Inhaltsverzeichnis
1. "Die schlimmste Zeit meines Lebens"
2. Der rechtliche Rahmen
a) Hessisches Lehrerbildungsgesetz
b) Umsetzungsverordnung (UVO)
c) Auslegung des AfL
d) Konsequenzen aus den Rahmenbedingungen
3. Nachgefragt
a) Quantitative Befragung
b) Fragebogen
c) Auswertung
d) Fehlerabschätzung
4. Die UVO - Realität
a) Wo gibt es Ressourcen?
b) Wo herrscht Übereinstimmung zwischen Soll- und Ist-Zustand?
c) Wo entsteht Überforderung?
5. Was nun? Pädagogische Konsequenzen!
a) Hessisches Lehrerbildungsgesetz
b) Umsetzungsverordnung (UVO)
c) Auslegung des AfL
d) Schulischer Einsatz
e) Mitplanungsrecht
6. Anhänge
1. "Die schlimmste Zeit meines Lebens"
1999: "Die schlimmste Zeit meines Lebens. Das Leiden am Referendariat"1
2001: "Ja, es war die schlimmste Zeit meines Lebens"2
2004: "Die Referendarzeit ist die schlimmste Zeit meines Lebens"3
2007: Lehrer im Referendariat: "Die schlimmste Zeit meines Lebens"4
In der Süddeutschen Zeitung war im Januar dieses Jahres ein Artikel zu lesen, der mich bestärkt hat, mich mit dem Thema "Überforderung der Referendare - subjektives Empfinden oder objektiv messbar" intensiver zu befassen. Dort standen Zitate wie "Die schlimmste Zeit meines Lebens", "Der Personalrat begrüßte die Neuankömmlinge mit dem Satz: 'Wir sind das Studienseminar in Niedersachsen mit der höchsten Selbstmordrate.'" und "Susanne [...] ist 'nur froh, vom Studienseminar weg zu sein'". Erschreckend war für mich in erster Linie, dass es sich keineswegs um eine neue Erkenntnis handelt und dass darüber hinaus die neue Ausbildungsverordnung nach Meinung vieler heutiger Referendare5 das Problem eher verschärft hat. Ist hier also eine Chance zur Verbesserung der Situation der Referendare vertan worden? Allen Artikeln, die ich zu dem Thema gefunden habe, ist eine qualitative Datenbasis mit sehr kleinen Fallzahlen (meist 1) gemeinsam.
Neben der psychischen Belastung durch die extreme Abhängigkeit von verschiedensten Menschen bei minimaler Transparenz wird in Gesprächen auch immer die zeitliche Überforderung genannt. Letzteres Problem ist leichter zu evaluieren (quantitativ) und emotional einfacher zu diskutieren. In dieser Arbeit soll daher die These der zeitlichen Überforderung vor dem Hintergrund einer größer angelegten (quantitativ orientierten) Arbeitszeiterfassung überprüft werden. Zur Weiterentwicklung eines Konzeptes wie der modularisierten Lehrerbildung ist es notwendig, einen (möglichst objektiven) Überblick über die Momentansituation zu erhalten, um Potentiale und Problemfelder überhaupt eruieren zu können.
2. Der rechtlichen Rahmen
a) Hessisches Lehrerbildungsgesetz
"VIERTER TEIL
Pädagogische Ausbildung Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen
[...] § 38 Dauer und Gliederung der Pädagogischen Ausbildung
(1) Die Pädagogische Ausbildung dauert 24 Monate. Sie beginnt zum jeweils 1. Februar oder 1. August eines Jahres. Sie gliedert sich in vier Semester von je sechs Monaten Dauer, und zwar in
1. das Einführungssemester,
2. zwei Hauptsemester und
3. das Prüfungssemester.
