Hannah Arendt, die große politische Theoretikerin des 20. Jahrhunderts, ist vor allem berühmt durch ihre Analyse des Totalitarismus. Außerdem verfasste sie bedeutende Schriften unter anderem von Macht und Gewalt, vom tätigen Leben, über Revolutionen sowie über den Prozess von Adolf Eichmann. Sie selbst wollte nicht für die Menschen aller Zeiten sprechen, sondern sie war bemüht, sich mit politischer Theorie auf der Grundlage der Entwicklungen ihrer Zeit zu beschäftigen. So wandte sie sich immer wieder aktuellen Themen zu und ließ ihre persönliche Theorie insofern einfließen, was Politik sei und wie sie funktionieren müsse. Mit genauen Blicken auf die Geschichte und vor allem auf den Menschen darin, entwickelte sie auch auf der Basis verschiedener philosophischer Theorien, wie zum Beispiel von Aristoteles, Immanuel Kant, Karl Jaspers, Martin Heidegger sowie Thomas Hobbes, John Locke und Montesquieu eine eigene Begriffswelt über die Politik. Angefangen beim Denken, Handeln und Sprechen, über Revolution und die Unterscheidung von Macht und Gewalt stellt sie ein neue Ordnung vor und warnt vor gefährlichen Entwicklungen in die Gegenrichtung. Ihr wohl bekanntestes und auch gleichzeitig umstrittenstes Werk erschien in Amerika erstmals 1951 unter dem Titel The Origins of the Totalitarism, wurde dann in den darauf folgenden Auflagen immer wieder geändert und erst 1955 in deutscher Sprache unter dem Titel "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" veröffentlicht. Der wichtige Essay über "Ideologie und Terror: eine neue Staatsform", wurde erst 1958 hinzugefügt. Um eben diesen Essay soll es in der vorliegenden Arbeit gehen. Es soll versucht werden, „...das wesentlich Neue, das nämlich, was diese Herrschaft wirklich zu einer totalen Beherrschung macht, in den Blick zu bekommen.“ Das Hauptaugenmerk hierbei liegt auf dem Zusammenhang zwischen Ideologie und ihrer Rolle im Hinblick auf das Neue, die totale Herrschaft...
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Die Rolle der Ideologie in der totalen Herrschaft
II.1. Entstehung und Elemente der totalen Herrschaft
II.2. Bedeutung der Ideologie und des Terrors in der totalen Herrschaft
II.2.1 Totale Ideologie
II.2.2 Totaler Terror
II.3 „Traditioneller“ Antisemitismus und seine Veränderung durch Ideologisierung
II.4 Präparierung des Menschen durch und im Sinne der Ideologie
II.5 Ideologie wird zur Wirklichkeit
II.6 „Vermassung“ des Menschen
III. Schlussbetrachtung
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Hannah Arendt, die große politische Theoretikerin des 20. Jahrhunderts, ist vor allem berühmt durch ihre Analyse des Totalitarismus. Außerdem verfasste sie bedeutende Schriften unter anderem von Macht und Gewalt, vom tätigen Leben, über Revolutionen sowie über den Prozess von Adolf Eichmann. Sie selbst wollte nicht für die Menschen aller Zeiten sprechen,[1] sondern sie war bemüht, sich mit politischer Theorie auf der Grundlage der Entwicklungen ihrer Zeit zu beschäftigen. So wandte sie sich immer wieder aktuellen Themen zu und ließ ihre persönliche Theorie insofern einfließen, was Politik sei und wie sie funktionieren müsse. Mit genauen Blicken auf die Geschichte und vor allem auf den Menschen darin, entwickelte sie auch auf der Basis verschiedener philosophischer Theorien, wie zum Beispiel von Aristoteles, Immanuel Kant, Karl Jaspers, Martin Heidegger sowie Thomas Hobbes, John Locke und Montesquieu eine eigene Begriffswelt über die Politik. Angefangen beim Denken, Handeln und Sprechen, über Revolution und die Unterscheidung von Macht und Gewalt stellt sie ein neue Ordnung vor und warnt vor gefährlichen Entwicklungen in die Gegenrichtung. Ihr wohl bekanntestes und auch gleichzeitig umstrittenstes Werk erschien in Amerika erstmals 1951 unter dem Titel The Origins of the Totalitarism, wurde dann in den darauf folgenden Auflagen immer wieder geändert und erst 1955 in deutscher Sprache unter dem Titel "Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft" veröffentlicht. Der wichtige Essay über "Ideologie und Terror: eine neue Staatsform", wurde erst 1958 hinzugefügt. Um eben diesen Essay soll es in der vorliegenden Arbeit gehen. Es soll versucht werden, „...das wesentlich Neue, das nämlich, was diese Herrschaft wirklich zu einer totalen Beherrschung macht, in den Blick zu bekommen.“[2] Das Hauptaugenmerk hierbei liegt auf dem Zusammenhang zwischen Ideologie und ihrer Rolle im Hinblick auf das Neue, die totale Herrschaft. Hannah Arendt versucht aufzuzeigen, dass dieses „Neue“ „so wenig...aus seinen Elementen und Ursprüngen...zu erklären ist“[3], wie andere geschichtliche Ereignisse. Arendt bemüht sich also, den „Aberglaube an Kausalitätszusammenhänge“[4] anhand der Geschehnisse und Erfahrungen zu zeigen.
