenommen hat77 [Abb. 33], kommt. Buffalmacco stellt nicht nur den Weltenrichter, zentral in der Mandorla, dar sondern stellt ihm Maria ebenfalls in einer Mandorla zur Seite. Er verzichtet auf die herkömmliche pyramidale Darstellung der Deesis. So ist Maria in dieser Darstellung ebenfalls die Bittende, aber sie ist nicht unterhalb von Christus angeordnet. Ihre Stellung und ihre Funktion bekommen eine größere Gewichtung.
Bei Schongauer hingegen ist es eher der detaillierte Blick, der im Vergleich mit der deutschen Wandmalerei Veränderungen aufweisen kann, denn diese ist in Bezug auf das Weltgericht in ihrem Motivrepertoire in sich geschlossen. Es stellt sich die Frage, ob Schongauer diese Konvention aufbrechen kann.
Die Untersuchung soll sich auf drei Schwerpunkte konzentrieren, zum einen auf die Flächenstrukturierung, den Einsatz und die Anordnung der Figuren und zum anderen auf die malerische Ausführung des Weltgerichts. Die Größe des Breisacher Wandgemäldes wurde schon mehrfach genannt, daran schließt sich die Frage an, wie geht Schongauer mit diesen großen Flächen um? Wie strukturiert er die großen Flächen? Wie legt er die Figuren an? Wie gruppiert er sie? Und entwickelt er über ihren Bewegungsablauf einen Erzählstrang? Bezieht Schongauer u.a. den Betrachter mit ein?
3.1 Die Flächenstrukturierung des Breisacher Weltgerichts
In Kapitel IV.1 (Exkurs zur deutschen Wandmalerei) konnte in Bezug auf die deutsche Wandmalerei festgestellt werden, dass die Flächenaufteilung horizontal vorgenommen wird. Auch Martin Schongauer hält sich an diesen Bildaufbau. Besonders in der Richterszene geht er von einer horizontalen Dreiteilung aus [Abb. 34]. Die architektonischen Wandelemente, wie das Westportal und das Rosettenfenster, unterstützen diese Dreiteilung. Denn der irdische Bereich, mit den Auferstehenden, erstreckt sich über die Höhe des Westportals. Der Richter mit den Interzessoren befindet sich in der horizontalen Mitte zwischen Westportal und Rosettenfenster. Um das Rosettenfenster, der dritten horizontale Ebene, sind die Engel mit der Arma Christi. Die Trennung zwischen irdischer und himmlischer Sphäre wird zudem über eine klare farbliche Absetzung vorgenommen78. Genau wie in den beschriebenen Wandgemälden aus Ulm, Konstanz und Nussdorf charakterisiert auch Schongauer die Orte über eine entsprechende Farbgebung. Bei Schongauer erscheint die Erde mit den sich öffnenden Gräbern auf einem grünen Hintergrund und die himmlische Sphäre wird in dunkelblau wiedergegeben.
In gleicher Weise geht er auch bei der Strukturierung des Paradieses vor [Abb. 35], allerdings kommt hier das Lanzettfenster hinzu, das primär eine vertikale Einteilung bedingt. Insofern kann man das Paradies vertikal lesen sowie horizontal. Eine vertikale Lesart würde an der rechten unteren Wand beginnen mit den in Empfang genommenen Seligen, dem Text von Prosper von Aquitanien und den darüber jubilierenden Engeln. Auf der linken Seite finden sich entsprechend das geöffnete Paradiestor mit den Seligen, der Willkommenstext von Boethius und die musizierenden Engel. Nichtsdestotrotz findet ebenfalls eine malerische horizontale Einteilung statt. Die horizontale Einteilung entsteht aufgrund der Maßwerksbrüstung. Es bildet sich die untere horizontale Ebene mit dem Aufstieg und dem Eintritt in das Paradies und dem oberen horizontalen Bereich, der das himmlische Jerusalem zeigt.
