Die vorliegende Arbeit soll zunächst den Begriff des ganzheitlichen Bildungsmanagements definieren und eine mögliche Organisationsstruktur herausarbeiten. Im Weiteren werden die Motive für kommunales Bildungshandeln und die historische Entstehung des Einflusses auf den Bildungsbereich in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt.
Darauffolgend werden die für den Bildungssektor entscheidenden demographischen und politisch-strategischen Rahmenbedingungen im Landkreis Osterholz erläutert und ein Zusammenhang zum ganzheitlichen Bildungsmanagement hergestellt.
Darüber hinaus soll die Entwicklung des kommunalen Bildungsmanagements im Landkreis Osterholz genauer beleuchtet werden. Weiterhin soll eine standardisierte Darstellung der zentralen bildungsunterstützenden Angebote der Verwaltung sowie weiterer Bildungsangebote im Landkreis Osterholz erfolgen. Daran anschließend werden die vorgestellten Bildungsinitiativen und das bisherige kommunalen Bildungsmanagements hinsichtlich inhaltlicher und altersspezifischer Lücken analysiert. Zum Abschluss der Arbeit folgen erste Vorschläge, wie zukünftig ein lückenloses, die komplette Lebensspanne eines Menschen umfassendes Bildungsangebot im Landkreis Osterholz gewährleistet werden kann
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Ganzheitliches Bildungsmanagement
2.1 Ganzheitliches Bildungsmanagement: Definition und Organisation
2.2 Motive für kommunales Bildungshandeln
2.2.1 Innere und äußere Schulangelegenheiten
2.2.2 Demographischer Wandel
2.2.3 Vermeidung von Folgekosten durch erfolgreiche Bildungslaufbahnen
2.2.4 Bildung als kommunaler Standortfaktor
2.2.5 Erweiterter Bildungsbegriff und Lebenslanges Lernen
2.3 Der kommunale Einfluss auf das Schul- und Bildungswesen: Die bundesweite Entwicklung
2.4 Lernen vor Ort“ als zentrale Initiative für ganzheitliches Bildungsmanagement
3. Rahmbedingungen für kommunales Bildungsmanagement im Landkreis Osterholz
3.1 Aufbau der Kreisverwaltung
3.2 Bevölkerungsentwicklung
3.3 Die bildungsbezogenen Ziele des Kontraktes 2016 „Zukunft nachhaltig gestalten“
3.4 Bisherige Ansätze von kommunalem Bildungsmanagement
3.4.1 Bildungskontor
3.4.2 „Beste Bildung“
3.5 Standardisierte Darstellung weiterer Bildungsangebote und Bildungsinitiativen im Landkreis Osterholz
3.5.1 Bildungsangebote des Landkreis Osterholz
3.5.2 Weitere Bildungseinrichtungen und Projekte im Landkreis Osterholz
4. Vorgehensweise zur weiteren Etablierung eines ganzheitlichen Bildungsmanagements
4.1 Analyse des bisherigen kommunalen Bildungsmanagements und Identifizierung bestehender Angebotslücken entlang der Bildungsbiographie
4.2 Handlungsvorschläge zur weiteren Etablierung eines ganzheitlichen Bildungsmanagements
4.2.1 Bildungsmonitoring
4.2.2 Bildungsberatung
4.2.3 Arbeitsgruppe Bildung und Integrierte Fachplanung
4.2.4 Ausbau der Qualitätsinitiative „Beste Bildung“
4.2.5 Bildungsbegleitung
4.2.6 Bildungsbeirat und Aufbau interfraktioneller Arbeitsgruppen
5. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Gewährleistung eines ganzheitlichen Bildungsmanagements durch die Kommunen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nach dem sich im letzten Jahrzehnt im gesamtbundesdeutschen Raum kommunale Bildungslandschaften und Bildungsregionen (in Niedersachsen z.B. Bildungslandschaft Heidekreis1 und Bildungsregion Emsland2 ) herausgebildet haben, gilt es nun für die Kommunen den nächsten Schritt zu gehen und die Bildungsangebote auf die gesamte Lebensspanne eines Menschen zu beziehen, sowie möglichst passgenau in sich, untereinander und auf die lokalen Bedarfe abzustimmen. Doch warum eigentlich die Kommunen? Wie kommt es, dass die Kommunen ihr Engagement im Bildungssektor in den letzten Jahren sukzessive erhöht haben? Ist Bildung nicht von Haus aus Ländersache?
Die noch aus Zeiten der Weimarer Verfassung resultierende und nun im Grundgesetz verankerte Trennung von inneren und äußeren Schulangelegenheiten lässt dies zunächst vermuten. Diese klare Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Land bröckelt jedoch spätestens seit Beginn des neuen Jahrtausends. Diskussionspapiere wie die des deutschen Vereins, der Weinheimer Initiative 2007 oder die „Aachener Erklärung“ des Deutschen Städtetages machen deutlich, dass die Kommunen bereit sind, mehr Verantwortung im Bildungssektor zu übernehmen. Sie wollen nicht nur die Folgen misslungener Bildungsbiographien tragen, sondern den Bildungsweg aktiv mitgestalten.3 Dieser Forderung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die kommunale Ebene am ehesten die Möglichkeit bietet, die vielfältigen Bildungsangebote eines Gebietes zu ordnen und zu vernetzen, sprich in einen Zusammenhang zu bringen. Die Vergrößerung des kommunalen Einflusses auf den Bildungssektor ist jedoch nicht nur einem gesteigerten Verantwortungsbewusstsein für erfolgreiche Bildungswege zuzuschreiben. Vielmehr gibt es zahlreiche neue Herausforderungen, die die Kommunen dazu drängen im Bildungsbereich aktiv zu werden. Einleitend soll es genügen, exemplarisch zwei der zukünftigen Kernherausforderungen zu nennen. Enorme Schuldenstände zwingen Gemeinden und Landkreise ihre wichtigste Einnahmequelle - die Steuern - zu maximieren. Dies kann nur gelingen, wenn die Kommunen ein qualitativ hochwertiges Bildungsmanagement vorhalten, welches als Standortfaktor die Attraktivität für Bürger4, potenzielle Zuzügler und Unternehmensansiedlungen steigert.5 Einsparungspotenzial besteht für Städte und Landkreise vor allem im Bereich der Sozialausgaben, die durch erfolgreiche Bildungsbiographien verringert werden können. Auch dem demographischen Wandel und dem daraus resultierenden Fachkräftemangel kann zumindest teilweise durch eine optimale Versorgung mit Bildungsangeboten entgegengewirkt werden. Es besteht die Chance, besondere Fähigkeiten und Talente Jugendlicher frühzeitig zu erkennen und zu fördern. Die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss und der Ausbildungsabbrecher wiederrum muss so gering wie möglich gehalten werden, da bereits in naher Zukunft die Zahl der mit Fachkräften zu besetzenden Lehrstellen in Deutschland nicht mehr durch die eigene Bevölkerung gedeckt werden kann.6 Mit einem ganzheitlichen Bildungsmanagement, ohne Lücken für bestimmte Altersgruppen, schaffen Kommunen eine Umgebung, in der es möglich ist, die vorgenannten Herausforderungen zu meistern.