(2) Die Pädagogische Ausbildung wird inhaltlich und organisatorisch in Pflicht- und Wahlpflichtmodulen strukturiert. Module sollen die Vergleichbarkeit, Gleichwertigkeit und Überprüfbarkeit von Ausbildungsinhalten des Vorbereitungsdienstes gewährleisten. Sie bestehen aus inhaltlich und zeitlich aufeinander bezogenen Ausbildungsinhalten und sollen Praxishilfen geben und dazu anleiten, Theorie und Praxis in ihrer Verknüpfung zu reflektieren. Zur Pädagogischen Ausbildung gehören für jedes Fach und jede Fachrichtung mehrere in Module integrierte Unterrichtsbesuche, die die Kontinuität der Beratung und den Prozesscharakter der Ausbildung sichern.
(3) Die Arbeitsplanungen der Studienseminare beschreiben im Rahmen der Vorgaben der Rechtsverordnung die Gestaltung der Pflicht- und Wahlpflichtmodule nach Inhalten, Zielen, Methoden, Arbeitsaufwand und Leistungspunkten und entwickeln darauf bezogene Leistungsnachweise. [...]"6
Das Hessische Lehrerbildungsgesetz macht keinerlei Angaben zum zu erwartenden Workload und überlässt die gesamte Ausgestaltung dem Amt für Lehrerbildung bzw. den Studienseminaren selbst. Diese haben dann unter enormem Zeitdruck auf der Basis der Ausbildung nach APVO7 ein Modulkonzept entwickelt, das dann vom AfL8 für alle Studienseminare verpflichtend als Umsetzungsverordnung in Kraft gesetzt wurde. In dieser Umsetzungs- verordnung9 (kurz UVO) werden dann zum ersten Mal Aussagen über Workload und Workloadverteilungen gemacht.
b) Verordnung zur Umsetzung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes
In § 40 der Verordnung zur Umsetzung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes finden sich erste Hinweise auf das zu erbringende Workload.
"§ 40 Umfang
(1) Der Gesamtumfang der Pädagogischen Ausbildung für die Lehrkraft im Vorbereitungsdienst beträgt in 24 Monaten 3 600 Zeitstunden. Davon entfallen 720 Zeitstunden auf bewertete Pflicht- und Wahlpflichtmodule und 360 Zeitstunden auf nicht bewertete Pflicht- und Wahlpflichtmodule, insgesamt 1 080 Zeitstunden auf die Module nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 und 2. Auf die unterrichtspraktische Ausbildung entfallen 2 520 Zeitstunden für Hospitationen, angeleiteten Unterricht, eigenverantworteten Unterricht einschließlich Planung und Nachbereitung sowie für schulische Veranstaltungen nach § 41 Abs. 1 Nr. 5 bis 8. Die Lehrkraft im Vorbereitungsdienst hat an allen verbindlichen Veranstaltungen nach § 41 Abs. 1 teilzunehmen.
[...]
(3) Zur schulpraktischen Ausbildung der Lehrkraft im Vorbereitungsdienst gehört der Ausbildungsunterricht in Form von Hospitationen, angeleitetem Unterricht und eigenverantwortetem Unterricht.
Der Ausbildungsunterricht umfasst
1. im Einführungssemester zehn Wochenstunden oder deren Entsprechung in der jeweiligen Schulform, abzuleisten in Hospitationen und angeleitetem Unterricht,
2. in den zwei Hauptsemestern je sechzehn Wochenstunden, abzuleisten in zehn bis zwölf Wochenstunden eigenverantwortetem Unterricht und vier bis sechs Wochenstunden Hospitationen und angeleitetem Unterricht,
3. im Prüfungssemester zwölf Wochenstunden oder deren Entsprechung in der jeweiligen Schulform, abzuleisten in sechs bis acht Wochenstunden eigenverantwortetem Unterricht und vier bis sechs Wochenstunden Hospitationen und angeleitetem Unterricht.
[..]
(8) Die Lehrkraft im Vorbereitungsdienst soll nur in begründetem Ausnahmefall zu Vertretungsstunden herangezogen werden. Dabei ist darauf zu achten, dass ein Einsatz in der Regel nur in den Lerngruppen stattfindet, in denen sie unterrichtet.
