Die österreichische Filmkomödie ist anders. Insbesondere gilt dies für diejenigen Streifen, denen das Etikett Kabarettistenfilm anhaftet. Diese Arbeit soll die Arten des Humors und die aus ihm resultierende Komik in diesen Filmen näher beleuchten. Respekt- und Tabulosigkeit, sowie ein manchmal mit jeglicher Moral brechender Witz sind einige Merkmale, durch die sich der Kabarettistenfilm von den meisten anderen Filmkomödien unterscheidet. Nicht nur aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes und der Tatsache, dass die Schauspieler fast ausschließlich im Dialekt sprechen, nehmen die Filme unter den deutschsprachigen Komödien eine exponierte Stellung ein. Es ist der Humor, der mit einer Schonungslosigkeit Zwischenmenschliches und Gesellschaftliches behandelt. Dessen Formen und Funktionen sollen in dieser Arbeit beschrieben werden.
Hilfreich waren bei dieser Untersuchung neben dem gründlichen Studium der Filme allgemeine und bekannte Theorien zu Komik, Humor und Witz—insbesondere diejenigen, die sich mit der Satire und dem Schwarzen Humor beschäftigen. Außerdem wurde zur Analyse Literatur zum spezifisch österreichischen Humor und Kabarett, sowie eigene Aussagen der Künstler zu ihrem Schaffen herangezogen. Ein Versuch zu beschreiben, welche Formen des Humors diese Filme so besonders machen und welchen Zwecken sie dienen, soll durch diese Verbindung ermöglicht werden.
Inhalt
1 Einleitung
2 Vorbemerkungen
2.1 Begriffsklärung: Kabarettistenfilm
2.2 Untersuchte Filme
2.3 Komik, Humor und Witz. Eine Abgrenzung
3 Ausgewählte Formen des Humors
3.1 Unmoralischer Humor
3.2 Tragischer Humor
3.3 Satire
3.4 Schwarzer Humor
4 Zusammenfassung
1 Einleitung
Die österreichische Filmkomödie ist anders. Insbesondere gilt dies für diejenigen Streifen, denen das Etikett Kabarettistenfilm anhaftet. Diese Arbeit soll die Arten des Humors und die aus ihm resultierende Komik in diesen Filmen näher beleuchten. Respekt- und Tabulosigkeit, sowie ein manchmal mit jeglicher Moral brechender Witz sind einige Merkmale, durch die sich der Kabarettistenfilm von den meisten anderen Filmkomödien unterscheidet. Nicht nur aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes und der Tatsache, dass die Schauspieler fast ausschließlich im Dialekt sprechen, nehmen die Filme unter den deutschsprachigen Komödien eine exponierte Stellung ein. Es ist der Humor, der mit einer Schonungslosigkeit Zwischenmenschliches und Gesellschaftliches behandelt. Dessen Formen und Funktionen sollen in dieser Arbeit beschrieben werden.
Hilfreich waren bei dieser Untersuchung neben dem gründlichen Studium der Filme allgemeine und bekannte Theorien zu Komik, Humor und Witz—insbesondere diejenigen, die sich mit der Satire und dem Schwarzen Humor beschäftigen.[1] Außerdem wurde zur Analyse Literatur zum spezifisch österreichischen Humor und Kabarett, sowie eigene Aussagen der Künstler zu ihrem Schaffen herangezogen. Ein Versuch zu beschreiben, welche Formen des Humors diese Filme so besonders machen und welchen Zwecken sie dienen, soll durch diese Verbindung ermöglicht werden.
2 Vorbemerkungen
2.1 Begriffsklärung: Kabarettistenfilm
Der Begriff Kabarettistenfilm beschreibt die Verbindung von Kabarett und Film. Diese Verbindung ist eine Art dessen, was Iris Fink als „Medienkabarett“ bezeichnet.[2] Der Kabarettistenfilm ist demnach als die Fortsetzung der medialen Inszenierung von Kabarettstücken zu verstehen – als diejenige Stufe, die dem Fernsehkabarett folgt. Fasst man den Begriff sehr eng wie Fink – sie spricht von „Kabarett-Filmen“ – handelt es sich um „Kabarett-Programme, wie z.B. ‚Muttertag’ oder ‚Hinterholz 8’, [die] fürs Kino adaptiert [wurden], wo sie BesucherInnenrekorde erzielten“.[3]
In dieser Arbeit soll der Begriff Kabarettistenfilm jedoch nicht auf die Verfilmung von Kabarettstücken verengt werden. Vielmehr sollen hier auch Filme von Bedeutung sein, bei deren Herstellung Kabarettisten eine gewichtige Rolle spielten. Somit handelt es sich in diesem Sinne um Streifen, die sich dadurch auszeichnen, dass deren Drehbuch von Kabarettisten (mit)geschrieben wurde und/oder Kabarettisten die Hauptrollen spielen. Dass die Macher von Filmen, die man nicht als reinen Kabarett- oder Kabarettistenfilm bezeichnen kann, mit dieser Kategorisierung manchmal nicht glücklich sind, wird in einem Interview mit Florian Flicker, dem Regisseur von Der Überfall deutlich. Dort entgegnet dieser auf die Frage, ob sein Film ein Kabarettfilm bzw. Kabarettistenfilm sei:
„Der Begriff Kabarettistenfilm ist mir fremd. Ich habe keine Kabarettisten engagiert, sondern Filmschauspieler. Ich wollte ein von der Chemie her homogenes und von den Charakteren her möglichst heterogenes Ensemble. Als ich Hinterholz 8 gesehen habe, war ich sehr beeindruckt vom Roland, was für ein toller Filmschauspieler er ist. Vom Josef wusste ich das schon seit Indien. Ich schätze die beiden als Filmschauspieler sehr. Und sie machen auch Kabarett. Mit Joachim als Dritten war die Kombination ideal.“[4]
Auch Alfred Dorfer war „mit dem – pejorativen – Logo ‚Kabarettistenfilm’ … nie glücklich.“[5] Solche Einwände sollen in dieser Arbeit vernachlässigt werden, denn meines Erachtens leben diese Filme ganz wesentlich vom Esprit der Kabarettisten. Aus diesem Grunde und aus der einfachen Tatsache, dass es einfach keine treffendere Bezeichnung gibt, sollte dieser Begriff seine Berechtigung erhalten und dabei keinesfalls als Pejoration verstanden werden.
