Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Krieg war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland unter der Bevölkerung keineswegs populär, und selbst durch Personen in der nationalsozialistischen Führungsspitze gab es verschiedene Versuche,
seinen Beginn doch noch mit diplomatischen Mitteln zu verhindern. Mit dem Stichwort der „völkischen Flurbereinigung“ hatte Hitler zu erkennen gegeben, dass sich dieser Krieg von traditionellen Kriegen, sogar von Eroberungskriegen, unterscheiden würde. Militärischer
Feldzug und rassenideologischer Vernichtungskrieg liefen daher von Anfang an parallel und bildeten den Auftakt zum knapp zwei Jahre später begonnenen „Unternehmen Barbarossa“, in dem sich dieser Doppelcharakter des Krieges in ungleich größeren Dimensionen wiederholte. In der Geschichtswissenschaft findet allmählich ein Umdenken statt. Vor allem junge Forscher wie Christian Gerlach gehen von einem differenzierteren Motivmodell für den Angriff auf die Sowjetunion aus, als bisherige Forschungsarbeiten: Der
„rassen-ideologische Vernichtungskrieg“ war nicht der Zweck, sondern eher das Mittel des Krieges gegen die UdSSR. Der deutsche Überfall war somit keine ausschließlich ideologische Sache. Denn nach dem verlorenen Luftkrieg gegen Großbritannien sah sich das Dritte Reich
in der prekären Lage in einem längeren Krieg gegen das Vereinigte Königreich und wahrscheinlich später gegen die USA nicht gerüstet zu sein, da die Ressourcen begrenzt waren. Als militärstrategisch letzter Ausweg schien nur mehr der Überfall auf die Sowjetunion übrig, um den Krieg insgesamt zu gewinnen.
Somit ergab sich natürlich das Problem, dass die Ressourcen zwar vorhanden sein würden, doch die „unnützen Esser“ würden sich auch stark vermehren, da ein großer Teil der Bevölkerung der Sowjetunion unter deutsche Herrschaft kommen würde. Die Lösung dieses
Problems wurde durch einen Vorschlag des Reichsernährungs-ministeriums eröffnet. Ein ebenso kaltblütiger wie rationaler Mordplan: Die sowjetische Bevölkerung sollte man einfach
verhungern lassen. Somit konnte man sich, ohne Ressourcen einsetzen zu müssen, einen Großteil „unerwünschter Personen“ entledigen. Doch dieser Plan konnte ebenso wenig ausgeführt werden wie der Traum von einem Europa unter deutscher Hegemonialmacht.
Diese kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte meiner Arbeit behandelt auch schon mehr oder weniger die Fragestellungen, die sich angesichts der beschriebenen Taten und Planungen ergeben.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Nationalsozialismus: Ursprung und Ideologie
2.1 Die geistigen Ursprünge
2.1.1 Antislawismus
2.1.2 Der Blick nach Osten
2.1.3 Antisemitismus
2.2 Die Formierung der Bewegung
2.3 Nationalsozialistische „Rassenwissenschaft“
2.4 Die Entwicklung nach 1933
3. Der Griff nach Osteuropa
3.1 Pläne für eine neue deutsche Ordnung
3.1.1 Vorbereitung auf die wirtschaftliche Expansion
3.1.2 Deutsche Ostforschung: „Überbevölkerung“ und „Judenfrage“
3.1.3 Antisemitismus in Polen
3.1.4 Bevölkerungsökonomie
3.1.5 Das Bevölkerungsoptimum
3.1.6 Von der Auswanderung zur „Ordnungsumsiedlung“
3.2 Verwaltung besetzter Gebiete
3.2.1 Die Vorbereitung der Verwaltung
3.2.2 Die Ausführung endet im „Chaos“
3.2.3 Die SS auf dem Vormarsch
3.3 Der Generalplan Ost
Exkurs: Wer waren die Mörder?
Die Ordnungspolizei
Diskussion und Analyse
4. Okkupation und Besatzung
4.1 Polen
4.1.1 Pläne vor dem Krieg
4.1.1.1 Polizei und SS
4.1.1.2 Die Ziele der Okkupanten
4.1.2 Die Besetzung Polens
4.1.2.1 Verwaltung der besetzten Gebiete
4.1.2.1.1 Militärverwaltung
4.1.2.1.2 Zivilverwaltung
4.1.2.1.3 SS- und Polizeiapparat
4.1.3 Die deutsche Wirtschaftspolitik in Polen
4.1.3.1 Die annektierten Gebiete
4.1.3.1.1 Wirtschaftspolitik
4.1.3.1.2 Deutsche Übernahme
4.1.3.2 Das Generalgouvernement
4.1.3.2.1 Ausplünderung oder Ausbeutung
4.1.4 Vernichtungspolitik in Polen
4.1.4.1 Terrorinstrumente
4.1.4.2 Justiz
4.1.4.3 Wehrmacht
4.1.4.4 SS und Polizei
4.1.4.5 Vernichtungsplan und –aktion
4.1.4.6 Gezielte Aktionen
4.1.4.7 Zweifel bei der Wehrmacht?
4.1.4.8 Das Morden geht weiter
4.1.4.9 Vernichtung der Juden
4.2 Sowjetunion
4.2.1 Kriegs- und Vernichtungspläne gegen die SU
4.2.1.1 Der Hungerplan
4.2.1.2 Die Planungen für die Einsatzgruppen
4.2.2 Besetzung SU
4.2.2.1 Verwaltung der besetzten Gebiete
4.2.2.1.1 Militärverwaltung
4.2.2.1.2 Zivilverwaltung
4.2.2.1.3 Der SS- und Polizeiapparat
4.2.3 Die deutsche Wirtschaftspolitik in der Sowjetunion
4.2.3.1 Missachtung ökonomischer Faktoren
4.2.3.2 Wirtschaftliche Ausbeutung
4.2.3.2.1 Erste Pläne
4.2.3.2.2 Intensivierung der wirtschaftlichen Ausraubung
4.2.4 Vernichtungspolitik in der Sowjetunion
4.2.4.1 Die Vernichtung der Juden
4.2.4.1.1 Die Endlösung
4.2.4.2 Die Vernichtung sowjetischer Kriegsgefangener
4.2.4.3 Weitere Opfer der deutschen Vernichtungspolitik
5. Resümee
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Krieg war zu diesem Zeitpunkt in Deutschland unter der Bevölkerung keineswegs populär, und selbst durch Personen in der nationalsozialistischen Führungsspitze gab es verschiedene Versuche, seinen Beginn doch noch mit diplomatischen Mitteln zu verhindern. Mit dem Stichwort der „völkischen Flurbereinigung“ hatte Hitler zu erkennen gegeben, dass sich dieser Krieg von traditionellen Kriegen, sogar von Eroberungskriegen, unterscheiden würde. Militärischer Feldzug und rassenideologischer Vernichtungskrieg liefen daher von Anfang an parallel und bildeten den Auftakt zum knapp zwei Jahre später begonnenen „Unternehmen Barbarossa“, in dem sich dieser Doppelcharakter des Krieges in ungleich größeren Dimensionen wiederholte. In der Geschichtswissenschaft findet allmählich ein Umdenken statt. Vor allem junge Forscher wie Christian Gerlach gehen von einem differenzierteren Motivmodell für den Angriff auf die Sowjetunion aus, als bisherige Forschungsarbeiten: Der „rassen-ideologische Vernichtungskrieg“ war nicht der Zweck, sondern eher das Mittel des Krieges gegen die UdSSR. Der deutsche Überfall war somit keine ausschließlich ideologische Sache. Denn nach dem verlorenen Luftkrieg gegen Großbritannien sah sich das Dritte Reich in der prekären Lage in einem längeren Krieg gegen das Vereinigte Königreich und wahrscheinlich später gegen die USA nicht gerüstet zu sein, da die Ressourcen begrenzt waren. Als militärstrategisch letzter Ausweg schien nur mehr der Überfall auf die Sowjetunion übrig, um den Krieg insgesamt zu gewinnen.
Somit ergab sich natürlich das Problem, dass die Ressourcen zwar vorhanden sein würden, doch die „unnützen Esser“ würden sich auch stark vermehren, da ein großer Teil der Bevölkerung der Sowjetunion unter deutsche Herrschaft kommen würde. Die Lösung dieses Problems wurde durch einen Vorschlag des Reichsernährungsministeriums eröffnet. Ein ebenso kaltblütiger wie rationaler Mordplan: Die sowjetische Bevölkerung sollte man einfach verhungern lassen. Somit konnte man sich, ohne Ressourcen einsetzen zu müssen, einen Großteil „unerwünschter Personen“ entledigen. Doch dieser Plan konnte ebenso wenig ausgeführt werden wie der Traum von einem Europa unter deutscher Hegemonialmacht.
Diese kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte meiner Arbeit behandelt auch schon mehr oder weniger die Fragestellungen, die sich angesichts der beschriebenen Taten und Planungen ergeben. Als leitende Problembereiche ergeben sich folgende Punkte:
1. Die Frage nach den Akteuren und Plänen in der Vorkriegsphase der späten 30er Jahre. Waren die tatsächlich passierten Ereignisse auch so geplant?
2. Welche Rolle spielte die Ideologie? War sie das ausschlaggebende Moment des Krieges im Osten?
3. Wie gestaltete sich die Besatzungspolitik in Polen und der Sowjetunion? Gab es Unterschiede, Gemeinsamkeiten, oder eine dynamische Entwicklung in beiden Besatzungszonen?
Anhand dieser Überlegungen kam ich zu meiner These, die ich anhand dieser Forschungsarbeit überprüfen wollte. Mein besonderes Interesse galt schon immer dieser Zeit. Ich wollte nun wissen, ob viele Menschen gleichzeitig von einer Idee so stark überzeugt sein können, dass alle anderen Hindernisse, moralische wie ethische, einfach über Bord geworfen werden können. Die Akkumulation dieser Ereignisse führte dann zu diesem größten Verbrechen der jüngeren Geschichte Mitteleuropas. Meine Grundthese geht nun in folgende Richtung: Die ideologischen Vorstellungen wurden alsbald von ökonomischen Notwendigkeiten „überdeckt“, wobei sie natürlich nicht verschwanden. Die Gedankengänge der NS-Schergen waren weiterhin vorrangig von der „rassischen“ Überlegenheit und dem Hass auf das sozialistische System und seine Repräsentanten erfüllt. Dass es zu grausamen Verbrechen in Osteuropa kam, kann man aber nicht nur darauf zurückführen, sondern lag auch in der Profilierungssucht einzelner Machtträger begründet und an weiteren verschiedenen individuellen Gründen. Man muss hier sehr wohl zwischen kurz- und langfristigen Motiven unterscheiden. Überhaupt stellt sich das Verhältnis zwischen Peripherie und Zentrum (Berlin) mit der wachsenden Zahl der Handelnden wesentlich komplexer dar als ohnehin angenommen. Grundlage der Vernichtungsentscheidungen waren antisemitische Gewaltbereitschaft und systematisch ideologisch ausgerichtete Politik. Die Zwänge der Besatzungspolitik dagegen gaben erst die Impulse zur Ingangsetzung und Beschleunigung der Vernichtung.
Durch den bescheidenen Charakter der Arbeit und der Zeit, die mir dafür zur Verfügung stand, erschien es mir nicht sinnvoll Originalquellen und Akten für dieses Manuskript zu verwenden. Doch der Bestand an Sekundärliteratur ist sehr groß, und somit war es mir möglich zu einem Conclusio zu kommen. Meine Intention richtete sich vor allem auf den Gedanken (im Titel der Arbeit wird es schon angeschnitten), dass es zu diesem Thema noch keinen zusammenfassenden Überblick gibt. Mit meinen bescheidenen Mitteln möchte ich hier Abhilfe schaffen und Sie, meinen geschätzten Leser, dazu verleiten, sich intensiver mit diesem Thema auseinander zu setzen.
Um Ihnen aber einen Überblich zu geben, möchte ich hier kurz einzelne Autoren erwähnen, die sich intensiv mit dieser Thematik beschäftigt haben. Umfassende Ansätze, um die Besatzungspolitik in Osteuropa zu beschreiben, lassen sich erst in den letzten 10 bis 15 Jahren ausmachen. In den 80er Jahren erschien die Editionsreihe „Europa unterm Hakenkreuz“. Die u.a. von Werner Röhr und Norbert Müller zusammengetragenen Dokumente, geben einen guten Überblick in das Alltagsleben der Besatzungsherrschaft. Gut 10 Jahre später erschien die mehrbändige Sammelreihe „Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa 1939-1945“ herausgegeben von Wolfgang Benz, Johannes Houwink ten Cate und Gerhard Otto. Hier wurde versucht einen allgemeinen Überblick zu diesem Thema zu geben.