§ 41 Veranstaltungen
(1) Die Pädagogische Ausbildung erfolgt in
1. bewerteten und nicht bewerteten Pflicht- und Wahlpflichtmodulen am Studienseminar, die auch in Blockform durchgeführt werden können,
2. gegebenenfalls gemeinsamen Pflicht- und Wahlpflichtmodulen mit anderen Studienseminaren, den Universitäten, Kunst- und Musikhochschulen und anderen Trägern staatlicher Lehrerbildung oder vom Amt für Lehrerbildung als gleichwertig anerkannten Pflicht- und Wahlpflichtmodulen von Universitäten oder anderen Trägern der Lehrerbildung,
3. mindestens zwölf Unterrichtsbesuchen mit Unterrichtsberatungen innerhalb der Module durch die zuständigen Ausbilderinnen und Ausbilder unter Berücksichtigung der Unterrichtsfächer, Lernbereiche, Aufgabenbereiche oder Fachrichtungen, in denen die Lehrkraft im Vorbereitungsdienst ausgebildet wird,
4. Beratungen durch Ausbilderinnen und Ausbilder,
5. Hospitationen,
6. angeleitetem Unterricht,
7. eigenverantwortetem Unterricht der Lehrkraft im Vorbereitungsdienst,
8. schulischen Veranstaltungen außerhalb des Unterrichts wie Gesamt- und Teilkonferenzen, Elternabenden und Elternbesuchen, Wandertagen, Studienfahrten und Sportveranstaltungen, kulturellen Veranstaltungen und besonderen Projekten. [...]
§ 42 Module
(1) Die Pädagogische Ausbildung am Studienseminar erfolgt nach § 38 Abs. 2 und 3 des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes in neun bewerteten Pflichtmodulen, drei bewerteten Wahlpflichtmodulen und weiteren von jedem Studienseminar in seiner Arbeitsplanung festgelegten nicht bewerteten Pflicht- und Wahlpflichtmodulen.
[...]
(3) Nicht bewertete Pflicht- und Wahlpflichtmodule werden von den einzelnen Studienseminaren festgelegt. Sie enthalten auch Angebote zur Kompensation, Spezialisierung und Profilbildung.
(4) Maßgröße für den Ausbildungsaufwand der Lehrkraft im Vorbereitungsdienst in den Modulen, orientiert am European Credit Transfer System (ECTS), sind die Leistungspunkte. Ein Leistungspunkt entspricht einem Arbeitsaufwand von insgesamt 30 Zeitstunden. Der Ausbildungsaufwand für jedes bewertete Pflicht- und Wahlpflichtmodul beträgt 60 Zeitstunden, wofür jeweils zwei Leistungspunkte (ECTS) vergeben werden. Der Ausbildungsaufwand beinhaltet Vorbereitungszeit, Anwesenheitszeit und Nachbereitungszeit für eine Veranstaltung. Hierzu gehören auch die Vorbereitung von Unterrichtsbesuchen und die Unterrichtsberatungen.
[...]
3. insgesamt sechs Pflichtmodule zum Kompetenzbereich Unterrichten. Davon bezieht sich je ein Modul auf den Schwerpunkt "Lernprozesse in den Unterrichtsfächern beobachten und nach schulformbezogenen Prinzipien gestalten" und "Lernprozesse in den Unterrichtsfächern professionell nach schulformbezogenen Prinzipien, nach Prinzipien der inneren Differenzierung und individuellen Förderung und fachübergreifenden oder Fächer verbindenden Elementen gestalten". Beide Module können lehramtsübergreifend angeboten werden. Die anderen vier Pflichtmodule beziehen sich auf die im Kerncurriculum nach Abs. 2 festgelegten Inhalte. Dabei richten sich
[...]
d) für das Lehramt an Gymnasien je zwei Module auf die beiden Unterrichtsfächer der Lehrkraft im Vorbereitungsdienst [...]"