Wenn hier von Kabarettisten gesprochen wird, handelt es sich vornehmlich um das Dreigestirn der heute erfolgreichsten Kabarettisten Österreichs. Dieses besteht aus Alfred Dorfer, Roland Düringer und Josef Hader. Die Konzentration auf diese drei soll keinesfalls als Geringschätzung der anderen an den Filmen beteiligten Kabarettisten (und Schauspieler) verstanden werden – ganz im Gegenteil – es mangelt allein am notwendigen Platz dafür. Im Folgenden möchte ich Filme untersuchen, bei denen diese drei großartigen Kabarettisten (oder auch Volksschauspieler, wie sich Roland Düringer zu Recht selbst bezeichnet[6] ) eine gewichtige Rolle spielen.
2.2 Untersuchte Filme
Gegenstand dieser Arbeit sind neben den Filmen Indien, Muttertag und Hinterholz 8, die man als reine Kabarett-Filme bezeichnen kann, auch Filme, die nicht Adaption eines Kabarettprogramms für das Kino sind. Diese Filme wären: Der Überfall, Ravioli, Silentium und Komm, süßer Tod.[7]
Eine Kenntnis der Filme seitens des Lesers wird vorausgesetzt, denn Inhaltsangaben und Filmographien würden den Umfang dieser Arbeit sprengen. Davon abgesehen sind diese Daten hier nur von zweitrangiger Bedeutung, denn es sollen allein Komik, Humor und Witz der Filme erörtert werden und – soweit möglich – keine Filmanalysen stattfinden.
2.3 Komik, Humor und Witz. Eine Abgrenzung
Der folgende Abschnitt ist keinesfalls ein Versuch, Komik, Humor und Witz zu definieren. Er soll allein die Begriffe voneinander abgrenzen, da sie im täglichen Sprachgebrauch oft synonym verwendet werden, obwohl sie doch unterschiedliche Bedeutungen haben. Diese Abgrenzung ist für die Stringenz und Logik der in dieser Arbeit gemachten Aussagen wichtig. Michael Hellenthal sieht das Komische „vor allem als Gegensatz zum Tragischen“.[8] Obwohl diese Definition im ersten Moment plausibel erscheint, hat sie doch einen entscheidenden Nachteil: Sie erfordert, dass zugleich das Tragische erklärt werden muss. Da Hellenthal aber nicht darlegt, wie er das Tragische versteht, ist diese Erklärung nicht ganz befriedigend. Man könnte aber auch die Meinung vertreten, dass die Komik in Opposition zur Gesamtheit des Ernstes steht: „Aber es gibt auch die verbreitete Auffassung, daß Ernst und Komik einander ausschließen.“[9] Hellenthals Erklärungen für Humor und Witz kann man aber durchaus folgen, insbesondere weil sie gut auf filmische Werke angewendet werden können. Er schreibt: „Während der Humor, unterstützt von Intelligenz, die ordnende Hand darstellt, welche ein Werk aufbaut, präsentiert der Witz den Aspekt der sprachlichen Realisation.“[10] Darauf, dass Humor Intelligenz bedingt, machte schon Bergson aufmerksam. Für ihn besitzt „der Humor eine wissenschaftliche Note“.[11]
Es bleibt eine Erklärung für Komik offen. Für Gottfried Müller ist „jede Handlung, Erzählung oder Erscheinung, die zum Lachen reizt oder zum mindesten ein lustvolles Wohlbehagen auslöst“, komisch.[12] Ebenso sehen dies Schmidt-Dengler und Zeyringer, für die „Komik […] gemeinhin durch das Lachen definiert [wird] – als etwas, das die Tendenz zum Lachen oder zumindest Lächeln in sich führt.“[13] Natürlich gehen die Autoren noch näher auf das Phänomen Komik ein. Doch für diese Arbeit soll diese einfache Erklärung ausreichend sein. Müller macht wie Bergson darauf aufmerksam, dass Humor eine Leistung des Geistes, des Verstandes ist.[14]
Einen Beitrag zur Unterscheidung der Begriffe liefert auch Berger. Komisches sei für ihn (im Kontext des „Eindringen[s] des Komischen in den Alltag“) eine „Eigenschaft bestimmter Teile der Lebenswirklichkeit“ und Humor die „Fähigkeit, diese Eigenschaft wahrzunehmen“.[15] Man könnte diese Gedanken fortführen zur Fähigkeit, über diese Eigenschaften zu reflektieren.[16]
Die Wissenschaft lieferte mannigfaltige Definitionen von Komik und Humor. Deshalb kann man für diese Begriffe andere als die obigen Erklärungen finden. Müller schreibt, dass er „keine allgemein gültige Lösung“ für das Problem der Definition von Komik finden kann und dass dies auch nicht die „größten Geister der Menschheit“ vermochten.[17] Wahrscheinlich ist das Phänomen der Komik in seiner Gesamtheit unerklärbar.
Für diese Arbeit berufe ich mich auf die oben aufgeführten Quellen und fasse sie folgendermaßen zu einer Unterscheidung von Komik, Humor und Witz zusammen: Komik ist eine Eigenschaft, die, wenn sie wahrgenommen, Lachen oder zumindest ein lustvolles Wohlbehagen auslöst.[18] Humor ist eine Intelligenzleistung mit dem Ziel, komische Konstruktionen zu schaffen, bzw. zu erkennen. Der Witz ist die Konkretisierung einer humoristischen Idee durch sprachliche Mittel. Letztere Bemerkung wird unterstützt durch die Aussage Theodor Lipps: „So heisst überhaupt Witz jedes bewusste und geschickte Hervorrufen der Komik, sei es der Komik der Anschauung oder der Situation.“[19] Man könnte also sagen: Komik ist das Ziel, Humor der Plan, um das Ziel zu erreichen und der Witz dessen Umsetzung. Im Verlaufe dieser Arbeit wird noch darauf hingewiesen werden, dass Humor nicht notwendigerweise zum Lachen komisch sein muss.
3 Ausgewählte Formen des Humors
Die folgende Aufzählung der in den Filmen vorhandenen Arten des Humors ist keineswegs erschöpfend. Da der Umfang dieser Arbeit begrenzt ist, seien hier vornehmlich diejenigen Arten genannt, die meines Erachtens den Kabarettistenfilm besonders machen und für ihn charakteristisch sind.
3.1 Unmoralischer Humor
Besonders im Film Muttertag durchbricht der Humor oft moralische Grenzen. Man denke nur an die Szene in der Kirche, in welcher der Ehebrecher seiner Geliebten während des Gottesdienstes eine „Szene“ macht (diese sei nur als eines von zahlreichen Beispielen genannt).