Im Paradies erscheinen die Texte als eine markante Bildkomponente, die den Eindruck der Horizontalität verstärken. So befindet sich eine Schriftbanderole über der Paradiespforte, und auf gleicher Höhe auf der rechten Wandseite eine große Schrifttafel. Zudem zeigt sich über der Schrifttafel noch ein Engel ein Notenblatt eines Liedtextes haltend. Es gibt viele Beispiele, in denen Künstler Texte in ihre Gemälde integriert haben. Allerdings handelt es sich meistens um einzelne Spruchbänder. Auch in Ulm [Abb. 20] ist dies zu erkennen. Hier entwickeln sich aus den Trompeten der Engel die einzelnen Schriftbänder. Allerdings ist es selten, dass Texte in einer solchen Größe und Häufigkeit, wie bei Schongauer, einbezogen werden. Die Texte in Schongauers Paradiesdarstellung bestimmen den Eindruck des Wandgemäldes deutlich.79
Die Hölle wird bei Schongauer als Gegenpol zur strukturierten Welt besonders in ihrem Chaos dargestellt [Abb. 36]. Es wird keine Flächeneinteilung vorgenommen. Felsen und alles verschlingende Flammen bestimmen das Bild, unterbrochen von fallenden Körpern und vereinzelten Figuren, die in diesen Flammen untergehen. Eine solche Höllendarstellung ist in der deutschen Wandmalerei ohne Vorbild. Wie in allen drei Beispielen in Kapitel IV. 1 (Exkurs zur deutschen Wandmalerei) vorgestellt wurde [Abb. 22b, 23b, 24b] wird die Hölle über das Höllenmaul symbolisiert. Im Falle der Konstanzer Umsetzung ist zu sehen [Abb. 23b], dass an einer Kette die Verdammten von den Dämonen in das Höllenmaul hineingeführt werden, wo sie der Höllenfürst erwartet. Hier ist die Hölle als Spiegelbild zum Paradies aufgebaut, denn im Konstanzer Beispiel ist der Zug der Verdammten spiegelbildlich zum Zug der Seligen und das Höllenmaul als Gegensatz der Paradiespforte zu verstehen. Das bedeutet, dass die Hölle zwar über die Farbe als bedrohlicher Ort dargestellt wird, aber sie weiterhin strukturiert in Szene gesetzt wird. Das unterscheidet dieses Beispiel auch von Ulm [Abb. 20] oder Nussdorf [Abb. 24b]. In diesen beiden Beispielen wird das strukturierte Führen der Verdammten zum Höllenmaul aufgegeben. Stattdessen fallen die Körper in den Schlund. Durch die hohe Anzahl der Körper und dem fallenden Motiv wirkt die Hölle unstrukturiert. Insofern ist auch in diesen beiden Beispielen das chaotische Prinzip der Hölle angelegt.
Ein Unterschied zur Hölle Schongauers ist, dass in allen drei Beispielen die Flammen eine untergeordnete Rolle spielen, wohingegen sie bei Schongauer zu einem Hauptmotiv werden. Schongauer stellt das Chaos, nicht über gedrängte Körper dar, sondern über eine Felsen- und Flammenlandschaft mit einigen wenigen Körpern. Die Frage ist, woher nimmt Schongauer die Idee eine Hölle vollständig, ohne eine strukturierte Flächenaufteilung darzustellen, die sich stärker konzentriert auf eine Höllenlandschaft als auf die Darstellung der zu quälenden Körper? In der deutschen Wandmalerei wird man keine Vorbilder dafür finden, wohingegen in der deutschen wie in der niederländischen Tafelmalerei und in der Portalkunst Vorbilder gefunden werden konnten.
Als Beispiel für eine Höllenlandschaft, abweichend vom einem Höllenmaul, gibt es in der deutschen Tafelmalerei ein Weltgerichtsaltärchen von 147580, [Abb. 37] dessen Höllendarstellung auf dem rechten Seitenflügel gezeigt wird. Die Hölle wird bestimmt von dicht übereinanderliegenden Körpern, die vereinzelt von Dämonen attackiert werden. Im Vordergrund stürzen einige der Verdammten nach hinten und gleichzeitig nach unten. Andere wiederum reißen die Arme hoch und scheinen um Gnade zu flehen. Im Hintergrund lodert das Feuer. Die Ähnlichkeiten zu Schongauers Hölle sind begrenzt, denn die dicht aneinander gedrängten Körper findet man bei Schongauer nicht. Ebenso spielt das lodernde Feuer im Weltgerichtsaltärchen eine untergeordnete Rolle, wohingegen es bei Schongauer das Wandbild dominiert.
