“Open markets offer the only realistic hope of pulling billions of people in developing countries out of abject poverty while sustaining prosperity in the industrialized world.”[1]
Kofi Annan, UN Generalsekretär 1997-2006
Wirtschaftliche Integration ist eine der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit. Die anhaltende Modernisierung der Transportmittel, die Beschleunigung der Kommunikation durch neue Medien sowie die weltweite Verzweigung von Produktionsprozessen, Waren- und Finanzströmen führt zu einem fortschreitenden „Zusammenrücken“ der Welt. Dieser gesellschaftlich bereits weit fortgeschrittene Prozess wird nun auch auf politischer bzw. juristischer Ebene vollzogen. Durch bilaterale Verträge, Freihandels- oder Bündnisabkommen werden Handelshemmnisse immer mehr reduziert und gemeinsame Märkte geschaffen. Diese Prozesse vollziehen sich insbesondere auch in Amerika, wo es mit der NAFTA, dem MERCOSUR, der CAN, der CARICOM und dem MCAA bereits einige subregionale Bündnisse gibt. Das Bestreben, eine panamerikanische Freihandelszone, spanisch ALCA („Area de Libre Comercio de las Américas), englisch FTAA („Free Trade Area of the Americas“) zu schaffen, ist allerdings bisher gescheitert.
Diese Seminararbeit hat zum Gegenstand, die ALCA sowie die damit verbundene Problematik der wirtschaftlichen Integration in den Amerikas zu analysieren. Dabei soll zunächst auf die an den Vertragsverhandlungen teilnehmenden Länder sowie deren Ausgangslage eingegangen werden.
Als nächster Schritt wird der bisherige Verlauf der Verhandlungen skizziert und die aktuelle Situation beschrieben. Dann wird auf die wirtschafts- und handelspolitischen Interessen der Hauptakteure und der wichtigsten Blöcke eingegangen, um darin Gründe für das bisherige Scheitern der Verhandlungen zu suchen.
Schließlich soll ein Ausblick auf den weiteren Verlauf der Verhandlungen gegeben werden, in dem die Chancen und Risiken für das Zustandekommen eines Vertrages betrachtet werden, um letztlich folgende zentrale Frage zu beantworten:
Wie und in welchem Umfang wird sich die wirtschaftliche Integration auf dem amerikanischen Kontinent in Zukunft vollziehen?
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Verhandlungsteilnehmer: Amerika an einem Tisch
3. Historie: Der Verhandlungsverlauf bis heute
4. Inhalt: Die wichtigsten Verhandlungsfelder
4.1 Vorwort
4.2 Marktzugang
4.3 Landwirtschaft
5.Die Hauptakteure: Amerika „zwischen US-Amerikanischer Hegemonie und brasilianischem Führungsanspruch“
5.1 Vorwort
5.2 Der Standpunkt der USA: Ambivalente Position eines Giganten
5.3 Brasilien auf Konfrontationskurs
6. Ausblick
7. Fazit
8. Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
“Open markets offer the only realistic hope of pulling billions of people in developing countries out of abject poverty while sustaining prosperity in the industrialized world.”1
Kofi Annan, UN Generalsekretär 1997-2006
Wirtschaftliche Integration ist eine der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit. Die anhaltende Modernisierung der Transportmittel, die Beschleunigung der Kommunikation durch neue Medien sowie die weltweite Verzweigung von Produktionsprozessen, Waren- und Finanzströmen führt zu einem fortschreitenden „Zusammenrücken“ der Welt. Dieser gesellschaftlich bereits weit fortgeschrittene Prozess wird nun auch auf politischer bzw. juristischer Ebene vollzogen. Durch bilaterale Verträge, Freihandels- oder Bündnisabkommen werden Handelshemmnisse immer mehr reduziert und gemeinsame Märkte geschaffen. Diese Prozesse vollziehen sich insbesondere auch in Amerika, wo es mit der NAFTA, dem MERCOSUR, der CAN, der CARICOM und dem MCAA bereits einige subregionale Bündnisse gibt.
Das Bestreben, eine panamerikanische Freihandelszone, spanisch ALCA („Area de Libre Comercio de las Américas), englisch FTAA („Free Trade Area of the Americas“) zu schaffen, ist allerdings bisher gescheitert.
Diese Seminararbeit hat zum Gegenstand, die ALCA sowie die damit verbundene Problematik der wirtschaftlichen Integration in den Amerikas zu analysieren.