Es stellt sich die Frage, wie eine solche Darstellung überhaupt komisch wirken kann. Natürlich bietet sich als Naheliegendstes die Theorie der Inkongruenz für eine Erklärung an. Frances Hutcheson bemerkte erstmals in seinem Werk Thoughts on Laughter, dass das Lachen eine „Reaktion auf eine Wahrnehmung von Widersprüchlichkeit (incongruity)“ ist.[20] Tatsächlich stellt die Inkongruenztheorie (incongruity-theory) neben zwei weiteren die vorherrschende klassische Theorie zum Humor dar.[21] Für unseren Kulturkreis kann es kaum einen größeren Widerspruch als den zwischen Kirche und Ehebruch geben. Doch befriedigt diese Erklärung für sich allein genommen nicht.
Wie kann man über einen Witz, der so offen gegen jegliche Moralvorstellung verstößt, lachen? Berger betont, dass Unmoral und Witz einander nicht ausschließen. Ein „moralisch verwerflicher“ Witz kann „immer noch komisch sein“. Er schreibt weiterhin: „eine der wichtigen sozialen Funktionen des Witzes scheint es immer gewesen zu sein, die konventionelle Moral zu empören“.[22]
Bergson beantwortete die Frage, welche „Mängel [des Charakters] für zu ernst“ gehalten werden, „um noch darüber zu lachen“, folgendermaßen:[23] Notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung für die komische Wirkung einer Charakterschwäche sei die „Gefühllosigkeit“ auf Seiten des Rezipienten. Diese kann der Komiker dadurch gewährleisten, dass er das seelische Empfinden der dargestellten Person zumindest für den Moment auf eine einzelne Empfindung reduziert oder eine Gemütsbewegung in einer „Starrheit“ zeigt, so dass sie nicht mit dem Rest der Seele in Verbindung treten kann.[24]
Wenn man nun oben genannter Erklärung Bergers folgt, erhält man eine der Funktionen der untersuchten Filme: die Empörung der konventionellen Moral. Die drastische und an Frivolität[25] grenzende Darstellung ist offensichtlich dem Kabarett entlehnt.
Nicht weit entfernt vom Frivolen befindet sich der obszöne und sexuelle Witz. Ein Bespiel aus Indien wäre die Entblößung der gescheiterten Ehe von Herrn Bösel in der Hotelzimmer-Szene. Dort berichtet er davon, dass er seine Frau genau dann in den ihr unbequemsten Stellungen penetriert, wenn sie dazu überhaupt nicht bereit ist. Obwohl seine Erzählung uns (vielleicht erst im Nachhinein) an sexuelle Nötigung denken lässt, erscheint die lakonische und in bester Mundart vorgetragene Erzählung durchaus komisch. Man muss die Frage stellen, warum dies so ist. Freud liefert hier wohl die beste Erklärung: „Bei allen obszönen Witzen unterliegen wir grellen Urteilstäuschungen über die ‚Güte’ des Witzes […]“.[26] Diese Aussage ist eine gute Erklärung für die obszöne Komponente – der Grund für die Komik trotz der Widerwärtigkeit wurde bereits dargelegt. Obszönitäten begegnen uns in Indien und Muttertag immer wieder, doch nur verpackt durch Witz können wir über sie lachen: „über die grobe Zote zu lachen, brächten wir nicht zustande, wir würden uns schämen, oder sie erschiene uns ekelhaft; wir können erst lachen, wenn uns der Witz seine Hilfe geliehen hat.“[27]
3.2 Tragischer Humor
Schon beim Lesen der Überschrift des Abschnittes wird der Kenner der Filme sofort an Indien denken müssen. Obwohl ich mich in den Vorbemerkungen einer Filmanalyse grundsätzlich verwehrt habe, können die folgenden Bemerkungen wohl nicht außen vor bleiben.
Das gleichnamige Kabarettstück, geschrieben von Alfred Dorfer und Josef Hader, welches die Vorlage für den Film bot, gliederte sich in zwei Akte. Genau diese Zweiteilung begegnet uns im Film wieder. Der erste, komische Teil wird von einem tragischen Teil abgelöst. Natürlich gibt es bereits im ersten Teil tragische Elemente (man denke nur an die Szene im Hotelzimmer, in der Herr Bösel unter Tränen von seiner Frau erzählt) und im tragischen Teil gewisse komische, jedoch findet im Film, wenn man ihn in seiner Gesamtheit betrachtet, eine Grenzziehung zwischen Komik und Tragik in einer Schärfe statt, die ich für ganz besonders halte.
Die Grenze zwischen Komik und Tragik wird genau in der Szene überschritten, in der Kurt Fellners Versuch, einen Hochspannungsmast zu besteigen, jäh durch einen Anfall des Schmerzes unterbrochen wird. Klarer hätte diese Grenzziehung wohl kaum sein können, denn ab diesen Moment hört der Film im Grunde genommen damit auf, zum Lachen komisch zu sein. Von da an ist allenfalls noch der so genannte Galgenhumor präsent.
Denkt man an andere filmische Tragikomödien, wird der Unterschied derer zu Indien deutlich: Während Indien Komik und Tragik mit einer gewissen Striktheit voneinander trennt, sind in der „normalen“ Tragikomödie Tragik und Komik oft gleichzeitig präsent oder die Figuren oszillieren kontinuierlich zwischen den beiden Bereichen. Es stellt sich nun die Frage, warum Dorfer und Hader diese, für eine Tragikomödie unkonventionelle Form gewählt haben.
Humor dient in der Tragikomödie oft dazu, das „tragische Geschehen erträglicher erscheinen [zu lassen]“.[28] Hier ist dies genau nicht der Fall. Die bereits erwähnte Zweiteilung bewirkt nämlich das Gegenteil: der Verstärkung des tragischen Moments. Der Umschlag von Heiterkeit in Ernst, die Gewissheit, dass das witzige Miteinander von Herrn Bösel und Herrn Fellner nicht mehr wiederkommen wird, verstärkt die tragische bzw. traurige Wirkung.
Erleichterung erfährt der Zuschauer, wenn er sich auf den Glauben an die Wiedergeburt einlässt. Obwohl die Schlussszene von Indien sicher auch ein wenig komisch ist, wird hier ein religiöses Thema mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Respekt behandelt. Die Einbettung von Religion in die humoristische Konstruktion erfolgt in Indien ganz anders als z.B. in Muttertag oder Silentium, in der der christliche Glaube bzw. seine Repräsentanten Gegenstand eines humoristischen Angriffes sind. In der Schlussszene von Indien „macht der Humor […] glaubhaft, daß selbst im fatalen Ausgang der Protagonist noch einen Sieg errungen hat.“[29]
Der Überfall ist ebenfalls ein besonderes Beispiel für Tragik und Humor. Hier wird eine humoristische Konstruktion spezieller Art in Szene gesetzt. Es kann von einer Transformation der Eigenschaft des tragischen Helden von einer Person zur Anderen gesprochen werden. Meines Erachtens ist am Ende des Films nicht Andi, der Räuber, sondern Herr Kopper derjenige, der trotz des fatalen Ausgangs noch einen Sieg errungen hat. Dass sich Herr Kopper durch die Ausnahmesituation eines Überfalls von sich selbst emanzipiert, zum Schluss sogar den Räuber zu imitieren versucht und dadurch zu Tode kommt, ist eine wahrhaft überraschende wie intelligente Art des Humors. Darauf, wie wichtig die Intelligenz beim Erschaffen und Verstehen humoristischer Konstruktionen ist, wurde bereits in Kap. 2.3 hingewiesen.