Ein weiteres Beispiel ist das Berner Gerichtsportal [Abb. 38]. Hier wird die Hölle ebenfalls mit einem Feuer sowie Dämonen, die die Verdammten darin quälen, gezeigt. Doch gibt es neben dem Feuer noch weitere Bestrafungsorte. So wird außerhalb des Feuers der Galgen gezeigt, oder ein Zuber mit Eis. Das Feuer ist im Berner Gericht nur ein Teil der Hölle. Die Parallelen zu Schongauer kann man in den lodernden Flammen und den von Dämonen gequälten Verdammten sowie den Köpfen, die in den Flammen sichtbar werden, sehen.
Darüber hinaus lässt sich ein weiteres Beispiel in der niederländischen Tafelmalerei finden. Memlings Wiedergabe der Hölle [Abb. 39a, b] wird als Felslandschaft mit loderndem Feuer dargestellt. Aus sehr großer Höhe werden die Seelen von den Dämonen in die Tiefe gerissen. Die Verdammten stürzen und fallen, verlieren den Halt und werden gepeinigt und misshandelt von den schwarzen Teufelsgestalten. Memling erzeugt durch die fallenden Körper in ihrer vielfältigen Ausarbeitung einen abwechslungsreichen und dynamischen Gesamteindruck seiner Höllendarstellung. Daher besteht die Ähnlichkeit zu Schongauers Fresko primär in der Höllenlandschaft, den Felsen und den Flammen. Der Übergang von Flammen und Rauch in die ewige Nacht, zeigt sich bei Memling in dem oberen Bildabschnitt [Abb. 39b]. In gleicher Weise lässt Schongauer die Hölle seines Freskos nach oben hin in Rauch und Qualm auflösen. In Bezug auf die Höllenlandschaft ließ sich Schongauer von Memlings Feuersbrunst inspirieren81. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Künstlern liegt in der Umsetzung der menschlichen Figur. Memling demonstriert in diesem Punkt sein Können. Schongauer hingegen hält sich in der Ausformulierung der menschlichen Gestalt sehr zurück. Bei ihm sind vereinzelte Körper in dem Flammenmeer auszumachen. In Kapitel IV.4.3 (Die Hölle) wird auf die menschliche Figur in Schongauers Wandgemälde genauer eingegangen.
3.2 Das Figurenpersonal
Auffallend ist, dass Martin Schongauer für die großen Wandflächen, äußerst wenig Figurenpersonal einsetzt. Besonders deutlich wird das bei einem Vergleich zwischen Schongauers Paradies mit einer italienischen Paradiesdarstellung. Bei Buffalmacco [Abb. 40] wird deutlich, dass die Figuren dicht aneinandergesetzt werden ohne Zwischenräume. Hier wäre für eine Hintergrunddarstellung oder eine Einbettung der Szene in eine Landschaft keine verfügbare Fläche. Verglichen damit ist die Personenzahl im Paradies Schongauers [Abb. 41] sehr gering. Er begrenzt die Seligen auf zwei Gruppen mit vier und fünf Personen. Sie sind im Begriff einer Aufwärtsbewegung, indem sie den Weg, eine grüne Anhöhe hinauf zur Paradiespforte, gewiesen bekommen. Die Szene wird in eine Umgebung eingebunden und über den Anstieg, kommt zusätzlich eine Abgrenzung zu den Niederungen der Hölle zum Ausdruck. Die Erzählung findet über den Bewegungsablauf der Figuren statt. Denn es werden zwei Personengruppen in unterschiedlichen Höhen gezeigt, damit wird eine Bewegung suggeriert. Bei Buffalmacco findet keine körperliche Bewegung der Seligen statt, dafür ein starker emotionaler Ausdruck in ihren Gesichtern, woraus sich die Erzählung entwickelt. Bei beiden Künstlern besteht ein grundlegend unterschiedliches Verständnis über die Strukturierung der Fläche mittels der menschlichen Figur, sowie einer sich daraus ergebenden Erzählung.
Es ergeben sich zwei Fragen, wie wird in der deutschen Wandmalerei der Erzählstrang mittels der Figuren entwickelt? Teilt Schongauer diese Herangehensweise?
