Die zentrale Fragestellung, welche im Rahmen dieser Arbeit bearbeitet wird, lautet wie folgt: "Wie können Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigung diese beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen?". Dabei wird außerdem herausgearbeitet, welche Instrumente es dafür gibt (sowohl innerhalb der Werkstatt für behinderte Menschen als auch außerhalb) und wie diese genutzt werden können.
In den folgenden Kapiteln wird es also darum gehen, wie Menschen mit Beeinträchtigung auf ihrem Weg hin zum allgemeinen Arbeitsmarkt begleitet werden können und welche Instrumente dabei zur Verfügung stehen. Dies beinhaltet sowohl die Vorbereitung in den Werkstätten für behinderte Menschen als auch die direkte Begleitung auf diesen. Des Weiteren wird analysiert, warum es in so vielen Fällen zu keinem (oder keinem langfristigen) Übergang kommt.
In Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes ist festgelegt, dass niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Die Realität sieht jedoch anders aus. Guckt man sich die Zahlen von Menschen mit Beeinträchtigungen an, welche in einem Unternehmen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt sind, so fällt die Benachteiligung dieser Menschen sofort auf. Zum Beispiel lag, laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit, die Beteiligung schwerbehinderter Menschen (im Alter von 15 bis 65 Jahren) im Jahr 2017 bei 49%, die Erwerbsquote der Bevölkerung insgesamt lag dabei mit 78,2 Prozent deutlich hö-her. Um diese Benachteiligungen (und weitere Benachteiligungen in anderen Lebensbereichen der betroffenen Personen) zu reduzieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten und Maßnahmen, welche Menschen mit Beeinträchtigung unterstützen sollen. Eine dieser Möglichkeiten sind die Werkstätten für behinderte Menschen, welche die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen sollen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die WfbM als Unterstützung für Menschen mit Beeinträchtigung
2.1 Geschichtliche Entwicklung derWfbM in Deutschland
2.2 Struktur einer WfbM
2.3 Rahmenbedingungen
2.4 Belegungszahlen derWerkstätten fürbehinderte Menschen
3. Instrumente und Ansätze zur Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
3.1 Leistungen im Arbeitsbereich derWerkstatt
3.1.1 Arbeitsbegleitende Maßnahmen
3.1.2 Ausflüge und Veranstaltungen
3.1.2 Weitere Maßnahmen zur Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
3.1.3 Außenarbeitsplätze
3.2 Leistungen nach erfolgtem Übergang aufden allgemeinen Arbeitsmarkt
3.2.1 Unterstützte Beschäftigung
3.2.2 Budget für Arbeit
3.2.3 Inklusionsbetriebe
3.2.4 Das Rückkehrrecht in die WfbM (§220, Abs.3 SGB IX)
3.2.5 Weitere rechtliche Rahmenbedingungen
4. Die Gestaltung der Förderung am Beispiel der Delme-Werkstätten
4.1 Beschreibung der Einrichtung
4.2 Ist-Stand der Förderung des Übergangs
4.3 Best-Practice Beispiel
5. Hemmnisse des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
5.1 Aktuelle Vermittlungszahlen
5.2 Rahmenbedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
5.3 Hemmnisse derArbeitgeberdes allgemeinen Arbeitsmarktes
5.4 Hemmnisse seitens derWerkstätten fürbehinderte Menschen
5.5 Sonstige Hemmnisse
6. Handlungsempfehlungen für die erfolgreiche Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
7. Schluss
8. Literaturverzeichnis
9. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
In Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes ist festgelegt, dass niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Die Realität siehtjedoch anders aus. Guckt man sich die Zahlen von Menschen mit Beeinträchtigungen an, welche in einem Unternehmen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt sind, so fällt die Benachteiligung dieser Menschen sofort auf. Zum Beispiel lag, laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit, die Beteiligung Schwerbehinderter Menschen (im Alter von 15 bis 65 Jahren) im Jahr 2017 bei 49%, die Erwerbsquote der Bevölkerung insgesamt lag dabei mit 78,2 Prozent deutlich höher (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2021, S.7). Um diese Benachteiligungen (und weitere Benachteiligungen in anderen Lebensbereichen der betroffenen Personen) zu reduzieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten und Maßnahmen, welche Menschen mit Beeinträchtigung unterstützen sollen. Eine dieser Möglichkeiten sind die Werkstätten für behinderte Menschen, welche die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen sollen.
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) haben verschiedene Aufgabenbereiche. Ein wichtiger Aufgabenbereich ist dabei nach §5, Absatz 4 der Werkstättenverordnung (WVO) die Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen wie zum Beispiel durch Übergangsgruppen, individuelle Förderpläne und Weiteres (auf diese Maßnahmen wird in Kapitel 3.1 noch einmal genauer eingegangen). Viele Menschen wissen jedoch nicht, dass die Vermittlung von Menschen mit Beeinträchtigung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt einen wesentlichen Bestandteil von den Werkstätten darstellt und falls doch, können einige den genauen Weg zu diesem nicht nachvollziehen. Oftmals wird die WfbM eher als eine Alternative des allgemeinen Arbeitsmarktes betrachtet, in welcher unter Berücksichtigung der jeweiligen behinderungsbedingten Bedürfnisse der Menschen, wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistungen erbracht werden können (vgl. §5 Abs. 2, WVO). Die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Werkstatt treten also oftmals in den Vordergrund, die Förderung und Begleitung des Übergangs und die Chancen, welche dadurch ermöglicht werden können, machen demzufolge für viele nur einen kleinen Aufgabenbereich aus, was unter anderem auch an den geringen Vermittlungszahlen liegt. Aufgrund dieser Tatsache und da ich mich persönlich für die Begleitung bei dem Übergang interessiere, habe ich mich dazu entschieden, dieses Thema in meiner Bachelorarbeit zu bearbeiten. Unter anderem habe ich mich dabei auch gefragt, woran es liegt, dass letztendlich so wenige der Menschen mit Beeinträchtigung in einem Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes beschäftigt werden, wo es doch mittlerweile viele verschiedene Maßnahmen gibt, welche genau diesen Übergang unterstützen sollen. Einige Erfahrungen in diesem Bereich habe ich durch ein Praktikum bei dem Qualifizierungs-und Vermittlungsdienst einer WfbM bereits sammeln können, welches mein Interesse an diesem Thema nur noch gesteigert hat. Ich hoffe mit meiner Bachelorarbeit nicht nur das Interesse an diesem Bereich zu wecken, sondern auch die wesentlichen Informationen über diesen Prozess vermitteln zu können.