In dieser Verordnung sind nun schon einige Angaben zum Workload konkret gefasst. Das Gesamtworkload von 3600 Stunden ist den ECTS-Vorgaben für ein Vollzeitstudium (maximal 900 Zeitstunden pro Semester)10 entnommen und ist auch fast identisch mit der Jahresarbeitszeit von rund 1830 Stunden, die hessische Beamte im öffentlichen Dienst ableisten11. Besonders der Teil des Workloads, der in den Modulen abzuleisten ist, wird hier klar definiert: 720 Stunden für bewertete Module + 360 Stunden für unbewertete Module = 1.080 Stunden modularisierte Ausbildung.
Der größere Teil des Workloads, die 2520 Stunden, die an den Ausbildungs- schulen abzuleisten sind, werden hier nur kategorial gefasst:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die in dieser Tabelle zusammengefassten Informationen sind die einzige Grundlage für die Berechnung von 2520 Stunden Workload. Siebzig Prozent des zu erbringenden Workloads sind nicht näher definiert und auch nicht genauer geplant. Hier soll bewusst ein Freiraum für die Ausgestaltung eingeräumt werden.12
c) Auslegung des hessischen Amtes für Lehrerbildung
Auf dieser Basis hat das AfL ein Strukturmodell für den modularisierten Teil der Ausbildung und Vorgaben für die Anrechnung des Workloads entwickelt. Alle Module (die seminarintern gestalteten Module M1, M4, M5, M16 folgen im Bereich des Studienseminars Fulda dem Beispiel der Module, die vom AfL vorgegeben sind) haben 2 ECTS Punkte (werden in der Praxis immer mit "2
ECTS" abgekürzt), d.h. jedes Modul ist mit einem Workload von 60 Stunden in die Planung eingegangen. Diese 60 Stunden wurden nun weiter ausdifferenziert:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten13
Die Fachmodule (so werde ich im Folgenden die Pflichtmodule zum Kompetenzbereich Unterrichten nach § 42 Abs. 7 Nr. 3d) der UVO nennen) wurden in Absprache mit den Fachkonferenzen individuell ausgestaltet. Ihnen ist nur gemeinsam, dass sie im Einführungs- und Prüfungssemester je 1 ECTS (30 Stunden Workload) und in den Hauptsemestern je 2 ECTS (60 Stunden Workload) haben. Die Präsenzzeiten und andere in den Modulbeschreibungen explizit definierte Zeiten (für Präsentationen, Vor- und Nachbereitungen etc.) schwanken sehr stark und sind daher nicht einfach und übersichtlich wiederzugeben.
d) Konsequenzen aus den Rahmenbedingungen
Die Definition der Fachmodule steht teilweise im Widerspruch zu § 42 Art. 4 ("Der Ausbildungsaufwand für jedes bewertete Pflicht- und Wahlpflichtmodul beträgt 60 Zeitstunden, wofür jeweils zwei Leistungspunkte (ECTS) vergeben werden"). Dieser Widerspruch ist leider zu spät erkannt worden. Im Strukturmodell (Anhang I) wurde versucht eine pragmatische Lösung für das Problem zu finden. So sind aus den je zwei Fachmodulen im Einführungs- und im Prüfungssemester Doppelmodule geworden, die zusammen wieder 2 ECTS haben. Was das für die Berechnung der Gesamtnote bedeutet, ist weiterhin unklar14.