Dabei soll zunächst auf die an den Vertragsverhandlungen teilnehmenden Länder sowie deren Ausgangslage eingegangen werden.
Als nächster Schritt wird der bisherige Verlauf der Verhandlungen skizziert und die aktuelle Situation beschrieben.
Dann wird auf die wirtschafts- und handelspolitischen Interessen der Hauptakteure und der wichtigsten Blöcke eingegangen, um darin Gründe für das bisherige Scheitern der Verhandlungen zu suchen.
Schließlich soll ein Ausblick auf den weiteren Verlauf der Verhandlungen gegeben werden, in dem die Chancen und Risiken für das Zustandekommen eines Vertrages betrachtet werden, um letztlich folgende zentrale Frage zu beantworten:
Wie und in welchem Umfang wird sich die wirtschaftliche Integration auf dem amerikanischen Kontinent in Zukunft vollziehen?
2. Die Verhandlungsteilnehmer: Amerika an einem Tisch
Im Jahr 1994 findet zum ersten Mal das so genannte „Gipfeltreffen der Amerikas“ in Miami statt. Teilnehmer sind alle Staats- und Regierungschefs von Nordamerika, Lateinamerika und der Karibik, mit Ausnahme Kubas, so dass sich 34 Teilnehmerstaaten an einem Tisch befinden. Insgesamt verfügen diese Staaten 2001 über eine Bevölkerung von 823,87 Millionen Menschen und erwirtschaften gemeinsam ein BIP von 12,732 Billionen US-Dollar.
Das Bündnis zeichnet sich aber neben seiner großen Teilnehmerzahl vor allem durch den Unterschied der einzelnen Staaten bezüglich ihrer Größe, der Wirtschaftskraft und des jeweiligen Entwicklungsstandes aus. So nehmen neben zwei der reichsten und am weitest entwickelten Volkswirtschaften der Welt (USA: BIP/Kopf (2001) 34.870 US$ und Kanada: BIP/Kopf (2001) 21.340 US$) auch extrem arme, unterentwickelte Nationen Teil (z.B.: Nikaragua: BIP/Kopf (1999) 470 US$ oder Bolivien: BIP/Kopf (2001) 940 US$).
Neben den quantitativen Unterschieden der Wirtschaftsleistung sind allerdings auch die qualitativen Divergenzen, besonders in Bezug auf die Exporte, von entscheidender Bedeutung: Während sich der Export der USA und Kanadas hauptsächlich durch Industriegüter in die weniger entwickelten Länder auszeichnet, sind es anders herum vor allem landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe.
Außerdem befinden sich alle Bündnispartner, mit Ausnahme Chiles, Panamas und der Dominikanischen Republik, bereits in einem der anderen, subregionalen Abkommen, wie der NAFTA, dem MERCOSUR, der CAN, der MCCA oder der CARICOM, oder noch in Vertragsverhandlungen dazu.2 Zwischen diesen Blöcken bestehen ebenfalls erhebliche Unterschiede: So hat die NAFTA z.B. etwa 28 mal so viele Einwohner wie die CARICOM und erwirtschaftet ein etwa 444 mal so hohes BIP.3
Diese von Henning Effner als „Assymetrien zwischen den Subregionen“4 bezeichneten strukturellen Unterschiede zwischen den Teilnehmerstaaten prägen also schon vor Beginn der Verhandlungen die jeweiligen Positionen.
3. Historie: Der Verhandlungsverlauf bis heute
Im Jahr 1889 wird erstmals auf einer Konferenz in Washington das Thema einer gesamtamerikanischen Freihandelszone diskutiert.5 An politischer Bedeutung gewinnt die Idee allerdings erst, als US-Präsident Bush 1990 mit der „Enterprise for the Americas Initiative“ (EAI) ein Projekt ins Leben ruft, dass neben der Schaffung einer panamerikanischen Freihandelszone auch den Schuldenabbau und die Investitionssteigerung der lateinamerikanischen Länder vorsieht. Konkrete Schritte, geschweige denn ein Zeitplan zur Erreichung der formulierten Ziele werden allerdings noch nicht beschrieben. Eine Tendenz wird aber schon hier deutlich: Die USA treten als Initiator der Bemühungen um die wirtschaftliche Integration des Kontinents auf. Damit werden sie ihrer Führungsrolle gerecht, die aus ihrer militärischen und wirtschaftlichen „Vorherrschaft“6 resultiert.