Ravioli ist im Gegensatz zu Indien oder Der Überfall eher eine Tragikomödie herkömmlicher Art. Zur Bemerkung Dorfers – „Der Humor in Ravioli ist schwarz und bitter“[30] – muss bemerkt werden, dass meines Erachtens die Bitterkeit weit vor der Schwärze steht und der Film eher nicht dem Schwarzen Humor, der in Kap. 3.4 ausführlicher behandelt wird, zurechenbar ist. Die Geschichte des sozialen Abstiegs, der Verwahrlosung durch Alkohol und Drogen und der Selbstaufgabe eines (fast) normalen Menschen wird hier durch den Humor erträglicher gemacht. Der Humor schafft eine Distanz, damit der Film nicht „depressiv“ macht.[31] Dorfer sagt:
„Wir wollten, dass dieser Film nicht depressiv macht, aber dieses Thema auch nicht verraten. Bei einer Komödie hat man Distanz zum Thema, bei einer Tragödie nicht. Aus Distanz heraus kann man Geschichten humoristisch erzählen. Aber Humor heißt ja nicht, dass man schallend lachen muss, sondern dass diese Distanz, diese Selbstironie, dieser Abstand zur Figur auch transportiert werden können.“[32]
Diese Aussage deckt sich mit der wissenschaftlichen Analyse Räwels, der darlegt, dass sich „humoristische Formate“ der Distanz des Zuschauers „bedienen“.[33] Wir erhalten nun eine weitere Funktion des Humors in den Filmen. Bei der Tragikomödie soll der Humor für den Zuschauer eine Distanz zur Tragödie schaffen und sie somit erträglicher machen. Obwohl diese Funktion keine Besonderheit des Kabarettistenfilms und eigentlich fast jeder Tragikomödie zu Eigen ist, sei sie trotzdem aufgeführt, denn auf sie gründet sich die obige Aussage, dass es sich bei Ravioli im Grunde genommen um eine Tragikomödie herkömmlicher Natur handelt.
„Dieser Trost mag religiöse Züge haben oder auch nicht“, schreibt Berger.[34] Genau diese religiösen Züge kommen in Ravioli zum Vorschein. Günther Paal gleichzeitig als Tod und Geist der siebziger Jahr’ auftreten zu lassen und die Darstellung des Himmels mit dem Erzengel Gabriel ist wieder eine humorige Beschäftigung mit der Religion. Obwohl Personifikationen des Todes in der Moderne unüblich geworden sind, wird hier doch darauf zurück gegriffen. Diese Tatsache und die Art, wie Heinz Hoschek mit dem Tod kommuniziert, sich der Film mit der Religion beschäftigt, ist wieder als eine besondere Form des Humors zu verstehen.
Es fällt auf, dass die Religion bei den Kabarettistenfilmen eine gewichtige Rolle spielt. In den Filmen finden sich unterschiedliche Einbettungen von Religion in humoristische Konstruktionen. Wie bereits angeführt handelt Indien von der Wiedergeburt und stellt ausnahmsweise ein religiöses Thema in ein positives Licht. In Ravioli phantasiert man vom Tod – macht aus ihm und dem Erzengel Gabriel eine komische Figur (im doppelten Sinne). Muttertag verquickt Kirche mit Sexualität, in Komm, süßer Tod bringen die Kreuzretter Menschen um, um an ihr Erbe zu gelangen, und in Silentium werden Kirchenmänner als Pädophile und Mörder dargestellt.
3.3 Satire
Räwel, der den Humor aus systemtheoretischer Sicht beleuchtet, macht darauf aufmerksam, dass die Satire der „kommunikativen Sphäre der Moral zuzurechnen“ ist. Die Satire will kritisieren, es geht ihr um die „Bekanntmachung von achtens- und missachtenswerten Personen oder Zuständen (für die wiederum Personen verantwortlich sind)“.[35]
Dass dies genau die Intention von Dorfer, Düringer und Hader ist, liegt auf der Hand. Sie stellen aus dem Leben gegriffene Situationen satirisch dar, geben sie und die dafür verantwortlichen Personen der Lächerlichkeit preis und greifen damit (verdeckt) ihr Publikum an. Darauf, dass die Wahl ihrer Motive zur Folge hat, dass das Publikum sich selbst in den dargestellten Personen wieder erkennen kann, macht Düringer selbst aufmerksam:
„Meine Stücke schreibe ich mir selbst, in einer Sprache, die wir alle verstehen und mit Inhalten, die uns alle betreffen. Mein Theater lebt vom Wiedererkennungseffekt: Sie lachen über Ihren Nachbarn; Ihr Nachbar lacht über Sie. In Wirklichkeit lachen beide über sich selbst.“[36]
Die Kabarettisten greifen zur Waffe der Satire[37] und zielen mit ihren humoristischen Angriffen auf ihr eigenes Publikum.