Fast schon als Standardwerk, obwohl erst 1999 erschienen, könnte man die Studie über die Besatzungspolitik in Weißrussland von Christian Gerlach bezeichnen, der sich eingehend mit allen Aspekten der Politik und des Alltags dieser Zeitperiode beschäftigt hat. Zugleich fand eine Verschiebung der Interpretation der Besatzungspolitik, wie schon weiter oben beschrieben, statt.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf große Hauptgebiete, wobei ein Thema eigentlich nur einen Exkurs darstellt, der mit der eigentlichen Intention der Arbeit nichts zu tun hat. Im ersten Hauptkapitel beschäftige ich mich mit den Ursprüngen und Grundthesen der nationalsozialistischen Ideologie. Woher kamen die Ideen von einer arischen Rasse oder von einem Lebensraum im Osten?
Im zweiten Themenkomplex widme ich mich den Vorstellungen der NS-Führung von Osteuropa. Welche Pläne hatte man für Polen und die Sowjetunion im Falle eines Krieges, und wie sollte es nach dem Krieg weitergehen?
Der Exkurs soll einen Diskussionsbeitrag zum Thema Kollektivschuld darstellen. Welche Personen waren die Ausführenden des Massenmordes, wie kamen sie dazu? Diese Fragen werden möglicherweise nicht zufriedenstellend beantwortet. Die Geschichtswissenschaft hat die „richtigen“ Antworten noch nicht ausdiskutiert.
Im vorletzten und letzten Themengebiet beschreibe ich die Besatzungsrealität in Polen und der Sowjetunion. Ich beleuchte die unterschiedlichen Komplexe wie Wirtschaftspolitik und Vernichtungspolitik, die in einem engen Zusammenhang miteinander standen.
Zuletzt folgt das Resümee, indem ich die vorangegangenen Kapitel noch einmal kurz zusammenfasse, und ein Ergebnis meiner These präsentiere, das natürlich nur einen Diskussionsbeitrag darstellen kann und nicht der Weisheit letzter Schluss ist.
2. Der Nationalsozialismus: Ursprung und Ideologie
Der Nationalsozialismus wurde nicht erst von Hitler geschaffen. Es war alles schon vorher da. Nur ist es von ihm aufgegriffen und zu einem politischen Glauben gestaltet worden. Der Nationalsozialismus besteht aus einem Konglomerat verschiedener Ideen, die in der Zwischenkriegszeit zusammengetragen wurden. Diesem „Weltbild“ liegen drei Hauptkomponenten zugrunde, die schon im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelt und in den Jahren vor 1914 und in der Folge im Ersten Weltkrieg ins Extreme getrieben wurden:
1. die sozialdarwinistische Vorstellung vom „Kampf ums Dasein“, der Selektion der Schwachen durch die Starken;
2. damit verbunden die Vorstellung von der „Notwendigkeit“ eines Kampfes um „Lebensraum“ für das germanische deutsche Volk, vor allem im Osten Europas;
3. ein „rassisch“ begründeter Antisemitismus, der die Juden als Sündenbock für alles, als Wurzel allen Übels ansah.[1]
2.1 Die geistigen Ursprünge
Die Autoren des 19. Jahrhunderts mit ihren extremen sozialdarwinistischen, „völkischen“ und antisemitischen Äußerungen waren keine Außenseiter, die nur von wenigen ernst genommen wurden. Vielmehr war der Kreis ihrer Anhänger erschreckend hoch und viele dieser Ideen wurden unter Hitler offizielle Politik.
Charles Darwin verwendete den Begriff der Rasse völlig neutral. Aus dem „Kampf ums Dasein“ entwickelte sich aber eine ideologische Richtung: der Pseudodarwinismus. Auch der Begründer der „Rassenhygiene“ in Deutschland, der Arzt Wilhelm Schallmayer (geb. 1857), verwendete diese Forschungsrichtung nicht als qualitative Wertung der „Rassen“. Er wollte den „Rassenglauben“ auch nicht als Ideologie verwendet wissen. Für ihn war eine quantitative Bevölkerungspolitik das oberste Ziel der Staatspolitik. Um die Erzeugung „nützlicher“ (!) Menschen zu gewährleisten, müsse man aber die Fortpflanzung steuern und fördern. Für eine Frau könnte es kein höheres Gut geben als Gattin und Mutter zu sein; je mehr Kinder, umso besser. Es müssten aber „rassenhygienische“ Kontrollen eingeführt werden, damit nur gesunde Kinder zur Welt kommen. Schallmayer schlug deshalb die Einführung „erbbiographischer Personalbogen“ vor, forderte die Sterilisierung „leiblich oder geistig missratener“ Personen und die Zwangsasylierung Behinderter. Die Konsequenzen solcher Vorschläge waren Ehetauglichkeitszeugnisse und Eheverbote, wie sie das nationalsozialistische Erbgesundheitsgesetz vom 18. Oktober 1935 vorsah.[2]
Andere Zeitgenossen Schallmayers, wie Alfred Ploetz (geb. 1860) und Alexander Tille (geb. 1866), waren noch wesentlich radikaler und betonten vor allem den Wert der germanischen Rasse. Ploetz schreibt in seinen „Grundlagen einer Rassenhygiene“ (Berlin 1895) von „Menschenmaterial“ und vom notwendigen „Ausjäten“ der Schwachen und Kranken. Er ging sogar so weit, den Ehepartnern vorschreiben zu wollen, bis zu welcher Altersstufe sie sich fortpflanzen dürften, und verlangte, später geborene Kinder und Zwillinge zu töten. Alexander Tille, ursprünglich Landwirt, plädierte in seinem 1893 erschienen Buch „Volksdienst“ ebenfalls dafür, erblich Belastete, „die die Gesellschaft nur aus Mitleid erhält und die ohnedies zugrunde gehen würden“, seien zunächst auszuscheiden. Sie hätten kein Recht auf Fortpflanzung, nicht einmal „auf Dasein“.[3] Das „Euthanasie“-Programm der Nationalsozialisten: eine „Erfindung“ des 19. Jahrhunderts.
Im übrigen meinte Tille, man solle doch die Staatsgrenzen durch „Volksgrenzen“ ersetzen. Wenn die Deutschen mehr Menschen erzeugen als die Nachbarn, dann dürfen sie auch mehr Boden zur Ernährung haben. Die Bewohner des enteigneten Bodens müssten demnach ausgesiedelt werden. Tille geht noch weiter, indem er fordert, dass die stärkere Rasse das Recht hat, die schwächere bzw. niedere Rasse zu vernichten. Wenn diese sich eben nicht behaupten kann, dann habe sie kein „Recht auf Dasein“.[4] Das ist die radikale Konsequenz sozialdarwinistischer „Volkstumspolitik“.
Auch die im Himmlerschen „Lebensborn“ in Ansätzen versuchte oder zumindest geplante Züchtung von Menschen, die dem eigenen „Rassenideal“ entsprechen sollten, ist schon damals propagiert worden. Der in Prag wirkende Professor der Philosophie, Christian von Ehrenfels (geb. 1859), wollte dazu sogar die Polygynie und die künstliche Befruchtung einführen. Fast allen genannten Sozialdarwinisten ging es um eine Aufwertung und Ausbreitung der nordeuropäischen Völker, des nordisch-germanischen Menschen, der angeblich die Höchstform der „arischen Rasse“ darstellte. Natürlich wurde auch das deutsche Volk zu dieser germanischen Rasse gezählt.
Die Idealisierung der Germanen begann um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Gefolge der Romantik wurde das Volk idealisiert, seine Verwurzelung in Landschaft und Raum hervorgehoben und zu einem absoluten Wert gesteigert. Völkisch-rassisch sollte die Poli tik ausgerichtet sein, nicht nach den Interessen von Staaten und Dynastien.
Die größte Wirkung als Propagandisten des völkischen Denkens und der Germanenverehrung hatten Paul de Lagarde (geb. 1827) mit seinen „Deutschen Schriften“ (1878) und Julius Langbehn (geb. 1851) mit seinem Buch „Rembrandt als Erzieher“. Lagardes Denken war fundamental völkisch, aber noch nicht rassistisch; bei Langbehn dagegen wird ein stark rassistisch geprägter Antisemitismus deutlich.
Lagarde behauptete, nur die Deutschen besäßen eine Seele; hinsichtlich anderer Völker spricht auch er von „Menschenmaterial“. Im übrigen plädiert er für eine Kolonisation in nächster Nähe, Deutschland brauche neues Land im Osten, denn nur der Ackerbau, die Viehzucht und der Handel könnten Deutschland reich machen und nicht die Industrie. Solche romantischen Vorstellungen waren in völkischen Kreisen weit verbreitet. Lagardes Ziel ist die Vorherrschaft in Mittel- und Osteuropa.[5]
Langbehn vertrat die Meinung, dass der Ursprung der germanischen Rasse nicht am Indus lag, sondern an der Nordsee. Houston Stewart Chamberlain (der Schwiegersohn Richard Wagners) war in seinem Werk „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ (1900) folgender Meinung: „Die Rassen der Menschheit sind in der Art ihrer Befähigung (...) sehr ungleich begabt, und die Germanen gehören zu jener Gruppe der Zuhöchstbegabten, die man als Arier zu bezeichnen pflegt (...). Körperlich und seelisch ragen die Arier unter allen Menschen empor; darum sind sie von Rechtswegen die Herren der Welt.“[6]
Weit verbreitet war die Vorstellung von einem Jahrhunderte alten Rassenkampf zwischen Germanen und Slawen. Allgemein war man der Ansicht, erst die Deutschen hätten die Kultur nach Polen gebracht. Man müsse deshalb diese Gebiete für Deutschland zurückgewinnen. Schon Lagarde plädierte dafür, die Juden in diesen Ostgebieten zu deportieren – und auch die deutschen und österreichischen Juden sollten verpflanzt werden.
2.1.1 Antislawismus
Johann Gottfried Herder charakterisierte die Slawen an Ende des 18. Jahrhunderts als friedliebende und fleißige „Hirten oder Ackerleute“ die im Gegensatz zu den Deutschen standen, die er als „ein unternehmendes Kriegs- und Abenteuervolk [...]“ bezeichnete.[7] Deswegen hätten sich mehrere Nationen, v.a. die Deutschen an ihnen versündigt.
Dieses einheitliche „slawische Volk“ hat es aber nie gegeben. Die Unterschiede und Gegensätze zwischen den einzelnen slawischen Völkern sind genauso groß wie die zwischen germanischen und/oder romanischen Nationen. Dennoch oder gerade deshalb wurde Herders positives Bild des „slawischen Volkes“ bzw. des „Slawismus“ oder „Slawentum“ von verschiedenen Russen, Tschechen, Polen etc. begeistert aufgegriffen. Sie forderten die Vereinigung aller slawischen Völker. Somit war die Idee des „(Pan-)Slawismus“ geboren.
Dieses Ideologie stieß in verschiedenen Ländern, v.a. in Deutschland auf heftige Kritik. Abgelehnt wurden bereits Herders positive Beschreibungen der „slawischen Völker“. So meinte der Göttinger Historiker Johann Friedrich Reitemeier in seiner 1801 bis 1805 veröffentlichten Geschichte der preußischen Staaten, dass die Slawen doch eher primitiv, faul und durch „Unreinlichkeit“ gekennzeichnet seien.[8] Schon deshalb sei die Besitznahme ehemals slawischer Territorien absolut gerechtfertigt. Die Vertreibung der Slawen durch die Deutschen und die „Vernichtung ihrer asiatischen Sitten“ sei eine „Revolution von der wohltätigsten Art“.[9]
Bei vielen Deutschen war das Bewusstsein, den „kultur“- und „geschichtslosen“ Slawen überlegen zu sein, mit einer ebenfalls weit verbreiteten Angst verbunden, die man zunächst vor den „barbarischen“ Russen, dann vor den Slawen generell empfand. Diese merkwürdige Mischung aus bornierter Überlegenheit und pansicher Angst prägte den Grundgehalt der Ideologie des Antislawismus.
