Europa wird immer größer und wächst sowohl wirtschaftlich als auch politisch immer stärker zusammen.1 So wurde beispielsweise durch Art. 4 IAS-VO, die im Jahre 2002 erlassen wurde, festgelegt, dass kapitalmarktorientierte Unter-nehmen für Geschäftsjahre ab 01.01.2005 einen Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen haben, soweit sie dem Recht eines Mitgliedsstaates unterliegen. Mit Art. 5 der IAS-VO wurde zudem ein Wahlrecht für die Mitgliedsstaaten geschaffen, die Anwendung der IFRS auch auf den Einzelabschluss kapital-marktorientierter Unternehmen auszudehnen. Dieser Ausdehnung ist Deutschland jedoch nicht gefolgt, wodurch ein Neben-einander von mehreren Rechungslegungssystemen geschaffen wurde, was für die Unternehmen mit erheblichen Kosten verbunden ist.2 So müssen kapital-marktorientierte Unternehmen neben einem IFRS-Abschluss und einer Steuer-bilanz auch für die Kapitalerhaltungsmessung und damit für Ausschüttungs-zwecke einen HGB-Einzelabschluss aufstellen. Eine mögliche Entlastung könnte jedoch durch eine Reformierung der 2. EU-Gesellschaftsrechtsrichtlinie entstehen, bei der die Einführung eines Alternativ-systems in Form eines Solvenztests i.V.m. dem IFRS-Abschluss zur Ausschüt-tungsbemessung vorgenommen wird. Hierdurch könnte ein HGB-Einzelabschluss überflüssig werden. In diesem Zusammenhang wird auch dar-über nachgedacht, das derzeitige System der Kapitalerhaltung abzuschaffen, da dessen Aufgabe – der Gläubigerschutz – kritisch hinterfragt wird.
Im Rahmen dieser Arbeit soll deshalb untersucht werden, ob Solvenztests eine wirkliche Alternative zum System der Kapitalerhaltung und somit zum Gläubi-gerschutz darstellen. Hierzu werden in einem ersten Schritt die Wirkungswei-sen der einzelnen Methoden des Gläubigerschutzes dargestellt. Hieran an-schließend wird ein Überblick über die aktuellen Reformvorschläge gegeben, woran sich eine kritische Beurteilung der Solvenztests sowie eine mögliche konkrete Ausgestaltung eines Solvenztests anschließt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Formen des Gläubigerschutzes
2.1 Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung
2.2 Gläubigerschutz durch Information
2.3 Gläubigerschutz durch Solvenztests
3. Überblick über die Reformvorschläge in der EU und Deutschland
3.1 Reformvorschlag der High Level Group
3.2 Der Rickfordreport
3.3 Reformvorschlag der Luttergruppe
3.4 Stellungsnahme des IDW
4. Beurteilung der Solvenztests als alternatives System
4.1 Kritische Beurteilung von Solvenztests
4.2 Ausgestaltung eines optimalen Solvenztests
5. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
AktG Aktiengesetz
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1.Einleitung
Europa wird immer größer und wächst sowohl wirtschaftlich als auch politisch immer stärker zusammen.1 So wurde beispielsweise durch Art. 4 IAS-VO, die im Jahre 2002 erlassen wurde, festgelegt, dass kapitalmarktorientierte Unter- nehmen für Geschäftsjahre ab 01.01.2005 einen Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen haben, soweit sie dem Recht eines Mitgliedsstaates unterliegen. Mit Art. 5 der IAS-VO wurde zudem ein Wahlrecht für die Mitgliedsstaaten geschaffen, die Anwendung der IFRS auch auf den Einzelabschluss kapital-
marktorientierter Unternehmen auszudehnen.
Dieser Ausdehnung ist Deutschland jedoch nicht gefolgt, wodurch ein Neben- einander von mehreren Rechungslegungssystemen geschaffen wurde, was für die Unternehmen mit erheblichen Kosten verbunden ist.2 So müssen kapital- marktorientierte Unternehmen neben einem IFRS-Abschluss und einer Steuer- bilanz auch für die Kapitalerhaltungsmessung und damit für Ausschüttungs- zwecke einen HGB-Einzelabschluss aufstellen.3
Eine mögliche Entlastung könnte jedoch durch eine Reformierung der 2. EU- Gesellschaftsrechtsrichtlinie entstehen, bei der die Einführung eines Alternativ- systems in Form eines Solvenztests i.V.m. dem IFRS-Abschluss zur Ausschüt- tungsbemessung vorgenommen wird. Hierdurch könnte ein HGB- Einzelabschluss überflüssig werden. In diesem Zusammenhang wird auch dar- über nachgedacht, das derzeitige System der Kapitalerhaltung abzuschaffen, da dessen Aufgabe – der Gläubigerschutz – kritisch hinterfragt wird.
