Diese Arbeit handelt von den Fragen, was Wissenschaft ist und warum die soziale Arbeit Wissenschaft braucht.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Soziale Arbeit Wissenschaft braucht, das Erforschen und Dingen auf den Grund gehen zu wollen und zu können. Warum?
Wissenschaft gibt uns Standards und Kriterien, die der Qualitätssicherung dienen. Diese geben uns die Möglichkeit, unser Handeln zu evaluieren. Die Soziale Arbeit wird messbar und überprüfbar. Darin liegt ein stetiger Prozess, der einen Stillstand verhindert und Weiterentwicklung ermöglicht.
Durch die Anforderungen der Gesellschaft an die Sozial Arbeitenden ist die Wissenschaft unabdingbar. Sie macht den Unterschied zwischen Alltagswissen und Beruf, als Profession.
Was ist Wissenschaft und warum braucht die Soziale Arbeit Wissenschaft?
Bevor ich mich dieser Frage widme, schauen wir einmal zurück auf die Geschichte des Helfens, um dies beantworten zu können.
Der Begriff „soziale Hilfstätigkeit“ wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Alice Salomon verwendet, um das konkrete Hilfehandeln für unterprivilegierte Menschen zu beschreiben (vgl. Motzke 2014: 9).
Konkret verstand sie darunter„alle Bestrebungen, die gesellschaftlichen Missständen abhelfen sollen, die auf Förderung eines gesunden Volksleben in körperlicher und geistiger Beziehung abzielen“(Salomon 1902 in Kuhlmann 2000: 237f).1In Verbindung mit sozialer Arbeit wurde der Begriff der Hilfe zunehmend als unbedeutende und untergeordnete Zuarbeit missverstanden. So gab Salomon (vgl. 1903 in: Kuhlmann 2000: 237) ihn bald wieder auf und rückte den Begriff „soziale Arbeit“ in den Mittelpunkt (vgl. Motzke 2014: 9). Der Begriff Soziale Arbeit setzte sich (wenngleich mit großem S) 80 Jahre später für Sozialarbeit und Sozialpädagogik als Oberbegriff durch, nachdem zwischenzeitlich ein Streit über den Vorrang von Sozialpädagogik oder Sozialarbeit vorherrschte, bzw. die Begriffe Wohlfahrtspflege und Fürsorge dominierten (vgl. Kuhlmann 2000: 237).
1908 entstand in Berlin die erste Frauenschule, in der Frauen in einer dann zweijährigen Ausbildung für den Bereich Fürsorge und Wohlfahrt qualifiziert wurden (vgl. Rauschenbach/Züchner 2011: 134). Mit diesen Entwicklungen begann für Spiegel (2008: 48) in Deutschland die Verberuflichung der Sozialen Arbeit und damit die Karriere Sozialer Arbeit als Beruf und Profession. (vgl. Motzke 2014: 10)
Hier wurde innerhalb eines Jahrhunderts eine Entwicklung des Begriffs „soziale Hilfstätigkeit“ hin zu dem Begriff „Soziale Arbeit“ beschrieben. Bevor ich nun die Frage beantworte, warum Soziale Arbeit Wissenschaft braucht, muss zunächst geklärt werden was Wissenschaft bedeutet.
Was ist Wissenschaft?– „darüber streiten sich die Gelehrten“(Rost, 2018: 13)
Beginnen wir mit einer Definition von Prof. Dr. Oliver Bendel:
„Die Wissenschaft strebt Erkenntnisgewinn (Forschungen) und -vermittlung (Lehre) an, wobei sie anerkannte und gültige Methoden benutzt und Resultate veröffentlicht bzw. einbezieht“(Bendel, 2019). Methoden haben etwas mit planvollem Handeln zu tun, welches auf einen Fundus an mehr oder minder erprobten Hilfsmitteln zurückgreift und in einem gewissen Umfang standardisiert ist. Das „wie“ steht im Mittelpunkt, wenn man sich mit einer Methode beschäftigt (vgl. Galuske 2013: 28). „Es geht darum, Dingen auf den Grund gehen zu wollen“(Rost,2018: 20).
Drei wesentliche Aspekte wissenschaftlicher Korrektheit sind dazu notwendig: Objektivität, Reliabilität und Validität (vgl. Universität Bielefeld, 2011).
„Objektivität heißt: auch eine weitere Person würde bei gleicher Ausgangslage zu gleichen Ergebnissen kommen. Reliabilität bedeutet, dass das ausgewählte Messinstrument zuverlässig und gültig ist. Validität meint, dass das Untersuchungsdesign geeignet ist, um die Forschungsfrage zu untersuchen“ (Universität Bielefeld, 2011).
Von der Naturwissenschaft sind wir die Anwendung dieser Kriterien gewohnt. Dinge werden messbar gemacht. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines Messinstrumentes, welches wiederum eine beliebige Wiederholung des Messvorgangs ermöglicht. Fraglich ist, ob und inwieweit Soziale Arbeit messbar ist und welches die entsprechenden Messinstrumente sind. Was in der Physik z.B. eine Waage ist, ist in der Sozialen Arbeit eine Methode, die darauf abzielt, immer das gleiche Ergebnis zu produzieren.
Warum braucht die Soziale Arbeit Wissenschaft?