Die vorliegende Arbeit soll zunächst den Begriff des „ganzheitlichen Bildungsmanagements“ definieren und eine mögliche Organisationsstruktur herausarbeiten. Im Weiteren werden die Motive für kommunales Bildungshandeln und die historische Entstehung des Einflusses auf den Bildungsbereich in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Darauffolgend werden die, für den Bildungssektor entscheidenden demographischen und politisch-strategischen, Rahmenbedingungen im Landkreis Osterholz erläutert und ein Zusammenhang zum ganzheitlichen Bildungsmanagement hergestellt. Darüber hinaus soll die Entwicklung des kommunalen Bildungsmanagements im Landkreis Osterholz genauer beleuchtet werden. Weiterhin soll eine standardisierte Darstellung der zentralen bildungsunterstützenden Angebote der Verwaltung sowie weiterer Bildungsangebote im Landkreis Osterholz erfolgen. Daran anschließend, werden die vorgestellten Bildungsinitiativen und das bisherige kommunalen Bildungsmanagements hinsichtlich inhaltlicher und altersspezifischer Lücken analysiert. Zum Abschluss der Arbeit folgen erste Vorschläge, wie zukünftig ein lückenloses, die komplette Lebensspanne eines Menschen umfassendes Bildungsangebot im Landkreis Osterholz, gewährleistet werden kann.
2. Ganzheitliches Bildungsmanagement
2.1. Ganzheitliches Bildungsmanagement: Definition und Organisation
Da es bisher in der Literatur keine allgemeingültige Definition und Struktur eines kommunalen Bildungsmanagement gibt und es bei der praktischen Umsetzung je nach den Gegebenheiten vor Ort verschiedene Organisationsund Steuerungsmodelle gibt7, wird in dieser Arbeit hauptsächlich von einem von der KGST entwickelten Ansatz ausgegangen, der in einigen Kommunen im Rahmen des Förderprogramms „Lernen vor Ort“ Einzug erhalten hat. Danach ist Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene die Koordinierung und Steuerung abgestimmter Bildungsangebote im kommunalen Raum im Rahmen der lebenslangen Bildungskette unter effektivem und effizientem Einsatz der vorhandenen Ressourcen und umfassender Partizipation aller gesellschaftlichen Kräfte zur Schaffung von gleichberechtigten Bildungschancen auf der Basis von datenbasierten, strategischen Entscheidungen zur Verbesserung der Bildungsangebotsstruktur für Bürger.8 Das Attribut „ganzheitlich“ soll verdeutlichen, dass in dieser Arbeit vom Ansatz des „Lebenslangen Lernens“ ausgegangen wird, also folglich die gesamte Lebensspanne eines Menschen hinsichtlich der Verfügbarmachung und Abstimmung von Bildungsangeboten in den Blick genommen wird. Weiterhin muss bei der Betrachtung aus der kommunalen Perspektive zwangläufig vom erweiterten oder auch ganzheitlich Bildungsbegriff ausgegangen werden, da Gemeinde, Städte und Landkreise vor allem nicht-formelle Bildungsangebote vorhalten, die im althergebrachten Bildungsgedanken keine Rolle spielen (vgl. Kapitel 2.2.5). Auch die zu koordinierenden Bildungsangebote anderer kommunaler Bildungsanbieter sind in der Regel nicht formeller Art. Die Schulen als Inbegriff formaler Bildungseinrichtungen sind ebenfalls in den ganzheitlichen Bildungsbegriff integriert.
Die Definition von Bildungsmanagement richtet das Hauptaugenmerk auf die beiden zentralen Aufgabenfelder der Kommune: Koordinierung und Steuerung.9 Die vorhandenen Bildungsangebote der unterschiedlichen Bildungsakteure sollen erfasst und geordnet, sowie durch effizientes Steuern verzahnt und aufeinander abgestimmt werden, so dass die Leistungsangebote innerhalb der Bildungsbiographie passgenau aufeinander aufbauen können.10 Besonderer Bedeutung kommt hierbei dem Managen der Übergänge von einer Bildungseinrichtung in die nächste zu (insbesondere: Schule-Beruf, aber auch die Übergänge KiTa-Grundschule und Grundschule-Sekundarstufe I), da es hier häufig zu Schwierigkeiten kommt, die Brüche in der lebenslangen Bildungskette verursachen.11
Hinsichtlich der Steuerung der auf der lokalen Ebene vorhandenen Bildungsangebote besteht jedoch ein Zuständigkeitsproblem. Gegenüber den meisten Bildungsakteuren (Schulen, Kammern, Verbände, Vereine etc.) im kommunalen Raum ist die Verwaltung nicht weisungsbefugt.12 Bildungsmanagement in kommunalen Bildungslandschaften erfordert daher eine ausgeprägte Kooperationskultur im Sinne des „Local governance“. Bei dieser Steuerungsform versteht sich die Kommunalverwaltung als ein Akteur unter vielen.13 Die zentrale Koordinierungsfunktion hebt die Kommune dabei aus dem Potpourri der Bildungsanbieter heraus. Es stellt sich also im Weiteren die Frage, welcher Methoden und Organisationsformen sich Städte, Gemeinden und Landkreise sinnvollerweise bedienen, um ein kohärentes Bildungsmanagement zu gewährleisten.