Die Lateinamerikapolitik seines Vorgängers fortsetzend lädt Bill Clinton 1994 die oben genannten Verhandlungsteilnehmer zu einem Gipfeltreffen der Amerikas nach Miami ein. Ergebnis des Treffens ist ein Aktionsplan und eine Erklärung über der interamerikanischen Zusammenarbeit. Darin enthalten ist der Beschluss, bis 2005 eine panamerikanische Freihandelszone zu schaffen, ohne dass jedoch eine genaue Agenda für das Zustandekommen festgelegt wird.
Auf dem zweiten Gipfel 1998 in Santiago de Chile wird die Vorbereitungsphase für die Verhandlungen, die in Miami begonnen hatte, als abgeschlossen erklärt. Für die neun Bereiche Marktzugang, Investitionen, Dienstleistungen, Regierungsaufträge, Konfliktlösung, Landwirtschaft, geistiges Eigentum, Subventionen und Anti-dumping sowie Wettbewerbspolitik werden Verhandlungsgruppen gebildet. Außerdem wird der weitere Zeitplan festgelegt, wobei an dem Ziel, die Verhandlungen bis 2005 abzuschließen, festgehalten wird. Des Weiteren entsteht ein Aktionsplan zur Angleichung der Lebensverhältnisse der Teilnehmerstaaten, womit versucht wird, auf die oben beschriebenen Asymmetrien zu reagieren, indem die Bereiche Bildungswesen, Armutsbekämpfung und Stärkung der Demokratie besonders akzentuiert werden.
Das nächste Treffen findet 2001 im kanadischen Quebec statt. Hier werden im Wesentlichen keine neuen Beschlüsse gefasst, sondern nur bisherige Ergebnisse, wie z.B. die Übereinstimmung über den geplanten Verhandlungsprozess und den Zeitplan, erneut bestätigt. Die genaue Konzeption der ALCA bezüglich Form und Umfang bleibt weiterhin ungeklärt.7
Nach einem Sondergipfel 2004 in Mexiko, der ohne wesentliche Fortschritte zu Ende geht, findet unter erheblichen Protesten von Globalisierungskritikern und ALCA-Gegnern 2005 im argentinischen Mar del Plata die vierte Zusammenkunft statt. Aufgrund unüberwindbarer Differenzen der Verhandlungspartner, insbesondere zwischen den USA und den MERCOSUR-Staaten sowie Venezuelas, wird das Thema ALCA allerdings schon vor Beginn des Gipfels von der Agenda gestrichen. Das Ziel, das besonders von den USA forciert wurde, die Vertragsverhandlungen bis 2005 abzuschließen, wird also nicht erreicht.8
4. Inhalt: Die wichtigsten Verhandlungsfelder
4.1 Vorwort
Wie bereits oben erwähnt wurden 1998 in Chile neun Verhandlungsfelder festgelegt. Im Folgenden soll allerdings lediglich auf die beiden wichtigsten und letztlich für den Abbruch der Verhandlungen entscheidenden Bereiche Marktzugang und Landwirtschaft genauer eingegangen werden.9
4.2 Marktzugang
Der Marktzugang stellt bei einem Freihandelsabkommen stets eines der wichtigsten Elemente dar. Hierbei geht es um die Schaffung eines gemeinsamen Marktes durch den Abbau sowohl direkter (tarifärer), als auch indirekter (nichttarifärer) Handelshemmnisse, die als protektionistisches Instrument zum Schutz der inländischen Wirtschaft dienen.10
Im Zuge der ALCA-Verhandlungen soll grundsätzlich die Gesamtheit der Zölle verhandelt werden, um durch die Regelung sämtliche Erzeugnisse zu erfassen. Lediglich die empfindlichsten Produkte einiger Länder sollen einen Anpassungsprozess durchlaufen, um äußerst sensible Branchen vor zu extremen Schocks zu schützen.
Einige Länder, so z.B. die USA, wollen allerdings eine Reihe von Produkten vorläufig nicht verhandeln und relativieren damit die geplante allgemeingültige Regelung.11
Angebote für einen gemeinsamen Grundzoll, der Ausgangspunkt für den Abbau sein soll, wurden 2002 von den verschiedenen Ländern unterbreitet, es gab aber bisher keine Einigung.