Dadurch kam es zu der weitverbreiteten Ansicht von einem Jahrhunderte alten Rassenkampf zwischen Germanen und Slawen. Allgemein war man der Ansicht, erst die Deutschen hätten die Kultur nach Polen gebracht. Man müsse deshalb diese Gebiete für Deutschland zurückgewinnen.
2.1.2 Der Blick nach Osten
Diese Vorstellungen wirkten weiter. Auch im Alldeutschen Verband herrschte eine romantische Begeisterung für den europäischen Norden als dem Ursprungsland der Germanen vor. Schon 1894 veröffentlichte der Alldeutsche Verband eine programmatische Erklärung, die die Forderung enthielt, es gelte nach Osten und Südosten Ellbogenraum zu gewinnen, „um der germanischen Rasse diejenigen Lebensbedingungen zu sichern, deren sie zur vollen Entwicklung ihrer Kräfte bedarf, selbst wenn darüber solch minderwertige Völkchen wie Tschechen, Slowenen und Slowaken ihr für die Zivilisation nutzloses Dasein einbüßen sollten. Nur den großen Kulturvölkern kann das Recht auf Nationalität zugestanden werden.“[10]
Natürlich gehörte es auch zum Programm während des Ersten Weltkrieges deutsche Siedlungsgebiete im Osten zu fordern. Ein Vertreter dieser Stoßrichtung war Otto Hoetsch. Er studierte in Leipzig und war führendes Mitglied des großdeutschen, antisemitischen „Kyffhäuser-Verband der Vereine deutscher Studenten“. Er war ein Vertreter der „Ost-Orientierung“ des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg. Sein Plan war die Errichtung eines Kontinentalblocks bestehend aus den Achsenmächten, dem Balkan, der Türkei und Russlands als ein Gegengewicht zu den „napoleonischen Weltdespotismus“ der angelsächsischen Länder USA und Großbritannien.[11]
Außerdem sollte Deutschland die Chance nutzen und die eroberten polnischen Gebiete für die zukünftige „Gesundheit“ des deutschen Volkes und die strategische Vormachtstellung sogleich annektieren. Des weiteren sollte sogenannter „Siedlungsraum“ als Reservoir für die noch folgende Abschiebung „unerwünschter Personen“ (!) verwendet werden.[12]
Der Erste Weltkrieg war eine fruchtbare Zeit für die Entstehung von Einrichtungen, die sich mit dem Osten beschäftigten. Am 18. Mai 1916 wurde das Institut für die ostdeutsche Wirtschaft in Königsberg eröffnet. Das Osteuropa-Institut in Breslau wurde im Sommer 1918 gegründet.
Die Idee eines Bevölkerungstransfers, der Heimholung der Russland-Deutschen in die neu gewonnenen Gebiete und die Vertreibung der Polen daraus, war von alldeutscher Seite schon 1915 publik gemacht worden. Man nannte das eine „völkische Flurbereinigung“.[13] Diese Vorstellungen hatten sehr viel Ähnlichkeit mit dem nationalsozialistischen „Generalplan Ost“ zur Germanisierung der besetzten Ostgebiete nach 1939.[14]
2.1.3 Antisemitismus
Den Antisemitismus gab es vorher schon, doch dieses Phänomen trat verbreitet ab den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts wieder auf. Der Begriff selber wurde durch Wilhelm Marr geprägt, obwohl die Juden eines der kleineren semitischen Völker sind. Selbstverständlich war bei den „völkisch“ denkenden Autoren wie Lagarde und Langbehn der Antisemitismus fest verankert. Für Lagarde war es vorrangig ein „religiöses Problem“: Sollten die Juden einem anderen Glauben beitreten und mit den Völkern verschmelzen, in denen sie leben, würde sich das Problem von selber lösen. Doch in seiner 1887 erschienenen Schrift „Juden und Indogermanen“ warf er ihnen Rassenhochmut vor und vergleicht sie mit Ungeziefer. Der Vergleich der Juden mit Ungeziefer ist eine durchgehende Metapher des radikalen Antisemitismus.[15] Die Folgerung, sie müssten ausgerottet werden, drängt sich ja geradezu auf.
Von weit tragenderer Wirkung als die Ergüsse solcher antisemitischer Pseudo-Philosophen war ein an sich gemäßigter Artikel von dem damals populärsten und angesehensten deutschen Historiker Heinrich von Treitschke im Jahr 1879. In dieser Schrift prägte er den Satz: „Die Juden sind unser Unglück!“.[16] Ein Aufschrei ging durch die Intellektuellen-Welt. Doch bei kleineren Geistern fand der Berliner Professor viel Zustimmung. Der oben genannte Satz wurde bald zu einem der beliebtesten Schlagworte der antisemitischen Polemik. Selbstverständlich wurde dieser Satz auch von den Nationalsozialisten übernommen. Die NS-Kampfzeitschrift „Der Stürmer“ führte den Satz auf der Titelseite jeder Ausgabe.
Treitschke war zwar ein gemäßigter Antisemit, aber es wurde ihm angelastet, dass er den Antisemitismus in Deutschland salonfähig machte. Er wurde damit Gemeingut im deutschen Bildungsbürgertum.
Von den radikal-anitsemitischen Autoren wurde seit langem gefordert, die Assimilation der Juden rückgängig zu machen. Schon vor Beginn der einsetzenden Assimilierung wurde von dem Berliner Geschichtsprofessor Christian Friedrich Rühs in seiner Schrift „Die Ansprüche der Juden an das deutsche Bürgerrecht“ (1815) vorgeschlagen, die Juden durch einen gelben Fleck auf der Kleidung zu kennzeichnen (!). Im Mittelalter war dies schon teilweise üblich, unter den Nationalsozialisten wurde dies generell wieder eingeführt.
Manche antisemitischen Hetzer sahen die Juden schon nach der Weltherrschaft greifen, wie dies Autor Hermann Ahlwardt in seinem 1890 erschienenen Buch „Der Verzweiflungskampf der arischen Völker mit dem Judentum“ beschrieb. Allmählich setzte sich der Gedanke durch, dass man die Juden am einfachsten los wurde, indem man sie alle umbringen sollte. Da dies aber für die antisemitischen Agitatoren in Deutschland nicht möglich erschien, traten sie für die Deportation in ein noch zu bestimmendes Land ein.
Ahlwardt war Lehrer, wie viele andere Antisemiten auch (!). Der Einfluss des völkischen, antisemitischen Denkens war in Deutschland am stärksten im Bereich von Schule und Erziehung. In den Schulen drang die Ideologie durch Bücher, Lehrpläne und Lehrer in die Köpfe der Schüler ein. Schülerorganisationen übernahmen „völkische“ Prinzipien, sie prägten die deutsche Jugendbewegung vor und nach dem Ersten Weltkrieg. Ohne diese weitverbreitete Stimmung an den deutschen Schulen und in deren Folge unter der deutschen Studentenschaft hätten die Nationalsozialisten nicht an die Macht kommen können.
Wie wir gesehen haben, lagen sämtliche Mythen und Parolen der Nationalsozialisten bereits um die Jahrhundertwende parat. Ein Jahrzehnt danach, noch vor dem Ersten Weltkrieg, erschien auch noch eine Schrift, die die ganze völkisch-nationalistische Ideologie programmatisch zusammenfasste: Unter dem Pseudonym Daniel Frymann veröffentlichte 1912 der Vorsitzende des Alldeutschen Verbandes, Justizrat Heinrich Claß, ein Buch mit dem Titel „Wenn ich der Kaiser wär’“. Ausgehend von den Reichstagswahlen im Jänner 1912, die die SPD mit 34,8 Prozent der Stimmen zur stärksten Partei machten („vier Millionen staats- und volksfeindliche Wähler“), schließt er, „dass heute in der Tat das ganze Volk mit der Art unzufrieden ist, wie es regiert wird“. Er wirft der Regierung Schwäche vor. Die Lösung der „soziale Frage“ wäre die Schaffung neuen Lebensraumes um der drohenden Überbevölkerung Deutschlands entgegenwirken zu können. Überdies verlangt eine neue aktive Politik und eine „Reichsreform“: Nur mehr die Gebildeten und Besitzenden sollten wählen dürfen. Um den Umsturz zu verhindern, müsste der sozialistischen Propaganda der Garaus gemacht werden.
Die Juden, deren Einfluss in Deutschland zu groß geworden sei, müssten unter Fremdenrecht gestellt und von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden. Sie dürften kein Wahlrecht haben, keinen Besitz, keine leitende Position, und als Volksfremde müssten sie doppelt so viel Steuer zahlen wie Deutsche.
Der polnische Grundbesitz in Preußen sollte enteignet werden. Alle „Volksfremden“ sollten so schnell wie möglich das Reichsgebiet verlassen und davon ferngehalten werden. Auswanderung Deutscher sollte durch eine umfassende Sozialreform und eine neue Bauernpolitik verhindert werden. Erste Grundlage für ein kraftvolles Volk sei die „körperliche Gesundheit der deutschen Rasse“. Frymann/Claß fordert natürlich einen national gesinnten Lehrerstand, der die Jugend in vaterländischem Geiste zu erziehen verstünde.
Die Grundzüge der deutschen Politik sollten ruhig, aber aggressiv sein. Da weder der Osten noch der Westen in Frage kam, müsste sich der deutsche Bevölkerungsüberschuss in den dünnbesiedelten Teilen der Donaumonarchie ansiedeln. Ein Krieg gegen Russland hätte zwar nichts Verlockendes, aber man fürchte sich auch nicht davor. In der Außenpolitik müsse man sich immer bewusst sein, „dass jede europäische Staatengründung, alle europäische Kultur von Germanen ausgeht“.[17]
Schließlich drückt Frymann/Claß das Bedürfnis nach einem starken, tüchtigen Führer aus: „Wenn heute der Führer ersteht, wird er sich wundern, wie viele Getreue er hat – und wie wertvolle, selbstlose Männer sich um ihn scharen. Wird der Ruf nach dem Führer noch nicht gehört? Dann soll er noch lauter erschallen, dass er nicht weiterhin überhört werden kann!“[18]
In diesem Buch wird erstmals die Konzeption eines totalitären Führerstaats im 20. Jahrhundert entworfen. Hitler war davon auch begeistert und bekannte bei seiner ersten Begegnung mit Claß 1920, dass in seinem Entwurf alles für das deutsche Volk Wichtige und Notwendige enthalten sei.
2.2 Die Formierung der Bewegung
Antisemitische Vereine gab es schon sehr bald im Deutschen Reich; der Journalist Wilhelm Marr hatte seine „Antisemitenliga“ 1879 gegründet. Der Berliner Hofprediger Adolf Stoecker und seine Christlichsoziale Partei traten ab 1879 mit einem offen antisemitischen Programm auf. 1889 gab es zwei antisemitische Parteien im Reichstag, danach noch mehrere, die ihre Anhänger hauptsächlich in Hessen und in Sachsen hatten.
1890/91 wurde der bereits erwähnte Alldeutsche Verband gegründet, der in überparteilichen Rahmen für die Erhaltung des deutschen Volkstums in Europa und Übersee und für die Fortführung der deutschen Kolonialbewegung streiten wollte. Er war völkisch, deutschnational und imperialistisch gesinnt, aber noch nicht antisemitisch, dazu war seine Anhängerschaft, die schon in den ersten Jahren auf ca. 20.000 Personen anwuchs, zu heterogen. Ab 1908 bekleidete der Mainzer Justizrat Heinrich Claß den Vorsitz des Verbandes. Die Mitgliederzahl schwoll unter ihm sehr stark an, da viele „deutschgesinnte“ Vereine beitraten. Er setzte das Führerprinzip durch und gab dem Verband mehr und mehr eine antisemitische Ausrichtung.
Der Erste Weltkrieg brachte naturgemäß eine Radikalisierung der Politik des Verbandes. Claß hoffte, nun die in seinem Kaiserbuch aufgezeigten Ziele verwirklichen zu können. Von der Kriegsziel-Propaganda des Verbandes war schon die Rede; der Kampf gegen den angeblich zu laschen Reichskanzler Bethmann Hollweg, das Eintreten für den unbeschränkten U-Boot-Krieg und für eine Militärdiktatur bestimmten seine Politik. Der Weltkrieg wurde als „Rassenkampf“ angesehen „zwischen dem reinen, festen und idealistischen germanischen Wesen und der unreinen, wurzellosen, materialistischen Mobilität des Westens, deren reinste Inkarnation das Judentum darstellte“.[19] Diesen Kampf hatte Deutschland sowohl nach innen als auch nach außen auszufechten. Als die Niederlage eintrat, war also die Dolchstoß-Legende schon vorprogrammiert.