In diesem Zusammenhang ist zunächst das Bildungsmonitoring zu nennen, das als datengestützter, kontinuierlicher Beobachtungs- und Analyseprozess die notwendigen Entwicklungen, Trends, Sachstände und Ausgangslagen zum Bildungsgeschehen „vor Ort“ aufzeigt.14 Auf Grundlage dieser Datenerhebung kann eine Analyse der IST-Situation erfolgen, die u.a. den Bestand erfasst von: Bildungsbedarfen, Bildungsanbietern, Bildungsangeboten, Bildungsnachfrage, Unterstützungsangeboten (z.B. Bildungsbegleitung oder Bildungsberatung).15 Darüber hinaus müssen sich die heutigen und zukünftigen Rahmenbedingungen für Bildung vor Augen zu geführt werden.16 Die demographische, wirtschaftliche und soziale Situation einer Kommune, aber z.B. auch die zu erwartende Entwicklung der zentralen Steuerung des Schulsektors durch das Land, stellen wichtige Einflussfaktoren für die lokale Bildungslandschaft dar.
Die gesammelten Daten bilden die Grundlage für den Entwurf eines strategischen „Gesamtkonzept Bildung“ durch die Verwaltung, welches als Steuerungsgrundlage dienen kann. Es beinhaltet darüber hinaus u.a.: ein Leitbild, Leitlinien für die Zusammenarbeit und Kooperationen der Bildungspartner, SMARTe Ziele, Verfahren zur Zielerreichung zentrale Handlungsfelder und Zukunftsplanungen.17 Die Ausarbeitung eines Konzeptes kann arbeitsteilig durch die jeweils relevanten Bildungsakteure erfolgen (z.B. für die Bereiche Schule, Jugendhilfe, KiTa). Eine Abstimmung über ein gemeinsames Leitbild und die Beauftragung der Verwaltung mit der Ausarbeitung des Gesamtkonzeptes kann dann bei einer gemeinsamen Vorstellung der einzelnen Konzepte geschehen. Die politische Legitimation des „Gesamtkonzept Bildung“ wird in der Regel über einen Beschluss der Vertretung erfolgen.18
Zu überlegen ist im Zusammenhang mit der politischen Ebene, ob der Aufbau von sogenannten interfraktionellen Arbeitsgruppen (über die bestehenden Fachausschüsse für Bildung oder Jugendhilfe hinaus) durch den Kreistag angestoßen wird.19 In diesen können sich die Mitglieder der beiden Ausschüsse fachübergreifend versammeln, die besondere Expertise in Bildungsfragen mitbringen oder weiteres Interesse an bildungsrelevanten Themen haben. In einigen Regionen hat sich so eine Arbeitsgruppe auch durch zivilgesellschaftliches Engagement in Form eines Bildungsbeirats gebildet.20 Für gewöhnlich haben diese Gremien keine politische Entscheidungskraft, sondern verleihen eher dem besonderen Interesse der Bevölkerung an guter Bildung Ausdruck. Trotz dieser Einschränkung besteht die Möglichkeit, dass solche Arbeitsgruppen Handlungsempfehlungen aussprechen oder problematische Tendenzen im Bildungssektor vorab erkennen und die Vertretung bzw. die Verwaltung informieren.21
Weitergehend ist zu klären, wer im organisatorischen Verwaltungsaufbau die unterschiedlichen Aufgaben des Bildungsmanagements wahrnimmt. Um Zielsynergien und Zielkonflikte mit anderen kommunalen Handlungsfeldern zu erkennen, aber auch um der Zielerreichung Nachdruck zu verleihen, muss die gesamtstrategische Steuerungskompetenz in einem Gremium (vielfach Vorstandskonferenz genannt) auf der Führungsebene der Verwaltung angesiedelt sein.22 Mitglieder dieses leitenden Aufsichtsgremiums sind üblicherweise der Hauptverwaltungsbeamte und diejenigen Dezernenten, die mittelbar oder unmittelbar mit Bildungsaufgaben betraut sind. Sie beraten über die grundsätzliche Gestaltung der Bildungsarbeit innerhalb der Kommunalverwaltung. Für die weitere verwaltungsinterne Koordination bieten sich verschiedene Organisationsmodelle an.23 Neben dem in vielen Kommunen bereits vorhandenen Amt für Bildung, ist es möglich eine Stabstelle für Bildung einzurichten. Mitarbeiter der Stabstelle „Bildung“ sind idealerweise die Leitungskräfte aller Organisationseinheiten, die Bildungsangebote vorhalten.24 Aufgabe des Stabes ist es, das gesamte Bildungshandeln der verwaltungsinternen Organisationseinheiten zu vernetzen. Konkrete Arbeitsfelder können sein: die Vereinbarungen über zukünftiges Bildungshandeln, Vorbereitung der Entscheidungen des Aufsichtsgremiums, Festlegung schwerpunkmäßig zu bearbeitender Bildungsfelder oder Austausch über den Verlauf unterschiedlicher Bildungsprojekte.25 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, die Zusammenarbeit mit den Landesbehörden in Bildungsfragen über den Stab zu koordinieren. Die Berücksichtigung der Interessen des jeweiligen Landes ist von elementarer Bedeutung, da diese vor allem im Schulsektor erhebliche Ressourcen bereitstellen und durch ihre Vorgaben den Schulalltag regeln.26
Um dem „Local Governance“-Gedanken gerecht zu werden, bedarf es neben der Stabstelle einer weiteren Organisationseinheit, die als Berater, Partner und Koordinator für externe Bildungsanbieter auftritt. Diese Funktion nimmt vielfach ein Bildungsbüro war.27 Es bildet eine Schnittstelle zwischen den verwaltungsinternen Steuerungsgremien und den lokalen Partnern „vor Ort“. Je nach regionalen Gegebenheiten und Verwaltungsstruktur können unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen werden, so z.B.: Unterstützung der Schulentwicklung durch Organisation von Qualifizierungsangeboten, Bildungsmonitoring, Vermittlung zwischen schulischen und außerschulischen Bildungsangeboten, Entwicklung von Unterstützungsangebote für Übergänge oder auch die Bildungsberatung für den Bürger.28 In Landkreisen kann das Büro zudem die Steuerung der Zusammenarbeit mit den kreisangehörigen Kommunen übernehmen.29 Für die Anordnung im Verwaltungsaufbau sind auch hier verschiedene Modelle denkbar bspw. die direkte Anbindung an: den HVB, Dezernent/in für den Bereich Bildung oder an die Stabstelle „Bildung“. Auch eine vollständige Einbindung in die Linienorganisation durch die Angliederung als Organisationseinheit im Bildungsamt ist möglich.30 Wichtiger Gelingungsfaktor für die Organisation des behördeninternen Bildungsmanagements ist in jedem Fall eine klare Kompetenz- und Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den einzelnen Steuerungs- und Koordinierungsstellen.