Ein weiterer bisher ungeklärter Punkt sind die Ursprungsregeln, die für ein Produkt gelten sollen. Dabei geht es um definitorische Standards, nach denen geregelt wird, in welchem Land ein Erzeugnis produziert wurde. So gilt in den USA bisher das Prinzip der vollständigen Herstellung, in den meisten lateinamerikanischen Ländern hingegen das Mehrwertsprinzip.12
Außerdem sollen die Zollauslöseprozesse vereinheitlicht werden, was Gesetzesänderungen in fast allen Mitgliedsländern zur Folge haben würde.
4.3 Landwirtschaft
Der Sektor Landwirtschaft ist bei den ALCA-Verhandlungen, wie auch bei den Verhandlungen der Doha Freihandelsrunde, als Schlüsselthema zu bewerten und in engem Zusammenhang mit dem Verhandlungsfeld Subventionen etc. zu sehen. Besonders kritisch sind hierbei die Subventionen der Industrieländer für einheimische Agrarerzeugnisse zu betrachten, die eine verzerrende Wirkung auf den Weltmarkt haben und starken protektionistischen Charakter aufweisen.13
Außerdem spielen an dieser Stelle Maßnahmen zum Umwelt- bzw. Pflanzenschutz sowie zur Qualitätssicherung und damit verbundene Gesetze eine Rolle.14
Fraglich ist bei diesen Punkten jedoch, ob die ALCA hierfür einen geeigneten Verhandlungsrahmen bietet oder ob die WTO nicht ein besseres Forum ist, da sich die gleiche Problematik in Bezug auf die EU offenbart.15
5.Die Hauptakteure: Amerika „zwischen US-Amerikanischer Hegemonie und brasilianischem Führungsanspruch“
5.1 Vorwort
Die aus den 16 oben beschriebenen Assymetrien abgeleiteten Interessen der unterschiedlichen Teilnehmerstaaten kristallisieren sich während des ALCA Verhandlungsprozesses klar heraus. Es bildet sich eine Front zwischen den MERCOSUR Staaten unter der Führung Brasiliens einerseits und der den Kurs der USA befürwortenden Nationen unter Führung selbiger andererseits. Die Standpunkte der USA und Brasiliens sind also von entscheidender Bedeutung für den Verhandlungsverlauf und sollen deshalb im Folgenden genauer untersucht werden.17
5.2 Der Standpunkt der USA: Ambivalente Position eines Giganten
Die Führungsrolle der USA in Bezug auf die panamerikanische wirtschaftliche Integration leitet sich, wie oben bereits erwähnt, aus ihrer sozioökonomischen Vormachtsstellung ab. Deshalb ist es besonders wichtig, ihre Interessenlage beim ALCA-Prozess genau zu analysieren.
Die US-amerikanische Lateinamerikapolitik zeichnet sich generell durch eine auffallend ambivalente Haltung aus, die von der ehemaligen IWF Chefökonomin Anne O. Krueger gar als „schizophren“18 beschrieben wurde.
So streben sie in Sachen Handelspolitik zwar eine schnelle Öffnung der Märkte für US-amerikanische Produkte an, fahren aber gleichzeitig, insbesondere mit Hilfe nicht tarifärer Handelshemmnisse, einen protektionistischen Kurs.
Besonderes Interesse haben die USA an der Öffnung der Märkte für Industriegüter und High-Tech-Produkte, die in 2001 einen Anteil von über 32% an der gesamten Wahrenausfuhr hatten,19 sowie Dienstleistungen, die die einen Anteil von 75% am BIP ausmachen.20
Andererseits sind sie nicht bereit, den äußerst konkurrenzfähigen Agrarprodukten vieler lateinamerikanischer Länder durch den Abbau inländischer Subventionen den Marktzugang zu ermöglichen.21 Im Gegenteil: 2002 verabschiedet die US-Regierung ein auf einen Zeitraum von 10 Jahren ausgelegtes Subventionierungsprogramm zur Modernisierung des Agrarsektors im Umfang von 190 Milliarden US-Dollar.22
Außerdem sind in der so genannten „Trade Promotion Authority“, einer Genehmigung des US-Parlaments an die US-Regierung zur Verhandlung von Freihandelsabkommen, viele landwirtschaftliche Produkte nicht enthalten.23
Diese Haltung zeigt sich auch deutlich in der 1997 von den USA vorgeschlagenen Verhandlungsagenda, nach der möglichst schnell über Zollsenkungen verhandelt werden soll und im Anschluss daran über den Abbau von Agrarsubventionen.24
4.3 Brasilien auf Konfrontationskurs
Die Interessen vieler lateinamerikanischer Länder, insbesondere Brasiliens und der anderen MERCOSUR Staaten, sind als konträr zu betrachten. Ihnen ist zwar auch daran gelegen, besseren Zugang zu anderen Märkten zu erhalten, vor allem zu der größten Volkswirtschaft der Welt, den USA. Bei ihren „Exportschlagern“ handelt es sich jedoch vorwiegend um landwirtschaftliche Produkte oder Rohstoffe.