Völlig vergessen wurde bei der Planung, dass die schriftliche Arbeit nicht mehr wie im Rahmen der APVO automatisch in den Bereich Unterrichtsvorbereitung fällt. "Die schriftliche Arbeit dient der Feststellung, ob die Lehrkraft im Vorbereitungsdienst fähig ist, die in einem schulischen Sachverhalt enthaltenen oder durch ein Thema bestimmten pädagogischen Probleme [...] zu erfassen und aufgrund erziehungs- und gesellschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse und Arbeitsweisen einen Vorschlag für die pädagogische Problemlösung zu erarbeiten."15 Hier ist Unterricht nur ein mögliches Arbeitsfeld von vielen. Nach der Logik der modularisierten Ausbildung gehört die schriftliche Arbeit daher in den Bereich der Module. Gleiches gilt für die Vorbereitung und Durchführung der Lehrproben und der mündlichen Prüfung. Sie einfach unreflektiert und zeitlich ungewichtet in den großen Topf der 2520 Stunden Ausbildung an der Schule zu stecken ist fahrlässig.
Auch die synonyme Verwendung der Begriffe "Unterrichtsbesuch"16 und "Praxisbesuch"17, die eigentlich unterschiedlich konnotiert sind, trägt hier nicht zur Transparenz bei.18
Das Strukturmodell
Das Strukturmodell schreibt auch eine Verteilung der Module auf die Ausbildungssemester vor. Dabei ist keineswegs auf eine Gleichverteilung des Workloads geachtet worden. Im Gegenteil: Die Hauptsemester mit einer hohen schulischen Belastung durch eigenverantworteten Unterricht sind auch Semester mit hoher Modulbelastung. Dies ist in folgendem Diagramm veranschaulicht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(ES steht für Einführungssemester, HS steht für Hauptsemester, PS steht für Prüfungssemester)
Ich bin bei der Erstellung des Diagramms von einer gleich bleibenden Belastung durch sonstige schulische Veranstaltungen (§ 41 Abs. 1 Nr. 8) ausgegangen, habe den zeitlichen Aufwand einer Hospitationsstunde zu einer eigenverantwortet gehaltenen Stunde vorsichtig mit 1:2 gewichtet und schriftliche Arbeit sowie Vorbereitung und Durchführung der Zweiten Staatsprüfung analog dem Strukturmodell19 im Anhang berücksichtigt. Schon in dieser noch recht groben Annäherung wird eine systembedingte zeitliche Überforderung der Referendare im ersten und zweiten Hauptsemester deutlich. Das Workload geht weit über das geplante und erlaubte Maß von 900 Stunden pro Semester hinaus. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch diese 900 Stunden bereits der Maximalwert der ECTS-Skala für Vollzeitstudien ist. "Das Arbeitspensum von Studierenden im Rahmen eines Vollzeit-Studiengangs beträgt in Europa in den meisten Fällen ca. 1.500-1.800 Stunden pro Jahr; in diesen Fällen entspricht ein Credit 25-30 Arbeitsstunden."20 Um es noch einmal deutlich zu formulieren: Hierbei geht es nur um die rechtlichen Vorgaben, um die Sollzahlen. Das tatsächliche Workload der
3. Nachgefragt
Wie bereits erwähnt, geht es mir darum, die Diskussion durch nachprüfbare Daten in produktive Bahnen zu lenken und zu versachlichen.
a) Quantitative Befragung
Sicherlich ist ein weiterer großer Bereich mit Forschungsbedarf die emotionale Überforderung der Referendare durch Enge, Gängelung, Abhängigkeit, Intransparenz etc., ich will mich jedoch in dieser Arbeit auf die quantitative Analyse des Workloads beschränken. Aus dem breiten Spektrum der verschiedenen Sozialforschungsmethoden (Befragungen, Gesprächsrunden, Moderationsmethode etc.) bietet sich thematisch und arbeitsökonomiscp21 zur Erfassung von individuellen Arbeitszeiten einer ganzen Personengruppe eine schriftliche Befragung an. Diese Methode eignet sich vor allem für relativ homogene Gruppen und ist zeit- und kostengünstig einzusetzen. Allerdings erfordert sie eine hohe Strukturierbarkeit der Befragungsinhalte22, die aber in diesem Fall gegeben ist. Durch die Modularisierung ist der Inhalt schon mit einer übergeordneten Struktur versehen. Ein Nachteil ist die unkontrollierte Erhebungssituation, die durch die dezentrale Befragungssituation entsteht. Diesen Nachteil muss ich allerdings aus organisatorischen Gründen in Kauf nehmen (es ist nicht möglich, alle Referendare gleichzeitig zu einer so differenzierten Arbeitszeiterfassung zu versammeln).
