Vom Adlerschrei bis zum Zitronenfalter reichen die Gedichte über zahme, wilde, existente, ausgestorbene und fiktive Tiere, die in dem gleichnamigen Buch veröffentlicht werden. Herausgeberin ist Doris Probst aus Mainz-Kostheim, von der auch die Buchreihe "Weisheiten und Torheiten" stammt. Der Titel "Adlerschrei und Zitronenfalter" erhebt nicht den Anspruch, alle Gedichte, die jemals über Tiere geschrieben wurden, zu präsentieren. Er soll lediglich unterhalten und das Augenmerk von Literatur-, Natur- und Tierfreunden auf eine wenig bekannte Gattung der Lyrik lenken, nämlich Gedichte über Tiere.
Vorwort
Gedichte über Tiere
Vom Adlerschrei bis zum Zitronenfalter reichen die Gedichte über zahme, wilde, existente, ausgestorbene und fiktive Tiere, die in dem vorliegenden Buch veröffentlicht werden. Herausgeberin ist Doris Probst aus Mainz-Kostheim, von der auch die Buchreihe „Weisheiten und Torheiten“ stammt. Der Titel „Adlerschrei und Zitronenfalter“ erhebt nicht den Anspruch,
alle Gedichte, die jemals über Tiere geschrieben wurden, zu präsentieren. Er soll lediglich unterhalten und das Augenmerk von Literatur-, Natur und Tierfreunden auf
eine wenig bekannte Gattung der Lyrik lenken, nämlich Gedichte über Tiere.
Adlerschrei
Von Richard Dehmel (1863–1920)
Schwere Tage schwanden, seit ich zu dir stieß,
all im Flug bestanden, von den Hügellanden
her durch Stürme auf dies Bergverlies.
Mit erprobten Schwingen hocken wir im Nest,
sehn die Wolken ringen, fast zum Herzzerspringen
warm an unsre junge Brut gepreßt.
Und ich darf nicht fragen: ist dir das genug?
darf nur Sehnsucht tragen nach den schweren Tagen,
hin durch Stürme, Herz, zu kühnerem Flug!
Adler und Taube
Von Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) Ein Adlersjüngling hob die Flügel
Nach Raub aus;
Ihn traf des Jägers Pfeil und schnitt Der rechten Schwinge Spannkraft ab. Er stürzt’ hinab in einen Myrtenhain, Fraß seinen Schmerz drei Tage lang, Und zuckt’ an Qual
Drei lange, lange Nächte lang; Zuletzt heilt’ ihn Allgegenwärtger Balsam Allheilender Natur.
Er schleicht aus dem Gebüsch hervor Und reckt die Flügel – ach!
Die Schwingkraft weggeschnitten – Hebt sich mühsam kaum
Vom Boden weg
Unwürdgem Raubbedürfnis nach, Und ruht tieftrauernd
Auf dem niedern Fels am Bach; Er blickt zur Eich hinauf, Hinauf zum Himmel,
Und eine Träne füllt sein hohes Aug.
Da kommt mutwillig durch die Myrtenäste Dahergerauscht ein Taubenpaar,
Läßt sich herab und wandelt nickend Über goldnen Sand am Bach,
Und ruckt einander an;
Ihr rötlich Auge buhlt umher, Erblickt den Innigtrauernden.
Der Tauber schwingt neugiergesellig sich Zum nahen Busch und blickt
Mit Selbstgefälligkeit ihn freundlich an.
Du trauerst, liebelt er; Sei guten Muts, Freund!
Hast du zur ruhigen Glückseligkeit Nicht alles hier?
Kannst du dich nicht des goldnen Zweiges freun, Der vor des Tages Glut dich schützt?
Kannst du der Abendsonne Schein Auf weichem Moos am Bache nicht Die Brust entgegenheben?
Du wandelst durch der Blumen frischen Tau, Pflückst aus dem Überfluß
Des Waldgebüsches dir Gelegne Speise, letzest
Den leichten Durst am Silberquell – O Freund, das wahre Glück
Ist die Genügsamkeit, Und die Genügsamkeit Hat überall genug.
O Weise! sprach der Adler, und tief ernst Versinkt er tiefer in sich selbst,
O Weisheit! Du redst wie eine Taube!