So möchte Brasilien im Gegensatz zu den USA die Verhandlungen möglichst hinauszögern, zunächst über den Abbau von Agrarsubventionen entscheiden, um dann mit den Verhandlungen über Zollsenkungen zu beginnen. Die Brasilianer befürchten, dass durch die Öffnung des Marktes für die Industriegüter der USA, die im Aufbau befindliche nationale Industrie zerstört würde und ist deswegen daran interessiert, die Handelshemmnisse für diese Erzeugnisse möglichst lange aufrecht zu erhalten, so dass sich dieser Sektor noch eine Weile entwickeln kann.25
Ein weiteres Interesse Brasiliens an der ALCA sind die Investitionen und der damit verbundene Technologie- und Wissenstransfer aus den Industrienationen. Befürchtet wird jedoch zugleich, dass hiervon lediglich der Verbraucher, nicht aber die gesamte Gesellschaft profitieren könnte.26
Im Bezug auf den Dienstleistungssektor will Brasilien lediglich positive Listen aufstellen, die zugelassene Dienstleistungen definieren, nicht aber, wie von den USA gefordert, negative Listen, die nur einzelne Bereiche ausschließen. Dadurch sollen nicht konkurrenzfähige Branchen geschützt werden.27
Ein weiterer Streitpunkt ist die Implementierung von Gesetzen bezüglich des geistigen Eigentums, wie sie von den USA gefordert wird. Diese Aufgabe wäre für Brasilien mit hohen Kosten zur Schaffung neuer Institutionen verbunden, hätte jedoch nur sehr geringen Nutzen.28
6. Ausblick
Die mangelnde Kompromissbereitschaft der USA einerseits und des Blocks der MERCOSUR Staaten andererseits führt 2005 zum Abbruch der Verhandlungen. Brasilien nennt als Bedingung für eine Wiederaufnahme der Gespräche den Abbau der Agrarsubventionen der Industriestaaten, die nicht nur bei den ALCA-Verhandlungen, sondern auch bei den Gesprächen der Doha Freihandelsrunde als der wesentliche Knackpunkt betrachtet werden können.29
Da es momentan allerdings keine Anzeichen gibt, dass sich eine der Konfliktparteien bewegt, scheint es, als sei das Bemühen um einen gemeinsamen panamerikanischen Markt gescheitert und die ALCA, um es in den Worten des Venezolanischen Staatspräsidenten und ALCA-Kritikers Hugo Chávez auszudrücken, „beerdigt“30.
Somit wird sich die wirtschaftliche Integration auf dem amerikanischen Kontinent höchstwahrscheinlich in Form von subregionalen Bündnissen und bilateralen Verträgen weiter intensivieren. Chile ist das zweite lateinamerikanische Land, das mit den USA ein Freihandelsabkommen geschlossen hat, und in den kommenden Jahren werden vermutlich weitere hinzukommen. Washington steht bereits in Verhandlungen mit Ekuador, Kolumbien und Peru sowie den zentralamerikanischen Ländern.31
Ein weiteres denkbares Szenario ist die Ausdehnung der beiden großen subregionalen Bündnisse NAFTA und MERCOSUR.32
7. Fazit
93% aller Ökonomen stimmen dem Statement „Zölle und Importquoten reduzieren den allgemeinen ökonomischen Wohlstand“ zu.33
Bleibt den Schwellenländern Lateinamerikas durch das Scheitern der ALCA also der Weg in die Wohlstandsgesellschaft der Industrieländer verwehrt? Ist der Abbruch der Gespräche überhaupt als negativ zu bewerten?