Nach dem Krieg schlossen sich im Februar 1919 in Bamberg der Alldeutsche Verband, der Reichshammerbund, der Germanenorden und ein Deutschvölkischer Bund zu einem „Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bund“ zusammen. Grundlage für die Tätigkeit dieser Organisation sollten die in Claß’ Kaiserbuch „niedergelegten staatrechtlichen Grundsätze und Forderungen zur Judenfrage“ sein. Diese Bamberger Erklärung der Völkischen war die erste prononcierte Kampfansage an die gerade entstehende neue demokratische deutsche Republik. Als Symbol des völkischen Kampfes wählte der Schutz- und Trutz-Bund das Hakenkreuz. Obwohl es die Nationalsozialisten es später nicht gern wahrhaben wollten, war tatsächlich die völkische Bewegung der Wegbereiter der NSDAP.
Eines der Hauptagitationszentren der Alldeutschen und Völkischen während des Weltkrieges war München. Der Gründer der Münchner Ortsgruppe des Alldeutschen Verbands, der Verleger J.F. Lehmann, publizierte zahllose nationalistische, völkisch-anitsemitsche Pamphlete und veröffentlichte ab 1917 die Zeitschrift „Deutschlands Erneuerung“. Als Tarnorganisation des Germanenordens wurde im August 1918 in München die Thule-Gesellschaft gegründet, die am aktivsten gegen die „jüdische Räteherrschaft“ in der Revolutionszeit 1918/19 vorging. Unter ihrer Obhut und mit dem Zweck national gesinnte Arbeiter zu gewinnen, entstand Anfang Jänner 1919 eine „Deutsche Arbeiterpartei“, geführt von dem Werkzeugschlosser Anton Drexler.
Zu dieser damals nur etwas mehr als 50 Mitglieder zählenden Partei stieß am 12. September 1919 Adolf Hitler, der in der „politischen Aufklärungsabteilung“ des Reichswehrgruppenkommandos in München tätig war. Er wurde als Werbeobmann angeworben. Er bewährte sich bald in dieser Funktion. Am 24. Februar 1920 verkündete Hitler auf einer Versammlung der DAP das neue Programm der Partei, die künftig „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ heißen sollte.
Die geistigen Väter des Programms waren vor allem zwei prominente Mitglieder der Thule-Gesellschaft, der Schriftsteller Dietrich Eckart und der Ingenieur Gottfried Feder.
Für Hitler, der in Linz und Wien aufgewachsen war, waren der Antisemitismus des Wiener Bürgermeister Luegers und die großdeutschen Parolen Schönerers bestimmend gewesen, für die Entwicklung des Nationalsozialismus war die deutsche völkische Bewegung entscheidend. Die meisten Mitglieder der Thule-Gesellschaft und des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes in Bayern schlossen sich in den folgenden Jahren der NSDAP an und prägten bis zum Putschversuch im November 1923 ihr Erscheinungsbild, auch wenn Hitler seit Sommer 1921 der alleinige Führer der Partei war.
Der Name der „Hitler-Partei“, wie sie nun vielfach genannt wurde, war aber eine bewusste Irreführung. „Der Begriff ‚Nationalsozialismus’ zeigte keineswegs eine Veränderung der seit langem zum deutschen Nationalismus gehörenden ideologischen Theoreme an, schon gar nicht die mit der Vereinigung von ‚nationalistisch’ und ‚sozialistisch’ behauptete Synthese zwischen politischen Weltbildern des Bürgertums und dem Sozialismus der Arbeiterklasse. Die ‚Weltanschauung’ der Glaubens- und Kampfgemeinschaft war nicht mehr und nicht weniger als die jüngste Ausgabe des Antimodernismus, wie ihn Treitschke und Lagarde an Langbehn und Chamberlain weitergereicht hatten, des mit Sozialdarwinismus verknüpften rassistischen Manichäismus [...] [und] des vom antimodernistischen Gesellschaftsbild geforderten und vom sozialdarwinistischen Rassismus gerechtfertigten Imperialismus, wie ihn Heinrich Claß und die Alldeutschen lauthals predigten.“[20]
Die Bewegung, die sich nun Nationalsozialismus nannte und 1933 an die Macht kam, war nur die Fortsetzung und Verdichtung dieser völkisch-imperialistischen Ideen, die in der zweiten Hälfte der NS-Herrschaft bis zur blutigen Konsequenz der Vernichtung aller angeblichen Feinde der „germanischen Herrenrasse“ führen sollte.
2.3 Nationalsozialistische „Rassenwissenschaft“
Um diese Ideen in ein klar strukturiertes Gedankengebäude zu bringen, wurde versucht, der völkisch-rassistischen Utopie eine wissenschaftliche, „seriöse“ Basis zu geben. Hierfür wurde die Rassensoziologie und –psychologie in den späten zwanziger und den dreißiger Jahren entwickelt. Der wichtigste Theoretiker einer „nordischen“ Rassensoziologie war Hans F.K. Günther (geb. 1891), zugleich der führende Theoretiker der Nordischen Bewegung. Günther, ursprünglich Philologe, erzielte mit seinen Schriften unter der rassenkundlichen Literatur des Dritten Reiches wohl die höchsten Auflagen. Mit seinen Schriften dürften alle Rassenexperten der SS vertraut gewesen sein. 1930 bekam er den Lehrstuhl für Sozialanthropologie in Jena. Hitler und Göring wohnten seiner Antrittsvorlesung bei. 1932 trat Günther in die NSDAP ein, im folgenden Jahr wurde er in den Sachverständigenbeirat für Bevölkerungs- und Rassenpolitik im Reichsinnenministerium berufen, 1935 wurde er als erster Preisträger mit dem Preis der NSDAP für Wissenschaft geehrt, im gleichen Jahr erhielt er eine Berufung auf einen Lehrstuhl für „Rassenkunde, Völkerbiologie und ländliche Soziologie“ in Berlin.[21]
Günther, dessen Werk der Idee und dem Programm der „Auf“- oder „Wiedervernordung“ gewidmet war, bemühte sich um eine soziologische Begründung dieses Programms. Ausgangspunkt war auch bei ihm die These von der allgemeinen Degeneration, vom drohenden „Untergang des Abendlandes“ infolge des beschleunigten Aussterbens der nordischen Rasse, der Trägerin schöpferischer Kultur schlechthin. Die Hauptursachen lagen für ihn in den Prozessen der Industrialisierung und Verstädterung seit dem 19. Jahrhundert: Während auf der einen Seite gerade die Besten, die Norder, in die Städte abwandern und dort aussterben, weil die städtischen Lebensbedingungen ihrem natürlichen Freiheitsdrang nicht entsprechen, ziehen auf der anderen Seite auch „Minderwertige“ in die Städte, die unter traditionellen gesellschaftlichen Verhältnissen eigentlich nicht lebensfähig wären – „nicht zukunftsfähige Menschen“ – , in der städtischen Industrie aber ein Auskommen finden, weil die Industrie eine wachsende Zahl von Arbeitsplätzen bietet, die nur sehr geringe Anforderungen an geistige, sittliche und berufliche Fähigkeiten stellen. So kommt es zu einer Verkehrung der natürlichen Auslesevorgänge, die sich in der Abnahme der Hoch- und Zunahme der Minderwertigen, politisch in der „Vermassung“ niederschlägt: Aus „Volk“ wird „Masse“, aus „adelstümlicher“ wird „massentümliche Freiheit“.[22] Die Verstädterung wird für Günther zu einem Gradmesser der „Barbarei“: Die „erbliche Leistungshöhe“ der Gesellschaft bleibt immer mehr hinter der Höhe „angesammelter Verfahren und Bildungsgüter“ zurück, der Fortschritt der Produktivkräfte läuft nicht mit einer Steigerung der geistigen Kräfte parallel. Das moderne Bildungssystem mit seinem „Gleichheitswahn“ und die Sozialpolitik, die die Schwachen fördert, tragen entscheidend dazu bei, diese Prozesse des kulturellen und geistigen Niedergangs der Art zu beschleunigen. Entwurzelung, Rassenvermischung und „Artverwirrung“ sind die Folgen.[23]
Das eigentlich Bedrohliche bei all dem ist für Günther, dass vor allem die nordische Rasse diesen Prozessen der Industrialisierung und Urbanisierung zum Opfer falle, so dass die Gesellschaft zunehmend die Kräfte ihrer schöpferischen Weiterentwicklung und Regeneration verliert. Die Rettung des Abendlandes muss deshalb aus der Aufnordung kommen. Zu diesem Zweck muss man das, was noch an rassisch hochwertigem Potential vorhanden ist, aufspüren und sammeln, denn das deutsche Volk ist nicht mehr reinrassig, sondern ein Mischvolk. Sie setzten sich nach Günther aus sechs Rassetypen zusammen: der nordischen, fälischen, westischen, dinarischen, ostischen und ostbaltischen Rasse. Diese Rassetypen stehen einander mehr oder weniger nahe und bilden eine historisch-völkische Schicksalsgemeinschaft. Doch die nordische und fälische Rasse bildeten für die meisten nationalsozialistischen Rassentheoretiker die germanischen Kernrassen. Die meisten Deutschen sind nur noch „Mischtypen“. Hier liegt freilich die Möglichkeit und Chance einer „Wiedervernordung“ begründet: In den meisten Menschen fließt noch ein nordischer Blutsanteil und dieser muss angesprochen und zur nordischen Art erweckt werden. Dies ist die Aufgabe der Erziehung.
Günthers Programm entwickelte Ludwig Ferdinand Clauss (geb. 1892) zum Konzept einer nordisch-existentialistischen Pädagogik weiter. Clauss, der wie Günther in Freiburg und 1921 promoviert hatte, war der Begründer der „Rassenseelenkunde“. Er unternahm – auch nach Ende des Zweiten Weltkrieges noch – ausgedehnte völkerpsychologische Expeditionen und lieferte vor allem durch seine photographische Methode der Darstellung der Rassenseele eine entscheidende Grundlage für die Entwicklung der rassenkundlichen Diagnostik während des Dritten Reiches. Er war seit 1936 Dozent für Rassenpsychologie an der Universität Berlin. Clauss stand den Ideen Günthers in vielem nahe, bemühte sich aber um eine „wertfreie“, auf Methoden der Phänomenologie und der Gestaltpsychologie gegründete Rassenpsychologie. Für ihn hatte jede Rasse einen eigenen Wert, ohne jedoch dies in einer Rangordnung darzustellen. Jede Rassenseele sei aus ihrer eigenen „Gestalt“ heraus zu verstehen und dürfe nur an sich selbst gemessen werden. Doch wenn man den verschiedenen Rassen unterschiedliche Merkmale und Eigenschaften zuschreibt, führt dies zu funktionalen Differenzierungen, die der einen Rasse politische oder ökonomische Führungsaufgaben, der anderen untergeordnete Funktionen zuweist. In diesem Sinn wird es nie eine Egalisierung der Chancen etwa in einer Gesellschaft geben, d.h. soziale Ungleichheit und Herrschaft finden in der „Rassenlehre“ eine biologische Rechtfertigung und Festschreibung.
In den kolonialpolitischen Entwürfen des Dritten Reiches spielten solche Ideen eine Rolle. Die Polen, zum Beispiel, dürften nicht „assimiliert“, zu Deutschen erzogen werden, man müsse sie vielmehr ihrer eigenen rassischen Wesensart gemäß leben lassen. Was diese Wesensart sei, darüber entschied freilich das deutsche „Herrenvolk“. Diese Grundsätze wurden für die gesamte nationalsozialistische Kolonialpolitik formuliert: Ablehnung aller „Europäisierungs- und Zivilisierungsmaßnahmen“, stattdessen müsse man den „Eingeborenen“ dabei helfen, die eigenen „Artgesetze“ zu erkennen und zu bewahren.[24] Somit liefen die kolonialpolitischen Zielvorstellungen des Dritten Reiches auf eine strikte Politik der Rassentrennung hinaus. Im besetzten Polen wurde diese Politik zuerst erprobt.
