Die Seminararbeit gibt einen Überblick über die gerichtlichen Vertretungsbefugnisse der Rechtslehrer an deutschen Hochschulen unter prozessualen und berufsrechtlichen Gesichtspunkten. Dass Lehrer des Rechts - also allgemein gesagt Personen, die sich mit dem Recht in erster Linie literarisch und zu Unterrichtszwecken auseinandersetzen - sich auch an den praktischen rechtlichen Auseinandersetzungen ihrer gesellschaftlichen Umgebung, insbesondere Prozessen, beteiligen, ist kein Phänomen der neuesten oder auch nur der neueren Zeit.
Bereits von den ersten „Juristen“ der europäischen Geschichte, den römischen Rechtsgelehrten seit etwa der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr., ist eine parallele Tätigkeit als Unterrichter des Nachwuchses und der interessierten Öffentlichkeit und zugleich als Berater der Parteien und (meist rechtsunkundigen, weil aus der Bürgerschaft gewählten) Richter
überliefert. Rechtsunterricht und Rechtsberatung bildeten in dieser Frühzeit eine untrennbare Einheit, da die Unterweisung und Belehrung über rechtliche Fragen in aller Öffentlichkeit stattfand und sowohl den in einem konkreten Fall Ratsuchenden als auch den allgemein an Rechtsfragen Interessierten gleichermaßen zugänglich war. Auch traten diese Juristen, ohne „Anwälte“ zu sein – diesem modernen Berufsbild entsprachen am ehesten die rein rhetorisch geschulten „oratores“, also hauptberufliche Gerichtsredner – gelegentlich als Parteivertreter in Prozessen auf.
Diese Doppelfunktion setzte sich auch dann fort, als die rein wissenschaftliche Beschäftigung mit dem geltenden Recht nach einer längeren Phase des Verfalls im Mittelalter in den Vordergrund trat. So ist insbesondere für die ersten Rechtslehrer im „modernen“ Sinne an den oberitalienischen Universitäten des Hochmittelalters die Teilnahme an aktuellen Rechtsstreitigkeiten neben ihrer akademischen Tätigkeit gut bezeugt.
Dieser rudimentäre historische Rückblick zeigt, dass es schon seit Beginn der europäischen Rechtsentwicklung eine aus der Natur der Sache resultierende Tendenz zu geben scheint, Rechtslehre und –beratung in gewissem Umfang zu verknüpfen. Dieser Zusammenhang wurde erst durch das Aufkommen eines fest umrissenen Berufsbildes „Advokat“ bzw. (in Deutschland seit Erlass der RAO 1878) „Rechtsanwalt“ stärker durchbrochen.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Hochschullehrer als Rechtsanwälte
- C. Vertretungsberechtigter Personenkreis im Sinne der Prozessordnungen
- I. Rechtslehrer
- 1. Professoren und Privatdozenten
- 2. Lehrbeauftragte
- II. An einer deutschen Hochschule
- 1. Unproblematische Einbeziehung der Fachhochschulen in VwGO und StPO
- 2. Weiterbestehen des Streits in der Verfassungsgerichtsbarkeit
- III. Mit Befähigung zum Richteramt
- I. Rechtslehrer
- D. Die Prozessordnungen und das Rechtsberatungsgesetz
- I. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes
- 1. Vorüberlegung: Verstoß gegen Art. 12 I GG?
- 2. Gesetzeswortlaut
- 3. Gesetzeszweck
- a) Schutz der Anwaltschaft vor Konkurrenz
- b) Schutz der Rechtsuchenden und der Rechtspflege
- c) Ergebnis: Teleologische Reduktion?
- II. Die Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes unter Berücksichtigung der prozessualen Vertretungsvorschriften
- 1. Erweiternde Auslegung des Rechtsberatungsgesetzes?
- 2. Gewohnheitsrechtliche Derogation des Rechtsberatungsgesetzes?
- 3. Durchbrechung des Rechtsberatungsgesetzes?
- 4. Sonderproblem § 67 II VwGO
- I. Die grundsätzliche Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes
- E. Der Vergütungsanspruch des Rechtslehrers
- F. Nebentätigkeitsrechtliche Aspekte der Prozessvertretung am Beispiel Nordrhein-Westfalen
- I. Genehmigungspflicht
- II. Anzeigepflicht
- III. Erlaubter Umfang der Nebentätigkeit
- IV. Pflichten bezüglich der Vergütung
- 1. Bei Vertretung von Privatpersonen
- 2. Bei Vertretung eines Hoheitsträgers oder eines mit der öffentlichen Hand verbundenen Auftraggebers
- V. Nutzung dienstlicher Ressourcen
- G. Zusammenfassung/Ergebnis
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Beitrag befasst sich mit der Frage, ob Rechtslehrer als Prozessvertreter tätig werden dürfen. Dabei werden die rechtlichen Rahmenbedingungen und die relevanten Gesetze, insbesondere das Rechtsberatungsgesetz, analysiert. Der Fokus liegt auf der Klärung der Vertretungsbefugnis von Rechtslehrern im Kontext der Prozessordnungen und der damit verbundenen rechtlichen und ethischen Aspekte.
- Vertretungsbefugnis von Rechtslehrern im Prozessrecht
- Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes auf Rechtslehrer
- Nebentätigkeitsrechtliche Aspekte der Prozessvertretung
- Vergütungsanspruch des Rechtslehrers
- Ethische und rechtliche Grenzen der Prozessvertretung durch Rechtslehrer
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Prozessvertretung durch Rechtslehrer ein und stellt die Relevanz des Themas dar. Im Anschluss wird die Frage untersucht, ob Hochschullehrer als Rechtsanwälte tätig werden können. Das Kapitel C befasst sich mit dem Personenkreis, der im Sinne der Prozessordnungen vertretungsberechtigt ist, wobei der Fokus auf Rechtslehrern an deutschen Hochschulen liegt. Es wird die Frage geklärt, ob Rechtslehrer, insbesondere Professoren, Privatdozenten und Lehrbeauftragte, in den verschiedenen Prozessordnungen vertretungsberechtigt sind.
Kapitel D analysiert die Anwendbarkeit des Rechtsberatungsgesetzes auf die Prozessvertretung durch Rechtslehrer. Dabei werden die grundsätzliche Anwendbarkeit des Gesetzes, die möglichen Ausnahmen und die Auswirkungen auf die Vertretungsbefugnis von Rechtslehrern im Detail untersucht.
Kapitel E befasst sich mit dem Vergütungsanspruch des Rechtslehrers, der bei Prozessvertretung entsteht.
Kapitel F beleuchtet die nebentätigkeitsrechtlichen Aspekte der Prozessvertretung durch Rechtslehrer am Beispiel Nordrhein-Westfalen. Es werden die Genehmigungspflicht, die Anzeigepflicht, der erlaubte Umfang der Nebentätigkeit und die Pflichten bezüglich der Vergütung behandelt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Prozessvertretung, Rechtslehrer, Hochschullehrer, Rechtsberatungsgesetz, Prozessordnungen, Nebentätigkeitsrecht, Vergütungsanspruch, Vertretungsbefugnis, Anwaltschaft, Rechtspflege, Rechtsuchender, Genehmigungspflicht, Anzeigepflicht, Nordrhein-Westfalen.
- Arbeit zitieren
- Oliver Barten (Autor:in), 2007, Der Rechtslehrer als Prozessvertreter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112315
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