Glaubt man linksradikalen Politikern wie Chávez oder Fidel Castro oder den tausenden Globalisierungskritikern, die die Gipfeltreffen stets mit zum Teil gewalttätigen Protesten begleiten, so ist das Freihandelsabkommen Teil der imperialistischen neoliberalen Politik der US-amerikanischen Administration und dient der Ausbeutung der unterentwickelten lateinamerikanischen Länder.
Aber auch weniger radikale Institutionen, so viele NROs, befürchten, dass es aufgrund der Assymetrien zwischen den unterschiedlichen Bündnispartnern zu Nachteilen für einige Nationen oder zumindest der unteren Bevölkerungsschichten kommen könnte.
Meiner Ansicht nach ist die wirtschaftliche Integration allerdings ein notwendiger, durch die Globalisierung bedingter Prozess, der sich auf die ein oder andere Weise in Zukunft vollziehen wird und der nachhaltig zur Entwicklung der armen Länder beitragen kann.. Wer im weltweiten „Wachstumsrennen“ nicht zurückfallen möchte, sollte sich also nicht zu sehr isolieren.
Solange die Teilnehmenden Staaten allerdings „das Scheitern dem Kompromiss vorziehen“34 wird die ALCA nicht zu Stande kommen.
8. Literaturverzeichnis
- Annan, K. (2000): Weaving the Global Compact. In: United Nations Chronicle Online Edition. Nr. 2 2000. URL: http://www.un.org/Pubs/chronicle/2000/issue2/0200p46.htm (Zugriff: 8.11.2006)
- Calganotto, G. / Nolte, D. (2002): Südamerika zwischen US-amerikanischer Hegemonie und brasilianischem Führungsanspruch; Konkurrenz und Kongruenz der Integrationsprozesse in den Amerikas. Vervuert Verlag. Frankfurt am Main.
- Effner, H. (2003): Regionale und subregionale Integration in den Amerikas: Konvergenz oder Divergenz?. In: Beiträge zur Lateinamerikaforschung. Institut für Iberoamerika-Kunde Hamburg . Band 12. 2003.
- Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA): Perspektive der Herausforderung für Brasilien. In: Europa América Latina Nr. 10. Konrad-Adenauer-Stiftung. Dezember 2002.
- Matz, O. (2005/2006): Größere NAFTA und erweiterter Mercosur? In: Afrika und Lateinamerika / ila 291. Informationsstelle Lateinamerika e.V.. URL: http://www.ila-bonn.de/artikel/ila291/naftamercosur.htm . (Zugriff: 9.11.2006).
- Mankiw, N.G. (2004): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. 3. überarbeitete Auflage. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart.
- Montero, C. (2002): Obszönes Geschäft. In: Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika (ila). Nr. 260 . November 2002. S. 19.
- O.V. (2006): In the twilight of Doha. In: The Economist. Nr. 4. 2006. S. 65-66.
- O.V. (2005): Roundup: FTAA talks divide Latin American countries. In: Xinhua General News Service. 1.11.2005.
- Pomrehn, W. (2005): Gegenwind von Süden. In: Junge Welt. 8.11.2005. URL: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Lateinamerika/alca.html (Zugriff: 9.11.2006).
- Schirm, S.A. (2002): Macht, Interessen und Ideen in der US-Politik gegenüber Brasilien. In: Südamerika zwischen US-amerikanischer Hegemonie und brasilianischem Führungsanspruch. S. 245-249. Vervuert Verlag. Frankfurt am Main.
- Sangmeister, H. (2003): Der ALCA-Prozess. In: Ibero-Analysen. Heft 14.
[...]
1 Annan, K. (2000): Weaving the Global Compact. In: United Nations Chronicle Online Edition. Nr. 2 2000. URL: http://www.un.org/Pubs/chronicle/2000/issue2/0200p46.htm (Zugriff: 8.11.2006)
2 Anmerkung des Verfassers: Mitgliedstaaten: CAN: Bolivien, Ekuador, Kolumbien, Peru, Venezuela. MCCA: Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nikaragua. MERCOSUR: Argentiniern, Brasilien, Paraguay, Uruguay (assoziiert Bolivien, Chile). NAFTA: Kanada, Mexiko, USA. CARICOM: Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Dominica, Grenada, Guyana, Haiti, Jamaika, Montserrat, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Suriname, Trinidad und Tobago.