An den Hund des Toten
Von Justinius Kerner (1786–1862)
Der Tod den edlen Herrn dir nahm, Vergebens suchst du seine Wege.
Du blickst mich an, ja, komm und lege Auf meinen Schoß dein Haupt voll Gram. Aus deinen Augen, treues Tier!
Schaut eine stumme, tiefe Klage, Und geht an mich die ernste Frage:
„Wo find ich ihn? Mensch! sag es mir!“ Wend ab dein fragend Auge nur!
Was könnt’ ein armer Mensch dir sagen? Antwortet ja auf solche Fragen
Selbst ihm mit Schweigen die Natur.
An die Bienen
Gottfried August Bürger (1747–1794)
Wollt ihr wissen, holde Bienen, Die ihr süße Beute liebt,
Wo es mehr, als hier im Grünen, Honigreiche Blumen gibt?
Statt die tausend auszunippen, Die euch Florens Milde beut, Saugt aus Amaryllis’ Lippen Aller tausend Süßigkeit.
Florens schöne Kinder röthet Nur der Frühlingssonne Licht; Amaryllis’ Blumen tödtet Auch der strenge Winter nicht. Kurze Labung nur gewähret, Was die Tochter Florens beut; Aber kein Genuß verzehret Amaryllis’ Süßigkeit.
Eins, nur Eins sei Euch geklaget! Eh’ ihr auf dies Purpurroth
Eure seidnen Flügel waget,
Hört, ihr Lieben, was euch droht! Ach, ein heißer Kuß hat neulich Die Gefahr mir kund gemacht.
Nehmt die Flügel, warn’ ich treulich, Ja vor dieser Glut in Acht!
Auf dem Fliegenplaneten
Von Christian Morgenstern (1871–1914)
Auf dem Fliegenplaneten,
da geht es dem Menschen nicht gut: Denn was er hier der Fliege,
die Fliege dort ihm tut.
An Bändern voll Honig kleben die Menschen dort allesamt, und andere sind zum Verleben in süßliches Bier verdammt.
In einem nur scheinen die Fliegen dem Menschen vorauszustehn: Man bäckt uns nicht in Semmeln, noch trinkt man uns aus Versehn.
Auf den Tod einer Nachtigall
Von Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748–1776)
Sie ist dahin, die Maienlieder tönte, Die Sängerin,
Die durch ihr Lied den ganzen Hain verschönte. Sie ist dahin!
Sie, deren Ton mir in die Seele hallte, Wenn ich am Bach,
Der durchs Gebüsch im Abendgolde wallte, Auf Blumen lag!
Sie gurgelte, tief aus der vollen Kehle, Den Silberschlag:
Der Widerhall in seiner Felsenhöhle Schlug leis’ ihn nach.
Die ländlichen Gesäng’ und Feldschalmeien Erklangen drein;
Es tanzeten die Jungfrau’n ihre Reihen Im Abendschein.
Sie horchten dir, bis dumpf die Abendglocke Des Dorfes klang.
Und Hesperus, gleich einer goldnen Flocke, Aus Wolken drang;
Und gingen dann im Wehn der Maienkühle Der Hütte zu,
Mit einer Brust voll zärtlicher Gefühle, Voll süßer Ruh.
Auf den Tod eines Vogels
Von Eduard Mörike (1804–1875)
O Vogel, ist es aus mit dir? Krank uebergab ich dich
Barmherzgen-Schwester-Haenden,
Ob sie vielleicht noch dein Verhaengnis wenden; So war denn keine Hilfe hier?
Zwei Augen, schwarz als wie die deinen, Sah ich mit deinem Blick sich einen, Und gleich erlosch sein schoenes Licht. Hast du von ihnen Leids erfahren?
Wohlan, wenn sie dir toedlich waren, So war dein Tod so bitter nicht!
Auf die Motten
Von Gottfried Keller (1819–1890)
„Wo ist ein Volk, so frei von allen Plagen, Die andrer Völker traurig Erbteil sind,
Ein glücklicher nutznießrisch Heldenkind, Als unser Schweizervölklein zu erfragen?
Und doch, wie fiebernd seine Pulse schlagen! Für seiner Freiheit Überfülle blind,
Hascht übermütig es nach leerem Wind, Wann enden seine undankbaren Klagen?“
So sprechen jene flink gelenken Motten, Die so gemütlich in dem Rauchwerk nisten, Dem warmen, köstlichen, und es zernagen.