Clauss kritisierte den nordischen Herrschaftsanspruch und stellte dem eine Rassenseelenwissenschaft entgegen, die die Völker nicht trennen, sondern verbinden sollte, indem es eine Art von gegenseitigem Verstehen geben sollte. Letztendlich kann es aber kein volles fremdrassiges Verstehen geben, da jeder an den Stil seines eigenen rassischen Erlebens gebunden bleibt. Die Rassenpsychologie kann jedoch als „Grenzforschung“ zum Verständnis und der Anerkennung der Fremden beitragen. Auf diese Anerkennung gründete sich der koloniale Herrschaftsanspruch des nationalsozialistischen Rassismus, denn es gäbe Völker, die aufgrund ihrer rassischen Eigenheit unfähig sind, sich selbst zu regieren, und die deshalb der Hilfe einer Rasse bedürfen, die in besonderer Weise zu Führungsaufgaben befähigt ist. Genau diesen Nachweis versuchten die Rassenwissenschaftler später im besetzten Osten zu liefern, um die deutsche Okkupation zu rechtfertigen.
Bei allem Bemühen um „Wertfreiheit“ waren es gerade Clauss’ „rassenpsychologische Stilbeschreibungen“, auf die sich der Führungsanspruch der „nordischen“ bzw. „fälischen“ Rasse stützten konnte. Er konstruierte eine psychologische Typologie, die scheinbar wertfrei war, im Grunde aber eine Differenzierung nach sozialen Funktionen implizierte, in der eine soziale Rangordnung verborgen war. So beschrieb er den nordischen Typ als „Leistungsmenschen“ mit „faustischem Drang zur Weite und Ferne“, der sich der Welt als Subjekt entgegenstellt und in der „sieghaften Überwindung der Schwere“ sich selbst verwirklicht. Abstand und Distanz, Selbstreflexivität und Selbstverantwortlichkeit zeichnen ihn aus. Der ostische Mensch hingegen ist ein „Enthebungstyp“, ein Mensch der jeder selbständigen Entscheidung enthoben sein möchte und sein Glück in dienender Ein- und Unterordnung findet. Der fälische Typ wiederum ist ein „Verharrungsmensch“, der in wehrhafter Verteidigung seines Bodens etwa zu sich selbst gelangt usw.[25] Solche rassentypologischen Beschreibungen wurden in zahllosen Schriften aufgenommen, variiert und weitergeführt. Dazu gehören auch wirtschaftswissenschaftliche Studien, die die Eignung der verschiedenen Rassentypen für unterschiedliche ökonomische Tätigkeitsbereiche untersuchten. Im Rahmen dieses Forschungsparadigmas wurde noch keine dieser Rassen ausgegrenzt: Sie bildeten alle einen Teil des deutschen Volkes als einer historischen Schicksalsgemeinschaft. Die „ostische Rasse“ , die sich nicht nur im deutschen Volk fand, sondern den größten Teil der polnischen Bevölkerung ausmachte, stand in der Hierarchie der Rassentypen im deutschen Volk ganz unten. Ihnen stand ein ehrenhafter Platz als Fließbandarbeiter zu.
Bildeten die Deutschen in der Realität ein „gemischtrassiges“ Volk, so zielte die Utopie auf eine Neuordnung und Entmischung. Auf Vermischung der Rassen führte Clauss alle Phänomene des Niedergangs und der Entfremdung zurück. Da jeder seine Identität nur in seiner rassischen Art finden kann, muss Artvermischung zu Verwirrung und Entfremdung führen, Verstehen und Gemeinschaft sind dann nicht mehr möglich. In dieser Situation „tiefster Bedrängnis und Verzweiflung“ – die „ostische Seele“ war in der Weimarer Republik zur Macht gelangt, sie besaß am wenigsten Widerstandsfähigkeit gegen das Fremde – kommt die Rettung aus dem nordischen Gedanken. Denn der „Norder“ besitzt aufgrund seiner psychologischen Qualitäten am ehesten die Fähigkeit, die Entfremdung zu überwinden und das Volk zu einer wirklichen Volksgemeinschaft zusammenzuführen. Und da in mehr oder weniger jedem Deutschen noch ein mehr oder weniger großer nordischer Blutsanteil fließt, ist auch mehr oder weniger jeder für dieses Werk ansprechbar. Je stärker der nordische Anteil im innerseelischen Erleben, desto größer die Fähigkeit, in Abstand zur Wirklichkeit zu treten und aus innerer Distanz heraus das Artfremde im eigenen Erleben zu erkennen und somit den Zustand der rassenseelischen Vermischung zu entdifferenzieren. Um das Fremde in sich zu erkennen, das die Ursache der Entfremdung, der Artverwirrung ist, muss man in Abstand zu sich selbst treten, weil man nur so das Fremde in sich überwinden kann.[26]
2.4 Die Entwicklung nach 1933
Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Jänner 1933 leitete den 18-monatigen Prozess der nationalsozialistischen Machtergreifung ein. Gestützt auf die weitgehende Loyalität von Bürokratie und Militär geschah der Machtwechsel durch die Eroberung machtpolitisch wichtiger Positionen (Eindringen der Gauleiter in die regionalen staatlichen Führungsämter, Geheime Staatspolizei), durch die zwangsweise, zum Teil offen terroristische Ausschaltung politischer Gegner und ihrer Organisationen (Einrichtung von KZ), durch die Beseitigung rechtsstaatlicher Sicherheit und die Gleichschaltung und Lähmung politischer und gesellschaftlicher Institutionen (Parlamente, Länder, Presse, Berufsverbände) und durch die Einschüchterung potentiellen Widerstands, mit dem Ergebnis, dass nach Hindenburgs Tod und der Vereinigung von Reichspräsidenten- und Kanzleramt im Führer der NSDAP am 2. August 1934 die Führung von Staat und Partei in der Hand eines Mannes lag. Der Nationalsozialismus war fortan durch den Führer Hitler und die von ihm zugeteilte Autorität der maßgebliche politische Wille in Deutschland; es entstand jedoch kein klares Verhältnis und keine eindeutige Aufgabenverteilung zwischen staatlichen Stellen und Parteiinstanzen auf den Ebenen unterhalb Hitlers, sondern es blieb ein vielschichtiges Mischverhältnis. Auch nach dem Abschluss der Machtergreifungsphase rangen daher mehrere Instanzen im Spannungsfeld von Parteidienststellen und Staatsapparat miteinander, Fraktionen innerhalb derselben Organisation (auch in dem zunehmend mächtiger werdenden Abwehr- und Überwachungsorden SS) befehdeten einander und führten im Konkurrieren um die Gunst der obersten Entscheidungsinstanz oft erst die Radikalisierung von Maßnahmen herbei.
Den Anspruch auf die Überwindung des überkommenen Wirtschafts- und Sozialsystems hat der Nationalsozialismus nie aufgegeben. In den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft zeichneten sich neue Wege des Aufstiegs und der Elitebildung weitgehend unabhängig von sozialer Herkunft und materieller Lage ab und ließen Deutschland trotz geistiger und politischer Unfreiheit für viele als eine sozial offenere Gesellschaft als zuvor erscheinen. Die relative Stabilität des Systems und die Gefolgschaft, die es bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein fand, beruhten darauf, dass es ihm auch gelang, sich Zustimmung aus allen sozialen Schichten zu sichern. Darin bestand auch eine der Hauptschwierigkeiten, vor denen die Widerstandsbewegung gegen das Regime stand. Für den sozialen Wandel der deutschen Gesellschaft waren die mit der Aufrüstungspolitik eingeschlagenen Modernisierungstendenzen erheblich wirksamer als die in die vorindustrielle Welt zurückschauenden sozial- und agrarromantischen, großstadtfeindlichen Vorstellungen („Blut und Boden“), die in der Propaganda, in der Kulturpolitik und in der Tätigkeit verschiedener NS-Organisationen überwogen.
3. Der Griff nach Osteuropa
3.1 Pläne für eine neue deutsche Ordnung
Seit Beginn der NS-Herrschaft arbeiteten Wirtschaftsfachleute nicht nur an der „Entjudung“ und Rationalisierung der deutschen Wirtschaft, sondern an einer an Deutschland angelehnten Wirtschaftsordnung Europas. Unter der Parole „Neuordnung“ wurden Pläne entworfen, um die wirtschaftliche Vormachtstellung Englands und Frankreichs zu brechen. Es ging darum, die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu revidieren.
Exemplarisch dafür sind die Arbeiten und Vorstellungen Anton Reithingers.[27] Reithinger war Osteuropaexperte und Chef der Volkswirtschaftlichen Abteilung (Vowi) der I.G: Farben. Die „Vowi“ war die größte Abteilung der I.G.-Farben-Zentrale in Berlin. Dort wurden- weit über die unmittelbaren Interessen eines Chemiekonzerns hinaus - alle sozialen, politischen und ökonomischen Informationen gesammelt, die für die wirtschaftliche und politische Beherrschung anderer Länder von Bedeutung sein könnten. Die Daten und Berichte waren für deutsche Ministerien und Forschungsinstitute von kaum zu überschätzendem Wert. Reithingers Abteilung fungierte spätestens von Kriegsbeginn an als eine Mischung aus Spionage- und politischer Informationszentrale, die sowohl den Konzerninteressen als auch verschiedenen Behörden und der Wehrmacht diente.
1932 hatte Reithinger im Auftrag der I.G. Farben Polen bereist und dort ebenfalls „Überbevölkerung“, mangelnde landwirtschaftliche Produktivität und mangelnde Kaufkraft festgestellt. In dem Bericht, den die Volkswirtschaftliche Abteilung dann 1938 über Polen erstellte, wurde im Kern ebenfalls bevölkerungspolitisch argumentiert. Die polnische Bevölkerung sei innerhalb von 17 Jahren um 27 Prozent gewachsen.
Jahrelang wiesen deutsche Planer dem „überbevölkerten“ und „unterentwickelten“ Polen mit Gewalt eine wichtige Rolle in den Konzepten für eine Neuordnung Europas zu. Von der Modernisierung und Rationalisierung der polnischen Wirtschaft, ihrer Anpassung an die Interessen des deutschen Kapitals, dem Ausbau der Verkehrswege, vor allem aber von der Beseitigung der agrarischen Überbevölkerung hing aus deutscher Sicht der Erfolg einer Großraumwirtschaft ab.[28]
Für kein anderes Land im besetzten Europa entwickelten die Deutschen derartig radikale, auf Massenvertreibungen und Massenmord ausgerichtete Umgestaltungspläne.
Viele der von Buell[29] ausgeführten Krisensymptome finden sich ähnlich formuliert in anderen zeitgenössischen Studien, ganz gleich, ob sie nun von britischen, französischen, deutschen oder polnischen Autoren verfasst sind. Besonders über einen Punkt herrschte dabei Einigkeit: Das größte Problem Polens sei die „agrarische Überbevölkerung“.
Nachdem Polen mehr als 100 Jahre lang von den Teilungsmächten Preußen, Österreich und Russland beherrscht worden war, konnte sich nach dem Ersten Weltkrieg erstmalig wieder ein polnischer Nationalstaat etablieren. Die einzelnen Regionen waren unterschiedlich weit entwickelt, das Land hatte keine in sich geschlossene Infrastruktur, die traditionellen Handelsbeziehungen zu Wien, Petersburg oder Berlin waren unterbrochen. Nur etwa zwei Drittel der Bevölkerung verstanden sich als polnisch, ein Drittel gehörte einer der Minderheiten an. 1919 hatte das polnische Parlament auf Druck der Bauern und um ein Übergreifen der russischen Revolution auf Polen zu verhindern, eine Landreform beschlossen. Aber die wurde in den folgenden Jahren nur ansatzweise in die Tat umgesetzt und von vielen Großgrundbesitzern einfach unterlaufen. So entstand ein Kleinbauerntum, das aufgrund der Erbteilung mit immer weniger Land auskommen müsse.
