Dieses Essay beschäftigt sich mit der Frage, ob Plotin überzeugend für die Möglichkeit von Selbsterkenntnis argumentieren kann.
Aus der folgenden Argumentation geht hervor, dass Plotin von einer Selbsterkenntnis des reinen Intellekts ausgeht, allerdings die freie Selbsterkenntnis im diskursiven Denken außeracht lässt, so dass ich von einer bedingten Selbsterkenntnis bei Plotin spreche.
Plotins Weltbild beinhaltet die drei Hypostasen, das Eine, den Intellekt und die Seele. Für die Fragestellung nach der Selbsterkenntnis ist es von Belang den zweigeteilten Intellekt von der Seele zu unterscheiden und das allumfassende Eine als Ursprung zu definieren. Menschen sind nach Plotins Philosophie Doppelwesen aus Teilbarem und Unteilbarem. Das Sein und das Denken setzt dabei Einheit voraus, während es Einheitsgrade zu unterscheiden gibt, und der Körper einen geringen Seinsgrad hat. Erst in der Lösung des materiell-körperlichen kann nach Plotin ein höherer Seinsgrad zum Prozess der Selbsterkenntnis stattfinden. Die Seele ist dabei Substanz, unkörperliches, unteilbares, unsterbliches Lebensprinzip. Durch den unteren Seelenteil kommt es zu Wahrnehmungen, so dass ich nach dieser Philosophie von einer Möglichkeit der Selbstwahrnehmung durch die Seele ausgehe.
Der Intellekt steht über der Seele, weil er von den Körpern vollständig getrennt ist, hat aber auch eine innere Differenzierung und ist damit nicht, wie das Eine, höchstes Prinzip. Nach Plotin liegt die Selbsterkenntnis im Intellekt. Die Seele erinnert sich an das Eine als ihre Ursache. Die Vernunft besaß die Seele schon, bevor sie in den Körper kam. Die Vernunft denkt diskursiv und beschäftigt sich mit den Dingen, kann also Erkenntnis über die Materie erlangen.
Was wahrhaft ist gehört auf die Ebene des Intellekts. Der Intellekt bleibt unberührt vom Körper. Dabei ist die Selbsterkenntnis in der Erfahrung sich von allem zu lösen und sich auf das reine Denken zu konzentrieren möglich. Dies ist vergleichbar mit einem Ideal, wie es auch Platon in Alkibiades erörtert.
Die bedingte Selbsterkenntnis bei Plotin
Dieses Essay beschäftigt sich mit der Frage, ob Plotin überzeugend für die Möglichkeit von Selbsterkenntnis argumentieren kann. Aus der folgenden Argumentation geht hervor, dass Plotin von einer Selbsterkenntnis des reinen Intellekts ausgeht, allerdings die freie Selbsterkenntnis im diskursiven Denken außeracht lässt, so dass ich von einer bedingten Selbsterkenntnis bei Plotin spreche.
Plotins Weltbild beinhaltet die drei Hypostasen, das Eine, den Intellekt und die Seele.1 Für die Fragestellung nach der Selbsterkenntnis ist es von Belang den zweigeteilten Intellekt von der Seele zu unterscheiden und das allumfassende Eine als Ursprung zu definieren. Menschen sind nach Plotins Philosophie Doppelwesen aus Teilbarem und Unteilbarem. Das Sein und das Denken setzt dabei Einheit voraus, während es Einheitsgrade zu unterscheiden gibt, und der Körper einen geringen Seinsgrad hat. Erst in der Lösung des materiell-körperlichen kann nach Plotin ein höherer Seinsgrad zum Prozess der Selbsterkenntnis stattfinden. Die Seele ist dabei Substanz, unkörperliches, unteilbares, unsterbliches Lebensprinzip. Durch den unteren Seelenteil kommt es zu Wahrnehmungen, so dass ich nach dieser Philosophie von einer Möglichkeit der Selbstwahrnehmung durch die Seele ausgehe.