Die zentrale Fragestellung, welche ich im Rahmen dieser Bachelorarbeit bearbeiten werde, lautet wie folgt: „Wie können Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigung diese beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen?“. Dabei werde ich außerdem herausarbeiten, welche Instrumente es dafür gibt (sowohl innerhalb der Werkstatt für behinderte Menschen als auch außerhalb) und wie diese genutzt werden können.
In den folgenden Kapiteln wird es also darum gehen, wie Menschen mit Beeinträchtigung auf ihrem Weg hin zum allgemeinen Arbeitsmarkt begleitet werden können und welche Instrumente dabei zur Verfügung stehen. Dies beinhaltet sowohl die Vorbereitung in den WfbM als auch die direkte Begleitung auf diesen. Des Weiteren werde ich analysieren, warum es in so vielen Fällen zu keinem (oder keinem langfristigen) Übergang kommt.
Um meine Fragestellung beantworten zu können, wird es zu Beginn erst einmal einen kurzen Einblick in die geschichtliche Entwicklung der Werkstätten geben, um den Wandel der verschiedenen Funktionen und Aufgaben zu verdeutlichen. Anschließend werden die aktuellen Strukturen und Bereiche der Werkstätten in Kapitel zwei erläutert, um ein Verständnis für die Werkstätten zu schaffen. Dabei werden von dem Eingangsverfahren, der Tagesförderstätte, dem Berufsbildungsbereich, dem Arbeitsbereich bis hin zu der Übergangsgruppe alle Bereiche, sowie die jeweiligen Inhalte von diesen, vorgestellt. Außerdem werden in diesem Kapitel die Rahmenbedingungen der Werkstätten erläutert, genauer wird erklärt, wie sich die Entgelte der Werkstattbeschäftigten zusammensetzen, welche Versicherungen ihnen durch die Beschäftigung in einer WfbM zustehen, welche rechtlichen Rahmenbedingungen die Werkstätten haben und wie diese finanziert werden. Um zu verdeutlichen, dass die Werkstätten für behinderte Menschen in den vergangenen Jahren einen deutlichen Zuwachs erhalten haben, folgen anschließend noch einmal die aktuellen Belegungszahlen von diesen.
Daraufhin wird es im dritten Kapitel um die Instrumente und Ansätze gehen, welche bei der Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwendet werden können. Dabei werden als erstes Leistungen vorgestellt, welche im Arbeitsbereich der Werkstatt angeboten werden. Dies sind beispielsweise die arbeitsbegleitenden Maßnahmen, sowie Ausflüge und Veranstaltungen. Unter dem Punkt weitere Maßnahmen zur Förderung des Übergangs aufden allgemeinen Arbeitsmarkt wird es anschließend um die Leistungen gehen, welche angeboten werden, sobald der Mensch mit Beeinträchtigung explizit den Wunsch des Übergangs geäußert hat. Dabei handelt es sich um Leistungen wie die Übergangsgruppe, die individuellen Förderpläne und die Außenarbeitsgruppen. Die Erläuterung dieserAngebote erfolgt in Kapitel drei.
Nach den Maßnahmen, welche in der WfbM angeboten werden, werden in diesem Kapitel zusätzlich einige Leistungen dargestellt, welche nach einem erfolgten Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in Anspruch genommen werden können. Diese werden oftmals als Alternativen zur WfbM bezeichnet, ich würde sie eher als eine Erweiterung der Möglichkeiten für die Menschen mit Beeinträchtigung bezeichnen. Eine dieser Maßnahmen ist die Unterstützte Beschäftigung (ÜB).
Anschließend wird die Leistung „das Budget für Arbeit“, genauso wie die Inklusionsbetriebe vorgestellt, welche einen besonders hohen Anteil von beeinträchtigten Menschen im Unternehmen Letztendlich werden noch einige rechtliche Rahmenbedingungen, insbesondere das Rückkehrrecht in die WfbM vorgestellt, welche den Menschen Sicherheit geben und die Chancen des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erhöhen sollen.
Um die gesamten Informationen zu verbildlichen, wird derVorgang der Begleitung aufden allgemeinen Arbeitsmarkt im vierten Kapitel anschließend am Beispiel der Delme-Werkstät- ten gGmbH vorgestellt. Hierfür erfolgt zuerst eine Vorstellung über diese Einrichtung, anschließend wird ein Einblick in den aktuellen (aus dem Jahr 2019, da es im Jahr 2020 aufgrund der Corona-Pandemie zu einer Abweichung von den üblichen Vermittlungen kam) Ist-Stand der Förderung des Übergangs der Delme-Werkstätten erfolgen und dann wird das Kapitel mit einem Best-Practice Beispiel, welches ein Beispiel für einen erfolgreichen Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt mithilfe der Unterstützung einer WfbM darstellen soll, abgeschlossen.
Im fünften Kapitel ist der gesamte Vorgang (Vorbereitung, Prozess der Vermittlung und Unterstützung nach derVermittlung) bekannt und es werden einige Aspekte erläutert, welche den Prozess der Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erschweren. Die Hemmnisse des Übergangs werden dabei in Hemmnisse aufgrund der Rahmbedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und auch in Hemmnisse seitens der Arbeitgeber des allgemeinen Arbeitsmarktes unterschieden. Unter dem Punkt sonstige Hemmnisse ist beschrieben, wie auch rechtliche Rahmenbedingungen, welche eigentlich die Chancen einer Vermittlung steigern sollen, ein Hemmnis darstellen können und wie die aktuelle Corona - Pandemie den Vorgang erschwert. Letztendlich werden also einige der Barrieren, welche es zu überwinden gibt, in diesem Kapitel beschrieben.
Aufbauend auf diesen Hemmnissen habe ich mir im sechsten Kapitel einige Handlungsempfehlungen für den erfolgreichen Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt überlegt. Dabei wird es darum gehen, was in den einzelnen Bereichen (Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, Einstellungen der Arbeitgeber, Strukturen und Haltungen in der Werkstatt für behinderte Menschen) verändert werden muss, um den Vorgang des Übergangs verbessern zu können. Unter anderem geht es dabei auch um die Orientierung an den handlungsleitenden Prinzipien des Fachkonzepts Sozialraumorientierung.