Nach polnischen Berechnungen bestand vor dem zweiten Weltkrieg in der Landwirtschaft eine hohe verdeckte Arbeitslosigkeit. Demnach hätten 8 bis 9 Millionen Menschen, also ein Drittel der Landbevölkerung (in manchen Gegenden sogar die Hälfte) in die Städte abwandern können, ohne dass die Agrarproduktion dadurch verringert worden wäre.[30]
Vor dem Ersten Weltkrieg waren gerade aus polnischen Dörfern viele Menschen nach Übersee oder als Wanderarbeiter ins europäische Ausland emigriert, insbesondere nach Deutschland und Frankreich. Die polnische Eigenstaatlichkeit und die nach dem Ersten Weltkrieg immer restriktiver gehandhabten Immigrationsbestimmungen der traditionellen Einwanderungsländer schränkten die Möglichkeiten der Emigration in den 20er Jahren rasch ein. Außerdem trugen die Gründung des polnischen Staates, Rassismus und Wirtschaftskrise in Deutschland dazu bei, dass viele polnische Emigrantenfamilien aus Deutschland nach Polen zurückkehrten. Zu gleich wuchs die polnische Bevölkerung in weit stärkeren Maße als zuvor: in den Jahren 1921 bis 1937 von 27 auf 34 Millionen Menschen.[31]
3.1.1 Vorbereitungen auf die wirtschaftliche Expansion
Schon vor Kriegsbeginn waren es Dutzende von Ämtern und Institutionen, die sich mit wirtschaftlicher Kriegsvorbereitung befassten und die sich später fast ausnahmslos in die Planung der wirtschaftlichen „Neuordnung Europas“ und in die konkrete Okkupationspolitik einschalteten.
Hierzu gehörten traditionelle staatliche Organe wie das Reichswirtschaftsministerium, das Reichsarbeitsministerium, das Reichsministerium für Landwirtschaft und Ernährung, das Auswärtige Amt, die Reichsbank, statistische Ämter und die mehr oder weniger staatsnahen wissenschaftlichen Institute.
Ferner war eine ganze Reihe von neuen behördlichen und militärischen Organen geschaffen worden, an erster Stelle die Vierjahresplanbehörde und die militärischen Rüstungs- und Beschaffungsämter (Wehrwirtschaftsstab bzw. Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt des OKW; Waffenämter der Wehrmachtteile). Einflussreiche Parteiämter waren gebildet worden. Schließlich kommt noch der große Komplex der privatwirtschaftlichen und gemischt staatlich-privatwirtschaftlichen Institutionen hinzu wie die Reichs- und Wirtschaftsgruppen, die Reichsstellen, Unternehmerorganisationen wie das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat und der Verein Deutscher Eisenhüttenleute, Großkonzerne wie IG Farben, Hermann-Göring-Werke, Krupp, Flick, Siemens und DAF.
Diese Einrichtungen beschäftigten sich seit 1933 mit Planungen für imperialistische Eroberung und wirtschaftliche Expansion.[32]
Generalvollmacht für die wirtschaftliche Kriegsvorbereitung erhielt 1936 Göring als „Beauftragter für den Vierjahrsplan“. Wesentliche Teile dieser Vollmacht konzentrierten sich seit 1938 bei der Reichsstelle für Wirtschaftsaufbau, die viel eindeutiger noch als schon vorher das Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, aus dem sie hervorgegangen war, von Spitzenkräften des IG Farben Konzerns beherrscht war. Diese Institution war es, die sich in den letzten Vorkriegsjahren mit den wirtschaftlichen Aussichten eines großen Krieges befasste und deutlich – natürlich in geheimen Dokumenten – jene Produkte und zu erobernden Rohstoffquellen bezeichnete, die nötig seien, um einen solchen Krieg zu bestehen. Leiter dieser Reichsstelle war Carl Krauch.
Mitte Mai 1939 fasste Krauch für Göring und Staatssekretär Paul Körner seine zentralen Expansionsforderungen als knappe Gedächtnisstütze zusammen: „Südosteuropa bietet: Mineralöl, Bauxit, dazu Chrom, Blei, Kupfer, Zinn, Quecksilber, Antimon, Bor. Spanien bietet: Quecksilber, Schwefelkies, Dazu Blei, Kupfer, Zink, Eisenerze. Ukraine bietet: Eisenerze, Manganerze, sowie Erdöl.“[33]
Die strategische Planung, die in dieser „Geheimen Reichssache“ den politischen und militärischen Spitzen des Regimes dringend vorgeschlagen wurde, war hinreichend klar: den unvermeidlichen großen Krieg gegen die Westmächte möglichst noch etwas hinausschieben, Südosteuropa fest in deutsche Hand bringen, nach Möglichkeit an die Hilfsquellen des Nahen Ostens herankommen, die Rohstoffbasis Spaniens für Deutschland nützen, im Osten vorerst den Handel mit der Sowjetunion intensivieren und im Kriegsfall gegen den Westen, die Ukraine an sich reißen. Mit diesem Programm harmonierte die reale Politik der anschließenden Monate recht eindrucksvoll.
Im April 1939 gab der Wehrwirtschaftsstab die Denkschrift „Die Mineralölversorgung Deutschlands im Kriege“ heraus. In dem Memorandum wurde „die Feindschaft der Weststaaten und Sowjetrußlands und feindlich eingestellte Neutralität Belgiens, Hollands, Dänemarks, Norwegens und Polens angenommen.“ Die Blockade der Übersee-Einfuhr sei unabänderlich. „Vordringlichstes Kriegsziel muß deshalb unbedingt die Beherrschung der Deutschland nächstgelegenen und feindlichen Einwirkungen tunlichst entrückten Erdölgebiete sein.“ Weiters: „Das militärische Mittel ist auch das einzige, das die von der deutschen Wirtschafts- und Außenpolitik bisher unberührten ehemaligen ostgalizischen Erdölreviere des heutigen Polens gegebenenfalls heranzuziehen vermöchte. Schließlich ist es auch das einzige Mittel, das größte und lohnendste Ziel ins Auge zu fassen: Die Beherrschung des gewaltigsten Erdölgebietes Europas, Kaukasien.“[34]
Der Krieg beseitigte letztendlich alle Hemmungen, und die Welt erlebte mit Staunen und Schrecken, mit welcher enormen räuberischen Energie sich die deutschen Eliten an die Verwirklichung von „Neuordungs“-planungen machten, für die sie die Unterlagen vielfach schon seit dem Ersten Weltkrieg gesammelt hatten.
Doch der Krieg mit seiner Eigengesetzlichkeit und insbesondere die großen Eroberungserfolge in den ersten drei Kriegsjahren stellten die deutschen Wirtschaftsplaner und –politiker vor Aufgaben, auf die sie letzten Endes nicht vorbereitet waren. Für kein einzelnes besetztes Land, geschweige denn für den besetzten Kontinent gab es ein durchdachtes Konzept langfristiger wirtschaftlicher „Durchdringung“ und „Verflechtung“, womöglich unter Berücksichtigung der Eigenständigkeit und der genuinen Interessen des betreffenden Landes.
Was sich allerorts unter höchst widersprüchlichen Bedingungen und unter vielfältigen internen Kämpfen der beteiligten deutschen Stellen durchsetzte, war der primitivste Raubkapitalismus, und, auf etwas längere Sicht, die schlecht organisierte Anpassung der Wirtschaft der besetzten Länder an die kurzfristigen Bedürfnisse der deutschen Kriegswirtschaft und Kriegsführung.
3.1.2 Deutsche Ostforschung: „Überbevölkerung“ und „Judenfrage“
Polen galt als Zone, die das „zivilisierte Westeuropa“ vom „jüdischen Osten“ trennte. Kaum eine Reisebeschreibung, die nicht angewidert „mangelhafte hygienische Zustände“ beklagte oder sich über das angeblich „geringe Kulturniveau“ und dem weit verbreiteten Analphabetismus erhob.[35]
Charaktertisch für die polnischen Kleinstädte sei „der überaus hohe Anteil an Holzhäusern, ja das Überwiegen derselben, selbst in städtischen Siedlungen“. Weiter seien „alle diese Siedlungen schon durch den großen Anteil proletarischer, namentlich ostjüdischer Bevölkerung wenig geeignet, den kulturellen und politischen Aufgaben europäischer Städte nachzukommen“. In Galizien stellte derselbe, von seinen Eindrücken „aufs höchste überraschte, vielfach geradezu niedergeschlagene“ Beobachter eine Analphabetenrate von 50 bis 60 Prozent fest und empfand das damalige Ostpolen als „noch prähistorisch und primitiv“.[36]
Je mehr sich am Vorabend des Zweiten Weltkrieges sich die deutsch-polnischen Beziehungen verschlechterten, desto gehässiger tönten deutsche Kommentare zu „polnischer Grossmannsucht“, die sich in ehrgeizige Industrialisierungsprojekte und dreiste außenpolitische Forderungen verstiegen habe, aber nicht einmal in der Lage sei, die dringendsten Probleme des Landes zu lösen. Alles, was von deutschen Intellektuellen, die sich in den 30er und frühen 40er Jahren zu Polen äußerten, an dem Land bewundernswert oder doch zumindest positiv erschien, führten sie auf deutschen oder, in früheren Jahrhunderten, germanischen Tatendrang zurück.
Die deutschtümelnde Propaganda war aber nur eine Form, sich mit dem Thema „Polen“ auseinander zusetzen. Die andere Form war die deutsche Ostforschung. Zu den wichtigsten Zentren dieser Forschung gehörte das in Königsberg ansässige „Institut für osteuropäische Wirtschaft“. Als Direktor arbeitete dort seit 1. März 1933 ein versierter Propagandist der deutschen Ostexpansion, der damals gerade 27jährige Dr. Theodor Oberländer. Die Arbeiten, die das Königsberger Institut unter seiner Leitung über Polen veröffentlichte, waren, dem wissenschaftlichen Anspruch gemäß, im Tonfall zunächst vergleichsweise moderat und daran orientiert, Fakten zusammenzustellen und sozioökonomische Strukturen zu analysieren.[37] Diese Analysen verbanden die Wissenschaftler des Institutes aber zunehmend stärker mit dem rassistischen Paradigma des Nationalsozialismus. Um ein Beispiel anzuführen: Nachdem die Deutschen die eigentliche Arbeit der „Ostkolonisation“ geleistet hätten, so wird in dem von der polnischen Abteilung an Oberländers Institut 1937 veröffentlichten Gemeinschaftswerk „Polen und seine Wirtschaft“ ausgeführt, seien sie von „den Juden“ aus ihren Positionen verdrängt worden. Herausgeber des Buches war der Leiter der Polenabteilung, Peter-Heinz Seraphim. Oberländer und er hatten die Idee zu dem Buch, das „mit wissenschaftlicher Objektivität [...] die wichtigsten Tatsachen über Polen zusammenfassen und nach leitenden Gesichtspunkten ordnen“ sollte, gemeinsam entwickelt.[38]
Wie andere zeitgenössische Veröffentlichungen weist auch dieses Buch auf die agrarische „Überbevölkerung“ als eine der „brennendsten und bedeutsamsten Fragen für Polen“ hin: „Wir haben es, was Polen anlangt, mit einem landwirtschaftlich übersetzten Gebiet zu tun, dessen Bewirtschaftung zum erheblichen Teil in Form eines ungesunden Klein- und Parzellenbesitzes erfolgt.“ Diese Betriebsstruktur nehme, so heißt es weiter, „volkswirtschaftlich wie agrarwirtschaftlich bedenkliche Ausmaße an“, da sie an Stelle von „Vollbauern“ landwirtschaftlich proletarisierte Massen schaffe, „die kaum in der Lage sind, eine auch noch so bescheidene Existenz aus ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit zu fristen.“[39]
Oberländers wissenschaftliches Werk fand in Königsberg in den Veröffentlichungen seines Stellvertreters Professor Peter-Heinz Seraphim eine – gewissermaßen arbeitsteilig organisierte – Ergänzung. Seraphim hatte Wirtschaftswissenschaften studiert und sich, wie er selbst 1938 schrieb, gerade als Ökonom und Ostforscher zum Experten für die „Judenfrage“ entwickelt. Im Jahr 1938 veröffentlichte er sein Buch „Das Judentum im osteuropäischen Raum“, das schon kurz nach Erscheinen als Standardwerk galt. Hatte sein Chef Oberländer behauptet, in Polen herrsche Überbevölkerung, so verband Seraphim die „Bevölkerungsfrage“ mit der „Judenfrage“. So spiegelt sich in den von Seraphim viel benutzten Begriffen wie „Judenballung“, „Verjudungsprozeß“, „Judendichte“, „Judenreich“ oder „judenfrei“ wider. Vom „Judensättigungsgrad der russischen Städte“ ist bei Seraphim die Rede und davon, dass russische Gouvernements ihren „jüdischen Bevölkerungsüberschuss“ nach Kongresspolen „abstießen“.