Eine ehemalige Lehrerin Haders hat die Art seines Humors so beschrieben: „Er lässt die Leute mit Unterhaltung auf einen Fehler aufmerksam werden.“ Letztlich stelle sich ein Gefühl ein, es ist „nicht der Fehler der anderen, den er besprochen hat, sondern das ist mein eigener Fehler.“[38]
Es scheint dem Filmpublikum wohl klar zu sein, dass Personen aus ihrem Alltag Ziel des Angriffes sind. Warum sie manchmal nicht erkennen, dass sie manchmal über sich selbst lachen, kann man so erklären: die Überspitzung in der Satire verhindert die Wiedererkennung der eigen Person. Man meint, man kann so nicht sein und ist sich nicht bewusst, dass die übertriebene, einseitige und manchmal groteske Darstellung nur Ausdrucksform der Satire ist. „‚Ausgewogene’, objektive Satire ist kaum zu ertragen, denn sie ist nicht lustig. Satire muss geradezu einseitig und ungerecht sein.“, schreibt Nöllke.[39]
Oft fällt es dem Publikum jedoch leicht, im Dargestellten Teile seiner selbst wieder zu finden. Ganz im Sinne der relief- oder tension-management theories schreibt Karl Müller über Josef Hader, dass seine „satirisch-ironischen, parodistischen, ja auch als Grotesken vorgetragenen Angriffe“[40] sich in den „hörbar im sich-selbst-erkennenden Lachen der in ihren Tabus, Intimitäten und Geschehnissen peinlich Ertappten zu entladen scheint […]“.[41]
Unter den untersuchten Film ist Hinterholz 8 das beste Beispiel für die Satire. Der Häuslebauer, dem einfach alles misslingt, der von seinen Mitmenschen immer weiter in den Abgrund gezogen wird und dem als einziger Ausweg nur die Flucht auf einen anderen Planet bleibt, wirkt fast wie ein abschreckendes Beispiel. Die Steigerung des Elends wird so brutal vorangetrieben, dass der Film fast eine unheimliche Wirkung erzielt und von der Satire zum Schwarzen Humor übergeht. Der Humor bedient sich hier vornehmlich der Inkongruenz, um seine komische Wirkung zu erzielen. Nach Nerdhard ist der „humoristische Stimulus umso größer […], je stärker von einer spezifischen Erwartung abgewichen wird.“[42] In Hinterholz 8 meint man ständig, dass die Situation für Herrn Krcal und seine Familie nicht mehr schlimmer werden kann und wird jedes Mal in dieser Erwartung „enttäuscht“. Mit dieser Erkenntnis befindet man sich sogleich bei Henri Bergsons „Mechanismus als Überzug über Lebendigem“.[43] Die fehlende Anpassung an die Situation ist eine geistige Trägheit, die den Eindruck eines Automatismus weckt und das Unglück der Krcals immer weiter vorantreibt. Sie wird durch Lachen bestraft.[44]
Nöllke spricht von zwei positiven und einer negativen Wirkung von Satire. Die positiven wären: Erkenntnisgewinn und emotionale Entlastung, die negative die „Herabwürdigung desjenigen, der karikiert oder satirisch ‚aufgespießt’ wird.“[45] Von einer Herabwürdigung kann man im Falle der Kabarettistenfilme so gut wie nie sprechen. Genauso wenig wie die Protagonisten der Filme herabgewürdigt werden, kann man davon sprechen, dass das Publikum, als eigentliches Ziel der Angriffe, herabgewürdigt wird (Was ja aus einer Verbindung vom oben aufgeführten Zitat Düringers und Nöllkes Bemerkungen folgen würde). Hier dient die Satire zumeist der erstgenannten Erkenntnissteigerung.
Ein Fall von Herabwürdigung wäre jedoch bei der Figur des Schneidermeisters Bökel in Der Überfall zu finden. Hier wird ganz deutlich auf die dunklen Seiten eines, wie es zum Anfang scheint, „normalen“ Menschen eingegangen. Doch die Schlechtheit seines Charakters kommt mit fortschreitender Handlung immer mehr zum Vorschein. Erst wird er als Ehebrecher entlarvt (eine durchaus komische Szene), später nutzt er die Gunst der Stunde für einen Diebstahl und erweist sich auch sonst als unangenehmer Charakter. Hier gibt die „Komik der Herabsetzung […] dem Betrachter ein Gefühl der Überlegenheit“.[46]
Im Zuge des Studiums der Filme machte ich die Erfahrung, dass viele Szenen erst im Nachhinein ihre volle Wirkung bei mir entfalteten. Die Absicht und den Inhalt der der Satire eigenen moralischen Aspekte humoristischer Kommunikation wurden mir erst später bewusst. Dies ist aber genau die Wirkungsweise der Satire. Obwohl sie nach Arntzen durch eine „verbale Aggressivität“ gekennzeichnet ist, die einen „Keim von Moralistik“ in sich trägt[47], wird ihre Kritik durch den Mantel der Komik vom Publikum lustvoll aufgenommen. Anders wäre diese Moralistik dem Publikum auch nicht zu vermitteln – jedenfalls nicht mit einem solchen Erfolg. Wahrscheinlich hat es niemand gerne, offen auf seine eigenen charakterlichen Defizite aufmerksam gemacht zu werden und würde Kritik ohne den Mantel der Komik nicht zugänglich sein.
Man erhält aus diesen Erkenntnissen eine weitere Funktion des Humors der Filme: den Angriff auf das Publikum mit der Satire als Waffe. Gesellschaftliche Zustände und bestimmte Personen, Typen und Charaktere sollen als missachtenswert dargestellt und mit Tabus gebrochen werden. Es kann die „Absicht unterstellt werden“ mittels der Satire „erziehen oder verbessern zu wollen“.[48]
Darauf, dass der Kabarettistenfilm ernsthafte Momente besitzt, wurde bereits im Kap. 3.2 hingewiesen. Müller schreibt dazu im Bezug auf Haders Satire, dass die „‚lachende Satire’ […] meistens dann zur ‚ernsthaften’ [wird], wenn die existenziellen Dimensionen ins Spiel kommen […]“.[49] Mit existenziellen Dimensionen sind „Körperlichkeit, Sterben und Tod“[50] gemeint. Diesem Übergang vom Lachen zum Ernsthaften begegnen wir ganz besonders in Indien.
3.4 Schwarzer Humor
Obwohl die beiden wichtigsten Quellen zum Schwarzen Humor, Breton und Hellenthal, diesen vornehmlich als Literaturphänomen behandeln, machen sie darauf aufmerksam, dass er auch in anderen Kunstgattungen – wie dem Film – anzutreffen ist. Breton schreibt, dass „er [der Schwarze Humor] höchst lebendig bleibt und Verbreitung findet, sowohl mündlich […] wie durch bildliche Darstellung […] und durch den Film (zumindest durch den, der am Rande der Feierabend-Produktion bleiben will).“[51] Hellenthal betont ebenfalls, dass Schwarzer Humor auch außerhalb der Literatur zu Tage tritt: „Das Vorkommen Schwarzen Humors ist ja nicht auf Literatur beschränkt, sondern läßt sich auch in anderen Medien der Kunst nachweisen“.[52] Es steht außer Frage, dass man die Aussagen der beiden Autoren zum Schwarzen Humor bedenkenlos auf den Film ummünzen kann.