Um der Zusammenarbeit mit den externen Bildungsanbietern Raum zu bieten, kann die Einrichtung von Bildungskonferenzen angestrebt werden.31 Teilnehmer dieser Konferenz sind alle relevanten Bildungsakteure der Region. Dieses Forum kann die Abstimmungsaktivitäten der Bildungsanbieter untereinander erleichtern und im Verbund Strategien zur Optimierung des Bildungshandelns auf kommunaler Ebene entwickeln.32 Die Heterogenität der Bildungsakteure in der Bildungskonferenz schafft die Möglichkeit, das Handlungsfeld Bildung von unterschiedlichen Standpunkten aus zu betrachten und so problematische Entwicklungen tendenziell früher zu erkennen. Darüber hinaus kann das Wissen der externen Partner wichtiger Impulsgeber für die Gestaltung eines kohärenten Bildungsmanagements sein.33 Um dem ganzheitlichen Bildungsansatz gerecht zu werden, sollten Bildungsanbieter aus allen Lebensphasen repräsentiert sein. Bildungskonferenzen sind für gewöhnlich kein Entscheidungsgremium, d.h. die dort getroffenen Absprachen sind rechtlich nicht bindend.34 Hier wird deutlich, wie abhängig die Kommunen bei der Organisation eines gelungenen Bildungsmanagements von der Partizipation örtlicher Bildungsakteure sind. Wenn diese bereits ein ausgeprägtes Verständnis für gemeinsame kommunale Bildungsziele haben, besteht die Möglichkeit, dies z.B. durch die Ausarbeitung eines Kooperationsvertrages oder die Gründung eines eigenen Rechtsträgers zu legitimieren.35
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Organisationsmodell des Bildungsmanagements auf kommunaler Ebene 36
Um die nicht immer verbindliche Zusammenarbeit in den Bildungskonferenzen zu ergänzen, bietet sich die Einrichtung eines Koordinierungskreises (z.T. auch Lenkungskreis genannt) an. Dieser trifft möglichst verbindliche Entscheidungen über die Planung aller Bildungsaktivitäten treffen und prioritäre Handlungsfelder. Darüber hinaus kann er das zentrale Controlling, hinsichtlich des Erreichens der gesteckten Ziele übernehmen.37 Weitere Aufgaben des Koordinierungskreises können bspw. die Vorbereitung der Tagungen der Bildungskonferenz anhand von Daten aus dem Bildungsmonitoring und die Sicherstellung der Umsetzung dort getroffener Absprachen sein. Die Zusammensetzung des Gremiums kann unterschiedlich erfolgen, sollte jedoch so gewählt werden, dass alle Gruppen von Bildungsanbietern sich ausreichend repräsentiert fühlen. Die Entscheidungen des Koordinierungskreises erhalten eine höhere Verbindlichkeit, wenn die jeweiligen Gruppen von Bildungsanbietern ihre Leitungskräfte als Mitglieder benennen.38
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Koordinierungskreis der Stadt Osnabrück 39
Über die Bildung neuer Steuerungs- und Koordinierungseinheiten hinaus, erscheint es, vor allem für Landkreise, ratsam die interkommunale Zusammenarbeit einer Prüfung zu unterziehen.40 Es kann vor allem mit den kreisangehörigen Kommunen ein Konsens über die Verfolgung von gemeinsamen Zielen im Bildungsbereich erreicht werden. Allen voran sollten die jeweiligen Bürgermeister hinter den Konzepten der Kreisverwaltung stehen und auch in ihrer Behörde dafür werben.41 Dies wird nur passieren, wenn sie auch ausreichend beteiligt werden, z.B. durch die Teilnahme an der Bildungskonferenz oder aber durch Mitarbeit im Koordinierungskreis. Weitergehend ist, auf dem Weg zur Bildungsregion, die Partnerschaft mit umliegenden Kreisen zu suchen.42 So können in einigen Bereichen Synergieeffekte genutzt oder gemeinsam auf strukturelle Probleme einer Region reagiert werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der sparsamen Ressourcenbewirtschaftung bietet es sich an, kreisübergreifende Bildungseinrichtungen in gemeinsamer Verantwortung zu betreiben.
Im Sinne des ganzheitlichen Bildungsgedanken, wird in dieser Arbeit über den KGST-Ansatz hinaus davon ausgegangen, dass neben den Managementaufgaben von den Kommunen zu prüfen ist, in welchen Lebensphasen Bildungsangebote fehlen, lückenhaft sind oder der Ergänzung bedürfen. Festzuhalten bleibt in jedem Fall, dass ganzheitliches kommunales Bildungsmanagement nur auf der Grundlage einer neuen Kooperationskultur gelingen kann. Als zentralem Koordinator von Bildungsangeboten kommt der Kommune die Hauptaufgabe zu, die fragmentarisierten Einzelzuständigkeiten der verschiedenen Bildungsanbieter, in ein gemeinsames Bestreben der Gewährleistung eines ganzheitlichen Bildungsmanagements zu wandeln.43
2.2 Motive für kommunales Bildungshandeln
2.2.1 Innere und äußere Schulangelegenheiten
Für das seit Jahren stetig zunehmende Engagement der Kommunen in schulischen und außerschulischen Bildungsbereichen gibt es vielfältige Gründe. Einige der wichtigsten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und gesetzlichen Motive sollen im Folgenden erläutert werden.