Immer wieder klagt Seraphim über die „antistaatliche Lebensweise“ seiner „Forschungsobjekte“: Die Juden entzögen sich dem Militärdienst, den Steuerbehörden, schickten ihre Kinder nicht auf staatliche Schulen, untergrüben die Moral der Beamten durch Bestechungen und sabotierten alle Versuche, sie in der Landwirtschaft anzusiedeln und damit zu „nützlichen Elementen“ zu machen.
Bekannte sich aber ein Jude nicht mehr zu seiner Religion, sondern beispielsweise zum Sozialismus, so war auch ein solcher Wechsel der Weltanschauung laut Seraphim bei weitem gefährlicher als bei einem Nichtjuden. Denn „der Jude“ entwurzele „in unvergleichlich höheren Maß“ und drohe daher radikaler, zielstrebiger und rücksichtsloser zu werden, als etwa ein nichtjüdischer Sozialist. Mehrfach legte Seraphim dar, dass der Anteil der Juden unter den russischen Revolutionären, besonders hoch gewesen sei und daher in Osteuropa die Angst vor der Ausbreitung der jüdischen Minderheit gleichbedeutend mit der Angst vor der Ausbreitung der Revolution sei.[40]
Wirklich drängend wurde die „Judenfrage“ Seraphims Analyse zufolge, jedoch erst mit der Verarmung großer Teile der jüdischen Bevölkerung gegen Ende des 19. Jahrhunderts und mit der Mobilisierung dieser Massen im Ersten Weltkrieg. Um 1800 lag nach seinen Schätzungen die Zahl der Juden in Osteuropa bei zwei Millionen, 1900 dagegen bei mehr als sieben Millionen. Es hatte somit „eine in der Geschichte des Judentums nie da gewesene Vervielfachung der Zahl der Juden“ in Osteuropa gegeben.
Je stärker Seraphim sich in seinen Schilderungen der Gegenwart näherte, desto dramatischer stellte er die „Judenfrage“ dar. Keinesfalls, so versuchte er in seiner Analyse zu beweisen, dürfe man das Problem sich selbst überlassen, wenn man eine soziale Katastrophe von europäischen Ausmaß verhindern wolle.
In diesem Denken wird die „soziale Frage“ – das Problem von „Überbevölkerung“ und Verarmung – identisch mit der „Judenfrage“. Und die Lösung dieser Frage, so zeigte Seraphim in jeder seiner Veröffentlichungen aufs neue, sei für die weitere Entwicklung Osteuropas von zentraler Bedeutung.
Ein Jahr nachdem das Buch mit finanzieller Unterstützung des geheimen Preußischen Staatsarchivs erschienen war, marschierten die Deutschen in Polen ein. Oberländer und Seraphim waren als Offiziere dabei und begannen 1940 in Krakau, sofort Vorschläge zu unterbreiten, wie das Überbevölkerungsproblem zu lösen sei; ein Problem, das sie zuvor mit der „Judenfrage“ verknüpft hatten.[41]
3.1.3 Antisemitismus in Polen
In der Wirtschaftsdepression der 30er Jahre gewann die polnische Rechte in Polen zunehmend an Einfluss und mit ihr auch der Antisemitismus. Galt zwar in der öffentlichen Meinung die „Überbevölkerung“ auf dem Land als das Grundübel der polnischen Wirtschaft, so breitete sich doch immer mehr die Ansicht aus, dass vor allem die große jüdische Minderheit einer Lösung dieses Problems im Wege stände. Sie wurde sowohl für die strukturelle Krise verantwortlich gemacht als auch für die soziale Unruhe – vermutete man unter den Juden doch besonders viele kommunistische oder auch dem Bund zugehörige Agitatoren. Auf Initiative antisemitischer Gruppen beschäftigte sich das polnische Parlament, der Sejm, Ende der 30er Jahre mehrmals mit diesem „Problem“ und seinen „praktischen Lösungsmöglichkeiten“. Im Dezember 1938 unterzeichneten 117 Abgeordnete - das war mehr als ein Viertel aller Parlamentsmitglieder - eine entsprechende Erklärung. Die Deutsche Allgemeine Zeitung berichtete darüber: „Die radikale Verminderung der Zahl der Juden entspreche dem dringlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Erfordernis der polnischen Nation. Die Juden seien ein Element, das die normale Entwicklung der nationalen und staatlichen Kräfte Polens schwäche und hemme. Insbesondere hindere das Judentum die Schaffung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit der polnischen Bevölkerung in Stadt und Land.“ Solche und ähnliche Verlautbarungen grenzten die jüdische Minderheit, obwohl seit Jahrhunderten in Polen ansässig, aus der polnischen Bevölkerung aus.[42]
In den 30er Jahren lebten etwa 3 Millionen Jüdinnen und Juden in Polen, also etwa 10 Prozent der Gesamtbevölkerung. Nur etwa 7 Prozent von ihnen wohnten auf dem Land – ein Resultat der antijüdischen Diskriminierungspolitik, die ihnen im 19. Jahrhundert verboten hatte, bäuerlichen Grundbesitz zu erwerben, zu pachten oder zu verwalten. Der neue polnische Staat hatte diese Situation noch verschärft, indem er der jüdischen Dorfbevölkerung – vor allem im Bereich des Handels – ihre Existenzgrundlage entzog.
Um die Unruhe der Bauern zu besänftigen, verfügte die Regierung ein Schuldenmoratorium. Während die Banken, bei denen sich die Bauern verschuldet hatten, von der Regierungsbank entsprechende Sicherheiten erhielten, bedeutete dieser Erlass für Tausende der überwiegend jüdischen Händler, die Ihre Außenstände bei den Bauern nicht eintreiben konnten, den Ruin. Mit diesen nur scheinbar neutralen, im Kern aber antisemitistischen Maßnahmen versuchte die Regierung, die Interessengegensätze in der Bevölkerung zuzuspitzen und die Krise gegen die Juden zu verwenden.
Diese Konzentration in bestimmten Wirtschaftsbereichen war Ausgangspunkt antisemitischer Hetzkampagnen in Polen der 30er Jahre. Handel und Handwerk, so hieß es, seien „verjudet“, die jüdische Minderheit diktiere über ihre monopolartige Stellung in diesen Bereichen dem Rest der Bevölkerung die Preise. Vor allem aber versperre sie der Landbevölkerung den Zugang in die Städte. Die jüdische Kontrolle über Handel und Handwerk hindere die polnische Jugend daran, ebenfalls dort Fuß zufassen.
Vor dem Hintergrund solcher Propaganda wurde 1936, unterstützt von Regierung und katholischer Kirche, ein Wirtschaftsboykott gegen die jüdische Bevölkerung organisiert. Christen, die sich nicht daran hielten, denunzierte die rechte Presse namentlich. Die Zahl der jüdischen Läden nahm daraufhin binnen kurzer Zeit rapide ab.[43] Jüdinnen und Juden verloren ihre Arbeit und folglich auch häufig ihre Wohnungen – insgesamt machte die materielle Not die Lage der jüdischen Gemeinden immer hoffnungsloser.
Jedoch ging es der polnischen Rechten nicht nur um die „Entjudung“ des Markthandels mit landwirtschaftlichen Produkten, sondern ganz generell darum, die „Belastung durch die Juden als wirtschaftliches Element“ zu beenden.
Die zunehmend aggressivere Hetze führte schließlich auch zu zahlreichen Pogromen. Berichten polnischer Zeitungen zufolge gab es allein in den Jahren 1935 und 1936 in mehr als 150 polnischen Städten Judenpogrome mit Hunderten von Todesopfern. Ausgehend von der ökonomischen Funktion der jüdischen Bevölkerung wurde nach und nach deren Existenz generell zum Problem erhoben.
Um nun „das jüdische Bevölkerungselement abstoßen“ zu können, wie es eine deutsche Zeitung hämisch formulierte, forderte die polnische Regierung in internationalen Verhandlungen den Zugang des Landes zu Kolonien in Übersee. Zum einen brauche Polen Rohstoffe, die es bislang für teure Devisen importieren müsse, zum anderen sollte (indirekt durch die Vertreibung der Juden) ein „Abflusskanal für die immer zunehmendere Bevölkerung“ geschaffen werden. Eine Kolonialherrschaft Polens im üblichen Sinne stand dabei allerdings nicht zur Debatte, sondern die Regierung forderte ganz in neokolonialistischer Manier Konzessionsverträge und Nutzungsrechte für andere Länder als Rohstoffreservoir und Siedlungsraum. Die Kolonialmächte erkannten die polnischen Wünsche prinzipiell als berechtigt an – was aber nicht bedeutete, dass sie sie auch zu erfüllen gedachten. Einerseits wollten sie ihre restriktiven Einwanderungsgesetze keinesfalls lockern und damit den polnischen Jüdinnen und Juden die Immigration nach Westeuropa und in die Vereinigten Staaten ermöglichen, um mit ihnen nicht Armut und soziale Unruhe zu importieren. Andererseits befürchteten sowohl Großbritannien als auch Frankreich und die USA eine weitere Destabilisierung Polens, verursacht durch die ungelöste „Bevölkerungsfrage“. Hintergrund dieser Angst war nicht nur die Verflechtung britischen, französischen und US-amerikanischen Kapitals in der polnischen Wirtschaft: Alle drei Staaten sahen darüber hinaus in Polen so etwas wie einen Statthalter ihrer Interessen in Osteuropa, der die deutsche, aber auch sowjetische Expansion in dieser Region bremsen sollte.
Als im April 1939 im Zusammenhang mit den deutschen Kriegsvorbereitungen die politischen Spannungen in Europa immer größer geworden waren, versuchten Großbritannien und Frankreich sich die Sympathie der polnischen Regierung zu versichern. Ein gemeinsamer Defensivpakt und ein Kredit für Polen in der Höhe von 20 bis 30 Millionen englischen Pfund sollte dazu beitragen. Außerdem sicherte die britische Regierung der polnischen zu, jährlich 50.000 Juden nach Palästina einwandern zu lassen. Bei einem Besuch des polnischen Außenministers Józef Beck in London wurde beschlossen, dass reiche auswanderungswillige Juden 80 Prozent ihres Vermögens bei einer gemeinwirtschaftlichen Nutzungsgesellschaft in Polen deponieren sollten. Die restlichen 20 Prozent waren der „Preis“ dafür, dass sie überhaupt ausreisen durften. Aus diesen Fonds sollte dann später die Auswanderung der jüdischen Unterschicht finanziert werden.[44]
So waren bis 1939 in der polnischen und internationalen Diskussion über Migration, Überbevölkerung und Menschenverschiebung alle wesentlichen sozialpolitischen und ökonomischen Argumente in die Debatte geworfen worden, die später auch die Entscheidungsprozesse der deutschen Besatzungsmacht in Polen bestimmten.
3.1.4 Bevölkerungsökonomie
„Die ländliche Überbevölkerung ist in weiten Teilen Ostmitteleuropas eine der ernstesten gesellschaftlichen und politischen Fragen überhaupt [...] In Russland hat sie entscheidend den bolschewistischen Umsturz ermöglicht.“ Dieses Urteil fällt der Sozialhistoriker Werner Conze 1939. Die Überbevölkerung führe, so Conze, in einen „Zustand völliger Verarmung“, sie werde „zu einem Herd dauernder Spannung und revolutionärer Unruhe“. Besonders weit vorangeschritten sei diese gefährliche Entwicklung in Polen.[45]
1943 ernannte die Reichsuniversität Posen Werner Conze zum Professor. Zehn Jahre später gehörte er zu den Mitbegründern der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, deren Mitherausgeber er bis zu seinem Tod 1968 blieb. Die Zeitschrift wurde 1953 vor allem zu dem Zwecke gegründet, „eingedenk der unabweisbaren Verpflichtung gerade der deutschen Wissenschaft, die nationalistische Phase mit aller Energie anzugehen“. Im ersten Jahrgang der Vierteljahrshefte veröffentlichte Conze einen Text, der vermutlich schon länger in seiner Schublade lag. Er handelte von der bevölkerungspolitischen „Strukturkrise des östlichen Mitteleuropa“. Allerdings beschränkte er sich auf die Zeit bis zum Jahr 1936. Wieder sah er in der „drängenden Übervölkerung“ die Ursache für Armut, Krise und Rebellion. Anders als in Westeuropa habe damals für die Überbevölkerung Osteuropas keine ausreichende „Abflussmöglichkeit“ bestanden. Um dies zu begründen, schrieb Conze anno 1953: „Den die Industrie bot nur in geringem Maße Lebensunterhalt; Handel und Gewerbe in den kleinen Städten und Flecken waren in jüdischer Hand und kaum noch zusätzlich tragfähig, im Gegenteil vielfach gewerblich übersetzt.“[46]
1939 hatte Conze deutlicher und im Hinblick auf mögliche Konsequenzen argumentiert. Damals rechnete er zu den Maßnahmen, die unter Umständen „äußert wirksam und lindernd“ gegen die Not der Überbevölkerung eingesetzt werden könnten, die „Entjudung der Städte und Marktflecken zur Aufnahme der bäuerlichen Nachwuchses in Handel und Handwerk.“[47]
Arbeitslosigkeit in den Städten, Armut und „Unterbeschäftigung“ in der Landwirtschaft, „Rückständigkeit“ und geringe Produktivität – alle diese Phänomene begriffen die Bevölkerungswissenschaftler seit den 30er Jahren als Folge eines ständig wachsenden Menschenüberschusses, der die wirtschaftliche Entwicklung hemmte oder sogar blockierte.