„Nur eben euch gilt es noch auszurotten (So sprechen wir, die radikalen Christen),
Mit lindem Klopfen aus dem Pelz zu jagen!“
Auf Grashüpfer und Heimchen
Von John Keats (1795–1821)
Die Poesie der Erde ist nie tot:
Sucht jeder Vogel schwach im Sonnenlicht Ein kühles Baumversteck, läuft das Gerücht Die Hecken lang, das Feld sei frisch gemäht – Es ist des Grashüpfers. Sein Singen steht
Für Sommerwohligkeit; nichts unterbricht Sein Glück, denn schwärmt er einmal nicht, Ruht er bequem auf einem weichen Beet.
Die Erde wird an Poesie nie ärmer:
Am Winterabend, wenn der Frost zuvor
Ein Schweigen sponn, da schrillt vom Herd der Klang Des Heimchenlieds, wird warm und immer wärmer Und scheint dem, der sich dösend halb verlor,
Des Grashüpfers auf einem grünen Hang.
Das ästhetische Wiesel
Von Christian Morgenstern
Ein Wiesel
saß auf einem Kiesel inmitten Bachgeriesel.
Wißt ihr weshalb?
Das Mondkalb verriet es mir im Stillen.
Das raffinierte Tier
tat’s um des Reimes Willen.
Das Auge der Maus
Von Christian Morgenstern
Das rote Auge einer Maus lugt aus dem Loch heraus.
Es funkelt durch die Dämmerung ... Das Herz gerät in Hämmerung.
„Das Herz von wem?“ Das Herz von mir! Ich sitze nämlich vor dem Tier.
O Seele, denk an diese Maus! Alle Dinge sind voll Graus.
Das Einhorn
Von Christian Morgenstern
Das Einhorn lebt von Ort zu Ort nur noch als Wirtshaus fort.
Man geht hinein zur Abendstund und sitzt den Stammtisch rund.
Wer weiß? Nach Jahr und Tag sind wir auch ganz wie jenes Tier.
Hotels nur noch, darin man speist – (so völlig wurden wir zu Geist).
Im „Goldenen Menschen“ sitzt man dann und sagt sein Solo an.
Das gute Schaf
Ein erschöpfendes Gedicht
Von Paul Scheerbart (1863–1915) Du bist mein Schaf;
Ich bin dir niemals böse. Und er ist baff;
Er schaut ins Weltgekröse.
Du bist mein Schaf, Erlöse ihn, erlöse
Auch mich von dem Getöse Der auferstandnen Jugendzeit;
Sie steht vor mir im Leichenkleid.
Das Häslein
Von Christian Morgenstern
Unterm Schirme, tief im Tann, Hab ich heut gelegen,
Durch die Zweige rann Reicher Sommerregen.
Plötzlich rauscht das nasse Gras – Stille! Nicht gemuckt!
Mir zur Seite duckt Sich ein junger Has ...
Dummes Häschen, Bist du blind?
Hat dein Näschen Keinen Wind?
Doch das Häschen, unbewegt, Nutzt, was ihm beschieden, Ohren weit zurückgelegt, Miene schlau zufrieden.
Ohne Atem lieg ich fast, Laß die Mücken sitzen;
Still besieht mein kleiner Gast Meine Stiefelspitzen ...
Um uns beide – tropf – tropf – tropf – Traut eintönig Rauschen
Auf dem Schirmdach – klopf – klopf – klopf ... Und wir lauschen, lauschen ...
Wunderwürzig kommt ein Duft Durch den Wald geflogen; Häschen schnuppert in der Luft, Fühlt sich fortgezogen;
Schiebt gemächlich seitwärts, macht Männchen aller Ecken ...
Herzlich hab ich aufgelacht – Ei der wilde Schrecken!
Das Huhn
Von Christian Morgenstern
In der Bahnhofshalle, nicht für es gebaut, geht ein Huhn
hin und her ...
Wo, wo ist der Herr Stationsvorsteh’r?
Wird dem Huhn man nichts tun?
Hoffen wir es! Sagen wir es laut: daß ihm unsre Sympathie gehört,
selbst an dieser Stätte, wo es – „stört“.