Im Schlussteil dieser Bachelorarbeit wird es letztendlich nach einer kurzen Zusammenfassung der Inhalte um die Beantwortung meiner zentralen Fragestellung gehen, auf welche in den verschiedenen Kapiteln hingearbeitet wurde.
2. Die WfbM als Unterstützung für Menschen mit Beeinträchtigung
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) bieten Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung (noch) keiner Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen können, die Möglichkeit, einer beruflichen Bildung, einem Arbeitsplatz oder einer anderen geeigneten Tätigkeit nachzugehen, wodurch ihnen die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht wird (vgl. Wien, Franzke, Kovalev 2017, S. 97). Nach dem SGB IX (Sozialgesetzbuch neun) sollen die Werkstätten für alle Menschen mit Behinderung, egal welcher Art oder Schwere, offenstehen und die Möglichkeit der Rehabilitation in der Umgebung des Wohnortes bieten. Dabei ist es laut der Werkstättenverordnung, §1, Absatz 1 ihre gesetzliche Aufgabe, Voraussetzungen zu schaffen, um die Menschen mit Beeinträchtigung1 aus ihrem Einzugsgebiet aufnehmen zu können. Eine Voraussetzung für die Arbeit in einer WfbM ist dabei jedoch, dass mindestens ein Mittelmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbracht werden kann. Ist dies nicht der Fall, ist der Aufenthalt in einer Tagesförderstätte möglich, auf welche in Kapitel 2.2 noch genauer eingegangen wird. Die häufigsten Behinderungsarten, welche in den Werkstätten zu finden sind, sind mit circa 76% die kognitiven und mit etwa 21% die psychischen Beeinträchtigungen. Der Anteil von körperlich beeinträchtigten Menschen ist dabei deutlich geringer, da diese im Vergleich noch häufiger einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen können (vgl. Hocher, Hollederer2020, S. 125).
Die wichtigsten Ziele der WfbM sind neben der Unterstützung beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt die Erhaltung, Wiedergewinnung oder Erhöhung der Leistungs- und Erwerbsfähigkeit der Menschen mit Beeinträchtigung, sowie die Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeiten (vgl. Wien et al. 2017, S. 97). Gemeinsam gilt es, die Wünsche und Ziele der Personen herauszuarbeiten und geeignete Maßnahmen zu finden, welche die Menschen auf ihrem Weg unterstützen und den Zielen näherbringen können.
In Deutschland arbeiten etwa 310.000 Menschen mit Beeinträchtigung in etwa 740 Werkstätten für behinderte Menschen (Stand: Juni 2020). Um diese Menschen zu unterstützen und zu begleiten, arbeiten noch dazu rund 70.000 pädagogische, soziale, pflegerische und therapeutische Fachkräfte in den Werkstätten (vgl. Hocher, Hollederer2020, S. 125).
In einer WfbM gibt es verschiedene Arbeitsbereiche, in welchen die Beschäftigten2 verschiedene Arbeitsabläufe mit der Unterstützung von Gruppenleitungen ausführen. Diese werde ich in diesem Kapitel erläutern. Auch wird es um die verschiedenen Bereiche gehen, welche die Personen in den Werkstätten durchlaufen und ich werde einen kleinen Einblick in die Geschichte der WfbM geben, da sich die heutigen Aufgaben und Funktionen von diesen im Vergleich zu früher deutlich unterscheiden. Auf die Geschichte werde ich jedoch nur kurz eingehen, da diese nicht den Hauptbestandteil dieser Bachelorarbeit darstellt und lediglich einen kurzen Einblick in die Entstehung der Werkstätten geben soll. Eine detaillierte Beschreibung der zahlreichen Ereignisse würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten und von derzentralen Fragestellung abweichen.
Am Ende des Kapitels werde ich dann noch einen kurzen Einblick in die Rahmenbedingungen der Werkstätten geben, also wie diese finanziert werden und auf welchen rechtlichen Aspekten diese aufgebaut sind.
2.1 Geschichtliche Entwicklung derWfbM in Deutschland
Wie bereits zuvor erwähnt, haben sich die Werkstätten für behinderte Menschen in der Vergangenheit stets verändert und weiterentwickelt. Die heutigen Funktionen und Aufgaben haben mit denen aus der Anfangszeit der Werkstätten nur noch sehr wenige Berührungspunkte. Dennoch ist die Vergangenheit ein wichtiger Bestandteil der heutigen WfbM, da sie die Werkstätten zu dem machen, was sie heute sind und Fehler aus der Vergangenheit durch das Wissen über diese vermieden werden können (eigene Wertung). Mit der Frage, wie die Werkstätten für behinderte Menschen überhaupt entstanden sind und welche Funktionen und Aufgaben mit diesen zu Beginn verbunden waren, werde ich mich in diesem Kapitel beschäftigen.
Im deutschsprachigen Raum wurde bereits im 14. Jahrhundert erkannt, dass Menschen, welche keinen Besitz und auch keine Mittel besaßen (also zu der ärmeren Bevölkerung gehörten) auf Unterstützung angewiesen waren. Die Armenfürsorge wurde zur öffentlichen Aufgabe, wobei die Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit der Menschen die Voraussetzung der Gewährung öffentlicher Zuwendungen darstellten. Menschen mit Beeinträchtigungen gerieten ab dem 16. Jahrhundert konkret in den Vordergrund der Fürsorge. In dieser Zeit entstanden für Menschen mit kognitiven, psychischen und mehrfachen Behinderungen Einrichtungen wie beispielsweise Armen- und Arbeitshäuser aber auch Zuchthäuser und weiteres, bei welchen die Arbeit als Therapie im Vordergrund stand (vgl. Schreiner 2017, S.1).
Im 17. Jahrhundert bekam der Arbeitsbegriff unter anderem durch den Theologen und Pädagogen Johann Amos Comenius eine neue Bedeutung. In seinem Werk „Große Didaktik“ behauptet er, dass arbeiten eine menschliche Fähigkeit sei, die jeder Mensch besitzt (jeder Mensch hat die körperlichen Voraussetzungen dafür) und um diese nutzen zu können, müsse man ihm dies schrittweise beibringen (vgl. Comenius 1970/1657, S. 46, zit. nach: Hoffmann 2007, S. 103). Das Arbeiten müsse also durch andere Menschen beigebracht werden.