Nach Art. 28 II GG haben die Gemeinden zunächst das Recht „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“. 44 Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft „sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betreffen.“45 Aus der Selbstverwaltungsgarantie wird in der Literatur vielfach die kommunale Handlungskompetenz im Bildungssektor abgeleitet, da die Gemeinde Kulminationspunkt für Bildungsangebote unterschiedlichster Träger sei und Bildung damit unmittelbar in der örtlichen Gemeinschaft wurzelt.46 Demgegenüber stehen die Kompetenzen des Bundes und der Länder im Schulbereich basierend auf den Art. 7 I, 30, 70 I GG. Das Schulwesen steht danach unter Aufsicht des Staates, wobei den Ländern die Gesetzgebungskompetenz („Kulturhoheit“) zufällt.47 In Niedersachsen gilt für die öffentlichen und privaten Schulen das Niedersächsische Schulgesetz (NSchG). Dies nimmt wie fast alle Landesschulgesetze eine Trennung der Übernahme von Personal- und Sachkosten vor.48 In der Literatur hat sich hieraus die Begrifflichkeit „Trennung in innere und äußeren Schulangelegenheiten“ entwickelt. Die inneren Schulangelegenheiten, die in der Zuständigkeit der Länder liegen, umfassen demnach u.a. die Festlegung von verbindlichen Lehrplänen (Kerncurricula), der Schulstruktur sowie die Einstellung und Bezahlung von Lehrkräften.49 Den Kommunen verbleibt lediglich die Pflicht, sich als Schulträger um die äußeren Schulangelegenheiten zu kümmern. Hierzu zählen die Bereitstellung geeigneter Schulgebäude und deren Unterhaltung, die Einstellung von Verwaltungspersonal oder auch der Schülertransport.50
An dieser strikten Trennung wurde in Deutschland bis Mitte der 90er Jahre nicht gerüttelt. An Fahrt gewann die Debatte um mehr kommunalen Einfluss in inneren Schulangelegenheiten vor allem durch die Einführung von Ganztagsschulen, die für die Kommunen als Schulträger enorme Investitionen zur Folge hatte. Neben den Aufwendungen für weitere Unterrichtsräume oder neuen Gebäudeteile mussten die Kommunen auch für neues pädagogisches Fachpersonal in der Nachmittagsbetreuung sorgen.51 Unter dem Stichwort „Kommunalisierung“ der Schulen, begann sich die klare Trennung von inneren und äußeren Schulangelegenheiten teilweise aufzulösen.52 So haben neben Bayern, wo „kommunale“ Schulen bereits eine lange Tradition haben, bspw. die Stadt Jena und die Stadt Karlsruhe erste Modellprojekte aufgelegt, in denen die inneren und äußeren Schulangelegenheiten gleichermaßen durch die Kommunen wahrgenommen werden.53 Vor dem Hintergrund knapper kommunaler Kassen stellt sich eine bundesweite Ausweitung dieser Initiativen als problematisch dar, denn neben der Sachaufwandsträgerschaft, wären Städten und Gemeinden nun auch für die Bezahlung der Lehrkräfte zuständig. Häufig wird daher in diesem Rahmen für eine staatlich-kommunale Verantwortungsgemeinschaft plädiert.54 Diese beinhaltet eine Erweiterung kommunaler Kompetenzen in inneren Schulangelegenheiten (z.B. bei der Auswahl des Lehrpersonals) unter Bestehenbleiben der Kostenübernahme durch die Länder.55
2.2.2 Demographischer Wandel
Die Folgen des demographischen Wandels werden für die Gemeinden und Landkreise in den nächsten Jahren in vielerlei Hinsicht spürbar. Auch wenn teilweise bestritten wird, dass heutzutage bereits ein Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft herrscht56, wird diese Problematik in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Der drastische Rückgang der Schülerzahlen im Bundesgebiet (seit 1999 um 13 %) macht dies noch deutlicher.57 Zahlen aus Nordrhein-Westfalen belegen, dass die Schülerzahlen in ländlichen Gebieten mit durchschnittlich 26,7 % noch schneller sinken.58 Erste Schulschließungen sind die Folge.59 Die Zahl der Jugendlichen im ausbildungsfähigen Alter wird dadurch deutlich zurückgehen, so dass in einigen Kommunen, die Stellen für Fachkräfte zum großen Teil nicht mehr aus der ortsansässigen Bevölkerung besetzt werden können. Dies lässt eine Verschärfung des kommunalen Wettbewerbs, um spezialisierte Arbeitskräfte erwarten. Auswirkungen hat der demographische Wandel auch auf die Gesamtzusammensetzung der Bevölkerung. Auf Grund rückläufiger Geburtenraten und einer immer höheren Lebenserwartung verschiebt sich die Altersstruktur in Deutschland. Im Jahr 2060 wird die Anzahl der über 65Jährigen doppelt so groß sein, wie die der unter 20-Jährigen.60 Zum Vergleich: Im Jahr 2009 war die Anzahl dieser beiden Bevölkerungsgruppen noch fast ausgeglichen. Ein weiterer demographischer Aspekt ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Die Anzahl der Menschen mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik stieg im Jahr 2009 erstmalig auf über 16 Millionen.61 Gleichzeitig belegen internationale Vergleichsstudien, dass in keinem Teilnehmerland der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg so groß ist wie in Deutschland.62 Dieses Problem verstärkt derweil die ohnehin in vielen Städten bestehenden Segregationstendenzen zwischen den Einkommensschichten.63 Die Entstehung von Parallelgesellschaften in sozialen Brennpunkten und kostenintensive Integrationsprogramme sind eine Folge dieses Trends.
2.2.3 Vermeidung von Folgekosten durch erfolgreiche Bildungslaufbahnen
Jedes Jahr verlassen bundesweit ca. 150.000 junge Erwachsene das Bildungs- und Ausbildungssystem ohne einen Abschluss.64 Die Folgekosten unzureichender Bildung in den öffentlichen Haushalten betragen jährlich aufs Neue 1,5 Mrd. € pro Altersjahrgang.65 Den Löwenanteil haben Bund (ca. 70 %) und Land (ca. 30%) zu tragen. Auf die Kommunen entfallen ca. 15 % der Gesamtfolgekosten.66 Es besteht mittlerweile nicht mehr die Bereitschaft lediglich für die Kosten fehlgeschlagener Bildungsbiographien aufzukommen.67 Kommunen fordern mehr Einfluss auf Bildung, um berufliche Integration gelingen zu lassen und so bei der Entlastung öffentlicher Haushalte mitzuwirken.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Folgekosten unzureichender Bildung68
2.2.4 Bildung als kommunaler Standortfaktor
Wie eingangs bereits erwähnt, ist Bildung kommunaler Standortfaktor.69 Der Bildungsstand der örtlichen Bevölkerung ist ein Indikator für die Lebensqualität in der Kommune.70 Unternehmen werden sich üblicherweise dort ansiedeln, wo neben einer gut ausgebauten Infrastruktur, auch qualifiziert ausgebildetes Fachpersonal zu bekommen ist.71 Potentielle Neubürger hingegen sind auf der Suche nach Arbeitsplätzen sowie vielfältigen und qualitativ hochwertigen Bildungs- und Kulturangeboten für sich und ihre Kinder. Weiterhin besteht großes Interesse an einem florierenden Gemeinwesen, also einem insgesamt intakten Wohn- und Lebensort, in dem sich die Menschen füreinander engagieren. Dieses Gemeinwesen kann nur auf der Grundlage von qualitativ hochwertigen Bildungsprozessen entstehen, die mündige, selbständige und gefestigte Bürgerinnen und Bürger hervorbringen.72 Umso wichtiger erscheint es daher für die Kommunen, bspw. durch Qualitätsentwicklung in Schulen, die Attraktivität des eigenen Standortes zu erhöhen.