Das Huhn und der Karpfen
Von Heinrich Seidel (1842–1906)
Auf einer Meierei
Da war einmal ein braves Huhn, Das legte, wie die Hühner thun, An jedem Tag ein Ei
Und kakelte, Mirakelte, Spektakelte,
Als ob’s ein Wunder sei!
Es war ein Teich dabei, Darin ein braver Karpfen saß
Und stillvergnügt sein Futter fraß, Der hörte das Geschrei:
Wie’s kakelte, Mirakelte, Spektakelte,
Als ob’s ein Wunder sei!
Da sprach der Karpfen: „Ei! Alljährlich leg’ ich ’ne Million
Und rühm’ mich des mit keinem Ton; Wenn ich um jedes Ei
So kakelte, Mirakelte, Spektakelte –
Was gäb’s für ein Geschrei!“
Das Kätzchen
Von Gottlieb Konrad Pfeffel (1736–1809)
Ein unerfahrnes Kätzchen sah Zum erstenmal den Mond
in vollem Lichte prangen,
Und sprach entzückt zum Großpapa:
Sieh an der Decke dort den schönen Käse hangen.
O, hätten wir ihn doch. Ei lerne, blöder Fant, Versetzt der Großpapa,
fürs erste Mäuse fangen,
Die sind uns näher bei der Hand.
Das Krokodil
Hermann von Lingg (1820–1905)
Im heil’gen Teich zu Singapur, Da liegt ein altes Krokodil Von äußerst grämlicher Natur Und kaut an einem Lotosstiel.
Es ist ganz alt und völlig blind,
Und wenn es einmal friert des Nachts, So weint es wie ein kleines Kind, Doch wenn ein schöner Tag ist, lacht’s.
Das Rotkehlchen
Von Heinrich Seidel
Friedlich sank der Abendschein Hinter fernen Gipfeln,
Nur ein kleines Lied allein Klang noch aus den Wipfeln.
Und was dieser Vogel sang Mit der rothen Kehle,
Zog mit gleichgestimmtem Klang Mir durch meine Seele.
Als es tönte mild und weich Und wie sanfte Klage,
Da gedacht’ ich wehmutsreich Jener schönen Tage.
Die begrenzte Jugendzeit Schwand mit schnellen Flügeln Wie das Abendroth so weit Hinter jenen Hügeln.
Das Schaf, der Wolf und der Bär
Von Gottlieb Konrad Pfeffel
Ein Schäfchen fraß im bunten Tal; Da kam ein Wolf heran.
Ihn sah das Schäfchen und befahl Still seinen Geist dem Pan.
Schon sperrt der Wolf den Rachen auf. Doch plötzlich wirft ein Bär,
Sein alter Feind, in vollem Lauf Sich auf den Räuber her.
Sie balgen sich; das Schaf gewinnt Indes die Zeit zu fliehen.
Da heißt es wohl: Zwei Feinde sind Oft einem vorzuziehen.
Der Affe
I
Von Georg Heym (1887–1912)
Er zittert oben hoch auf dem Kamel
In einem roten Rock auf seinem Brette. Er klettert schnell herab auf den Befehl
Und schleift am Fuße nach die dünne Kette.
Er hüpft auf einem Bein. Er schlägt behende Das Tamburin und bläst auf der Schalmei.
Dann geht er ab den Kreis und streckt die Hände Nach Pfennigen aus, und dankt wie ein Lakai
In seinem Auge rollt ein Feuer, weiß
Kalt wie ein Frosch, und seine Stirn gerinnt In viele Runzeln, wie ein Greis
Uralt, und wie ein neugebornes Kind.
II
Er hält der Schläfer und der Wagen Wacht Und hockt auf einem Stein an der Chaussee. Tief in ihm klopft das Rätsel, und die Nacht Des Eingekerkerten, das dunkle Weh
Es kratzt in ihm nach einer kleinen Pforte, Er sieht sich um voll Angst und starrt herauf Zum Kreis der Sterne, die dem dunklen Orte
Schwach leuchten, in der dumpfen Stunden Lauf
Das dunkle Volk der flatternden Plejaden Huscht wie ein Fledermäuse-Schwarm dahin. Der Wagen zieht auf seinen dunklen Pfaden Stumm fort und ohne Last seit Urbeginn.
Es staunt das Tier. Da kommt mit gelbem Hut Der Mond gerannt und stolpert durch den Grund. Da duckt es sich, und matt verrollt sein Blut Gebunden wieder den Adern rund.