Seit dem 19. Jahrhundert wurde sich noch intensiver und systematischer mit Menschen mit Beeinträchtigung befasst. Dabei wurde weiterhin der Aspekt aufgegriffen, dass Arbeit als eine Therapiemöglichkeit dient, welche den Menschen einen Lebenssinn und Lebensziele gibt (beziehungsweise geben kann) (vgl. Schreiner 2017, S.2). Das Motto „Arbeit ist die beste Medizin“ (Sierck 1992) begleitet die Entstehungsgeschichte derWfbM. Zudem fand eine Trennung von Arbeiten und Wohnen statt. Die Menschen mit Beeinträchtigung, welche zuvor größtenteils durch ihre Familie versorgt wurden, wurden unterstützt und entlastet, weshalb die Versorgung zunehmend eine öffentliche Aufgabe wurde. Durch das im Jahr 1891 entstandene „Gesetz über die erweiterte Armenpflege“ waren die Provinzialverbände für die Betreuung der Menschen in Anstalten zuständig. Daraufhin kam es ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer Spezialisierung von den Hilfen für beeinträchtigte Menschen und ein gesellschaftlicher Wandel fand statt. Sozialstaatliche Kompensationsleistungen, medizinisch-therapeutische Interventionen und pädagogische Maßnahmen wurden ein fester Bestandteil bei der Betreuung und Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigung (vgl. Schreiner 2017, S.2).
Bis Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich somit ein System der Behindertenhilfe in Deutschland, welches durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 unterbrochen wurden, in welchem Menschen mit Beeinträchtigung ausgegrenzt, verfolgt, weggesperrt und getötet wurden (vgl. ebd.) Das Menschenbild und die Haltung gegenüber Personen, welche durch eine Behinderung auf die Hilfe anderer angewiesen waren, veränderte sich drastisch. Das gesamte System der Behindertenhilfe, welches sich zuvor über viele Jahre entwickelt hatte, wurde binnen kürzester Zeit fallen gelassen und anstelle der Unterstützung und Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigung, welche einen gewissen Schutz in den Einrichtungen erhielten, erlebten diese Hass von den Menschen, welche sie folterten und von dem Rest derGesellschaft ausgrenzten.
Das vor der Zeit des Nationalsozialismus aufgebaute System wurde dann in der neu gegründeten Bundesrepublik, welches durch die Einführung des Grundgesetzes am 24. Mai 1949 entstand, wieder aufgegriffen. Weiterentwickelt wurde das System der Behindertenhilfe unter anderem durch den im Jahr 1958 gegründeten Elternverband „Lebenshilfe für das behinderte Kind e.V.“, welche die Ausgrenzung von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen verhindern wollte, indem auf den Bedarf der Menschen angepasste Angebote, welche die Teilhabe ermöglichen, angeboten wurden (vgl. ebd. S. 2).
Die ersten Vorläufer der WfbM entstanden in den 1960er Jahren vordem Hintergrund, dass erkannt wurde, dass es für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, welche aufgrund ihrer Behinderung keine Möglichkeiten hatten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten, keinerlei Möglichkeiten gab, als erwachsene Menschen einer sinnvollen Tätigkeit oder Arbeit nachzugehen. Die Einrichtungen wurden anfangs außerhalb der Öffentlichkeit von den Lebenshilfen in Deutschland errichtet und hatten die Bezeichnung von beschützenden Werkstätten oderAnlernungswerkstätten (vgl. ebd. S. 3).
Die (damals noch) Werkstatt für Behinderte (WfB) wurde im Jahr 1974 in das Schwerbehindertengesetz und in das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter (GSVB) aufgenommen, wodurch sie ein fester Bestandteil der Leistungen für Teilhabe am Arbeitsleben wurde. Mit der Werkstättenverordnung (WVO), welche 1980 in Kraft trat und noch heute einen wichtigen Bestandteil der Werkstätten darstellt, gab es für die Werkstätten und die Werkstattbeschäftigten endgültige Rechtssicherheit (vgl. ebd.).
Wie man bei der Entwicklungsgeschichte der Werkstätten sehen kann, hat ein starker Wandel der Funktionen und Aufgaben im Laufe der Jahre stattgefunden. Zusammenfassend dienten sie anfangs vor allem dazu, die Menschen mit Beeinträchtigung im Rahmen der sogenannten „Idiotenfürsorge“ von der Gesellschaft abzugrenzen (vgl. Hoffmann 2007, S.103-104). Im 14. Jahrhundert erkannten die Menschen, dass beeinträchtigte Menschen und allgemein Menschen aus der ärmeren Bevölkerung auf die Unterstützung der Öffentlichkeit angewiesen waren und dass Arbeit die Genesung der Menschen fördert. Bei der Unterstützung der Menschen ging es aber besonders um die Verpflegung und Betreuung von diesen, um die Familien bei diesen Aufgaben zu entlasten. Die gesamten Entwicklungen wurden in der Zeit des Nationalsozialismus zerstört, da für diese Zeit die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen im Vordergrund standen. Viel schlimmer noch wurden sie verfolgt, gefoltert und getötet. Ihnen wurde aufgrund ihrer Behinderung das Recht auf ein sicheres Leben verwehrt.
Eine wichtige Veränderung der Aufgaben und Funktionen der Werkstätten wurde letztendlich durch den Eingang in das Schwerbehindertengesetz und das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter eingeleitet, da sich die Aufgabenbereiche nun von der bloßen Fürsorge, Pflege und Betreuung zu einer Teilhabemöglichkeit am Arbeitsleben und somit auch an der Gesellschaft entwickelten.
2.2 Struktur einer WfbM
Wie bereits zuvor erwähnt, sind Werkstätten für behinderte Menschen Einrichtungen, welche die Teilhabe am Arbeitsleben und somit an der Gesellschaft ermöglichen. In verschiedenen Arbeitsbereichen wie beispielsweise der Gärtnerei, der Kerzenmanufaktur, dem Gastronomiebereich und vielen mehr haben Menschen mit Beeinträchtigung die Möglichkeit, mit der Unterstützung einer Fachkraft Aufträge zu bearbeiten oder sich auf die Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Insgesamt durchläuft jede: r Beschäftigte drei verschiedene Bereiche in einer WfbM, in welchen er/sie auf das Arbeitsleben und gegebenenfalls auch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vorbereitet wird und an der Produktion mitwirken kann.