2.2.5 Erweiterter Bildungsbegriff und Lebenslanges Lernen
Das Verständnis von Bildung in Deutschland hat sich grundlegend gewandelt. Nachdem es nahezu über Jahrhunderte von vielen als bloße Wissensvermittlung oder Allgemeinbildung gedacht wurde, hat sich mittlerweile ein ganzheitlicher Bildungsbegriff etabliert, der über diese Wahrnehmung weit hinausgeht. Die selbstbestimmte Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen und sein Bezug zur Gesellschaft prägen den modernen Bildungsgedanken. So definiert der Bundestag in seinem Zwölften Kinder- und Jugendbericht Bildung als „ aktiven Prozess, in dem sich das Subjekt eigenständig und selbsttätig in der Auseinandersetzung mit der sozialen, kulturellen und natürlichen Umwelt bildet“73. Wertgelegt wird auf die Herausbildung einer stabilen Persönlichkeit, die die Fähigkeit besitzt, selbständig und mündig den Lebensalltag zu bestreiten.74
Weiterhin ist durch den erweiterten Bildungsbegriff die Unterscheidung von formellen, nicht-formellen und informellen Bildungsprozessen gängig geworden.75 Formelle Bildungsprozesse finden in Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen (z.B. Schulen, Universitäten, Ausbildungsbetriebe) statt und zielen im Allgemeinen auf den Erwerb anerkannter Abschlüsse ab.76 Lehrpläne und curriculare Vorgaben prägen den Bildungsalltag in diesen Institutionen. Die Teilnahme ist üblicherweise verpflichtend. Einen freiwilligeren Charakter hingegen haben nicht-formelle Bildungsprozesse. Sie führen in der Regel nicht zu staatlich anerkannten Abschlüssen.77 Gleichwohl sind diese Bildungsprozesse institutionell organisiert wie z.B. Angebote der Kinder- und Jugendhilfe oder der Volkshochschulen. Das Bundesjugendkuratorium versteht unter nicht-formellen Bildungsprozessen jede Form organsierter Bildung und Erziehung, die generell freiwilliger Natur ist und Angebotscharakter hat.78 Weder eingefügt in feste Bildungsstrukturen noch in irgendeiner Form didaktisch organisiert, sind informelle Bildungsprozesse. Sie finden häufig unbewusst und in alltäglichen Zusammenhängen z.B. mit Familie und Freunden statt.79 Trotz dessen können sie zielgerichtet, z.B. im Rahmen eines Hobbys oder am Arbeitsplatz, ablaufen. Die Internetseite „Wikipedia“ ist nur ein Beispiel für den rasant steigenden Einfluss moderner Informationstechnologien auf informelle Bildungsprozesse. Es ist zu erkennen, dass Bildungsprozesse nicht mit dem Besuch formalistischer Bildungseinrichtungen enden. Der Erwerb von Bildung im globalisierten und technisierten 21. Jahrhundert erstreckt sich über die gesamte Lebensspanne und findet in verschiedensten Kontexten statt. Die Europäische Kommission spricht in diesem Zusammenhang vom „Kontinuum“ des lebenslangen Lernens.80
Ein gelungenes kommunales Bildungsmanagement schafft es, die unterschiedlichen Institutionen (z.B. Schule, Volkshochschule, Familie) zu vernetzen, in denen die Bildungsprozesse „vor Ort“ stattfinden. Diese Zusammenarbeit auf einer Ebene wird als horizontale Kooperation bezeichnet.81 Demgegenüber steht die vertikale Steuerung von Bildungsprozessen, die sich vor allem im Schulbereich deutlich aufzeigen lässt. Es findet eine Steuerung von oben herab statt („top down“), in dem der Staat über die ihm unterstehenden Schulaufsichtsbehörden durch Gesetze und Verordnungen Festlegungen trifft.82
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Horizontale Kooperation und Vertikale Steuerung83
Wie bereits eingangs des Kapitels erwähnt, ist diese Darstellung der Motive für kommunales Bildungshandeln keineswegs abschließend. Weitere Triebfedern können z.B. der ständig wachsende Bedarf der Bevölkerung an Weiter- und Fortbildung, die mangelnde Ausbildungsfähigkeit vieler Schulabgänger und die hohen Ausbildungsabbruchquoten84, der Ausbau der Ganztagsschulen seit Beginn des Jahrtausends oder die zunehmende Bedeutung frühkindlicher Bildung sein. Vor allem in ländlichen Regionen gibt es darüber hinaus noch speziellere Herausforderungen wie z.B. die räumliche Entflechtung und Fragmentierung oder Kreisgebietsreformen.85 Der vorgegebene Umfang dieser Arbeit lässt eine detaillierte Betrachtung dieser Beweggründe jedoch nicht zu.
2.3 Der kommunale Einfluss auf das Bildungs- und Schulwesen: Die bundesweite Entwicklung
Die Ursprünge kommunaler Bildungslandschaften86 und des Bildungsmanagements auf kommunaler Ebene sind eng verzahnt mit der Entwicklung von Schule und Verwaltung in Deutschland. Das Selbstverständnis der beiden Institutionen hat sich, wie im Folgenden zu erkennen sein wird, in den letzten drei Jahrzehnten deutlich gewandelt.