Im Rahmen dieser Arbeit soll deshalb untersucht werden, ob Solvenztests eine wirkliche Alternative zum System der Kapitalerhaltung und somit zum Gläubi- gerschutz darstellen. Hierzu werden in einem ersten Schritt die Wirkungswei- sen der einzelnen Methoden des Gläubigerschutzes dargestellt. Hieran an- schließend wird ein Überblick über die aktuellen Reformvorschläge gegeben, woran sich eine kritische Beurteilung der Solvenztests sowie eine mögliche konkrete Ausgestaltung eines Solvenztests anschließt.
2. Formen des Gläubigerschutzes
2.1 Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung
Das derzeitige System der bilanziellen Kapitalaufbringung und -erhaltung ist in der 2. Richtlinie (Kapitalrichtlinie) vom 13. Dezember 1976 kodifiziert. Kern- stück dieser Richtlinie ist Art. 15, welcher Regelungen für eine Ausschüttung enthält. Demnach ist eine Ausschüttung nicht möglich, „wenn bei Abschluss des letzten Geschäftsjahres das Nettoaktivvermögen, wie es der Jahresab- schluss ausweist, den Betrag des gezeichneten Kapitals zuzüglich der Rückla- gen, deren Ausschüttung das Gesetz oder die Satzung nicht gestattet, durcheine solche Ausschüttung unterschreitet oder unterschreiten würde“5. Des Wei-teren darf die Ausschüttung „den Betrag des Ergebnisses des letzten abge- schlossenen Geschäftsjahres, jedoch vermindert um die Verluste aus früheren Geschäftsjahren sowie um die Beträge, die nach Gesetz oder Satzung in Rück- lagen eingestellt worden sind, nicht übersteigen“4 6.
Entsprechende Regelungen finden sich auch im deutschen Recht, insbesondere in den §§ 57 ff. und 150 AktG. Zudem schreibt § 7 AktG ein Mindestnennkapi- tal i.H.v. 50.000 € vor, welches eine Garantiefunktion zugunsten der Gläubiger einnimmt.7 Durch das aufzubringende Nennkapital wird zum einen zwar eine Haftungsbeschränkung der Unternehmen erreicht, zum anderen soll es aber auch die Gläubiger schützen, indem ihnen Vermögensgegenstände auf der Ak- tivseite in Krisenzeiten zur Verfügung stehen, und zwar mindestens in der Hö- he, in der Eigenkapital zwingend vorzuhalten ist.8 D.h., ein Gläubigerschutz wird dadurch erreicht, dass den Gläubigern ein gewisses Finanzpolster für Kri- senzeiten geschaffen wird.9 Maßnahmen hierfür sind z.B. das Verbot der Un- terpari-Emission (§ 9 AktG) und die Einlagenrückgewährung (§ 57 AktG), sowie der eingeschränkte Erwerb eigener Aktien (§ 71 AktG).
[...]
1 Vgl. Bayer (2004), S. 1.
2 Vgl. Pellens/Richard/Sellhorn (2005), S. 26.
3 Vgl. Pellens/Jödicke/Richard (2005), S. 1393. Evtl. muss zudem noch ein vierter Ab- schluss nach US-GAAP aufgestellt werden, sofern das Unternehmen in den USA gelistet ist.
4 Auf die Notwendigkeit der Kapitalerhaltung soll nicht explizit eingegangen werde. Es soll lediglich darauf hingewiesen werden, dass in der Literatur zwei Gründe für eine gesetzli- che Kapitalerhaltung vorgebracht werden. Dies ist zum einen die „Senkung der Vertrags- kosten“ und zum anderen die „Vermeidung negativer externer Effekte“. Vgl. dazu im de- tail statt vieler nur Niehues (2001), S. 1214 f.
5 Europäische Union (1976), Art. 15 (a).
6 Europäische Union (1976), Art. 15 (c).
7 Vgl. Klunzinger (2004), S. 154.
8 Vgl. Pellens/Jödicke/Richard (2005), S. 1394.
9 Vgl. ausführlich zur „Kissenfunktion“Kübler (1995b), S. 555; Kübler (1995a), S. 366.
- Quote paper
- Andre Bayer (Author), 2007, Solvenztest als Alternative zur bilanziellen Kapitalerhaltung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110873
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