Von Spiegel schreibt, dass die politische und wissenschaftliche Kritik an der klassischen Methode der Sozialen Arbeit seit den 70er Jahren ein Ausgangspunkt dafür war, die Praxis der Sozialen Arbeit auf eine wissenschaftliche Grundlage zu stellen (vgl. von Spiegel: 54). Die Kritik bestand darin, dass jeder Sozial Arbeitende seine Methoden nach eigenen subjektiven Kriterien auswählen konnte, ohne dass diese Auswahl an wissenschaftlichen Erkenntnissen messbar war. Als Begründung für ein spezifisches Handeln konnten Fragmente aus der Wissenschaft herangezogen werden, ohne dass die Begründung selbst wissenschaftlich war. Damit die Soziale Arbeit als Profession angesehen werden kann, müssen ihre Methoden und Ergebnisse in irgendeiner Weise messbar gemacht werden. Hierfür benötigt man die Wissenschaft. Sie legt aufgrund von Forschung Standards fest, welche dem Sozial Arbeitenden eine wissenschaftliche Grundlage gibt. Von Spiegel spricht in diesem Zusammenhang von einem „Wissenstransfer“. Damit meint sie die Anwendung von in den Hochschulen entwickeltem Wissen in der Praxis (vgl. von Spiegel: 54). Ein weiterer Aspekt der Wissenschaft ist, dass sie durch Forschung feststellt, welche Methoden in der Sozialen Arbeit objektiv und reliabel ist. Auf diese Weise werden eben jene Methoden allgemein in der Praxis anwendbar und weiterentwickelt.
„Aufgrund dieser hohen Verantwortung und der zur Wahrnehmung dieser Aufgaben benötigten Fachlichkeit müssen entsprechende Angebote und Konzepte erprobt und weiter-entwickelt werden, die auch einer kontinuierlichen Kontrolle und Überprüfung standhalten. Professionalität und Fachkompetenz in der Sozialen Arbeit umfassen daher neben dem berufsspezifischen Fach- und Methodenwissen auch den Nachweis der Effizienz und Effektivität sozialarbeiterischen Handelns“(Meyer o.J.).
Die Kompetenzen professioneller Soziale Arbeit lassen sich in drei Dimensionen abbilden: Wissen, Können und Haltung (vgl. von Spiegel, 2018: 83). Wissen und Können sind relativ leicht messbar. Die spannende Frage lautet, ob die Haltung eines Sozial Arbeitenden ebenfalls messbar ist. „Unter Haltung ist allgemein eine innere, ethisch begründete Einstellung einer Person zu verstehen, die die Grundlage ihres Handelns darstellt und dieses prägt“(Tokarski/Koch 2008: 23). Die wissenschaftlich begründete Standardisierung von Wissen und Können ist hinsichtlich der Sozialen Arbeit sinnvoll, da dies sowohl dem Sozial Arbeitenden als auch den Adressat*innen einen Rahmen gibt, der Sicherheit vermittelt. Im Bereich der Haltung ist dies jedoch nicht immer nachvollziehbar, da hier ein geeichtes Messinstrument fehlt. Der Sozial Arbeitende selbst befinden sich, wie jeder Mensch, in einer stetigen Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit. Seine Haltung prägt sein Handeln. Das Handeln wiederum ist aber auch anderen Einflüssen ausgesetzt, wie z.B. den persönlichen Lebensumständen oder der eigenen Befindlichkeit. Die innere Haltung klar von diesen zusätzlichen Faktoren abzugrenzen, ist von daher nahezu unmöglich. Hier kann es also lediglich um wissenschaftliche Orientierungsstandards gehen, an denen der Sozial Arbeitende seine Haltung freiwillig überprüfen kann. Folgendes Zitat untermauert meine These:
„Wissenschaft verursacht einerseits Verunsicherung, denn all unser Wissen ist „Vermutungswissen“ (Karl R. Popper), von dem sich später herausstellen kann, dass es falsch oder fehlerhaft war. Nach allem, was wir erkennen können, kann Wissenschaft uns keine Gewissheit geben. Andererseits können wir unsere „Theorien“ kritisch überprüfen, Fehler finden und aus Irrtümern (eigenen und fremden) lernen“(Rost, 2018: 27).
In meinem Beruf, als Leiterin eines Familienzentrums, sind das Überprüfen und das Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven elementar. Somit finden sich wissenschaftliche Ansätze auch hier wieder. Beispielsweise arbeiten wir nach der Methode des Situationsansatzes. Dieser beinhaltet exemplarisch den Grundsatz 16: „Die KiTa ist eine lernende Organisation“ (vgl. Preissing/Heller 2017: 23). Anhand von Qualitätskriterien kann dies jeder, durch gestellte Evaluationsfragen und den Qualitätsansprüchen, selbst überprüfen.
Fazit
Mein Fazit ist, dass die Soziale Arbeit Wissenschaft braucht, das Erforschen und Dingen auf den Grund gehen zu wollen und zu können. Warum?
Wissenschaft gibt uns Standards und Kriterien, die der Qualitätssicherung dienen. Diese geben uns die Möglichkeit, unser Handeln zu evaluieren. Die Soziale Arbeit wird messbar und überprüfbar. Darin liegt ein stetiger Prozess, der einen Stillstand verhindert und Weiterentwicklung ermöglicht.
Durch die Anforderungen der Gesellschaft an die Sozial Arbeitenden ist die Wissenschaft unabdingbar. Sie macht den Unterschied zwischen Alltagswissen und Beruf, als Profession.
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1Zu diesen Bestrebungen zählte Salomon (1902 in: Kuhlmann 2000, S. 238) die Armen- und Krankenpflege, die Jugendfürsorge, die Gefangenenpflege sowie die Volksbildung und den Arbeiterinnenschutz
- Citar trabajo
- Vanessa Baum (Autor), 2020, Was ist Wissenschaft und warum braucht die Soziale Arbeit Wissenschaft?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1126128