"Ein wichtiges Motiv für mich diese Geschichte überhaupt aufzuschreiben, war doch nicht nur, den heutigen Lesern Geschichtsunterricht geben zu wollen […]" Dies sagt der Schriftsteller Jurek Becker in einem Radiointerview 1975 kurz nach der Premiere der ersten Verfilmung seines Romans „Jakob der Lügner“.
Dieser Roman wird in der folgenden Arbeit jedoch gerade hinsichtlich des geschichtlichen Hintergrundes untersucht. Es wird die Darstellung des Holocaust sowohl im Buch, als auch in den beiden Verfilmungen von 1974 und 1999 analysiert, denn in einer Handlung, die in einem jüdischen Ghetto in Polen im Winter 1944 spielt, muss die Thematik des Holocaust eingearbeitet werden. Zudem ist der Schriftsteller selbst Jude und Überlebender dieser Zeit, was im Folgenden noch näher betrachtet werden wird. Neben einigen wichtigen Ereignissen aus dem Lebenslauf Beckers wird in dieser Arbeit vor allem die Darstellung des Lebens im Ghetto im Roman und in den Verfilmungen untersucht, miteinander verglichen und in Kontrast gesetzt zum Leben im historischen Ghetto. In diesem Kontext werden die visuelle oder im Buch beschriebene Darstellung des Ghettos und die Thematisierung des Widerstandes hinsichtlich der Holocaust – Thematik untersucht.
Da die Arbeit in ihrem Umfang begrenzt ist, wird davon abgesehen eine detaillierte Inhaltsangabe des Romans vorzunehmen, da dies den Rahmen auf Grund der Komplexität des Werkes sprengen würde. Zudem wird von einer literarischen Analyse, die im Hinblick auf die Grundlage der Arbeit, des Romans, nahe liegt, Abstand genommen. Hier geht es in erster Linie um eine Analyse aus Sicht des Historikers, nicht des Literaten. In diesem Zusammenhang ist auch die Literaturlage zu sehen. Die angeführte Literatur beschäftigt sich oftmals mit der literarischen Analyse und Erörterung bestimmter Problemkreise im Roman, die meist wenig mit der Holocaust – Thematik zu tun haben, so wird z. B. das Konstrukt der Lüge immer wieder analysiert und gedeutet. Dies wird ebenfalls keinen Eingang in diese Arbeit finden, ebenso wie bestimmte inhaltliche Differenzen zwischen Roman und den Verfilmungen hier nur in soweit dargestellt werden, als dass sie für die Bearbeitung des Themas von Bedeutung sind.
Verfasst wird die Arbeit in der neuen deutschen Rechtschreibung, wobei direkte Zitate und Eigennamen keine Änderung erfahren.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Allgemeines
2.1. Biografischer Hintergrund des Schriftstellers
2.2. Der Roman „Jakob der Lügner“ und seine Verfilmungen – eine kurze Inhaltsangabe
3. Darstellung des Ghettolebens in Beckers Werk und den Verfilmungen
3.1. Darstellung der Umgebung in den Filmen an Hand stilistischer Mittel
3.2. Die Darstellung bei Becker im Gegensatz zu Berichten aus dem historischen Ghetto
3.3. Die Allgegenwärtigkeit des Holocaust im Hintergrund
3.4. Die Thematisierung des Widerstandes
4. Zusammenfassung
5. Literatur
1. Einleitung
„Ein wichtiges Motiv für mich diese Geschichte überhaupt aufzuschreiben, war doch nicht nur, den heutigen Lesern Geschichtsunterricht geben zu wollen […]“[1]
Dies sagt der Schriftsteller Jurek Becker in einem Radiointerview 1975 kurz nach der Premiere der ersten Verfilmung seines Romans „Jakob der Lügner“.
Dieser Roman wird in der folgenden Arbeit jedoch gerade hinsichtlich des geschichtlichen Hintergrundes untersucht. Es wird die Darstellung des Holocaust sowohl im Buch, als auch in den beiden Verfilmungen von 1974 und 1999 analysiert, denn in einer Handlung, die in einem jüdischen Ghetto in Polen im Winter 1944 spielt, muss die Thematik des Holocaust eingearbeitet werden. Zudem ist der Schriftsteller selbst Jude und Überlebender dieser Zeit, was im Folgenden noch näher betrachtet werden wird. Neben einigen wichtigen Ereignissen aus dem Lebenslauf Beckers wird in dieser Arbeit vor allem die Darstellung des Lebens im Ghetto im Roman und in den Verfilmungen untersucht, miteinander verglichen und in Kontrast gesetzt zum Leben im historischen Ghetto. In diesem Kontext werden die visuelle oder im Buch beschriebene Darstellung des Ghettos und die Thematisierung des Widerstandes hinsichtlich der Holocaust – Thematik untersucht.