II. Die Rolle der Ideologie in der totalen Herrschaft
II.1. Entstehung und Elemente der totalen Herrschaft
Hannah Arendt versucht zunächst die Erscheinungsform der totalen Herrschaft in die Linie der uns bekannten Staatsformen politischer Unterdrückung,“...die uns als Despotie, Tyrannis und Diktatur aus Vergangenheit und Gegenwart...“[5] bekannt sind, einzuordnen. Im Verlauf der Geschichte und der politischen Philosophie sind schon sehr zeitig die Unterscheidungen der jeweiligen Staatsformen nach Aristoteles entwickelt worden. Ein Indikator für diese herkömmlichen Staatsformen sind menschliche Erfahrungen. Wenn man nun von einer gänzlich neuen Staatsform, was Hannah Arendt in ihrem Essay darzulegen versucht, ohne bisherige Parallelen ausgeht, gibt es verschiedene Indikatoren für den Faktor „neu“. Arendt beginnt ihre Betrachtungen zur „...Originalität totalitärer Herrschaft...“ zunächst bei den „...Verbrechen dieser Systeme...“[6] Und für Arendt ist die „fabrikmäßige“ Ermordung „lebensuntauglicher und minderwertiger Rassen und Individuen“ im Naziregime ein Novum in der Geschichte der Verbrechen egal welcher bisher bekannten Staatsform.[7] Dies ist aber eine grausame Folge und auch Konsequenz der totalen Herrschaft. Es stellt sich aber die Frage nach dem wesentlich Neuen, “...was diese Herrschaft wirklich zu einer totalen Beherrschung macht...“[8] und wie es zu den oben erwähnten Konsequenzen überhaupt kommen kann. Das wesentlich Neue, die „Elemente“ für Hannah Arendt sind die „...ganz neuartigen Formen von „Ideologie“ und Terror...“[9] Alle ideologischen Ziele und Terrormethoden verdichten sich in Terrorinstitutionen, die nach Hannah Arendt als „Modell und richtunggebendes Gesellschaftsideal“ des Totalitarismus verstanden werden müssen.[10]
II.2. Bedeutung der Ideologie und des Terrors in der totalen Herrschaft
II.2.1 Totale Ideologie
Die Ideologie ermöglicht dem totalitär werdenden Staat seine von der Geschichte für ihn vorgesehene Rolle wahrzunehmen.[11] Aber zuerst sollte man fragen,“...was sind die Hauptmerkmale von totalitären Ideologien und was unterscheidet ...die totalitäre Terrorpraxis...von früheren Formen des Terrors?“[12] Die Ideologien der totalitären Bewegungen sind gekennzeichnet durch ihren
Absolutheitsanspruch. Für Hannah Arendt ist Ideologie eine „...bestimmte Art zu denken, eine Art, die sich jeglicher Auseinandersetzung mit der Welt verschließt...“[13] Sie ist vielmehr ein Instrument, um Prozesse und Ereignisse zu berechnen. Die Ideologie beinhaltet eine Logik, die von allen äußeren Faktoren unabhängig ist. In der totalitären Bewegung spielt die Ideologie eine wichtige Rolle, ihnen können drei spezifisch totalitäre Elemente zugeordnet werden.[14] Das erste Element totalitärer Ideologie bezieht sich auf den Anspruch totaler Welterklärung. Sie schließen andere Deutungsmuster rigoros aus und wollen erklären, was wird, was entsteht und vergeht. Das Bewegte, also Geschichte im eigentlichen Sinn ist in den Mittelpunkt gerückt. Auch wenn sich Ideologien, wie z. B. der Rassismus, mit biologischer Natur beschäftigt, wird auch dieses Prinzip nur im großen Zusammenhang der Geschichte gesehen.[15]
Anschließend an das erste Element totalitärer Ideologien, ist „...ideologisches Denken unabhängig von aller Erfahrung...“[16], auch wenn diese eben erst entstanden sein sollte. Die ideologische Schulung übernimmt hier eine Funktion des sechsten Sinns, da ja alle anderen fünf Sinne des Menschen durch Erfahrungsunabhängigkeit überflüssig sind.