3 Vgl.: Effner, H. (2003): Regionale und subregionale Integration in den Amerikas: Konvergenz oder Divergenz?. In: Beiträge zur Lateinamerikaforschung. Institut für Iberoamerika-Kunde Hamburg . Band 12. 2003. S. 63-70
4 Effner, H. (2003): Regionale und subregionale Integration in den Amerikas. S. 68.
5 Vgl.: Matz, O. (2005/2006): Größere NAFTA und erweiterter Mercosur? In: Afrika und Lateinamerika / ila 291. Informationsstelle Lateinamerika e.V.. URL: http://www.ila-bonn.de/artikel/ila291/naftamercosur.htm . (Zugriff: 9.11.2006).
6 Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA): Perspektive der Herausforderung für Brasilien. In: Europa América Latina Nr. 10. Konrad-Adenauer-Stiftung. Dezember 2002. S. 8.
7 Vgl.: Effner, Henning: Regionale und subregionale Integration in den Amerikas. S.63-64
8 Vgl.: Pomrehn, W. (2005): Gegenwind von Süden. In: Junge Welt. 8.11.2005. URL: http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Lateinamerika/alca.html (Zugriff: 9.11.2006).
9 Anmerkung des Verfassers: Dass auch die anderen Bereiche äußerst kontrovers diskutiert werden und von hohem Stellenwert sind, steht außer Frage. Auf eine detaillierte Auseinandersetzung mit allen Punkten wird auf Grund der Formvorgaben allerdings verzichtet. Siehe hierzu z.B.: Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA).
10 Anmerkung der Verfassers: Hier verwendete Begrifflichkeiten werden als bekannt vorausgesetzt und aus Platzmangel nicht weiter erläutert.
11 Vgl.: Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA). S.7-28.
12 Vgl.: Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA). S. 12
13 Vgl.: Montero, C. (2002): Obszönes Geschäft. In: Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika (ila). Nr. 260 . November 2002. S. 19.
14 Vgl.: Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA). S. 13
15 Vgl.: Effner, Henning: Regionale und subregionale Integration in den Amerikas. S.122.
16 Calganotto, G. / Nolte, D. (2002): Südamerika zwischen US-amerikanischer Hegemonie und brasilianischem Führungsanspruch; Konkurrenz und Kongruenz der Integrationsprozesse in den Amerikas. Vervuert Verlag. Frankfurt am Main.
17 Vgl.: Calganotto, G. / Nolte, D. (2002): Südamerika zwischen US-amerikanischer Hegemonie und brasilianischem Führungsanspruch. S. 7.
18 Schirm, S.A. (2002): Macht, Interessen und Ideen in der US-Politik gegenüber Brasilien. In: Südamerika zwischen US-amerikanischer Hegemonie und brasilianischem Führungsanspruch. S. 245-249. Vervuert Verlag. Frankfurt am Main. S. 245.
19 Vgl.: Sangmeister, H. (2003): Der ALCA-Prozess. In: Ibero-Analysen. Heft 14. S. 9.
20 Vgl.: Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA). S. 14.
21 Vgl.: Montero, C. (2002): Obszönes Geschäft. In: Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika (ila). Nr. 260 . November 2002. S. 19.
22 Vgl..: Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA). S.13.
23 Vgl.: Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA). S.11.
24 Vgl.: Effner, H. (2003): Regionale und subregionale Integration in den Amerikas. S. 120.
25 Vgl.: Effner, H. (2003): Regionale und subregionale Integration in den Amerikas. S. 121.
26 Vgl.: Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA). S.14.
27 Vgl.: Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA). S. 15.
28 Vgl.: Lohbauer, C. (2002): Die Panamerikanische Freihandelszone (ALCA). S. 18.
29 Vgl.: O.V. (2006): In the twilight of Doha. In: The Economist. Nr.4. 2006. S. 65-66.
30 O.V. (2005): Roundup: FTAA talks divide Latin American countries. In: Xinhua General News Service. 1.11.2005.
31 Vgl.: O.V. (2005): Roundup: FTAA talks divide Latin American countries. In: Xinhua General News Service. 1.11.2005.
32 Vgl.: Matz, O. (2005/2006): Größere NAFTA und erweiterter Mercosur?
33 Vgl.: Mankiw, N.G. (2004): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. 3. überarbeitete Auflage. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart. S.35.
34 O.V. (2006): In the twilight of Doha. In: The Economist. Nr.4. 2006. S. 65.
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