Da die Arbeit in ihrem Umfang begrenzt ist, wird davon abgesehen eine detaillierte Inhaltsangabe des Romans vorzunehmen, da dies den Rahmen auf Grund der Komplexität des Werkes sprengen würde. Zudem wird von einer literarischen Analyse, die im Hinblick auf die Grundlage der Arbeit, des Romans, nahe liegt, Abstand genommen. Hier geht es in erster Linie um eine Analyse aus Sicht des Historikers, nicht des Literaten. In diesem Zusammenhang ist auch die Literaturlage zu sehen. Die angeführte Literatur beschäftigt sich oftmals mit der literarischen Analyse und Erörterung bestimmter Problemkreise im Roman, die meist wenig mit der Holocaust – Thematik zu tun haben, so wird z. B. das Konstrukt der Lüge immer wieder analysiert und gedeutet. Dies wird ebenfalls keinen Eingang in diese Arbeit finden, ebenso wie bestimmte inhaltliche Differenzen zwischen Roman und den Verfilmungen hier nur in soweit dargestellt werden, als dass sie für die Bearbeitung des Themas von Bedeutung sind.
Verfasst wird die Arbeit in der neuen deutschen Rechtschreibung, wobei direkte Zitate und Eigennamen keine Änderung erfahren.
2. Allgemeines
2.1. Biografischer Hintergrund des Schriftstellers
Jurek Becker, der Autor des Romans „Jakob der Lügner“, um den es in dieser Arbeit geht, wird offiziell am 30. September 1937 im polnischen Lódz geboren, das zu dieser Zeit schon ein Ghetto besitzt, in dem auch Beckers Eltern, weil sie Juden sind, leben müssen. Das Datum ist wahrscheinlich nicht Beckers wirklicher Geburtstag, denn seine Geburtsurkunde ging bei der Zerstörung der Stadt verloren, aber da jeder ein offizielles Geburtsdatum haben muss, ist dies das Datum, das heute bekannt ist.[1] Über die frühen Jahre (1939 – 1945), die Becker u. a. in den Konzentrationslagern Ravensbrück und Sachsenhausen verbringt, ist nichts Näheres bekannt, da sich Becker selbst an diese Zeit kaum erinnert. Die Familie wird getrennt, so wird der Vater nach Auschwitz deportiert, überlebt aber im Gegensatz zu den meisten Familienmitgliedern.
„Als der Krieg zu Ende war, hatte sich meine Familie, eine ehedem fast unübersehbare Personenschar, wie ich höre, auf drei Überlebende reduziert: auf meinen Vater, auf eine Tante […] und auf mich.“[2]
Das Kind Becker und seine Mutter werden zunächst ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert, später dann nach Ravensbrück. In den Lagern bestimmen Angst und Langeweile das Leben des Kindes, dessen Überleben sich nur aus der Rolle der Mutter erklären lässt. Allerdings stirbt die Schützerin und zentrale Person in Beckers Leben kurz nach der Befreiung von Ravensbrück an Tuberkulose.[3]
Den Vater findet Becker durch die Hilfe der amerikanischen Organisation „Joint“ wieder und sie lassen sich in dem von den Russen besetzten Teil Berlins nieder. Der damals Achtjährige lernt erst jetzt die deutsche Sprache und kommt in die Schule. 1955 macht er sein Abitur und wird zwei Jahre später nach dem Absolvieren seines Wehrdienstes Mitglied der SED. Als 1969 sein erstes Drehbuch von der DEFA abgelehnt wird, wo er fest angestellter Autor ist, beginnt er mit dem Schreiben von Prosatexten. Sein erster Roman „Jakob der Lügner“ spielt in einem Ghetto.[4] Doch Becker ist nach eigener Aussage nicht dazu in der Lage sich an das Ghetto von Lódz zu erinnern. „Dennoch habe ich Geschichten über Gettos geschrieben, als wäre ich ein Fachmann. Vielleicht habe ich gedacht, wenn ich nur lange genug schreibe, werden die Erinnerungen schon kommen.“[5]
Durch sein Unvermögen sich an die damaligen Ereignisse zu erinnern, ist er darauf angewiesen andere Überlebende zu befragen, die Hauptquelle, die man in seinem Vater vermuten würde, verschließt sich ihm allerdings. Der Vater weicht allen Fragen seines Sohnes bezüglich der Vergangenheit aus, sodass Becker sich schon in jungen Jahren mit seiner Identität auseinandersetzt. Vor allem mit seiner Einstellung zum Judentum haben sich viele Autoren und Biografen beschäftigt, die Becker in seinem Aufsatz „Mein Judentum“ beschreibt. Darin wird deutlich, dass Becker selbst eher ein Atheist ist, den die jüdische Religion nicht mehr tangiert als irgendeine andere Religion. Er selbst bezeichnet sich nicht als Juden, obgleich die religiöse Zugehörigkeit seiner Familie doch sehr weitreichende Folgen für sein eigenes Leben gehabt hat.
