Gegenstand dieser Arbeit ist das Motiv der Pest in der abendländischen Literatur und im Roman von Camus. Die literarische Darstellung der Pest in der abendländischen Literatur beschränkt sich im folgenden auf die ausgewählten Schriftsteller Homer, Thukydides, Lukrez, Boccaccio und Manzoni.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Hauptabschnitte:
Zuerst sollen die altertümlichen Geschichtsschreiber Thukydides und Lukrez (einführend mit dem Dichter Homer), anschließend zwei vulgärsprachliche Schriftsteller in ihrer Darstellung der Pest untersucht werden. So wie es auch die entsprechenden Literaturwissenschaften tun, soll hier eine Trennung zwischen Geschichtsschreibung und der vulgärsprachlichen Literaturen, in dieser Arbeit, die von Boccaccio und Manzoni erfolgen. Abschließend wird ausführlich das Motiv der Pest in Camus’ „La Peste“ besprochen. Während vorher nur Teile eines Werkes behandelt wurden, soll hier ein ganzer Roman im Vordergrund stehen und dazu dienen, durch Interpretationen den Gehalt des Textes zu entschlüsseln und der Frage nachzugehen, was die Funktion der Pestbeschreibung in Camus’ Werk ist.
Inhaltsverzeichnis
1. EINLEITUNG
2. HAUPTEIL
2.1 Altertümliche Geschichtsschreiber
2.1.1 „Ilias“ von Homer
2.1.2 „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“ von Thukydides
2.1.3 „Über die Natur der Dinge“ von Lukrez
2.2 Vulgärsprachliche Schriftsteller
2.2.1 „Das Dekameron“ von Giovanni Boccaccio
2.2.2 „Die Verlobten“ von Alessandro Manzoni
2.2.3 „Die Pest“ von Albert Camus
3. SCHLUSS
4. LITERATURVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG
Gegenstand dieser Arbeit ist das Motiv der Pest in der abendländischen Literatur und im Roman von Camus. Die literarische Darstellung der Pest in der abendländischen Literatur beschränkt sich im folgenden auf die ausgewählten Schriftsteller Homer, Thukydides, Lukrez, Boccaccio und Manzoni.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei Hauptabschnitte:
Zuerst sollen die altertümlichen Geschichtsschreiber Thukydides und Lukrez (einführend mit dem Dichter Homer),
anschließend zwei vulgärsprachliche Schriftsteller in ihrer Darstellung der Pest untersucht werden. So wie es auch die entsprechenden Literaturwissenschaften tun, soll hier eine Trennung zwischen Geschichtsschreibung und der vulgärsprachlichen Literaturen, in dieser Arbeit, die von Boccaccio und Manzoni erfolgen.
Abschließend wird ausführlich das Motiv der Pest in Camus’ „La Peste“ besprochen. Während vorher nur Teile eines Werkes behandelt wurden, soll hier ein ganzer Roman im Vordergrund stehen und dazu dienen, durch Interpretationen den Gehalt des Textes zu entschlüsseln und der Frage nachzugehen, was die Funktion der Pestbeschreibung in Camus’ Werk ist.
2. HAUPTEIL
2.1 Altertümliche Geschichtsschreiber
2.1.1 „Ilias“ von Homer
Zu Begin der Ilias wird von der Pest im Lager der Griechen berichtet. Agamemnon erbeutete während der Belagerung Trojas Chryseis, die Tochter des Chryses, der Priester des Apollo war. Obwohl ein Lösegeldangebot ausgesprochen wurde, gibt Agamemnon Chryseis nicht an ihren Vater zurück. Dieser bittet Apollo das Unrecht zu rächen, worauf Apollo die Pest ins Lager der Griechen schickt. Die Pest ist eine Strafe für die Taten Agamemnons. Im Kontext der Ilias ist die Pest Endpunkt und auch wieder Ausgangspunkt eines Handlungsablaufes: Nachdem den Griechen der Grund für die Pest klargeworden ist, drängen sie Agamemnon Chryseis freizugeben. Er willigt ein, entführt aber Briseis, eine Sklavin des Achill, um sich schadlos zu halten. Achill ist davon so erzürnt, dass er beschließt vorläufig mit seinen Soldaten nicht mehr am Kampf teilzunehmen. Für den weiteren Verlauf der Handlung ergeben sich so wieder neue Voraussetzungen, die hier nicht näher ausgeführt werden sollen.
Im Gebet des Chryses, in dem er um Rache bittet, redet er Apollo mit „Mäusegott“ an, als der er auch verehrt wurde. Grimm folgert daraus, dahinter könnte sich „das frühe Wissen verbergen, dass die Mäuse schon in allerfrühester Zeit mit der Pest in einem tieferen Zusammenhang gesehen wurden“[1]. Wenn im letzten hier zu behandelten Pesttext von Camus die Ratten die gleiche Funktion haben wie die Mäuse bei Homer, so geschieht dies bei Camus aus medizinischen Kenntnissen. Bei Homer ist es eine „erstaunliche Annäherung“[2].
An der Pestbeschreibung bei Homer fällt ihre Kürze und Knappheit der äußeren Details auf. Auch die Krankheitsrealität taucht nicht auf. Der Verlauf der Krankheit und die Beschreibung ihrer Symptome werden wie auch die Anzahl der Toten nicht näher ausgeführt. An Stelle einer ausführlichen Beschreibung setzt Homer das Bild ständig brennender Scheiterhaufen. Der Autor verzichtet bewusst auf äußere Details, da es ihm mehr auf die inneren Vorgänge ankommt.
