„Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland“
Von Heinz Laufer und Ursula Münch; 1. Auflage 1998 (unveränderter Nachdruck der 1. Auflage Juli 2006); VS-Verlag Wiesbaden
Das vorliegende Werk wird schon auf dem Buchcover als Lehrbuch des Verlags für Sozialwissenschaften beschrieben und verdeutlicht damit gleich zum Anfang dem wissenschaftlich interessierten Leser seinen Anspruch, hier grundsätzliches politikwissenschaftliches Wissen zu vermitteln, wofür es sich auch sehr gut eignet.
Dieses Einführungswerk in das föderative System der Bundesrepublik Deutschland wurde zum ersten Mal von Heinz Laufer 1973 unter denselben Namen von der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit veröffentlicht. Der Föderalismus-Experte und spätere Dekan des Geschwister-Scholl-Instituts in München aktualisierte es dann weiterhin bis 1991 in 5 weiteren Auflagen. Nach seinem Tod im Frühjahr 1996 fand sich in der wissenschaftlichen Mitarbeiterin bzw. wissenschaftlichen Assistentin Ursula Münch (derzeit Professorin für Innenpolitik und vergleichende Regierungslehre an der Universität der Bundeswehr München) eine „engagierte und wissenschaftlich ausgewiesene Autorin“1, die das Werk 1998 noch einmal im Bezug auf die Gestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, den Ausbau des Gesetzgebungsspielraums auf Länderebene und den Handlungsspielraum deutscher Länder in der Europäischen Union auf den neuesten Stand brachte. 2006 druckte der VS-Verlag für Sozialwissenschaften diese, als vorliegend behandelte Auflage, unverändert nach.
Das handliche Taschenbuch (472 Seiten) bietet in erster Linie eine solide Einführung in die Geschichte und Struktur des deutschen Föderalismus, gibt aber auch einen Einblick in die Finanzordnung sowie die Politikverflechtung im kooperativen Föderalismus. Bemerkenswert an diesem Werk ist der Umstand, dass der Leser ohne ein Vorwort von Heinz Laufer oder Ursula Münch in das Lehrbuch gezogen wird. Sie gehen weiterhin in Verlauf des Buches vorrangig objektiv und neutral vor, doch wird die affirmatorische Grundhaltung der beiden Verfasser zum Föderalismus im Buch immer deutlicher. Die Autoren2 beginnen zunächst im ersten Kapitel mit den wichtigsten Begriffsdefinitionen in der Föderalismusdiskussion, namentlich Föderalismus, Bundesstaat, Unitarisierung und Dezentralisierung. Die ver-wendete Kursivschrift macht die definierten Begriffe noch übersichtlicher.
Trotz ihrer hier klar verständlichen und nachvollziehbaren Definitionen lässt sich auch schnell ein grundsätzlich positives Grundbild der Autoren zum Föderalismus zeichnen, was die
Glaubwürdigkeit der Autoren ein wenig untergräbt und sich als roter Faden durch das ganze Buch zieht. Darauf komme ich später noch einmal zurück.
Im Anschluss an die Begrifflichkeiten werden die Vorteile und Nachteile föderativer Organisationen dargelegt. Ihrer Meinung nach begegnet der Föderalismus dem Bürger täglich, in verschiedensten Arten von Wirtschafts-, Sport- oder Kirchenverbänden und ist damit „kein abstraktes Prinzip, sondern eine konkrete Lebensform“(S. 33). Dabei ist aber zu beachten, dass viele Verbände oder Organisationen aufgrund der gängigen Finanzordnung von den Ländern finanziell abhängig sind und sich aufgrund dessen auch föderativ organisieren.
Die Autoren gestehen jedoch schnell ein, dass es von der subjektiven „Sichtweise des Betrachters“ abhängt (S. 34), ob manche Vorteile auch in Nachteile verkehrt werden könnten.
Im Kapitel Zwei folgt dann eine umfangreiche Beschreibung der historischen Entwicklung des Föderalismus in Deutschland, beginnend mit dem Rheinbund über den Verfassungsentwurf für einen Bundesstaat 1848/49, den Norddeutschen Bund, dem Deutschen Reich von 1871, der Weimarer Republik sowie der Zerschlagung der föderativen Ordnung unter dem NS-Regime. Dieser Teil wird von verschiedenen Auszügen aus einzelnen Verfassungen im Anhang begleitet.
Entsprechend der weiteren historischen Entwicklung folgt auf der einen Seite die Wiederentstehung der bundesstaatlichen Ordnung nach 1945 in den von Westmächten besetzten Gebieten, sowie den föderalistischen Ansätzen in der sowjetisch besetzten Zone mit der anschließenden Wiedervereinigung Deutschlands. Dabei verfallen die Autoren leider zu leicht in verhältnismäßig populistische Äußerung über die Auflösung der DDR („Das DDR-System erstarrte“; „erschütterten das System“; „lähmte die politische Funktionsfähigkeit“ S. 98), was ihrem bisherigen wissenschaftlichen Schreibstil nicht entspricht, wie es aber in der Nachwendeliteratur üblich war.
Nach den Begrifflichkeiten und der historischen Entwicklung beginnen nun die Autoren das bundesstaatliche System der BRD genauer zu durchleuchten. Im Kapitel Vier kommen sie auf ihren Kernsatz zurück, den sie bereits am Anfang des ersten Kapitels genannt haben: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“3
Sie gehen nun auf das Prinzip der grundgesetzlich festgelegten Bundesstaatlichkeit ein und behandeln im Anschluss daran die Rolle des Bundesverfassungsgerichts als Garant des Bundesstaates und als föderativer Konfliktschlichter, die Regeln bundesstaatlicher Politik sowie auf die Verteilung der Aufgaben im Bundesstaat.