Verglichen mit den genannten Beispielen aus Ulm, Konstanz und Nussdorf, werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Schongauer deutlich [Abb. 20, 23, 24]. Der Zug der Seligen, in den Beispielen von Ulm und Konstanz [Abb. 43, 44], entwickelt in gleicher Weise wie bei Schongauer einen Erzählstrang. Durch das Agieren von Figuren in einer angedeuteten Umgebung. Die Seligen stehen dicht gedrängt und erwarten ihren Einlass in das Paradies. Das Thema ist in allen drei Beispielen (Ulm, Konstanz, Breisach) die Aufnahme in das Paradies. Der Unterschied zwischen Schongauer und den zwei Wandgemälden besteht darin, dass in Ulm und Konstanz eine größere Anzahl an Personen beschrieben wird, die dicht aneinander stehen und somit eine geschlossene homogene Gruppe bilden.
Schongauer bricht mit dieser Gruppendarstellung, indem er zwei Gruppen aus dem Zug der Seligen bildet [Abb. 45, 46]. Es sind wenige Figuren, doch dafür werden sie in einem großen Maßstab82 wiedergegeben. Schongauer betont die Einzelfigur. Ihr sozialer Stand wird nicht nur über ihre Kleidung, sondern auch über ihre Höhenplatzierung auf der Wand deutlich. So befinden sich in der oberen Gruppe der Seligen: ein Papst, ein König, ein Kardinal, die höher gestellten kirchlichen und weltlichen Würdenträger. In der unteren Gruppe der Seligen, kann der Mann, der dem Engel die Hand reicht, anhand seiner Kleidung identifiziert werden. Laut Josef Sauer entspricht die Kleidung der eines Bauern83 wohingegen Ulrike Heinrichs ihn als bürgerlichen Jüngling beschreibt84. Es ist zumindest der einfache weltliche Stand, der an dem unteren Wandabschnitt gezeigt wird.
[...]
1 Prosper von Aquitanien, Epigramm Nr. 37: De aeternis gaudiis / Die ewigen Freuden, Zeile 1, 2, in: Prosperi Aquitani, Epigrammatum ex sententiis S. Augustini Liber unus, nach der Ausgabe von Lucas Mangeant (Paris 1711), in: Migne (Hrsg.), PL 51, Sp. 497-532, hier Sp. 509, in: Perger 2000, S. 160
2 Büttner, Gottdang 2006, S. 19-22
3 In der Forschung geht man von 116 Kupferstichen aus, die Schongauer mit seinem Monogramm kennzeichnete. Vgl. Ausst. Kat. Karlsruhe 1992, S. 5
4 Vgl. Ausst. Kat. Colmar 1991, S. 62
5 Gutmann 1922, S. 69
6 Sauer 1934
7 Reichwald 1991
8 Perger 2000
9 Kemperdick 2004
10 Heinrichs 2007
11 Vgl. Voss 1884, S.3 ff.; Brenk 1966, S. 111-115, 164-210; Schreiner 1983, S. 19-22; Esser 1991, S. 42, 48-50, 62; Gehrig 1993, S. 38-40, 148 ff., 204; Zlatohlavek, Rätsch, Müller-Ebeling 2001, S. 36-45; Urbach 2001, S. 13, 15-17, 134 ff.; Suckale 2002, S. 38, 54 ff.; Hartmann 2005, S. 29 ff., 34, 44
12 Hier wird in der Literatur die Paulusvision genannt und das Buch Hennoch. Vgl. Schreiner 1983, S. 22; Schlink 1991, S. 83; Gehrig 1993, S. 43 ff.
13 Augustinus „De Civitate Dei“; Jacobus de Voraigne „Legenda Aurea“; Thomas von Aquin „Theologica“; Honorius Augustodunensis „Elucidarium“. Vgl. Gehrig 1993, S. 45, Urbach 2001, S. 14
14 Visio Tnugdali; Navigatio Brendani; Vision Georgii; Vision der Brigitta von Schweden. Vgl. Esser 1991, S. 10; Urbach 2001, S. 15
15 Vgl. Brenk 1966, S. 221; Esser 1991, S. 44; Urbach 2001, S. 25-27; Christe 2001, S. 199
16 Vgl. Brenk 1966, S. 218-221; Schreiner 1983, S. 54-145; Esser 1991, S. 44; Urbach 2001, S. 25-28; Christe 2001, S. 201