2.1.2 „Geschichte des Peloponnesischen Krieges“ von Thukydides
„Von Thukydides’ ‚Geschichte des Peloponnesischen Krieges’ hat Hegel gemeint, sie bedeute den Gewinn, den dieser Krieg der Menschheit gebracht habe.“[3] Dies zeigt sich vor allem darin, dass Thukydides „von einem literarischen Nullpunkt ausgehend“[4] mit dem ersten „Versuch einer objektiven Geschichtsschreibung“[5] auch die erste Pestbeschreibung[6] schafft, die für Jahrhunderte einen Maßstab für die europäische Literatur darstellte und direkt oder indirekt bei vielen folgenden Pestbeschreibungen wiederzuentdecken ist.
Thukydides schildert die Pest, die im zweiten Jahr (430 v.Chr.) des Peloponesischen Krieges ausbrach in den Kapiteln 47 bis 54 seines zweiten Buches:
- Ohnmacht der Menschen: Ärzte und Bittgänge zu den Tempeln können nichts gegen die Krankheit ausrichten. Die Menschen resignieren angesichts der Krankheit.
- Herkunft: Thukydides äußert die Vermutung, die Pest komme von Äthiopien, Ägypten und Libyen nach Athen.
- Symptome und Tod: Es wird eine sehr detaillierte Beschreibung der Symptome geschildert. Außer den Symptomen des Kopfes, also an Augen, Hals und Zunge, beschreibt er auch die Krankheitszeichen an Brust und Magen und deren Ausweitung auf den ganzen Körper. Der Tod ereilt die meisten nach sieben oder neun Tagen.
- Gleichheit der Menschen im Angesicht der Krankheit / Resignation der Erkrankten
- Verfall der Begräbnissitten: „jeder begrub, wie er konnte. Viele vergaßen alle Scham bei der Beisetzung“[7]. Die Leichen werden übereinandergeworfen und verbrannt.
- Verfall der Sitten, der göttlichen und menschlichen Gesetze. Die noch nicht Erkrankten frönen der Lust des Augenblicks.
Thukydides ist der erste Schriftsteller der eine Pestbeschreibung im echten Sinne des Wortes liefert, da er Herkunft der Pest, ihre Symptome und ihre Folgen für den einzelnen und die Gemeinschaft beschreibt.
Thukydides begründet, warum er schildert, „wie es war; nur die Merkmale, an denen man sie am ehesten wiedererkennen könnte, um dann Bescheid zu wissen, wenn sie noch einmal hereinbrechen sollte, die will ich darstellen, der ich selbst krank war und selbst andere leiden sah.“[8]
Vor allem werden deshalb die Symptome der Krankheit sehr ausführlich von ihm geschildert. „Einer der zentralen Gründe für die Ausführlichkeit dieser Beschreibung ist also der Glaube des Thukydides an die Macht und den Nutzen der Erkenntnis des Tatsächlichen.“[9]
Vollkommen neu im Vergleich mit älteren oder neueren Texten ist, dass bei Thukydides das Geschehen nicht fraglos hingenommen wird, sondern seine Ausführungen so verstanden werden sollen, dass für die Zukunft Vorkehrungen zur Bekämpfung der Seuche getroffen werden können.
Die Pest nimmt in der Geschichte des Peloponnesischen Krieges eine zentrale Stelle ein, da sie der Anfang vom Untergang Athens ist.
Über die Gründe der Pest schweigt Thukydides; irgendeine Gottheit als Ursache der Krankheit nennt er nicht. Er berichtet nur Nachprüfbares, was ein Grund dafür ist, dass hier von der ersten objektiven Geschichtsschreibung gesprochen werden kann.
Thukydides ist auch der erste, der innerhalb der Literaturgeschichte der Pest das Phänomen der „abgeriegelten Stadt“ beschreibt. In Ausführlichkeit wird darauf bei Camus zu kommen sein.
[...]
[1] Jürgen Grimm: Die literarische Darstellung der Pest in der Antike und in der Romania. Freiburger Schriften zur Romanischen Philologie, Wilhelm Fink Verlag, München 1965, S.24
[2] Jürgen Grimm: a.a.O., S.24
[3] Wilhelm Hennis: Thukydides der Moderne, Eine englische Übersetzung von Max Webers „Antikritiken“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Geisteswissenschaften, 26.6.2002, S. N 3
[4] Jürgen Grimm: a.a.O., S.108
[5] Jürgen Grimm: a.a.O., S.31
[6] Habs geht davon aus, dass bei der Pest des Thukydides „differentialdiagnostisch im wesentlichen Fleckfieber und Pocken in Betracht zu ziehen sind.“ Horst Habs: Die sogenannte Pest des Thukydides, Versuch einer epidemiologischen Analyse. In: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Jahrgang 1980-1983, Springer Verlag Berlin Heidelberg New York, S.121-164, hier S.127
[7] Thukydides: Geschichte des Peloponnesischen Krieges. Artemis Verlag, Zürich 1960, S.153
[8] Thukydides: a.a.O., S.150
[9] Jürgen Grimm: a.a.O., S.32 f
- Citation du texte
- Patrick Nitsch (Auteur), 2002, Das Motiv der Pest in der abendländischen Literatur und im Roman von Camus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11267
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