Die weiteren Kapitel Fünf und Sechs befassen sich dann mit dem Bundesrat, zum einen als
Organ, zum anderen als Akteur im politischen Prozess, d.h. hauptsächlich in Gesetzgebung und Verwaltung. In der Darstellung der Zusammensetzung und Arbeitsweise des Bundesrates ist hier vor allem der behandelte Abschnitt 5.3. der internen Arbeitsweise des Bundesrates hervorzuheben, da er gewissermaßen mit dem bisherigen Lehrbuchcharakter bricht und ein Praxisbezug hergestellt wird.
Sehr umfassend wird im weiteren Verlauf auf die komplizierte Materie der Finanzordnung im deutschen Bundesstaat eingegangen. Negativ fällt vor allem in diesem Kapitel wie auch an anderen Stellen der schlechte Druck der Schaubilder auf. Gerade das Schaubild 9 (S. 213) hätte lesbar viel zur Verständlichkeit der Finanzordnung beigetragen.
Ein wichtiges Kapitel bildet im Anschluss die Politikverflechtung im kooperativen Föderalismus. In derselbigen spielt laut den Autoren das Parteiensystem eine tragende Rolle und wird dann mit den Strukturen der Parteien anderer föderalistischer Länder, wie der USA oder der Schweiz verglichen. Dies macht für den Leser vor allem die Wichtigkeit der historischen und politisch-gesellschaftlichen Grundlagen des Föderalismus in Deutschland deutlich.
Mit dem darauffolgenden Neunten Kapitel zu den deutschen Ländern in der Europäischen Union wird dem Leser eine gewisse Trotzhaltung der Autoren bewusst. Obwohl sie anmerken, dass Deutschland allein in seiner föderativen Tradition steht und das kämpfen der Deutschlands für eine bundesstaatliche europäische Ordnung für andere Länder sehr befremdlich wirkt (S. 301), fehlt an dieser Stelle ein übergreifendes Konzept, eine Idee um diese Diskrepanz zu überwinden. Sie beharren weiterhin auf der Übertragung der Föderalismus-Idee auf europäische Ebene.
Mit dem anschließenden Kapitel über die Möglichkeiten und Grenzen einer Reform des deutschen Bundesstaates beenden die Autoren auch ihr Einführungswerk. Sie gehen nochmals auf die Grundprobleme des Föderalismus in seiner weiteren Entwicklung, z.B. mit den finanziellen Schwierigkeiten der Wiedervereinigung ein und schließen ihr Buch mit der Auffassung, dass „der Föderalismus ein lebendiges Merkmal unserer staatlichen Ordnung bleibt und auch in Zukunft Daseinsberechtigung besitzt“(S. 347).
Im Anhang finden sich auf rund 100 Seiten umfassende empirische Daten zu den einzelnen Themen wieder, wie verschiedenen Verfassungstexte, die Frankfurter Dokumente, alle Grundgesetzänderungen von 1951-1996, die Geschäftsordnung des Bundesrates und anderen Dokumenten, welche die Benutzbarkeit dieses Werkes deutlich erhöhen. Dem gegenüberzustellen ist aber, dass oftmals in den Kapiteln selbst untermauernde empirische Daten fehlen4.
Dieses Lehrbuch lässt sich nach Abwägung aller Kritikpunkte als Einführung in den Föderalismus durchaus empfehlen. Es gilt aber immer beim Lesen dieses Werkes den persönlichen Hintergrund der Autoren nicht zu vergessen. Man kann davon ausgehen, dass aufgrund der chronologischen Konsequenz der Hauptteil der wertenden Aussagen, bzw. der stark subjektiven Kapitel von Ursula Münch stammen, namentlich das Europakapitel, die Reföderalisierung Deutschlands und das Kapitel über die Finanzordnung im deutschen Bundesstaat. Ursula Münch war vom 08.07.1999 bis zum 20.03.2002 Mitglied der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags "Reform des Föderalismus - Stärkung der Landesparlamente“5.
Wünschenswert wären weiterhin nicht nur die häufigen Aussagen bayerischer Staatsvertreter gewesen, sondern vor allem im Zuge der Diskussion um den Länderfinanzausgleich auch Meinungen von Politikern aus den finanzschwachen neuen Ländern mit einzubringen. Des Weiteren wäre eine neue Auflage dieses Werkes sehr wertvoll, da gerade jetzt nach der 1. Föderalismusreform und in Zeiten der Europäischen Union sich viel im politischen Ablauf geändert hat und in diesem Buch dargestellt werden kann. Insgesamt ein fundiert geschriebenes Einführungswerk, das Studenten wie politisch Interessierten einen Überblick über die Föderalismusdiskussion in Deutschland verschafft.
[...]
1 Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, Vorwort zur 7. neu bearbeiteten Auflage
2 Leider lässt sich nie erkennen, welcher der beiden Autoren für welches Kapitel zuständig war.
3 vgl. Art. 20 Abs.1 GG
4 S. 127 Der Gebrauch der Ermächtigungsklausel durch den Bund – hier wieder als Nachteil der Länder
5 Interessante Informationen liefert dazu die „Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Thema „Föderalismusreform“ am 15. Mai 2006“ von Frau Ursula Münch. Zu finden im Internet (Google-Suche à „Prof. Dr. Ursula Münch Stellungnahme“ à erstes Ergebnis; abgerufen am 19.12.2006)
- Citar trabajo
- Lutz Mache (Autor), 2006, Buchrezension „Das föderative System der Bundesrepublik Deutschland“, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111485
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