b) Fragebogen
Das Kategoriensystem muss keine vollständige Erfassung aller auftretenden Inhalte erlauben, sondern so differenziert sein, dass es alle interessierenden Bedeutungsdimensionen erfasst.23 Jede Kategorie muss aus einem einheitlichen Klassifikationsprinzip abgeleitet sein und die Kategorien müssen einander ausschließen (Prinzip der Ausschließlichkeit). Dies gilt in erster Linie für die Oberbegriffe, allerdings sollte es auch für die Unterkategorien gelten. Letzteres erwies sich als schwierig, da nicht trennscharf zu unterscheiden ist, ob eine Hausaufgabe zu "Vor- und Nachbereitung Modulsitzungen" oder zu "Vor- und Nachbereitung Hausarbeiten/Präsentationen" gehört. Daher werden diese beiden Kategorien prinzipiell nicht getrennt betrachtet. In Modulen, in denen deutlich zwischen den beiden Kategorien unterschieden werden kann, besteht die Möglichkeit der differenzierten Betrachtung. Werden diese beiden Unterkategorien zusammen betrachtet, ist das Prinzip der Eindeutigkeit weitgehend berücksichtigt. Durch die Einführung der Unterkategorie "Sonstiges" erfüllen die Kategorien auch die Forderung danach, "erschöpfend" zu sein, d.h. jeder interessierende Aspekt kann zugeordnet werden (Prinzip der Vollständigkeit)24.
Die Verwendung geschlossener Fragen erleichtert die Auswertung der Fragebögen erheblich. Sie haben einen höheren Grad an Objektivität, und es entfällt der Arbeitsaufwand für Kategorisierungs- und Kodierungsarbeiten.25 Alle Fragen sind (mit Ausnahme der nominalskalierten Fragen zu Wahlpflichtmodulnamen) rational skaliert (die Ausprägungen schließen sich aus, lassen sich in eine Rangfolge bringen und die Abstände zwischen den Ausprägungen sind äquidistant)26, dies bietet sich mit Blick auf eine Fehlerbetrachtung und auf die Idee der Mittelwertbildung an. Intervallskalen haben in diesem Bereich eine geringere Aussagekraft.
Die Arbeit an einer webbasierten, passwortgeschützten Lösung wurde aus arbeitsökonomischen Gründen eingestellt, und der klassische Fragebogen kam zum Einsatz.27
c) Auswertung
Die rechnergestützte Auswertung ist heute allgemeiner Standard. Ich habe die Fragebögen unter Verwendung einer selbstprogrammierten Eingabemaske in Microsoft Access28 eingegeben und die notwendigen Berechnungen durch ein Makro (Visual Basic Script) in Microsoft Excel ausführen lassen. Natürlich wurden an dieser Stelle auch die unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes Stunde berücksichtigt: Unterrichtsstunden in der Schule wurden mit 45 Minuten berechnet (dabei wird vernachlässigt, dass es an einigen Schulen einzelne Stunden mit nur 40 Minuten gibt). Damit wird nachträglich die Zähleinheit zu einer tatsächlichen Einheit, die sie in der Befragungssituation bezogen auf die Schule betreffende Fragen nicht war. Da der Begriff der Schulstunde aber allgemein verständlich ist und die Umrechnung auf Zeitstunden eher verwirrend gewirkt hätte, wurde dies erst nachträglich angeglichen.
[...]
1 Katzenbach, Dieter: Die schlimmste Zeit meines Lebens. Das Leiden am Referendariat: (wie) kann Supervision hier helfen? In: Pädagogik 10/99, Seite 49-53.