Dem „Schrecken als Scherz“[53] begegnet man in den österreichischen Kabarettistenfilmen recht oft. Obwohl er häufig zu finden ist, kann man jedoch keinen der Filme zur Gänze dem Schwarzen Humor zurechnen. Vielmehr kann man von Satiren, Tragikomödien oder Krimis mit schwarz-humorigen Episoden sprechen. Josef Hader sagte einst in einem Interview, dass er „keinen schwarzen Humor“ besitze und sich nur gerne „wilde Geschichten aus[denkt].“[54]
Ein besonders gutes Beispiel für Schwarzen Humor ist der Schluss von Muttertag. In diesem wird Edwin Neugebauers Geliebte von ihm und seiner Familie ermordet und bei einem Grillfest an die Nachbarn verfüttert. Hier begegnet man gleich mehreren „allgemein verurteilte[n] und geächtete[n] Phänomene[n]“[55], nämlich: Tod, Mord, Kannibalismus und Verschwörung gegen Mitmenschen. Anhand dieses Beispiels lassen sich sehr gut die Wesensmerkmale Schwarzen Humors aufzeigen.
Ein wichtiges Merkmal Schwarzen Humors ist, dass das Dargestellte nicht „irreal, wohl aber abnormal, gegen Konvention gerichtet“ erscheint.[56] Für den Zuschauer muss das Geschehen „in seiner Realität denk- und nachvollziehbar“ sein. “Anfangs in seiner Erwartungshaltung gestört […] wird er [der Zuschauer, Anm.d.V.] dann mit einem Verlauf vertraut gemacht, den er als ebenso gültig anerkennen muß wie den, welchen er als Normalfall erwartet hätte.“[57] Für ihn erscheint das Dargestellte zwar als abwegig, jedoch als in der Realität durchaus durchführbar. Diese Tatsache unterscheidet den Schwarzen Humor von der Groteske.[58] Für den Zuschauer bleiben die o.g. Szenen aus Muttertag widerlich und unheimlich, jedoch „erfreut [er] sich dabei an der logischen Nachvollziehbarkeit einer Idee bzw. eines Geschehens, an die zu denken und an denen zu partizipieren ihm in der Regel nicht möglich oder verboten ist.
Er überwindet so Tabus und darf etwas im Geiste durchspielen und erfahren, was ihn bei der Durchführung in der Realität in große Schwierigkeiten bringen oder gefährden würde“.[59] Aus dieser Erkenntnis erhält man eine der Funktionen Schwarzen Humors: die Erweiterung des Erfahrungshorizontes des Zuschauers. Eine weitere Funktion wäre den Zuschauer dazu anzuregen, Moral und Wahrheit zu überprüfen. Denn „auf Grund der Ausschaltung der Normalität und des Konventionellen [ergibt sich] für den Leser die Frage nach der Echtheit von Vorstellungen und Verhaltensweisen“.[60] Dabei bildet Schwarzer Humor „kein direktes Korrektiv zum Bestehenden und beschreibt auch nicht, wie es sein sollte“.[61] Dieses Merkmal Schwarzen Humors unterscheidet ihn von der Satire. Sowohl Schwarzer Humor als auch Satire sorgen mit ihrer Komik für „eine Befreiung von Denk- und Realitätszwängen“.[62]
Die ordnende Hand des Humors spürt man in Komm, süßer Tod. Hier ist bereits die übergeordnete Konstruktion, die Absicht, eine Geschichte zu erzählen, in denen Kreuzretter ältere Damen aus Habgier umbringen, ein Ausdruck Schwarzen Humors. Von Tabus wird hier erzählt: vom Tode, von dunklen Machenschaften und Konkurrenz von Rettungsunternehmen. Wieder gilt: Das Dargestellte erscheint zwar abwegig, wird jedoch nicht als gänzlich realitätsfern eingestuft. Der Schrecken als eine Bedingung des Schwarzen Humors, stellt sich mit der Erkenntnis einer ziemlich hohen Wahrscheinlichkeit ein, dass man selbst einmal auf Hilfe solcher Retter angewiesen sein wird.
Den Humor von Silentium einzuordnen ist keine einfache Aufgabe. In einigen Fällen bedient er sich nicht-sprachlichen Mitteln, wie zum Beispiel in der Szene, in der Brenner ein riesiges Holzkreuz trägt und dadurch so wirkt wie Jesus bei seiner Kreuzigung. Insbesondere die Spitzen des Erzählers brechen mit Tabus. Sein Witz wandelt zwischen Ironie, Sarkasmus und Zynismus. Als Beispiel dafür sei hier die Szene am Mönchsberg zu nennen, in der er davon erzählt, dass ein Teil deutscher Selbstmörder den Mönchsberg mittlerweile dem Eiffelturm vorzieht, weil er ihnen mehr Qualität bietet und sie sich sprachlich nicht umstellen müssten. Die Konstruktionen des Textes sind teilweise deutlich als eine Mischung von Krimi und Schwarzem Humor erkennbar. Die Darstellung eines Opernsängers, der sich von Kirchenmännern Jungfrauen beschaffen lässt, um mit deren Urin seine Stimme in Form zu bringen, ist wieder eine Ausschaltung der Normalität. Jedoch erscheint die Situation dem Zuschauer jedoch nicht gänzlich realitätsfern. Silentium ist ein gutes Beispiel dafür, dass Schwarzer Humor nicht immer komisch sein muss und dies in den meisten Fällen auch nicht ist.[63]
4 Zusammenfassung
Der Kabarettistenfilm bedient sich vieler Formen intelligenten Humors. Ganz wunderbar lassen sich die Filme aus den Blickwinkeln der drei wichtigsten Strömungen der Komiktheorien betrachten. Wir finden sowohl das Lachen aufgrund von Inkongruenzen, als Ausdruck von Überlegenheit und als Abbau von Spannungen. Vor Konvention und Moral macht der Humor keinen Halt und kümmert sich nicht um gesellschaftliche Tabus. Ohne ein Korrektiv anzubieten oder moralisierend wirken zu wollen, thematisiert der Kabarettistenfilm charakterliche Defizite und soziale Missstände. Mit der Komik als Waffe greifen die Kabarettisten ihr Publikum an, denn es ist Teil der Gesellschaft. Das macht das Besondere am Kabarettistenfilm aus. Er hat etwas zu sagen. Er will sein Publikum zum kritischen Denken anregen, er greift es an, verurteilt es, verachtet es und wird trotzdem von ihm mit dem größten Wohlwollen aufgenommen. Josef Hader hat diesen Widerspruch treffend in Worte gefasst: „Man erzählt den Leuten die Sachen, die sie eigentlich nicht hören wollen, und trotzdem müssen sie lachen.“[64]
Sind die Zuschauer schizophren? Nein, denn der Humor verpackt die vorgebrachte Kritik so geschickt, dass sie manchmal gar nicht merken, dass sie selbst angesprochen sind. In diesem Fall kommt man dem Kabarettisten erst auf die Schliche, wenn man sich mit den Themen intensiver beschäftigt. Dann kommt man jedoch nicht umhin, sich selbst einzugestehen, dass sie nicht Unrecht haben. „Es ist dann die Macht der Wahrheit in dem Lächerlichen selbst wirksam.“[65]
Ertappt man den Kabarettisten im anderen Falle „in flagranti“ dabei, meine Person anzugreifen, mir Themen „aufzuzwingen“, die längst von der Gesellschaft und mir verdrängt wurden, sorgt die Komik dafür, dass sich kein Unmut oder Ärger anstauen kann und diese negative Energie rasch über ein Lachen abgeführt wird.