17 Vgl. Grötecke 1997, S. 124-131, 194; Urbach 2001, S. 61 ff.
18 Vgl. Schiller 1951, S. 88, Rosenberg 1986, S. 60-67
19 Vgl. Rosenberg 1986, S. 68; Lukatis 1993, S. 191-195; Böhme 2004, S. 20-27; Hartmann 2005, S. 29-34
20 Vgl. Rosenberg 1986, S. 155-160; Grübel 1991, S. 49-60; Friedel 2017, S. 320-327
21 Vgl. Ausst. Kat. Köln 1993, S. 201-204, Böhm 2004, S. 30
22 Vgl. Heinrichs 2QQ7, S. 429
23 Vgl. Ausst. Kat. Colamr 1991, S. 43
24 Vgl. Kemperdick 2QQ4, S. 215
25 Vgl. Haselier 1969, S. 244
26 Vgl. Winzinger 1962, S. 12
27 Josef Sauer vertritt dir Meinung das Wandgemälde sei zumindest größtenteils fertiggestellt worden. Vgl. Sauer 1934, S. 68; Dieser Meinung schließt sich Ulrike Heinrichs an, benennt aber auch Stellen (z. B. die Auferstehenden an der Westwand), die ihrer Meinung nach nicht fertiggestellt wurden. Vgl. Heinrichs 2QQ7, S. 429, 435; Karin Groll wiederum ist der Meinung, das Wandgemälde sei nicht beendet worden. Vgl. Groll 1991, S.21; Stefan Kemperdick vertritt die These es sei fertig gestellt und Schongauer sei in Colmar verstorben. Vgl. Kemperdick 2QQ4, S. 218
28 Vgl. Heinrichs 2007, S. 432 ff.
29 1507 erlangte die Stadt das Schultheißenamt zurück. Vgl. Heinrichs 2007, S. 432
30 Vgl. Haselier 1969, S. 244
31 Vgl. Heinrichs 2007, S. 433; Interessanterweise waren nicht finanziellen Schwierigkeiten verantwortlich für den Baustopp. Vgl. Haselier 1969, S. 245
32 Damit ist der Erwerb des Reliquienschreins, des Lettners und des Hochaltars gemeint. Vgl. Haselier 1969, S. 249, 261
33 Siehe Kapitel IV.4.2 (Die Herrlichkeit Christi)
34 Siehe Kapitel V. (Die Funktion des Breisacher Weltgerichts)
35 Vgl. Reichwald 1991, S. 146
36 Mt. 25,34 : „... Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist.“ und Mt. 25,41 : „... Weg von mir ihr Verfluchten, in das ewige Feuer,...!“ zit. n.: Katholische Bibelanstalt 1980, Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift
37 Die Spruchbanderole links vom Betrachter lautet: „Dieses Kreuzzeichen wird am Himmel stehen, wenn der Herr gekommen ist, um zu richten“ in Anlehnung an Mt. 24,3 und 24,30. Es stellt kein direktes Zitat dar. Rechts vom Betrachter lautet die Schrift: „Die Zeit des Erbarmens ist vorübergegangen, die Zeit der Gerechtigkeit ist gekommen.“ Eine Anspielung auf einen Kommentar Augustinus zu Psalm 100 (101) Vers I. Vgl. Perger 2000, S. 154
38 Die Kleidung des, im Vordergrund stehenden, Seligen wird in der Forschung unterschiedlich bewertet. So setzt Josef Sauer die Kleidung des vorderen Mannes mit der eines Bauern gleich. Vgl. Sauer 1934, S. 52; Ulrike Heinrichs hingegen betrachtet ihn aufgrund seiner Kleidung als einen bürgerlichen Jüngling. Vgl. Heinrichs 2QQ7, S. 448
39 Boethius (ca. 48Q-524 n. Chr.) zitiert aus der „Philosophiae Consolatio“. Vgl. Perger 2000, S. 155; siehe auch Kapitel IV.4.3 (Das Reich Gottes)
40 Prosper von Aquitanien (erste Hälfte fünftes Jahrhundert nach Christi) war ein Anhänger Augustinus und als theologischer Dichter bekannt. Wahrscheinlich ist der hier gezeigte Textausschnitt aus dem „Speculum historiale“ von Vinzenz von Beauvais. Vgl. Perger 2000, S. 160 und 162
41 Luk. 2,14: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Frieden [...]“; zit. n.: Katholische Bibelanstalt 198Q, Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift
42 Vgl. Heinrichs 2007, S. 429
43 Vgl. Reichwald 1991, S. 154
44 Vgl. ebd. S. 156
45 Vgl. Elisabeth Jäger, Untersuchungsbericht, Köln, 24.02.1990, in: Reichwald 1991, S. 152
46 Vgl. Reichwald 1991, S. 157
47 Es gibt zahlreiche Beispiel in der Kunst, an denen gezeigt werden kann, dass der Künstler sich nicht an diesen Aufbau hält. In der Wandmalerei ist dies meist zu begründen mit der räumlichen Situation. Vor allem, wenn es sich um ein Deckengemälde handelt, findet dieser schematische Aufbau keine Anwendung.