In den 80er Jahren wurde in der Bundesrepublik, im Rahmen der aus Großbritannien und den USA überschwappenden „Community Education“- Bewegung, erstmals über die Öffnung von Schulen für das Gemeinwesen diskutiert.87 Intention dieser Bewegung war eine stärkere Integration der Schulen in die sie umgebenden Stadteile, in dem Schülern verstärkt die Möglichkeit gegeben wurde, auch im außerschulischen Bereich zu lernen z.B. im Rahmen von Projekten.88 Zudem sollten Institutionen der Städte und Gemeinden, sowie Vereine die Möglichkeit bekommen, in den Schulen aktiv zu werden. Hauptziel war es, den oft alltagsfernen Unterrichtsinhalten, lebensnahe Lernerfahrungen aus der örtlichen Umgebung beizumischen. Erste Kooperationen der Schulen mit außerschulischen Bildungsakteuren (z.B. Sportvereine und Jugendinitiativen) waren die Folge.89
Zu Beginn der 90er Jahre erfasste die Verwaltungen der Kommunen eine Modernisierungswelle. Das Neue Steuerungsmodell (NSM) sollte unter Setzung von klaren Zielen zu effizienterem Verwaltungshandeln führen. Dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung, Budgetierung sowie die outputorientierte Steuerung unterstützt durch ein produktbezogenes Ziel-, Controlling- und Berichtssystem, sind die Hauptmerkmale dieses Managementmodells.90 Gemeinde, Städte und Landkreise begannen sich als Dienstleister zu verstehen. In diesem Zusammenhang veränderte sich auch das kommunale Rollenverständnis in Bezug auf den Bildungsbereich. So erkannte die KGST, dass die Schnittmengen der pädagogischen Diskussion (Öffnung der Schulen, stärkere Eigenverantwortlichkeit der Einzelschulen) und des NSM offensichtlich sind.91 Dezentrale Fach- und Ressourcenverantwortung in der Verwaltung sei beispielsweise gleichzusetzen mit der Forderung der Schulen nach mehr Autonomie.92
Im Jahr 1995 beendete die Bildungskommission Nordrhein-Westfalen ihre Arbeit an der Denkschrift „ Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft“. Diese Arbeitsgruppe entwickelte in ihrem Bericht Ansätze für die Entwicklung eines modernen Schul- und Bildungswesens. Des Weiteren wurde eine Dezentralisierung des Schulwesens gefordert, um die Eigenverantwortlichkeit der Einzelschulen zu stärken. Das Land sollte mehr Befugnisse im Bereich Organisation, Personal und Finanzen auf die Schulen übertragen.93 Besonders herausgestellt wurde erstmals der Begriff der „ Regionalen Bildungslandschaft“, durch den ein aufeinander abgestimmtes, vernetztes und ganzheitliches Bildungsangebot auf kommunaler Ebene für die Bürger Realität werden sollte.94.
Im selben Jahr hatte Deutschland erstmals an einem globalen Schulvergleich im Rahmen der Studie TIMMS (Third International Mathematics and Science Study bzw. Trends in Mathematics and Science Study) teilgenommen. Untersucht wurden die Fachleistungen von Schülern in beruflichen Bildungsgängen und der gymnasialen Oberstufe. Die Bundesrepublik erzielte nur mittelmäßige Ergebnisse und sorgte so für Ernüchterung über das Schul- und Bildungssystem.95 So wurde bspw. festgestellt, dass in den Mathematik- und Physikgrundkursen nur ein kleiner Teil der Schüler ein Niveau der sicheren und selbstständigen Anwendung des Gelernten erreicht.96 In der Folge einigten sich die Kultusminister auf die Entwicklung eigener landesweiter Vergleichstests.97 Begriffe wie Qualitätssicherung, Schulevaluation und effizienter Schulunterricht fanden Eingang in die bildungspolitische Diskussion.
Ein Beispiel, wie sich dies auf kommunaler Ebene auswirkte, bietet das Reformprojekt zur Stärkung von Schulen im kommunalen und regionalen Umfeld, kurz „Schule und Co.“ Basierend auf den Entwicklungsvorschlägen der Bildungskommission Nordrhein-Westfalen und den Erfahrungen, die in Kanada in der Schulregion von Durham gemacht wurden, startete die Bertelsmann-Stiftung 1997 in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung sowie dem Kreis Herford und der Stadt Leverkusen dieses Programm. „ Schule und Co.“ verfolgte in erster Linie zwei Ziele: die qualitätsorientierte Selbststeuerung der Schulen und die Entwicklung kommunaler Bildungslandschaften.98 So wurden in Herford und Leverkusen regionale Bildungsbüros, deren Handlungsfelder u.a. Schulentwicklungsmanagement, Unterrichtsentwicklung und Organisation von Bildungsforen sind, in den Verwaltungsaufbau integriert.99 Weiterhin wurden regionale Entwicklungsfonds eingerichtet, um die Kosten für die Erhöhung der Schulqualität zu decken.100 Die Abschlussevaluation aus dem Jahr 2002 zeigte jedoch, dass vor allem bei den Schulen noch wenig Verständnis für den Gedanken der „Kommunalen Bildungslandschaft“ herrschte.101
[...]
1 zur Entwicklung im Heidekreis: Vgl. Bildung im Heidekreis 2012. Erster Bildungsbericht für den Heidekreis
2 Zur Entwicklung im Emsland: Vgl. 2. Regionaler Bildungsbericht 2012 für den Landkreis Emsland
3 Ähnlich Deutscher Verein 2009, S. 2
4 Aus Vereinfachungsgründen wird in dieser Arbeit nur die männliche Form benutzt, die hiermit gleichsam für die weibliche steht
5 Siehe Mielke, 79 Jahrgang, Der Landkreis, S. 635
6 Vgl. Bundesagentur für Arbeit, S. 14
7 Siehe Kaehlbrandt/Lohre, S. 91
8 Vgl. Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 4
9 Zur Notwendigkeit einer kommunalen Steuerung und Koordinierung: Vgl. Mack in Bleckmann/ Durdel, S. 63 f.
10 Ähnlich Kaehlbrandt/ Lohre, S. 89
11 Vgl. zum problematischen Übergang Schule und Beruf: Kruse in Kruse/ Kohlmeyer/ Paul-Kohlhoff/ Kühnlein/Weigele/Wende, S. 10 ff.
12 Siehe Kruse in Kruse/ Kohlmeyer/ Paul-Kohlhoff/ Kühnlein/Weigele/Wende, S. 21
13 Vgl. Tibussek in Bleckmann/Durdel, S. 204
14 Siehe Greskowiak/ Stefan, vor Ort 11/2011, S. 7
15 Vgl. Greskowiak/ Stefan,vor Ort 11/2011,S.7 ;eine Analyseform, die sich speziell mit der Erfassung der Ist-Situation befasst ist die Stakeholderanalyse: Vgl. DKJS, S. 32 ff.