Obwohl es manchmal nicht gleich augenscheinlich ist, kann man den Kabarettisten eine Absicht von Weltverbesserung unterstellen. Dies geschieht natürlich im Kleinen. Sie bedienen sich als besonders intelligente Menschen des Humors als Kommunikationsmittel. Denn offensichtlich ist dies die einzige Möglichkeit, ihre Botschaften einem breiten Publikum zu vermitteln. Es mag utopisch erscheinen, davon auszugehen, durch Lachen die Gesellschaft bessern zu können. Wie klein der Beitrag auch sein mag -- der Versuch ist bewundernswert und die besondere Art der Komik, die jeder dieser Filme seinen Zuschauern bietet, ist sowohl Genuss als auch Herausforderung.
Welche wichtige Stellung dem Humor in der heutigen Zeit zukommt, hat sich in der jüngsten Geschichte gezeigt, denn Humorlosigkeit ist für mich sowohl eine Ursache als auch ein Symptom der Entmenschlichung. Wie Dorfer, Düringer, Hader und alle anderen Beteiligten ihren intelligenten Humor verwenden, verdient Anerkennung. Nicht nur, weil sie uns zum Lachen bringen.
Literatur
Berger, Peter L.: Erlösendes Lachen: das Komische in der menschlichen Erfahrung, Berlin, New York: de Gruyter, 1998, aus dem Amerikanischen von Joachim Kalka
Bergson, Henri: Das Lachen, Mesenheim am Glan: Westkulturverlag Anton Hain, 1948, aus dem Französischen von Julius Frankenberger und Walter Fränzel, Nachdruck der Auflage Jena, 1921
Breton, André: Anthologie des Schwarzen Humors, München: Rogner & Bernhard, 1979, aus dem Französischen von Rudolf Wittkopf. Nachdruck der Auflage München, 1971
Düringer, Roland: Presseinformation zum Programm Regenerationsabend, http://webattack.izone.at/e-a.at/download/pressemappe_rolanddueringer_regenerationsabend.pdf, Stand: 26.06.2006, gesichtet am 21.08.2006
Fink, Iris: Von Travnicek bis Hinterholz 8: Kabarett in Österreich ab 1945, von A bis Zugabe, Graz/Wien/Köln: Verlag Styria, 2000
Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, in: Mitscherlich, Alexander/Richards, Angela und Strachey, James (Hrsg.): Sigmund Freud. Studienausgabe Bd. 4. Psychologische Schriften, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 1970, S. 9-219
Hellenthal, Michael: Schwarzer Humor: Theorie und Definition, Essen: Verlag Die Blaue Eule, 1989
Kralicek, Wolfgang: Hader unser, http://www.kabarett.cc/div/presse.php?prid=hadefalthade, gesichtet am 27.09.2006, erstmals erschienen im Falter am 12.01.2004
Krobath, Peter: Ist Optimismus nur eine Form von Informationsmangel? Interview mit Alfred Dorfer und Peter Payer anlässlich des Kinostarts von Ravioli, http://www.ravioli-derfilm.at/intrview.htm, gesichtet am 08.09.2006
Lipps, Theodor: Komik und Humor. Eine psychologische-ästhetische Untersuchung, http://manybooks.net/titles/lippstheetext058kmik10.html, erstmals erschienen 1898, gesichtet am 21.09.2006, Transkription von Projekt Gutenberg
Müller, Gottfried: Theorie der Komik. Über die komische Wirkung im Theater und Film, Würzburg: Konrad Triltsch Verlag, 1964
Müller, Karl: „Nie ist alles ganz… So ist es. Das ist der Mensch.“ – Beobachtungen zum kabarettistischen Werk Josef Haders, in: Panagl, Oswald und Kriechbaumer, Robert (Hrsg.): Stachel wider dem Zeitgeist. Politisches Kabarett, Flüsterwitz und andere subversive Textsorten, Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag, 2004, S. 157-173
moe: Kabarett in der Haftanstalt, http://www.kabarett.cc/div/presse.php?prid=hadestankaba, gesichtet am 27.09.2006, erstmals erschienen in Der Standard am 11.02.1999
Mottinger, Michaela: Die Fantasie in die Nacht geschickt. Interview mit Josef Hader, http://www.kabarett.cc/div/presse.php?prid=hadekuridief, gesichtet am 27.09.2006, erstmals erschienen im Kurier am 12.12.2004
Nöllke, Matthias: Von Archilochus bis Lisa Loch – die dunklen Seiten des Lachens, http://www.humorcare.com/informationen/texte/diedunkleseite.html, gesichtet am 26.08.2006
o.A.: Der Überfall. Ein Film von Florian Flicker. Interview: Florian Flicker im Gespräch, http://archives.arte-tv.com/hebdo/cinema/dtext/Acine48b.htm, gesichtet am 21.08.2006
o.A.: Interview mit Alfred Dorfer: Wenn ein Ertrinkender Bademeister wird…, http://derstandard.at/Text/?id=1179246, Stand: 23.07.2004, gesichtet am 09.09.2006
Räwel, Jörg: Humor als Kommunikationsmedium, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH, 2005
Schmidt-Dengler, Wendelin und Zeyringer, Klaus: Komische Diskurse und literarische Strategien. Komik in der österreichischen Literatur – eine Einleitung, in: Schmidt-Dengler, Wendelin/Sonnleitner, Johann und Zeyringer, Klaus (Hrsg.): Komik in der österreichischen Literatur, Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1996, S. 9-19
[...]
[1] Breton erklärte in seiner 1940 erstmals erschienenen Anthologie des Schwarzen Humors, was er unter dem Begriff humour noir verstand. Er gilt seitdem als derjenige, der den Begriff Schwarzer Humor einführte. Dies betonte er selbst in einer späteren Ausgabe. Vgl. Breton, André: Anthologie des Schwarzen Humors, München: Rogner & Bernhard, 1979, S. 8.
[2] Fink, Iris: Von Travnicek bis Hinterholz 8: Kabarett in Österreich ab 1945, von A bis Zugabe, Graz/Wien/Köln: Verlag Styria, 2000, S. 231.