Der Intellekt steht über der Seele, weil er von den Körpern vollständig getrennt ist, hat aber auch eine innere Differenzierung und ist damit nicht, wie das Eine, höchstes Prinzip. Nach Plotin liegt die Selbsterkenntnis im Intellekt. Die Seele erinnert sich an das Eine als ihre Ursache. Die Vernunft besaß die Seele schon, bevor sie in den Körper kam. Die Vernunft denkt diskursiv und beschäftigt sich mit den Dingen, kann also Erkenntnis über die Materie erlangen.
Was wahrhaft ist gehört auf die Ebene des Intellekts.2 Der Intellekt bleibt unberührt vom Körper.3 Dabei ist die Selbsterkenntnis in der Erfahrung sich von allem zu lösen und sich auf das reine Denken zu konzentrieren möglich.4 Dies ist vergleichbar mit einem Ideal, wie es auch Platon in Alkibiades erörtert.
Dem diskursiven Denken, dass schrittweise, arbeitsam vorgeht steht das intellektuelle Denken gegenüber. Dieses bezieht sich nur auf sich selbst und kann in einem kontemplativen Zustand erkannt werden.5 Das Problem der Möglichkeit über die Selbsterkenntnis erweist sich damit im Problem des Selbstbezugs. Was sich selbst denken kann, da müssen das denkende Subjekt und das zu denkende Objekt zusammenfallen, während der Teil der sich denkt, nicht sich selbst denken kann. Indem er sich nicht selbst denken kann weiß sich der Intellekt, nach Plotin, nicht selbst. Der vernünftige Teil der Seele, das Ich, denkt sich selbst auch nicht.6 Der Körper ist mit dem Wahrnehmungsvermögen erkenntlich. Das intellektuelle Vermögen ist also nicht Teil der individuellen Seele und kann sich selbst nicht denken.
Daraus geht hervor, dass Selbsterkenntnis zum einen bedingt möglich ist durch das Erkennen des Denkvermögens und zum anderen mit dem Aufstieg des Intellekts.7 Erst im reinen Intellekt besteht die Chance sich selbst zu denken. Der Intellekt bei Plotin hat nach Werner Beierwaltes einen Selbstbezug als Sich-selbst-Erkennens, welcher notwendig für seine Wesens-Vollendung ist.8 Damit spricht er Plotin die Möglichkeit einer Selbsterkenntnis zu. Im Intellekt bezieht sich das Denken dabei aber nicht auf das Sich-selbst-denken, sondern kommt in der Identifikation mit dem Licht des Einen durch das Licht zu sich selbst.9 Hierbei fallen das Objekt des Denkens und das Subjekt des Denkens, der Intellekt, zusammen. Das Denken, denkt sich selbst und erweist dadurch sein Sein, so dass das gedachte Sein selbst Denken ist. Das Selbe kann sich somit als Ganzes, oder als Selbst, denken, auch wenn eine innere Differenz zwischen Denkendem und Gedachtem stattfindet.
Ferner geht Beierwaltes davon aus, dass das Ziel der Selbsttransformation des Menschens sich in der Rückwendung des Denkens auf sich selbst bezieht.10 Dies unterstützt meine These, dass Selbsterkenntnis im Menschen möglich ist, durch die Konzentration auf den Intellekt, anders als auf das diskursive Denken. Selbsterkenntnis erweist sich also in der Selbstvergewisserung des Intellekts in der Seele und der Erhebung des Denkens in das sich-Selbst-denkens des reinen Intellekts.
Die Seele verlässt das Eine und steigt zum Körper, zum Schlechteren herab. Die Rückkehr zum Aufstieg beinhaltet Handlungsfreiheit, denn menschliches Handeln ist frei, da der Seele, dem Intellekt und dem Einen Freiheit zugesprochen werden. In dieser Willensfreiheit kann sich der Mensch zur Selbsterkenntnis entscheiden. Es gilt also die Forderung, sich von den niederen Seinsstufen zu befreien und zum eigenen Ursprung aufzusteigen.