16 Siehe Greskowiak/ Stefan, vor Ort 11/2011, S. 8
17 Siehe Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 7
18 Siehe Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 7
19 Vgl. Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 12
20 Bildungsbeiräte finden sich in unterschiedlicher Zusammensetzung z.B. in den Städten Weiterstadt und Nürnberg sowie dem Landkreis Barnim
21 Siehe Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 12
22 Siehe Wende in Kruse/ Kohlmeyer/ Paul-Kohlhoff/ Kühnlein/Weigele/Wende, S. 45
23 Vgl. Tibussek in Bleckmann/Durdel, S. 215
24 Vgl. Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 11
25 Siehe Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 12
26 Vgl. Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 15
27 Zu den Aufgaben eines Bildungsbüros in der StädteRegion Aachen: Vgl. Rombey, S. 14
28 Vgl. Bildungsbüro der Stadt Dortmund unter: http://www.dortmund.de (- Leben in Dortmund - Bildung & Wissenschaft - Regionales Bildungsbüro - weitere Infos)
29 Vgl. Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 17
30 Siehe Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 17
31 Vgl. Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 15; so geschehen z.B. in der Stadt Osnabrück
32 Siehe Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S.15
33 Vgl. Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S.15
34 Siehe Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S.15
35 Vgl. Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S.15
36 Eigene Darstellung
37 Vgl. Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S.15
38 Siehe Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S.16
39 Eigene Darstellung;Zusammensetzung des Koordinierungskreises entnommen aus Bildungslandschaft Osnabrück - Bildung findet in der Stadt statt, S. 6 verfügbar unter: http://www.gew-osnabrueck.de/informatfonen/StadtOS/Stadt%20Osnabrueck%20- %20Vorhabenbeschreibung.pdf
40 Siehe Greskowiak/ Stefan, vor Ort 11/2011, S. 12
41 Vgl. Greskowiak/ Stefan , vor Ort 11/2011, S. 13
42 Siehe Greskowiak/ Stefan, vor Ort 11/2011, S. 12
43 Vgl. Kaehlbrandt/ Lohre, S. 87
44 BVerFGE 79, S. 127 ff., 151 f.
45 Vgl. Luthe, S. 216 ; Ähnlich auch Rombey, S. 7
46 Siehe van Ackeren / Klemm, S. 103 ff.
47 Vgl. §§ 1,101,102, 112, 113 Nds. SchG
48 Vgl. van Ackeren/ Klemm, S.107
49 Siehe Weiß, S. 2
50 Vgl. Weiß, S. 57
51 Siehe Weiß, S. 22
52 Vgl. Weiß, S.139
53 Siehe Duveneck, S. 28
54 Ähnlich Weiß, S. 181
55 Vgl. Brenke, Wochenbericht des DIW 46/2010, S. 2
56 Siehe Statistisches Bundesamt, S. 49
57 Vgl. Information und Technik Nordrhein-Westfalen, S. 3
58 Als Beispiel kann die aktuelle Diskussion in den Medien zu bevorstehenden Schulschließungen in Sachsen-Anhalt dienen
59 Vgl. Statistisches Bundesamt, S. 24
60 Siehe Rombey, S. 3
61 Vgl. Hebborn in Bleckmann/ Durdel, S. 221
62 zu den Folgen sozialer Segregation: Siehe Baumheier/ Warsewa in Bleckmann/ Durdel, S. 8 f.
63 Siehe Allmendinger/ Gieseke/ Oberschachtsiek, S. 8
64 Vgl. Allmendinger/ Gieseke/ Oberschachtsiek , S. 4
65 Siehe Allmendinger/ Gieseke/ Oberschachtsiek , S. 11
66 Vgl. Deutscher Verein 2009, S. 2
67 Eigene Darstellung
68 Siehe Kaehlbrandt/ Lohre, S. 88
69 Ähnlich Oelkers in Bleckmann/Schmidt S. 39
70 Vgl. DKJS, S. 14
71 Vgl. Europäische Kommission, S. 9
72 BT-Drs. 15/6014, S. 83
73 Vgl. BT-Drs. 15/6014, S. 82
74 Siehe Weiß, S. 29
75 Vgl. Europäische Kommission, S. 9
76 Siehe Europäische Kommission, S. 9
77 Vgl. Bundesjugendkuratorium in Münchmeier /Otto/Rabe-Kleberg, S. 5
78 Siehe Weiß, S. 29
79 Siehe Europäische Kommission, S. 9
80 Vgl. Tibussek in Bleckmann/Durdel, S. 216
81 Siehe Weiß, S. 35
82 Eigene Darstellung
83 Nach Auskunft des Amtes für Bildung: Lösungsquote von Ausbildungsverträgen 2011 in Niedersachsen 21,5 %; im Landkreis Osterholz 11 %
84 Vgl. Tibussek / Riedt in Bleckmann/Durdel, S. 135
85 für eine detaillierte Definition des Begriffs „Kommunale Bildungslandschaft“: Vgl. Bleckmann/ Durdel in Bleckmann/Durdel, S. 12
86 Siehe Weiß, S. 13
87 Vgl. Weiß, schulheft 62/1991, S. 8
88 Siehe Weiß, schulheft 62/1991, S. 9
89 Vgl. KGST Bericht Nr.1/1996, S. 8
90 Siehe KGST Bericht Nr. 1/1996, S. 8
91 Vgl. KGST Bericht Nr. 1/1996, S. 8
92 Vgl. Bildungskomission NRW S. 151 ff.
93 Siehe Kühnlein in Kruse/ Kohlmeyer/ Paul-Kohlhoff/ Kühnlein/Weigele/Wende, S. 38
94 Siehe Kohler, S. 16
95 Vgl. http://www.timss.mpg.de/ TIMMS 3 Ergebnisse Nationale Befunde^ Fähigkeitsniveaus im Mathematik- und Physikunterricht)
96 Siehe Kohler, S. 17
97 Vgl. Bastian/ Rolff 2, S. 2
98 Zum Bildungsbüro Herford: http://www.kreis-herford.de/index.phtml?NavID=393.562
99 So geschehen in Herford: Siehe Bastian/Rolff S. 54
100 Vgl. Bastian/ Rolff S. 52
101 Vgl. Bastian/ Rolff S. 52
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