Mit dem Roman „Jakob der Lügner“ sahen ihn dennoch viele Kritiker in der jüdischen Schriftstellertradition verhaftet. Becker hat dies bestritten und als Hintergrund für sein Werk angegeben, dass dies ein mögliches Leben des kleinen Jurek Becker hätte sein können, Ereignisse, sorgfältig rekonstruiert durch viele Recherchen, auf die der Erzähler der Geschichte immer wieder verweist, die dennoch fiktiv sind.[6]
2.2. Der Roman „Jakob der Lügner“ und seine Verfilmungen – eine kurze Inhaltsangabe
Zu dem Roman, der 1969 von Jurek Becker geschrieben wurde, sagte der Literaturkritiker Marcel Reich – Ranicki, selbst Überlebender des Holocaust:
„[…] Von der Ermordung der Juden wird hier erzählt, vom Leben und Tod im Getto einer polnischen Kleinstadt in den Jahren des Zweiten Weltkriegs. Natürlich ist dieses Thema nach wie vor riskant. Die wichtigsten der vielen Fallen, in die hier jeder Schriftsteller geraten kann, heißen einerseits Pathos, Larmoyanz und Sentimentalität und andererseits Verharmlosung und Verniedlichung.[…] Statt vom verzweifelten Kampf und vom heroischen Untergang zu berichten,[…], macht er zum Schauplatz seines Romans ein kleines Getto, in dem es überhaupt keinen bewaffneten Widerstand der Juden gegeben hat.[…]“[7]
Wie erwähnt ist ein polnisches Ghetto im Winter 1944 der Ort der Handlung und die Hauptfigur ist, wie der Titel schon vermuten lässt, Jakob Heym ein Insasse dieses Ghettos. Dieser kommt zufällig in den Genuss des Radiohörens auf dem Revier und erfährt dort, dass die Rote Armee nicht mehr allzu weit vom Ghetto entfernt auf dem Vormarsch ist.
Am nächsten Morgen bei der Arbeit will sein Freund Mischa eine Kartoffel stehlen und um ihn von dieser Tat abzuhalten, bei der Mischa sicherlich sein Leben gelassen hätte, erzählt Jakob ihm die Neuigkeit. Doch da noch kein Jude, der nicht Spitzel der Gestapo ist, lebend aus dem Revier zurückgekommen ist, behauptet Jakob, er habe ein Radio. Mischa bricht das Siegel der Verschwiegenheit natürlich und bald will das ganze Ghetto Nachrichten von Jakob hören. In seiner Not, denn er hat ja gar kein Radio, erfindet er Neuigkeiten und erzählt sie. Dabei ergibt sich jedoch so manche Schwierigkeit, denn mit dem Verbreiten von Nachrichten, die es gar nicht gibt, lädt Jakob eine große Verantwortung auf sich. Die Juden in ihrer verzweifelten Lage glauben jede noch so haarsträubende Lüge und es entsteht Hoffnung. Doch die Kehrseite der Medaille ist, dass Jakob nicht mehr zurück kann, er muss immer mehr Lügen erfinden und bald hofft das ganze Ghetto, dass man in nicht mehr allzu ferner Zukunft von den Russen befreit wird. Mischa und Rosa, seine Freundin, schmieden Hochzeitspläne, Kowalski, Jakobs ältester Freund, beginnt über die Zukunft nachzudenken. Aber eines Tages kann Jakob nicht mehr und erklärt Kowalski, dass es gar kein Radio gibt, daraufhin erhängt dieser sich. Später wird das ganze Ghetto deportiert. Das ist ein Ende des Buches und so endet auch der Film der DEFA, doch das Buch bietet ein zweites Ende an. Jakob will aus dem Ghetto ausbrechen, um echte Nachrichten zu besorgen, da er nicht mehr weiter weiß. Er wird dabei erschossen, doch die Salve, die der Wachposten abgibt, löst den Angriff der Roten Armee auf das Ghetto aus und es wird befreit.
[...]
[1] Vgl. Gilman, Sander L.: How I became a German: Jurek Beckers life in five worlds. Washington 1999, S. 3
[2] Heidelberger – Leonhard, Irene (Hrsg.): Jurek Becker. Frankfurt am Main 1992, S. 191
[3] Gilman, Sander L.: How I became a German: Jurek Beckers life in five worlds. Washington 1999, S. 7
[4] Vgl. Heidelberger – Leonhard, Irene (Hrsg.): Jurek Becker. Frankfurt am Main 1992, S. 191 f.
[5] Ebd., S. 192
[6] Vgl. Heidelberger – Leonhard, Irene (Hrsg.): Jurek Becker. Frankfurt am Main 1992, S. 193 ff.
[7] Ebd., S. 133 f.
[1] Jung, Thomas: Widerstandskämpfer oder Schriftsteller sein. Jurek Becker – Schreiben zwischen Sozialismus und Judentum. Eine Interpretation der Holocaust-Texte und deren Verfilmungen im Kontext. Frankfurt am Main 1998, S. 100
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- Bettina Nolde (Author), 2003, Die Darstellung des Holocaust in Jurek Beckers "Jakob der Lügner", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11086
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