Dies ist zum einen das Eingangsverfahren. Es ist der erste Bereich, in welchem jeder Mensch, egal wo er oder sie später arbeiten wird, ankommt. Das Eingangsverfahren dauert in der Regel drei Monate und kann in Einzelfällen auf bis zu vier Wochen gekürzt werden. Während der drei Monate wird in erster Linie im Sinne des §136 SGB IX überprüft, ob die WfbM die geeignete Einrichtung für die Person darstellt, um ihr die Teilhabe am oder auch die Eingliederung in das Arbeitsleben zu ermöglichen. Noch dazu wird in diesem Bereich gemeinsam mit dem Menschen mit Beeinträchtigung geguckt, an welchem Bereich in der Werkstatt Interesse besteht und welcher unter den gegebenen Umständen und Anforderung in Betracht kommen (vgl. Wien et al. 2017, S. 97). Zusätzlich wird gemeinsam überprüft, welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Eingliederung in dieses notwendig sind. Insgesamt ist ein wichtiger Bestandteil des Eingangsverfahrens noch das gegenseitige Kennenlernen. Zum einen erfahren die Mitarbeiter: innen der Werkstätten etwas überden Menschen mit Beeinträchtigung (Schulbildung, Biografie und Weiteres), zum anderen lernt der Mensch die Mitarbeitenden aber auch seine Kolleg: innen kennen, mit welchen er oder sie in Zukunft gemeinsam Lernen und Arbeiten wird. Gemeinsam gilt es dann letztendlich in diesem Bereich die Ressourcen und Fähigkeiten des Menschen mit Beeinträchtigung herauszuarbeiten. Diese werden dann in einem Eingliederungsplan festgehalten, genauso wie die Ziele und Wünsche für seinen/ihren individuellen Förder- und Bildungsprozess (vgl. Wien et. al. S. 98). Um sich über berufliche (aber auch persönliche) Ziele und Wünsche bewusst zu werden, ist es in dem Berufsbildungsbereich außerdem möglich, Hospitationen, Praktika oder ähnliches durchzuführen.
In einigen Situationen kann im Eingangsverfahren festgestellt werden, dass derArbeitsbe- reich nicht die geeignete Möglichkeit für den Menschen darstellt, da er/sie nicht das Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen kann, woraufhin anschließend die Möglichkeit besteht, nach dem Eingangsverfahren in die Tagesförderstätte zu wechseln, in welcher Menschen mit einem besonders hohen Unterstützungsbedarf im Rahmen einer tagesstrukturierenden Maßnahme durch verschiedene Angebote und Aufgaben gefördert und auf die Bildungs- und Arbeitsangebote vorbereitet werden, welche sie in Folge dessen auch bearbeiten können. Dieser Bereich ist für erwachsene Menschen vorgesehen, welche aufgrund ihrer Behinderung weder (noch) nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten, noch in einer WfbM ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbare Arbeit erbringen können.
Hat der Mensch mit Beeinträchtigung das Eingangsverfahren durchlaufen, kommt er in den Berufsbildungsbereich, welcher in der Regel etwa zwei Jahre dauert. Auch dieser kann in Einzelfällen verkürzt werden. Die im Eingangsverfahren erarbeiteten beruflichen und persönlichen Ziele werden in diesem Bereich wieder aufgegriffen und mit der Unterstützung von qualifizierten Fachkräften bearbeitet. Durch verschiedene Fördermaßnahmen wird außerdem auf das Ziel hingearbeitet,wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwert- barerArbeitsleistung im Sinne des §136 SGB IX zu erbringen.“ (Wien et. al. 2017, S. 98). Der Berufsbildungsbereich ist wiederum in zwei Bereiche aufgeteilt: Den Grund -und den Aufbaukurs.
In dem Grundkurs werden verschiedene Arbeitsläufe mit den notwendigen Fertigkeiten und Grundkenntnissen, sowie das Sozial -und Arbeitsverhalten gefördert. Außerdem wird hier festgestellt, welche Aufgaben, Abläufe und Bereiche dem Menschen besonders gut liegen und welche vertieft und intensiviert werden. Die vertiefenden Kenntnisse zu den bestimmten Arbeitsabläufen werden anschließend im Aufbaukurs vermittelt, genauso wird die Ausdauer -und Belastungsfähigkeit der Menschen weiterentwickelt, um sie auf das Arbeitsleben und die dazugehörigen Belastungen und Anforderungen vorzubereiten. Der Schwierigkeitsgrad der vermittelten Fertigkeiten steigt in diesem Bereich und ist auf weniger Arbeitsabläufe ausgelegt (vgl. Wien et. al. 2017, S.98). Gemeinsam mit den Bildungsbegleitungen, welche die Menschen mit Beeinträchtigungen in diesem Bereich begleiten und unterstützen, wird ein individueller Bildungsplan erstellt. Dieser wird aus dem zuvor beschriebenen Eingliederungsplan abgeleitet und beinhaltet verschiedene Teilziele des Menschen mit Beeinträchtigung, sowie die erforderlichen Maßnahmen, um diese Ziele zu erarbeiten. Im Berufsbildungsbereich gibt es die Möglichkeit, an einigen Tagen am Berufsschulunterricht teilzunehmen, in welchem mithilfe von Berufsschullehrer: innen die beruflichen Vorbereitungen und Fertigkeiten vertieft werden können. Um verschiedene Arbeitsbereiche innerhalb der Werkstatt oder auch Arbeitsbereiche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kennenzulernen, gibt es die Möglichkeit, Praktika in einem Arbeitsbereich einer Werkstatt oder in einem Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes zu absolvieren. In einigen Werkstätten ist es auch so geregelt, dass die Beschäftigten (in diesem Bereich auch oft Teilnehmer: innen genannt) jeden der verschiedenen Bereiche im Arbeitsbereich für eine kurze Dauer durchlaufen, um einen Einblick in diese zu erhalten. Die Kontaktaufnahme, Vorbereitung auf das Praktikum und die Begleitung während dieses wird gemeinsam mit einer Bildungsbegleitung umgesetzt.