„Ein unüberbrückbarer Freund-Feind-Gegensatz“[17] ist das dritte Element totalitärer Ideologie. Die von jeglicher Erfahrung unabhängige Welt wird radikal in „Freund“ und „Feind“ aufgeteilt. Die Feind-Gruppe ist weniger durch ihr „Tun“ als durch ihr soziales oder biologisches „Sein“ zu bestimmen.[18] Diese abstrakte Einteilung von Gut und Böse ist aber nur in der intellektuellen Denkwelt so vorzufinden. Um jedoch die „Masse“ propagandistisch auf diesen Freund-Feind-Gegensatz vorzubereiten, müssen Hass und Angstgefühle geschürt werden, die dann in Form von Gewalt planbar gemacht wird. Durch die Vermischung von uralten heilsgeschichtlichen Elementen und Verwissenschaftlichung und Massenbewegung als spezifisch moderne Motive kann man hier von einer Art „Religionsersatz“ sprechen[19]
II.2.2 Totaler Terror
„Terror“ im Verständnis von Hannah Arendt bedeutet eine von Handlungen und Überzeugung der zu Unterdrückenden unabhängige Gewaltpraxis ausgehend von den Sonderexekutivapparaten des jeweiligen Regimes. Der Terror vollstreckt die zwingend logischen Gesetze im Sinne der Ideologie. Er „...scheidet die Individuen aus um der Gattung willen, opfert Menschen um der Menschheit Willen...“[20] Er macht sozusagen aus der Menschheit einen Menschen und vernichtet alles Leben und Denken, dass nach der Ideologie nicht zu diesem einen Menschen gehört. Menschliche Kommunikation stirbt und wird durch ein eisernes Band ersetzt, dass alle Zwischenräume, genauer den Raum der Freiheit, zerdrückt, bis nur noch ein großes Ganzes, ein Mensch als eine Masse übrig ist. Die Ideologie übernimmt hierbei dann die Aufgabe jeden noch einzelnen Menschen auf den durch Terror organisierten Marsch, die totalitäre Bewegung, vorzubereiten.[21] Um diese Bewegung zu bewahren, müssen immer neue "objektive Gegner" des notwendigen Geschichts- bzw. Naturprozesses gefunden und ausgemerzt werden. Die totale Herrschaft in den Augen Arendts ist sozusagen eine Art Perpetuum mobile, das Menschen als handelnde Wesen überflüssig macht und sie nur als bloßes Rohmaterial für die zwangsläufigen Prozesse dienen.
[...]
[1] Hefti, Sebastian: Zwischen Welt Sprache. Denkbilder und Hannah Arendts Schreibwerkstatt, in: Arnold, Heinz L. (Hg.): Text+Kritik. Zeitschrift für Literatur. Hannah Arendt, Heft 166/167, München 2005, S. 114
[2] Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1986, S. 705.
[3] Arendt, EuU, S. 705.
[4] Schindler, Roland W.: Geglückte Zeit – gestundete Zeit. Hannah Arendts Kritik der Moderne, Frankfurt a. Main \ New York, 1995, S.52.
[5] zit. Arendt, EuU, S. 703.
[6] zit. Arendt, EuU, S. 704.
[7] Vgl. Arendt, EuU, S. 704.
[8] Zit. Arendt, EuU, S. 705.
[9] Zit. Pohlmann, Friedrich: Marxismus-Leninismus-Kommunismus-Faschismus. Aufsätze zur Ideologie und Herrschaftsstruktur der totalitären Diktaturen, Pfaffenweiler 1995, S. 160.
[10] Vgl. Pohlmann: Marxismus- , S.161.
[11] Vgl. Braun, Martin: Hannah Arendts transzendentaler Tätigkeitsbegriff: systematische Rekonstruktion ihrer politischen Philosophie im Blick auf Jaspers und Heidegger, Frankfurt a. M. 1994, S. 194.
[12] Zit. Pohlmann: Marxismus-, S. 161.
[13] Zit. Schulze-Wessel, Julia: Ideologie der Sachlichkeit. Hannah Arendts politische Theorie des Antisemitismus, Frankfurt a. M. 2006, S. 109.
[14] Vgl. Arendt: EuU, S. 718.
[15] Vgl. Arendt, EuU, S. 718.
[16] Zit. Arendt, EuU, S. 719.
[17] Zit. Pohlmann, Marxismus-, S. 133.
[18] Vgl. Pohlmann, Marxismus-, S. 133.
[19] Vgl. Pohlmann, Marxismus-, S. 134.
[20] Zit. Arendt, EuU, S. 712.
[21] Zit. Arendt, EuU, S. 723.
- Citation du texte
- Tanja Stich (Auteur), 2008, Die Rolle der Ideologie in der totalen Herrschaft nach Hannah Arendt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111772
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