Der Affe am Hofe
Von Gottlieb Konrad Pfeffel
Ein Affe machte so viel Streiche So manche feine Schelmerei, Daß in dem ganzen Königreiche
Sein Ruhm erscholl und selbst der Leu, Ein Freund der Künste, zween Emiren Befahl, ihn auf die Burg zu führen.
Der Großherr wollte fast zerplatzen, Als unser Gaukler vor ihn trat;
Durch tausend Schwänke, tausend Fratzen Erhielt er gleich den Rang als Rat;
Und bald hernach durch Brief und Siegel Den Titel: Ritter Eulenspiegel.
Im Anfang trafen seine Possen
Den Schöps, den Esel und das Rind, Ein Kleeblatt, dem des Spötters Glossen Von Alters her gewidmet sind.
Allein sie schwiegen, oder machten Gar Choro mit, wenn andre lachten.
Der Beifall, der ihn warnen sollte, Des Königs Gunst, berauschten ihn, Indem er mehr noch glänzen wollte Vergaß sich unser Harlekin,
Und übte seine Neckereien
Am Tiger, Wolf und andern Beien.
Nach einer Zeit von sieben Tagen War Meister Affe so beherzt,
Sich an den Leuen selbst zu wagen, Und nun war seine Gunst verscherzt. Die Majestät, anstatt zu lachen, Befahl ihm den Prozeß zu machen.
Bei Niedern, die dem Spotte weichen, Ist er verblümte Tyrannei:
Bei denen, die an Stand sich gleichen, Ist er ein Quell der Zänkerei:
Bei Großen ist er ein Verbrechen, Das sie mit ihren Blitzen rächen.
Der Affe und der Löwe
Von Gottlieb Konrad Pfeffel
Der Löwe brach ein Bein. Man rief Den Doktor Fuchs ihn zu kurieren,
Doch alles drehen, schindeln, schmieren Half nichts; das Bein blieb lahm und schief. Um dem Monarchen zu hofieren,
Erschien sein erster Hofpoet,
Ein Affe, der gar schlau sich dünkte, Einst in der Residenz, und hinkte
So arg als seine Majestät.
Wie? sprach der Fürst ergrimmt zum Gecken Ich glaube gar, du willst mich necken.
Ich? lallte Matz, behüte Gott!
Mich trieb die schönste meiner Pflichten, Als treuer Knecht, als Patriot,
Nach deinem Vorbild mich zu richten. Geh, Schelm, fiel ihm der König ein, Statt meinen Fehler nachzuahmen,
So hink in deinem eignen Namen.
Er sprachs, und brach ihm knacks ein Bein. Die Lehre konnte sanfter sein,
Doch wäre sie den Herrn mit Orden
Und Schlüsseln heilsam, wie mich dünkt. Wer heut mit seinem Fürsten hinkt,
Wird morgen ihm zu Ehren morden.
Der Affe und der Löwe (2)
Von Gottlieb Wilhelm Pfeffel
Ein Affe, der bei einem Biographen
Als Famulus gedient, zerbrach sein Joch,
Kam an des Löwen Hof und ward wie alle Sklaven Ein Schmeichler, der im Staube kroch.
„Herr König“, sprach er einst im Ton des Patrioten,
„Wie kommt es, daß kein Annalist, Kein Sammler großer Anekdoten In Deinem Reich bestellet ist?
Wie manchen schönen Zug von Tapferkeit und Treue, Von Weisheit, Großmut, edler Reue,
Von Mutterpflicht, Geduld und stiller Frömmigkeit Verschlingt der Ozean der Zeit!
Auf deinen Wink bin ich bereit,
Die hohen Tugenden, die Krieg und Frieden
In unserm Staat erzeugt, vom libyschen Alciden (hier bückte sich der Biograph)
Bis zum bescheidnen, frommen Schaf, In tierischen Ephemeriden
Der grauen Ewigkeit zu weihn.“
„Kerl!“ fiel da der Großsultan ihm ein,
„Du schwatzest wie ein Mensch aus den polierten Staaten
Des Okzidents wo gute Taten
So selten sind, daß man sie zählen kann: Rührt deine Faust hier nur den Griffel an, So laß ich dich lebendig braten.“
[...]
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