Nachdem der Berufsbildungsbereich beendet ist und der Mensch mit Beeinträchtigung sich die Fertigkeiten für einen bestimmten Bereich angeeignet hat, kann der Wechsel in den Arbeitsbereich erfolgen. Dabei ist es möglich, dass der Standort gewechselt werden muss, da sich der Berufsbildungsbereich an einem separaten Standort befinden kann. In diesem Fall wird gemeinsam mit den betroffenen Personen überlegt, welche WfbM sich vom Standort am besten eignet und welche Präferenzen der Mensch selber hat. In anderen Fällen ist der Berufsbildungsbereich an den Arbeitsbereich einer WfbM angegliedert, wobei sich der Wechsel in den Arbeitsbereich dann häufig an ein und demselben Standort vollzieht. Bei Einrichtungen, in welchen der Berufsbildungsbereich enthalten ist, sind auch interne Praktika einfacher und schneller durchzuführen. Um den verschiedenen Interessen der Beschäftigten möglichst gerecht zu werden und die Art und Schwere der Behinderung, sowie den unterschiedlichen Leistungs-und Entwicklungsfähigkeiten genauso wie den Eignungen und Neigungen der Menschen gerecht zu werden, sollen die Werkstätten nach §5 Abs. 1 WVO ein möglichst vielfältiges Angebot an Arbeitsplätzen und Arbeitsbereichen zur Verfügung stellen Diese Bereiche können beispielsweise der Garten-und Landschaftsbau, die Holzoder Metallverarbeitung, eine Keramikmanufaktur, die Elektromontage, ein Entsorgungsfachbetrieb, eine Wäscherei oder auch verschiedene Tätigkeiten im Gastronomie-Bereich und vieles mehr sein.
Kontinuierlich werden neue Arbeitsbereiche entwickelt, um den Bedürfnissen und Fertigkeiten gerecht zu werden, wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung zu ermöglichen und die Teilhabe der Menschen zu fördern. Die Arbeitsplätze in den verschiedenen Bereichen sollen dabei nach §5 Abs. 2 der WVO in ihrer Ausstattung den Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt so gut wie möglich entsprechen. Noch dazu sollen sie und die zugehörigen Arbeitsabläufe so gestaltet werden, dass die besonderen Bedürfnisse der Menschen mit Beeinträchtigung berücksichtigt werden und sie das nun schon häufiger erwähnte verwertbare Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen können (vgl. §5 Abs. 2 WVO). Dies kann beispielsweise durch die individuelle Gestaltung eines Arbeitsplatzes geschehen, wobei Hilfen (wie beispielsweise Vorrichtungen) eingesetzt werden, um den Arbeitsprozess für die jeweilige Person zu erleichtern. Diese Hilfen können auch in gesamte Arbeitsbereiche und Prozesse eingebaut werden. Noch dazu sollen die im Berufsbildungsbereich erlernten Fertigkeiten und Kenntnisse und insgesamt die erlernte Leistungsfähigkeit im Arbeitsbereich durch verschiedene begleitende Maßnahmen erhalten und gesteigert werden (vgl. §5 Abs. 3 WVO). Die begleitenden Maßnahmen (siehe Kapitel 3.1.1) können zum Beispiel Deutsch-oder Matheunterricht sein oder aber auch sportliche Maßnahmen wie Nordic Walking, um die körperliche Fitness der Menschen zu erhalten oder verbessern.
Der Arbeitsbereich, für welchen sich die Menschen mit Beeinträchtigung entscheiden, kann jederzeit gewechselt werden, sofern dies der Wunsch der Beschäftigten ist und in dem entsprechenden Arbeitsbereich noch Kapazitäten bestehen. Vorher kann jedoch auch hier ein Praktikum in dem gewünschten Bereich absolviert werden. Insgesamt ist für die Werkstattbeschäftigten in regelmäßigen Abständen ein Verlaufsbericht zu erstellen, um das Kostenanerkenntnis beim zuständigen Kostenträger zu beantragen (es sei denn, es wird ein unbefristetes Kostenanerkenntnis ausgestellt).
Die Vorbereitung und Begleitung der Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist in diesem Bereich außerdem ein wichtiger Bestandteil. Wodurch diese unterstützt werden kann, wird in Kapitel 3 genauer beschrieben.
Die folgende Abbildung fasst die verschiedenen Bereiche der WfbM noch einmal zusammen und soll zurVeranschaulichung dienen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3 Rahmenbedingungen
Die Beschäftigten in einer WfbM stehen in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis als Rehabilitand: innen, sie gelten also nicht als Arbeitnehmer: innen. Die Werkstätten sind verpflichtet, ein entsprechendes Arbeitsentgelt aus den Produktionsergebnissen (mindestens 70% von diesen steht den Beschäftigten nach §12 Abs. 5 Nr. 1 der WVO zu) der Werkstatt anzubieten, welches in den meisten Fällen jedoch gering ausfällt. Dieses ist in §138 SGB IX geregelt, wird an die individuellen Leistungen der Werkstattbeschäftigten angepasst und besteht aus einem Grundbetrag, einem Steigerungsbetrag (an die Leistung angepasst) und dem Arbeitsförderungsgeld (AFöG) (vgl. Schreiner 2017, S. 54). Dafür wird eine sogenannte Lohnbewertung (oder auch Entgeltbewertung) gemeinsam mit den Beschäftigten, dem Sozialdienst und in den meisten Fällen auch den Gruppenleitungen erstellt. Der Grundbetrag liegt seit Januar 2021 bei monatlich mindestens 99 Euro und soll bis Januar 2023 auf mindestens 119 Euro monatlich erhöht werden. Wirtschaftlich leistungsfähigere Werkstätten sollen auch höhere Grundbeträge zahlen (vgl. BAG WfbM (kein Datum)). Um die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts zu verdeutlichen, hier ein paar Zahlen: Im Jahr 2019 betrug das durchschnittliche monatliche Arbeitsentgelt eines Werkstattbeschäftigten circa 207 Euro. Dies setzte sich zusammen aus 52 Euro AFöG, 80 Euro Grundbetrag und einem Steigerungsbetrag von durchschnittlich 75 Euro pro Monat (vgl. ebd.).
Die Beschäftigten sind außerdem durch die Arbeit in einer WfbM Unfall,-Kranken,-Pflege- und Rentenversichert und haben nach 20 Jahren der Beschäftigung einen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, wobei die Höhe von dieser nach §162 SGB VI etwa 80 Prozent des Rentenniveaus eines /einer durchschnittlichen Arbeitnehmers / Arbeitnehmerin beträgt (vgl. Wien et. al. 2017, S. 99). Da die Werkstätten durch ihre Aufträge wirtschaftliche Arbeitsergebnisse erzielen, müssen private oder gewerbliche Kunden, welche Dienstleistungen oder die Herstellung von bestimmten Waren beantragen, zufrieden gestellt werden. Nur somit kann ein entsprechender Umsatz gewährleistet und neue Aufträge den Werkstätten angeboten werden (vgl. ebd.).