2 Frilling, Beate: Schwerpunkt Referendariat, In: blz - Die Mitgliederzeitschrift der GEW Berlin Nr. 06/2001.
3 Vgl. Evaluationsmethoden zur Evaluation der Seminarausbildung, Studienseminar Koblenz, 18.09.2004, Seite 1
4 Frank Gerstenberg, In: Süddeutsche Zeitung, 15.01.2007.
5 Ich verwende im Folgenden die Amtsbezeichnung (Studien-)Referendar.
6 Vgl. Hessisches Lehrerbildungsgesetz vom 29. November 2004 GVBl. l S. 330.
7 Vgl. Verordnung über die Pädagogische Ausbildung, die Zweite Staatsprüfung für die Lehrämter und die Prüfung zum Erwerb der Lehrbefähigung in arbeitstechnischen Fächern vom 6. Dez. 2001 (ABl. 2/02, S. 75-90 bzw. GVBl. 2001, S. 526-542).
8 AfL = Amt für Lehrerbildung.
9 Vgl. Verordnung zur Umsetzung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes (HLbG-UVO) vom 16. März 2005.
10 Vgl. http://ec.europa.eu/education/programmes/socrates/ects/index_de.html (Zugriff 03.07.2007).
11 365 Arbeitstage abzüglich 104 Samstage und Sonntage, abzüglich 10 Feiertage abzüglich 22 Urlaubstage ergeben 229 Nettoarbeitstage. Bei einer täglichen Arbeitszeit von 8 Stunden (Beamte) ergibt das 1832 Stunden.
12 telefonische Auskunft des Hessischen Kultusministeriums vom 30.11.2006.
13 ich beschränke mich auf die am Studienseminar Fulda angebotenen Wahlpflichtmodule.
14 vgl. HLbG §50 Art. 2.
15 Vgl. HLbG § 46.
16 Vgl. UVO § 41 Abs. 1 3. Abschnitt (Seite 5 dieses Textes).
17 Vgl. exemplarisch http://sts-gym-fulda.bildung.hessen.de/ausbildung/Einfuehrungssemester/M3/Modul_3.pdf (Zugriff 13.07.07, 19.03 Uhr).
18 Auf den Unterschied gehe ich an anderer Stelle der Arbeit ein.
19 Das Strukturmodell, das der Arbeit angehängt ist, wurde von mir im Rahmen meiner Tätigkeit in der Steuergruppe bearbeitet, dabei wurden diese Bereiche logisch verortet. Vgl. hierzu http://sts-gym-fulda.bildung.hessen.de/ausbildung/Strukturmodell.pdf (Zugriff 10.07.07, 23.20 Uhr).
20 Siehe http://ec.europa.eu/education/programmes/socrates/ects/index_de.html (Zugriff 13.07.07, 16.46 Uhr). Referendare liegt noch darüber, wie sich im Folgenden zeigen wird.
21 Bei nur 60 Stunden für die schriftliche Arbeit muss man sehr arbeitsökonomisch arbeiten.
22 Vgl. Bortz, Jürgen; Döring, Nicola: Forschungsmethoden und Evaluation - für Human- und Sozialwissenschaftler. Berlin: Springer-Verlag 2003, Seite 253ff.
24 Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: Walter de Gruyter 2000, Seite 43.
25 Vgl. Bortz, Jürgen; Döring, Nicola: Forschungsmethoden und Evaluation - für Human- und Sozialwissenschaftler. Berlin: Springer-Verlag 2003, Seite 254.
26 Vgl. Friedrichs, Jürgen: Methoden empirischer Sozialforschung. Opladen: Westdeutscher Verlag 1990, Seite 98ff.
27 Vgl. Anhang.
28 Siehe hierzu den Screenshot im Anhang.
- Citar trabajo
- Clemens Gross (Autor), 2007, Pädagogische Konsequenzen aus einer Arbeitszeiterfassung der LiV am Studienseminar für Gymnasien in Fulda, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111517
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