Wenn an die demokratische Tugend der Toleranz appeliert wird, so klingt das oft resignativ. Die gegenseitige Duldung bietet den einzigen Ausweg in einem Konflikt, in dem eine Annäherung nicht in Sicht ist. Mehr als mißtrauische, ja mißmutige Koexistenz der Parteien scheint, selbst auf der Basis gemeinsamer christlicher Grundüberzeugungen, nicht zu erreichen zu sein, wenn es um lebenswichtige Fragen wie die Transplantationsmedizin oder die Sterbehilfe geht - vom Schwangerschaftsabbruch gar nicht zu reden.
Stets ist da der, auch die eigene Erfahrung prägende Konflikt, allgemein für gültig erachtete ethische Normen mit konkreten individuellen Notwendigkeiten in Übereinstimmung zu bringen. Denn viel zu oft ähnelt (nicht nur) das Leben mit chronischer Erkrankung und Behinderung einem "permanenten Ausnahmezustand", über den man nicht selbst verfügen kann. Dieses Gefühl der "Angst um das bißchen Leben", [wie es Susanne Krähe (LM 1/97) eindrucksvoll beschreibt], scheint in fast allen existentiellen Lebenssituationen aus der Tiefe der Seele emporzukommen. Vermutlich ist dies auch das subjektive Gefühl jeder Frau, die ungewollt schwanger geworden ist.
ETHIK DER AUTONOMIE UND DER FÜRSORGE
[Der folgende Essay erschien 1997 unter dem Titel >An den Rändern des Lebens. Das eigene Sterben läßt sich nicht vollständig programmieren< im Heft 5 der >Lutherischen Monatshefte< Kirche im Dialog mit Kultur, Wissenschaft und Politik, .
Wenn an die demokratische Tugend der Toleranz appeliert wird, so klingt das oft resignativ. Die gegenseitige Duldung bietet den einzigen Ausweg in einem Konflikt, in dem eine Annäherung nicht in Sicht ist. Mehr als mißtrauische, ja mißmutige Koexistenz der Parteien scheint, selbst auf der Basis gemeinsamer christlicher Grundüberzeugungen, nicht zu erreichen zu sein, wenn es um lebenswichtige Fragen wie die Transplantationsmedizin oder die Sterbehilfe geht - vom Schwangerschaftsabbruch gar nicht zu reden.
Stets ist da der, auch die eigene Erfahrung prägende Konflikt, allgemein für gültig erachtete ethische Normen mit konkreten individuellen Notwendigkeiten in Übereinstimmung zu bringen. Denn viel zu oft ähnelt (nicht nur) das Leben mit chronischer Erkrankung und Behinderung einem "permanenten Ausnahmezustand", über den man nicht selbst verfügen kann. Dieses Gefühl der "Angst um das bißchen Leben", [wie es Susanne Krähe (LM 1/97) eindrucksvoll beschreibt], scheint in fast allen existentiellen Lebenssituationen aus der Tiefe der Seele emporzukommen. Vermutlich ist dies auch das subjektive Gefühl jeder Frau, die ungewollt schwanger geworden ist.
Die Heiligkeit des Lebens als liberaler Wert
Die persönliche Freiheit und die Grenzen des Lebens hat der amerikanische Rechtsphilosoph Ronald Dworkin in einer Studie über Abtreibung und Euthanasie mit ungewöhnlichem Ergebnis auszuloten versucht.
Sein Ehrgeiz besteht darin, die (amerikanischen) Gegner im Streit über Schwangerschaftsabbruch und Sterbehilfe so weit über sich selbst aufzuklären, daß sich die Militanz ihrer Haltungen verflüchtigt. Sie sollen sehen, daß es im Grunde um einen gemeinsamen Wert geht, den sie lediglich unterschiedlich interpretieren. Die "Liberalen" setzen sich zwar für die Autonomie von Frauen ein, um über die Geburt eines Kindes zu entscheiden. Doch zugleich hat das ungeborene Leben für sie so viel Eigengewicht, daß eine leichtfertige Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch illegitim erscheint. Umgekehrt lassen viele Lebensschützer Ausnahmen des von ihnen verteidigten Abteibungsverbots zu. Wenn eine Frau nach einer Vergewaltigung schwanger wird oder wenn eine Schädigung des Fötus festgestellt wird, dann hören sie plötzlich auf, bei einem Schwangerschaftsabbruch von "Mord" zu sprechen. Dann aber, so insistiert Dworkin, wäre inkonsequent und fahrlässig, wenn dem Ungeborenen im strengen Sinne ein Lebensrecht zukäme. Wenn schon der Embryo oder Fötus, wie vom Bundesverfassungsgericht verkündet, die "Würde" einer Person besitzt, dann wäre es schlicht kriminell, dem Abtreibungsverbot nicht bedingungslos Geltung zu verschaffen.
Dworkin unterstellt deshalb, daß es den Lebensschützern nicht um ein unhintergehbares, von Interessen abgeleitetes "Recht" auf Leben geht, sondern um den hohen "intrinsischen" Wert jeden menschlichen Lebens, der keinerlei Personalität voraussetzt. Er spricht von der "Heiligkeit" und "Unantastbarkeit11, die wir auch nichtmenschlichen Wesen zusprechen: Wir halten es für ein Sakrileg, wenn Tierarten ausgerottet, aber auch, wenn Kunstwerke oder ganze Kulturen mutwillig zerstört werden.
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- Citation du texte
- Dr. Walter Grode (Auteur), 1997, Ethik der Autonomie und der Fürsorge, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112376
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