48 Vgl. Reichwald 1991, S. 146
49 Vgl. Heinrichs 2007, S. 433
50 Der Colmarer Ausstellungskatalog listet die ersten Kommentierungen und Kritiken zu Schongauers Werken sehr ausführlich auf. Auch die, aus heutiger Forschungssicht, damals entstandenen Verwechslungen, werden in dem Katalog benannt. Vgl. Ausst. Kat. Colmar 1991, S. 44-46
51 Urbach 2001, S. 41
52 Michler 1992, S. 120
53 Die Datierung ist im Wandgemälde mit der Jahreszahl 1482 auf dem vordersten Grab vermerkt. Zudem: Vgl. Bildindex Marburg, URL: http://www.bildindex.de/document/obi2Q5Q2Q64?medium=miQ516Qe12
54 Vgl. Urbach 2001, S. 41
55 Das Ulmer Fresko wurde im 19. Jahrhundert mittels der stilistischen Methode dem Ulmer Stadtmaler Hans Schüchlin zugeschrieben. Vgl. Urbach 2001, S. 10 ff., 158
56 Die Kopfbedeckung der Verdammten weist sie als Türken, Juden und Häretiker aus, weiterhin werden Kleriker, sowie ein König und eine Königin gezeigt. Vgl. Urbach 2001, S. 141
57 Die Silvesterkapelle des Münsters zu Konstanz stellt eine Seitenkapelle dar, die vom Kreuzgang des Münsters abgeht. Vgl. Roth 2014, S. 222
58 Unter dem Begriff des Kollektivs wird die Menschheit in ihrer Gesamtheit verstanden im Gegensatz zum Individuum. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn wie in Kapitel IV. 4.2 (Die Herrlichkeit Christi) zu zeigen sein wird, war besonders im Mittelalter der Unterschied zwischen dem Partikulargericht nach dem individuellen Tod und dem Richten der Menschheit am Tag des Jüngsten Gerichts wichtig.
59 Der schematische Aufbau bedeutet eine achsensymmetrische Wiedergabe mit Christus als zentrale Figur, die erhöht und mittig wiedergegeben ist, sowie der, unter Christus, angeordneten Deesis und in der links und rechts, entsprechend der theologischen Wertigkeit, Himmel und Hölle anzutreffen sind.
60 Vgl. Urbach 2001, ebd.
61 Vgl. Kemperdick 2004, S. 215
62 Von der Autorin durch Ausmessen vor Ort ermittelt.
63 Vor allem in der Buchillustration sind Weltgerichte, die aus Weltenrichter, Deesis und Auferstehenden bestehen - oft auch ohne Fürbitter - bekannt. Dies würde Iris Grötecke ein „Kurzgericht“ nennen im Gegensatz zu einem „ausführlichen Weltgericht“, unter dem sie ein Weltgericht mit der Darstellung von Paradies und Hölle versteht. Vgl. Grötecke 1997, S. 13, 27. Eine Definition eines Weltgerichts nimmt auch das LCI nicht vor aufgrund der vielfältigen Ausgestaltungen des Themas und beschränkt sich auf Beschreibungen. Vgl. LCI, S. 516-523; Es bleibt offen, ab wann man von einer Weltgerichtsdarstellung sprechen kann.