Diese Länder übten demnach auf die deutschen Grenzen einen „Bevölkerungsdruck“ aus.[48] Konkret bedeutete das, dass sich beispielsweise polnische Arbeiterinnen und Arbeiter aus den Grenzregionen Deutschlands Arbeit suchten, die sie in Polen gar nicht oder nur zu schlechten Bedingungen fanden. In den Kategorien der Bevölkerungsspezialisten wurde daraus eine polnische „Überwanderung“ Deutschlands (im Gegensatz zur germanischen „Überwanderung“ Polens in den frühen Jahrhunderten), die sich zur „sozialen und völkischen Gefahr“ auszuwachsen drohte, zumal wenn sie unkontrolliert oder sogar illegal stattfand.
Von einer „Entlastung des Bevölkerungsdrucks“ hingen nach dieser herrschenden wissenschaftlichen Meinung die soziale Stabilität und der wirtschaftliche Aufschwung des Kontinents ab. Damit aber gewann die Lösung des „Überbevölkerungsproblems“ eine zentrale Bedeutung für die deutschen Europapläne.[49]
3.1.5 Das Bevölkerungsoptimum
Das zunehmende Interesse an der Bevölkerungsanalyse hatte die Fachwissenschaftler zu der überraschenden Entdeckung geführt, dass sie „sehr oft [...] die an sich und im ganzen dünnst bevölkerten größeren Räume“ als überbevölkert einordnen konnten, wenn sie nur unter entsprechenden Gesichtspunkten betrachtet würden. Überbevölkerung bedeutete nämlich nicht, dass die absolute Bevölkerungsdichte pro Quadratkilometer besonders hoch sein musste, sondern laut Oberländer war darunter „die Abweichung einer gedachten Normalbevölkerung, dem Bevölkerungsoptimum“, zu verstehen. Als Optimum galt eine Bevölkerungszahl, die erlaubte, aus den ökonomischen Ressourcen eines Landes den höchstmöglichen Ertrag, herauszuwirtschaften. Wurde dieses Optimum unterschritten, so blieben die Wirtschaftskapazitäten nur unvollständig genutzt, wurde es überschritten, so geriet die „überzählige Bevölkerung“ tendenziell zur „volkswirtschaftlichen Belastung“.[50]
Die Theorie des Bevölkerungsoptimums war bereits zu Anfang des Jahrhunderts von einigen Nationalökonomen formuliert worden. Besondere „Verdienste“ hatte sich in diesem Zusammenhang Paul Mombert erworben. Er entwickelte die „Mombertsche Formel“, eine mathematische Gleichung, mit der sich das Verhältnis zwischen Bevölkerung und ökonomischen Ressourcen – „Volkszahl“ und „Nahrungsspielraum“, wie sich Mombert ausdrückte – berechnen ließ. Danach war „Nahrungsspielraum gleich Volkszahl mal Lebenshaltung“ – in Kurzform: „N = V x L“. Mit „Nahrungsspielraum“ war nicht die landwirtschaftliche Nutzfläche oder überhaupt ein „Raum im geographischen Sinne“ gemeint, sondern die Ernährungskapazität eines bestimmten Gebietes. Die Formel galt unabhängig davon, ob die betreffende Bevölkerung ihren Lebensunterhalt nun durch Agrarproduktion, den Verkauf von Rohstoffen, von Industrieprodukten oder durch eine Kombination dieser drei Möglichkeiten bestritt. Die Überlegung, die der Mombertschen Formel zugrunde liegt, ist denkbar einfach: Wenn die Bevölkerungszahl steigt, so muss, um den Bevölkerungszuwachs zu ernähren, entweder der Lebensstandard sinken oder aber der Nahrungsspielraum erweitert werden. Soweit es sich um abstrakte Größen handelt, lassen sich „V“, „L“ und „N“ beliebig dividieren und multiplizieren. Die spätere Funktion der Formel, die Oberländer als unumstößlich übernahm und auf die er sich in seinen Überbevölkerungsberechnungen immer wieder berief, lag in der Reduktion komplexer sozialer Vorgänge und Gegensätze auf mathematische Kürzel. Die Reduktion erlaubte den planerischen, logisch erscheinenden Zugriff auf die widersprüchliche Realität. In eine Gleichung gesetzt, multiplizierbar und dividierbar gemacht, legte die Formel nahe, soziale Konflikte und Krisen der industriellen Entwicklung rechnerisch in ein Bevölkerungsproblem umzuwandeln. Im Ergebnis konnte das bedeuten, die Bevölkerungszahl zu senken, um bei gleichem Nahrungsspielraum einen höheren Lebensstandard zu erzielen. Praktisch bedeutete das in den 20er und 30er Jahren, die Forderung nach Kolonien und Auswanderungsmöglichkeiten. Wenn aber, wie im Krieg, Lebensstandard und Nahrungsspielraum sich verringern, weil ökonomische Ressourcen vernichtet wurden, so konnte dies zum Beispiel durch die entsprechende „Senkung der Volkszahl“ kompensiert werden. Die „normalen“ Verluste des Krieges, aber auch die planmäßige Tötung von Menschen standen so gesehen im Interesse des volkswirtschaftlichen Gleichgewichts.
[...]
[1] Vgl. Broszat, Martin (1960). Der Nationalsozialismus. Weltanschauung, Programm und Wirklichkeit, Stuttgart, S. 35f.
[2] Vgl. Emil Becker, Peter (1988). Zur Geschichte der Rassenhygiene. Wege ins Dritte Reich, Stuttgart.
[3] Zitiert nach: Auerbach, Hellmuth (1993). Nationalsozialismus vor Hitler, in: Benz, Wolfgang et al. (Hg.): Der Nationalsozialismus. Studien zur Ideologie und Herrschaft, Frankfurt am Main, S. 15.
[4] Conrad-Martius, Hedwig (1955). Utopien der Menschenzüchtung. Der Sozialdarwinismus und seine Folgen, München, S. 264ff.
[5] Zitiert nach: Auerbach, S. 17.
[6] Zitiert nach: Mendlewitsch, Doris (1988). Volk und Heil. Vordenker des Nationalsozialismus im 19. Jahrhundert, Rheda-Wiedenbruck, S. 33.
[7] Wippermann, Wolfgang (1996). Antislavismus, in: Puschner, Uwe et. al. (Hg.). Handbuch zur „Völkischen Bewegung“ 1871 – 1918, München, S. 512.
[8] Zitiert nach: Ebenda, S. 513.
[9] Zitiert nach: Ebenda.
[10] Zitiert nach: Auerbach, S. 18.
[11] Burleigh, Michael (1988). Germany turns eastwards. A study of Ostforschung in the Third Reich, Cambridge, S. 19.
[12] Ebenda, S. 21.
[13] Auerbach, S. 19.
[14] Vgl. Madajczyk, Czeslaw (Hg.) (1994). Vom Generalplan Ost zum Generalsiedlungsplan, München/New Providence/London/Paris.
[15] Vgl. Auerbach, S. 20.
[16] Zitiert nach: Ebenda.
[17] Zitiert nach: Auerbach, S. 24.
[18] Zitiert nach: Ebenda.
[19] Zitiert nach: Auerbach, S. 26.
[20] Graml, Hermann (1988). Reichskristallnacht. Antisemitismus und Judenverfolgung im Dritten Reich, München, S. 91.
[21] Harten, Hans-Christian (1996). De-Kulturation und Germanisierung. Die nationalsozialistische Rassen- und Erziehungspolitik in Polen 1939-1945, Frankfurt am Main/New York, S. 28.
[22] Ebenda.
[23] Harten, S. 29.
[24] Zitiert nach: Harten, S. 34.
[25] Zitiert nach: Harten, S. 36.
[26] Vgl. Harten, S. 36f.
[27] Vgl. Aly, Götz/Susanne Heim (1993). Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine neue europäische Ordnung, Frankfurt am Main, S. 69 – 124.
[28] Ebenda, S. 71f.
[29] Vgl. Buell, Raymond Leslie (1939). Poland: Key to Europe, New York/London, zitiert nach: Aly/Heim 1993.
[30] Aly/Heim 1993, S. 75
[31] Ebenda.
[32] Vgl. Eichholtz, Dietrich (1989). Das Expansionsprogramm des deutschen Finanzkapitals am Vorabend des zweiten Weltkrieges, in: ders./Kurt Pätzold (Hg.). Der Weg in den Krieg. Studien zur Geschichte der Vorkriegsjahre (1935/36 bis 1939), Berlin, S. 21ff.
[33] Zitiert nach: Eichholtz, Dietrich (1997). Institutionen und Praxis der deutschen Wirtschaftspolitik im NS-besetzten Europa, in: Overy, Richard J./Gerhard Otto/Johannes Houwink ten Cate (Hg.). Die „Neuordnung” Europas. NS-Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten, Berlin, S. 31f.
[34] Zitiert nach: Müller, Rolf-Dieter (1984). Das Tor zur Weltmacht. Die Bedeutung der Sowjetunion für die deutsche Wirtschafts- und Rüstungspolitik zwischen den Weltkriegen, Boppard, S. 315f.
[35] Vgl. Wunderlich, Erich (1933). Das moderne Polen in politisch-geographischer Betrachtung, Stuttgart.
[36] Wunderlich, 1933; zitiert nach: Aly/Heim 1993, S. 91.
[37] Vgl. Wolfgang J. Mommsen (1999). Vom „Volkstumskampf“ zur nationalsozialistischen Vernichtungspolitik in Osteuropa, in: Schulze, Winfried/Otto Gerhard Oexle (Hg.). Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main, S. 189.
[38] Seraphim, Peter-Heinz (1937). Polen und seine Wirtschaft, Königsberg; zitiert nach: Aly/Heim 1993, S. 93
[39] Zitiert nach: Aly/Heim 1993, S. 95.
[40] Vgl. Haar, Ingo (2000). Historiker im Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der „Volkstumskampf“ im Osten, Göttingen, S. 310ff.
[41] Vgl. Haar, Ingo (1999). „Kämpfende Wissenschaft” in: Schulze, Winfried/Otto Gerhard Oexle (Hg.). Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main., S. 218ff. Ingo Haar äußerst sich kritisch zu diesen Überlegungen, dass die im Text beschriebene Gruppe alleinverantwortlich als „Vordenker der Vernichtung“ tituliert werden sollten.
[42] Zitiert nach: Aly/Heim 1993, S. 82.
[43] Mendelsohn, Ezra (1983). The Jews of East Central Europe between the World Wars, Bloomington, S. 75.
[44] Aly/Heim 1993, S. 90.
[45] Zitiert nach: Aly/Heim 1993, S. 102.
[46] Zitiert nach: Ebenda.
[47] Zitiert nach: Aly, Götz (1999). Theodor Schieder, Werner Conze oder Die Vorstufen der physischen Vernichtung, in: Schulze, Winfried/Otto Gerhard Oexle (Hg.). Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main., S. 173.
[48] Vgl. Haar 2000, S. 316ff.
[49] Aly/Heim 1993, S. 104.
[50] Ebenda.
- Quote paper
- Hubert Fein (Author), 2001, Besatzungs- und Vernichtungspolitik der NS-Diktatur in Polen und der Sowjetunion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1125
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