Die Seele hat im Körper allerdings die Beeinflussung von Wünschen, Begierden und Leidenschaften des Körpers, und wird extern von Bedürfnissen geleitet.11 Dieser Abstieg braucht eine vorherige Schuld, wobei die Seele im Körper die Entscheidungsfähigkeit hat, und somit Selbsterkenntnis möglich scheint.12 Während der Intellekt sich selbst denkt, drängt die Seele nach außen und hat doch die Tendenz sich für das Materielle zu entscheiden.13
In dem Selbst-denkenden Intellekt ist Selbsterkenntnis also möglich. Die Seele wird hingegen nur durch etwas Gewolltes oder Begehrtes bewegt. Geleitet wird sie von einer Vernunft, die sie bereits besaß, bevor sie in den Körper geriet. Einzelseelen sind vor dem Eintritt in den Körper Herr über sich und danach beeinflusst von körperlichen Begierden. Die Unfreiheit liegt der körperlichen Bedingtheit nach in der Entfremdung vom eigenen Selbst durch äußere Einflüsse. Die Selbsterkenntnis fordert entgegen der Entfremdung echtes Wissen. So sei die handelnde Seele, wie der denkende Intellekt selbstbestimmt.
Während der Intellekt über sich selbst reflektieren kann, kann die Seele bloß über externes reflektieren, denn wenn ich denke, dann denke ich und denke mich nicht als denkendes Subjekt.14
Sara Rappe geht davon aus, dass Plotin wie Descartes für einen introspektiven oder subjektiven Zustand des Geistes, der sich selbst erkennt, argumentiert.15 Die Wahrnehmung ist dabei wesentlicher Teil des Bewusstseins. Zwar besteht ein Unterschied zwischen mentalen Zuständen und dem Prozess der Selbsterkenntnis, doch ist das Bewusstsein bei Plotin möglich. Er unterscheidet zwischen dem Wissenden und dem Objekt das gewusst wird. Das Intellekt als Subjekt des Erkennens lässt dabei Selbstbewusstsein zu, dieser Zustand kann aber nicht mit Selbsterkenntnis gleichgesetzt werden. Jede konzeptuelle Repräsentation des Selbst im Bewusstsein kann niemals vollständiges Selbst erkennen. Erst in der Identität von Wissendem und dem Wissen entsteht vollständige Selbsterkenntnis.16 So ist Selbsterkenntnis in der Selbstrealisation des Wissens möglich. Der individuelle beseelte Körper ist dabei Teil des Kosmos, der von der Weltseele bewegt wird.17 Diese Erkenntnis ist im Körper möglich. Wie Descartes ist das Erkennen über das Denken, ich denke also bin ich, möglich.
Wie Aristoteles geht Plotin von einem Denken aus, dass geistige Repräsentation der Form fordert.18 Doch geht Plotin davon aus, dass die Fähigkeit der Repräsentation der Form nicht die Identität des Geistes mit dem intelligiblen Objekt involviert. Eine Beziehung zwischen dem inneren und äußeren Zustand ist deshalb nötig, um zur Selbsterkenntnis zu gelangen. Plotin geht davon aus, dass der Intellekt nicht direkt auf die Realität zurückgreifen kann, aber einen gewissen Eindruck haben kann.19 In dem Selbstbewusstsein über die Seele, die teilweise Teil der Weltseele ist, kann also Selbsterkenntnis entstehen. Der Geist erhält Selbsterkenntnis, indem er ein Konzept des Wissenden nicht durch Selbstbewusstsein, aber durch das objektive Bewusstsein, entstehen lässt.
Plotin eröffnet dazu in den Enneaden V.8.1 die Möglichkeit der Wahrnehmung der äußeren Welt.20 Die Schönheit der Welt könnte durch die Fähigkeit durch die Welt zu sehen gesehen werden.21 Es kann auch über ein externes Objekt meditiert werden.22 Entscheidend ist dabei das Verhältnis zwischen Bewusstsein und Bewusstseinsinhalt.
Schwierig ist allerdings der Unterschied zwischen dem Intellekt und dem individuellen Denken, dass es auch bei Platon gibt. Erst im Wissen über das vollkommene Wissen ist Selbsterkenntnis möglich.