Die rechtlichen Grundlagen einer WfbM sind seit 2001 hauptsächlich, wie bereits zuvor erwähnt, in der Werkstättenverordnung (WVO) und dem SGB IX geregelt. In diesen sind der Rehabilitationsauftrag und der Anspruch auf persönlichkeitsfördernde Maßnahmen in den Werkstätten formuliert. Die Werkstätten für behinderte Menschen müssen Menschen mit Beeinträchtigung, welche sich in ihrem Einzugsgebiet befinden, aufnehmen, was man auch den Kontrahierungszwang nennt. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn einige Voraussetzungen erfüllt werden: Die Menschen müssen nach dem §2 SGB IX behindert sein, aufgrund ihrer Beeinträchtigung, zumindest vorübergehend, keiner Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen können und der Bedarf in einer Werkstatt zu arbeiten, muss durch den zuständigen Kostenträger anerkannt werden. Danach sagt dieser durch ein Kostenanerkenntnis zu, die anfallenden Kosten des Menschen zu übernehmen. Neben dem Kontrahierungszwang haben die Beschäftigten einer WfbM bis zum Eintritt des Rentenalters eine Beschäftigungsgarantie (vgl. Schreiner 2017, S. 53).
Es gibt jedoch auch einige Ausnahmen, bei denen die Aufnahme in die Werkstatt abgelehnt werden kann, welche im §136 Absatz SGB IX festgelegt sind. Diese sind zum einen, dass nach der Teilhabe der Maßnahmen im Berufsbildungsbereich nicht dauerhaft erwartet werden kann, dass der Mensch wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen kann oder dass die Maßnahmen des Berufsbildungsbereiches aufgrund der erforderlichen Pflege und Betreuung nicht genutzt werden können. Bis vor kurzem war ein weiterer Grund, einen Menschen mit Beeinträchtigung nicht in einer Werkstatt aufzunehmen, dass eine (ebenfalls in §136 Abs. 2 SGB IX erwähnte) erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung zu erwarten ist. Dies hat sich jedoch mit der Weiterentwicklung des Bundesteilhabegesetztes (BTHG) geändert und stellt nun kein Ausschlusskriterium mehr dar. Kommt es vor, dass einer dieser Aspekte auf einen Menschen zutrifft und er/sie die Voraussetzungen einer Beschäftigung in der WfbM nicht erfüllt, so soll dieser nach §136 Abs. 3 SGB IX in einer der Werkstatt angegliederten Gruppe oder Einrichtung betreut und gefördert werden. Dies stellt zum Beispiel die bereits in Kapitel 2.2 erwähnte Tagesförderstätte dar.
Die Bildung von Werkstatträten (vertreten die Interessen der Beschäftigten), um die Selbst- und Mitbestimmung der Beschäftigten zu ermöglichen, ist seit 1996 vorgeschrieben. Dabei unterschied sich jedoch die Art und der Umfang der Mitbestimmung in den unterschiedlichen Werkstätten stark voneinander. Dies änderte sich 2001 durch die Werkstättenmitwirkungsverordnung (WMVO), welche die Beteiligung der Beschäftigten in Werkstattangelegenheiten allgemein und für alle geltend regelt (vgl. Schreiner 2017, S. 54). Durch das BTHG (seit 2017) haben sich die Mitwirkungsmöglichkeiten von Menschen mit Beeinträchtigung in den Werkstätten noch einmal deutlich verbessert. Seit Januar 2020 gibt es in den Werkstätten beispielsweise eine Frauenbeauftragte (Artikel 22 BTHG), welche die Interessen und Rechte der weiblichen Beschäftigten der Werkstätten vertritt. Sowohl der Werkstattrat als auch die Frauenbeauftragte werden von den Werkstattbeschäftigten direkt gewählt.
Die Finanzierung der Werkstätten findet durch die zuständigen Rehabilitationsträger (Trägerder Leistungen zur Teilhabe) statt. Im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich erbringt die BundesagenturfürArbeit die Leistungen nach §62 Abs. 1 SGB IX, solange die Zuständigkeit bei keinem anderen Rehabilitationsträger (wie Unfallversicherungsträger, Rentenversicherungsträger oder Träger der Kriegsopferfürsorge) liegt. Im Arbeitsbereich dagegen, können die Leistungsträger die Unfallversicherungsträger, Trägerderöffentlichen Jugendhilfe, Träger der Kriegsopferfürsorge oder Träger der Eingliederungshilfe (wobei diese nach §63, Abs. 2 SGB IX gegenüber den anderen Trägern nachrangig sind) sein (vgl. Deutscher Bundestag 2019, S. 6). Die Werkstätten für behinderte Menschen erhalten für die Leistungen im Arbeitsbereich vom zuständigen Rehabilitationsträgervergütungen, welche „den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen (§58 Abs. 3 Satz 1 SGB IX)“ (ebd., S.6). Die Ausgaben, welche zur Erfüllung der Aufgaben und fachlichen Anforderungen in der Werkstatt notwendig sind, sind in §58 Abs.3 Satz 2 Nr.1 SGB IXfestgelegt. Diese umfassen zum einen Kosten, welche durch die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen des SGB IX und der WVO entstehen, sowie durch die Ermöglichung, Erbringung und Sicherung der Leistungen (bspw. die Finanzierung des notwendigen Personals in den Werkstätten etc.). Die Ausgaben für den laufenden Betrieb (Kosten für das Gebäude der Werkstatt und weiteres) fallen ebenfalls unter die notwendigen Kosten nach §58 Abs.3 Satz.2 Nr.1 SGB IX (vgl. Deutscher Bundestag 2019, S. 7).