64 Das ist vor allem aus der romanischen Kunst bekannt, wie z. B. in Burgfelden, St. Michaelskirche aus dem Jahr 1050, aber es kommt auch vor, dass, wie z.B. in Mendig, St. Cyriakus [Abb. 30], das Weltgericht am Triumphbogen gezeigt wird und weitere Bereiche, wie die Darstellung der Apostel, sich auf die Nord- und Südseite des Langhauses erstrecken.
65 Es gibt darüber hinaus ein Beispiel für eine Weltgerichtsdarstellungen in Italien, die sich über drei Wände erstreckt, allerdings eine andere thematische Aufteilung aufweist. Das Fresko stammt von Bartolomeo di Tommaso und befindet sich in der Capella Paradisi, Chiesa di S. Francesco, Terni. Dabei sind die Richterszene und das Paradies auf einer Wand dargestellt, auf der zweiten die Hölle und auf der dritten Wand die Auferstehung der Seligen.
66 Zit. n. Kemperdick 2004, S. 214
67 Vgl. Sauer 1934, S. 20; Brenk 1966, S. 221 ff.; Urbach 2001, S. 36; Christe 2001, S. 199; Hartmann 2005, S. 41; Rehm 2011, S. 88
68 Die Wandmalerei befindet sich in dem Benediktinerinnenkloster St. Johann in Müstair, Schweiz und entstand Ende des 8. Jahrhunderts. Vgl. Zlatohlavek, Rätsch, Müller-Ebeling 2001, S. 116
69 Vgl. Urbach 2001, S. 36; Beat Brenk beschreibt in seiner Publikation, dass die Westwand als Aussagekörper der Chorpartie gegenüberliegt und sich daher als Bildträger für das Jüngste Gericht etabliert hat. Vgl. Brenk 1966, S. 222
70 Dieses Mosaik ist datiert auf 817-824. Vgl. Poeschke 2009, S. 190
71 Vgl. Bildindex Marburg, URL: https://www.bildindex.de/document/obi20685839?medium=mi07547f05 (Stand: 13.02.2020)
72 Für Deutschland konnten 61 Wandgemälde mit Weltgerichtsdarstellungen ermittelt werden. Dabei befinden sich die meisten am Triumphbogen, weitere im Langhaus, im Gewölbe, in Seitenkapellen oder Turmwänden und nur zwei an der Westinnenseite. Die vollständige Liste, der ermittelten Wandgemälde am Triumphbogen mit Angaben der Kirchen und der Entstehungszeit befindet sich in [Abb. 29].
73 Vgl. Michler 1992, S. 124
74 Vgl. Feldhusen 1953/1978, S. 13-22 in: Urbach 2001, S. 38
75 Vgl. Kemperdick 2004, S. 216
76 Sauer 1934, S. 20; Kemperdick 2004, S. 214; Heinrichs 2007, S. 441
77 Das Weltgericht Buffalmaccos befindet sich im Camposanto in Pisa und wird datiert auf 1335/40. Vgl. Zlatohlavek, Rätsch, Müller-Ebeling 2001, S. 134
78 Josef Sauer empfindet die Trennungslinie zwischen den Auferstehenden und der himmlischen Sphäre als sehr markant und störend, so dass er vermutet diese Trennungslinie wurde später hinzugefügt. Vgl. Sauer 1934, S. 22
79 Der Inhalt der Texte wird in Kapitel IV.4.3 (Das Reich Gottes) besprochen.
80 Datierung, Vgl. Ausst. Kat. Zürich 1994, Kat. 132
81 Vgl. Sauer 1934, S. 28; Heinrichs 2007, S. 448
82 Der untere Engel ist nach eigenen Ermittlungen ca. 3,50 m groß, während der Bauer, den er in Empfang nimmt ca. eine Größe von 3 m inne hat. Durch Maßnehmen der Steinquader und der daraufhin erfolgten Zählung, aus wie vielen Steinquadern eine Figur besteht, konnte die Größe abgeschätzt werden.
83 Vgl. Sauer 1934, S. 52
84 Vgl. Heinrichs 2007, S. 448
- Citation du texte
- Johanna Schuler (Auteur), 2020, Das Wandgemälde des Jüngsten Gerichts von Martin Schongauer im St. Stephans Münster zu Breisach, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1130189
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