Die von Plotin vorgeschlagene Introspektion involviert eine Vereinfachung und Klärung des Verhältnisses zwischen Seele und dem Wissenden über die Seele mit den möglichen Objekten der Aufmerksamkeit.23
Plotin erkennt dem Menschen also Selbsterkenntnis an, indem er auch Freiheit ermöglicht. Durch die gestufte Metaphysik von Seele, Intellekt und dem Einen beinhaltet sein Weltbild eine gestufte Freiheit. Alles Seiende ist dabei nur, und kann auch nur gedacht werden, weil es Teil des vollkommenen Einen ist. Sein und Denken setzen eine Einheit voraus. So ist im Denken des Selbst die Existenz des Selbst enthalten. Die Seele kann dabei als Abbild des Intellekts verstanden werden, worunter weitere Abbilder wie des Kosmos, der Körper und der Materie zu verstehen sind. Freiheit bedeutet sich von den Fesseln der niederen Seinsstufen zu befreien, um zum eigenen Ursprung aufzusteigen, und diesen als höchstes Ziel zur Geltung zu bringen. Erst in der Selbsterkenntnis ist diese Freiheit denkbar, sodass Plotin durchaus von der Möglichkeit der Selbsterkenntnis ausgeht.
In der Enneade III über das Schicksal verteidigt Plotin die Handlungsfreiheit. Er geht davon aus, dass alles eine Ursache hat. Diese erste Ursache gibt es bei ewigen Substanzen, den Seelen, während die Materie und Körper verursacht sind. Die Einzelseele wird dabei nur durch etwas Gewolltes, oder Begehrtes bewegt. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass es Überlegungen und Handlungen gibt, die uns eigen sind. In den uns eigenen Handlungen sind diese demnach frei, wenn sie aus dem inneren der Seele herrühren. Geleitet wird die Bewegung der Seele dabei durch die Vernunft. Das vernünftige Handeln ist also ein Weg zur autonomen Selbsterkenntnis des Aufstiegs zum eigenen Ursprung. Auch der Abstieg in den Körper der Seele war ursprünglich freiwillig, wobei diese dann den Irritationen eines unvollkommenen Körpers ausgesetzt ist.
[...]
1 Vgl. Plotinus, Ennead II, engl. Übers. von A.H. Armstrong, Cambridge, MA u. London 1966, II.5.
2 Vgl. Ebd.
3 Vgl. Plotinus, Ennead IV, engl. Übers. von A.H. Armstrong, Cambridge, MA u. London 1966, IV.8.1.
4 Vgl. Ebd.
5 Vgl. Plotinus, Ennead V, engl. Übers. von A.H. Armstrong, Cambridge, MA u. London 1966, V.3.1
6 Vgl. Ebd. V.3.2.
7 Vgl. Ebd. V.3.4.
8 Vgl. Beierwaltes, Werner, ‘Das wahre Selbst’, in id., Das wahre Selbst, München 2001, 84 –122, S. 85.
9 V 3, 17, 34 f.
10 Vgl. Beierwaltes, 2021, S. 94.
11 Vgl. Ebd. Enneade IV, IV.8.2.
12 Vgl. Ebd. IV.8.5.
13 Vgl. Ebd.
14 Vgl. Ebd. V.3.2.
15 Vgl. Rappe, Sara: Self-knowledge and subjectivity in the Enneads, in: The Cambridge Companion to Plotinus, hrsg. von L. P. Gerson, Cambridge 1996, S. 250-274, S. 250.
16 Vgl. Ebd.
17 Vgl. Ebd., S. 254.
18 Vgl. Ebd., S. 256.
19 Vgl. Ebd., S. 257.
20 Vgl. Ebd. S. 260.
21 Vgl. Ebd.
22 Vgl. Ebd., S. 261.
23 Vgl. Ebd., S. 270.
- Quote paper
- Michal Hanna Göbel (Author), 2021, Die bedingte Selbsterkenntnis bei Plotin. Eine Darstellung der Argumentation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1128366
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.