2.4 Belegungszahlen derWerkstätten für behinderte Menschen
Wie man in den Statistiken der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM) erkennen kann, sind die Belegungszahlen der letzten Jahre durchgängig gestiegen und auch weiterhin ist die Nachfrage sehr groß. Die Differenz der Anzahl der Werkstattbeschäftigten verdeutlicht den starken Zuwachs in den vergangenen Jahren. 2006 arbeiteten laut der BAG WfbM 250.446 Beschäftigte in einer WfbM, 2015 dagegen waren es 306.579 Menschen mit Beeinträchtigung (vgl. Schreiner 2017, S. 61). Im Jahresbericht der BAG WfbM aus dem Jahr 2019 (01.01.2019) liegen die Zahlen der Werkstattbeschäftigten in Deutschland bei etwa 320.000. Tatsächlich arbeiten sogar noch mehr Menschen in den Werkstätten, da zu bedenken ist, dass etwa 7% von diesen nicht der BAG WfbM zugeordnet waren. Die Werkstätten sind auf die verschiedenen Bundesländer aufgeteilt. Beispielsweise befanden sich zum 01.01.2019 35 Werkstätten in Bremen, 481 in Nordrhein-Westfalen, 351 in Niedersachsen, 144 in Brandenburg und 393 in Baden-Württemberg. Von den Behinderungsarten gab es im Jahr 2018 etwa 3,50% Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung, 21,35% Menschen mit psychischer Beeinträchtigung und 75,16% Menschen mit geistiger Beeinträchtigung (dies verdeutlicht noch einmal die Aussage aus Kapitel 2.0, dass die häufigsten Behinderungsarten der Werkstätten die geistigen Beeinträchtigungen darstellen). Vergleicht man den Anteil der Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen zu den vorherigen Jahren, kann man einen deutlichen Anstieg von diesen beobachten. Außerdem waren 2018 ca. 59% der Leistungsberechtigten in den Werkstätten männlich, dagegen 41% weiblich und die am Häufigsten vertretenen Altersgruppen waren mit 26,5% die 50-60-jährigen und mit 25,3% die 30-40-jährigen (vgl. BAG WfbM 2020, S.47-49). Um einen Vergleich herzustellen, hier noch einmal die Standorte in den Bundesländern aus dem Jahresbericht der BAG WfbM aus dem Jahr 2013. In Bremen befanden sich zu dieser Zeit zum Beispiel erst 4 Standorte, in Nordrhein-Westfalen 103, in Niedersachsen 73, in Brandenburg 26 und in Baden-Württemberg 97 Standorte. Deutschlandweit arbeiteten etwa 300.000 Menschen mit Beeinträchtigungen in den Werkstätten (+6% der Werkstätten, welche nicht in der BAG WfbM organisiert sind) (vgl. BAG WfbM 2014, S. 3-5). Dieses Beispiel verdeutlicht noch einmal den deutlichen Anstieg der Belegungszahlen derWfbM in den letzten Jahren.
Die Zahlen steigen also kontinuierlich und das wird vermutlich auch in Zukunft so bleiben, auch wenn der Anstieg im Vergleich zu den Jahren 2006 und 2005 etwas geringer geworden ist. Gründe für den Anstieg der Belegungszahlen derWfbM sind zum einen, dass immer mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen in die Werkstätten aufgenommen werden, da sie mit den Anforderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überfordert sind (vgl. Schreiner 2017, S. 62). In den vergangenen Jahren wurden psychische Erkrankungen zudem häufiger diagnostiziert und die Hemmungen vor diesen sind allmählich gesunken, was zu einem Anstieg dieser Behinderungsarten führt (eigener Gedanke). Ein weiterer Grund ist, dass die Anzahl der Schüler: innen, welche die (Förder-)Schulen mit dem Schwerpunkt geistige/soziale und emotionale Entwicklung besuchen, ansteigt und diese nach der Beendigung ihrer Schulzeit oftmals direkt in die WfbM übergeleitet werden. Dies wird durch eine enge Vernetzung und einen stetigen Austausch zwischen der Förderschule und derWfbM in der Umgebung gefördert (vgl. ebd.). Oftmals finden bereits im letzten Schuljahr der Schüler: innen Praktika im Berufsbildungsbereich der Werkstätten statt, um die Einrichtungen schon einmal kennenzulernen und eine Vorstellung darüber zu bekommen, was sie nach ihrer Schulzeit erwarten kann.
3. Instrumente und Ansätze zur Förderung des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
Nachdem nun die Werkstätten für behinderte Menschen in ihren Funktionen, Strukturen, ihrer Geschichte und einige allgemeine Zahlen und Fakten von diesen vorgestellt wurden, wird in diesem Kapitel nun auf die Instrumente und Ansätze der Werkstätten eingegangen, mit welchen sie die Menschen mit Beeinträchtigungen auf ihrem Weg zum allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen können. Dabei ist es jedoch wichtig zu wissen, dass es in den Werkstätten der verschiedenen Bundesländer unterschiedliche Möglichkeiten gibt, die Menschen auf diesem Weg zu unterstützen. Nicht alle verfolgen die gleiche Vorgehensweise und es gibt viele Projekte und Möglichkeiten, von denen in dieser Bachelorarbeit nur ein Teil aufgegriffen werden kann. Einen Überblick über die vielseitigen und umfangreichen Angebote kann man sich jedoch auf Fachtagungen oder den verschiedenen Werkstättenmessen (beispielsweise in Nürnberg) verschaffen (vgl. Wenzel 2014, S.127).
Dieses Kapitel trägt einen wesentlichen Bestandteil zur Beantwortung der zentralen Fragestellung bei, nämlich wie die Werkstätten Menschen mit Beeinträchtigung bei ihrem Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen können. Bevor auf die Maßnahmen eingegangen wird, welche direkt beim Prozess des Übergangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen können, werden die Leistungen vorgestellt, welche die Menschen bereits im Arbeitsbereich auf den Übergang vorbereiten. Im Anschluss daran wird es anschließend um die Maßnahmen wie beispielsweise die Übergangsgruppen oder Betriebspraktika gehen, welche direkt im Prozess des Übergangs eingesetzt werden.
[...]
1 Menschen mit körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen, welche in Wechselwirkung mit Einstellungs-und umweltbedingten Barrieren länger als sechs Monate an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft gehindert werden können + der Körper-und Gesundheitszustand weicht von den für das Lebensalter typischen Zustand ab (vgl. §2 Abs.1 SGB IX)
2 So werden die Menschen mit Beeinträchtigung, welche in einer WfbM arbeiten oftmals bezeichnet
- Citation du texte
- Lina Hallerberg (Auteur), 2021, Handlungsmöglichkeiten und Ansätze einer erfolgreichen Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1112721
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