[3] Anm.d.V.: BesucherInnenRekorde bezieht sich natürlich auf den Erfolg in österreichischen Kinos. a.a.O., S. 259.
[4] o.A.: Der Überfall. Ein Film von Florian Flicker. Interview: Florian Flicker im Gespräch, http://archives.arte-tv.com/hebdo/cinema/dtext/Acine48b.htm, gesichtet am 21.08.2006
[5] o.A.: Der Standard: Interview mit Alfred Dorfer: Wenn ein Ertrinkender Bademeister wird…, http://derstandard.at/Text/?id=1179246, Stand: 23.07.2004, gesichtet am 09.09.2006
[6] Vgl. Düringer, Roland: Presseinformation zum Programm Regenerationsabend, http://webattack.izone.at/e-a.at/download/pressemappe_rolanddueringer_regenerationsabend.pdf, Stand: 26.06.2006, gesichtet am 21.08.2006
[7] Bei Komm, süßer Tod und Silentium handelt es sich um Verfilmungen von Kriminalromanen von Wolf Haas. Obwohl sie unter den anderen Filmen als Krimikomödien eine besondere Stellung einnehmen, sind sie aufgrund des besonders Schwarzen Humors und der Tatsache, dass die Rolle des Brenner Josef Hader wie auf den Leib geschnitten scheint (er schrieb auch am Drehbuch mit), hier nicht zu vernachlässigen und wurden deshalb in diese Untersuchung einbezogen.
[8] Hellenthal, Michael: Schwarzer Humor: Theorie und Definition, Essen: Verlag Die Blaue Eule, 1989, S. 32.
[9] Berger, Peter L.: Erlösendes Lachen: das Komische in der menschlichen Erfahrung, Berlin, New York: de Gruyter, 1998, S. XVI.
[10] Hellenthal, S. 35.
[11] Bergson, Henri: Das Lachen, Mesenheim am Glan: Westkulturverlag Anton Hain, 1948, S. 71.
[12] Müller, Gottfried: Theorie der Komik. Über die komische Wirkung im Theater und Film, Würzburg: Konrad Triltsch Verlag, 1964, S. 1.
[13] Schmidt-Dengler, Wendelin und Zeyringer, Klaus: Komische Diskurse und literarische Strategien. Komik in der österreichischen Literatur – eine Einleitung, in: Schmidt-Dengler/Wendelin, Sonnleitner, Johann und Zeyringer, Klaus (Hrsg.): Komik in der österreichischen Literatur, Berlin: Erich Schmidt Verlag, 1996, S. 10.
[14] vgl. Müller, S. 1.
[15] Berger, S. 4.
[16] Vgl. Räwel, Jörg: Humor als Kommunikationsmedium, Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH, 2005, S. 37.
[17] Müller, S. VII.
[18] Unter einem lustvollen Wohlbehagen, wie Müller es zu nennen pflegte, ist meines Erachtens so etwas wie ein innerliches Lachen zu verstehen.
[19] Für Lipps selbst war diese Definition allerdings nicht zufriedenstellend, da sie sich auf die Anschauungs- und Situationskomik beschränkte. Lipps, Theodor: Komik und Humor. Eine psychologische-ästhetische Untersuchung, http://manybooks.net/titles/lippstheetext058kmik10.html, erstmals erschienen 1898, gesichtet am 21.09.2006, S. 46.
[20] Zitiert nach Berger, S. 29.
[21] Außerdem werden von Räwel zwei weitere Hauptströmungen genannt: die superiority-theories (Lachen als Ausdruck von Überlegenheit) und die relief- oder tension management theories (Lachen als Befreiung und Erleichterung). Vgl. Räwel, S. 11-17.
[22] Berger, S. XVI.
[23] Bergson, S. 77.
[24] Vgl. a. a.O., S. 78.
[25] Berger definiert Frivolität als unangemessene Einschaltung von Humor in einen ernsten Zusammenhang. Berger, S. XVII.
[26] Freud, Sigmund: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, in: Mitscherlich, Alexander/Richards, Angela und Strachey, James (Hrsg.): Sigmund Freud. Studienausgabe Bd. 4. Psychologische Schriften, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 1970, S. 97.
[27] a. a.O., S. 96.
[28] Hellenthal, S. 39.
[29] a.a.O.
[30] Dorfer, Alfred in Krobath, Peter: Ist Optimismus nur eine Form von Informationsmangel? Interview mit Alfred Dorfer und Peter Payer anlässlich des Kinostarts von Ravioli, http://www.ravioli-derfilm.at/intrview.htm, gesichtet am 08.09.2006.
[31] Dorfer, Alfred in a. a.O.
[32] Dorfer, Alfred in a. a.O.
[33] Räwel, S. 133.
[34] Berger, S. 137.
[35] Räwel, S. 105.
[36] Düringer.
[37] Für Berger ist Satire der Gebrauch von Komik als Waffe. Berger, S. 185.
[38] Kralicek, Wolfgang: Hader unser, http://www.kabarett.cc/div/presse.php?prid=hadefalthade, gesichtet am 27.09.2006.
[39] Nöllke, Matthias: Von Archilochus bis Lisa Loch – die dunklen Seiten des Lachens, http://www.humorcare.com/informationen/texte/diedunkleseite.html, gesichtet am 26.08.2006.
[40] Müller, Karl: „Nie ist alles ganz . . .So ist es. Das ist der Mensch.“ – Beobachtungen zum kabarettistischen Werk Josef Haders, in: Panagl, Oswald und Kriechbaumer, Robert (Hrsg.): Stachel wider dem Zeitgeist. Politisches Kabarett, Flüsterwitz und andere subversive Textsorten, Wien/Köln/Weimar: Böhlau Verlag, 2004, S. 158.
[41] a.a.O.
[42] Räwel, S. 16.
[43] Bergson, S. 31.
[44] Vgl. a.a.O., S. 16-17.
[45] Nöllke.
[46] Schmidt-Dengler und Zeyringer, S. 12.
[47] zitiert nach Räwel, S. 106.
[48] Hellenthal, S. 60.
[49] Müller, S. 164.
[50] a.a.O.
[51] Breton, S. 8.
[52] Hellenthal, S. 54.
[53] a.a.O., S. 19.
[54] Hader, Josef in Mottinger, Michaela: Die Fantasie in die Nacht geschickt. Interview mit Josef Hader, http://www.kabarett.cc/div/presse.php?prid=hadekuridief, gesichtet am 27.09.2006.
[55] Hellenthal, S. 29.
[56] a.a.O., S. 48.
[57] a.a.O., S. 50.
[58] Vgl. a.a.O., S. 65.
[59] a.a.O., S. 51.
[60] a. a.O., S. 50.
[61] a.a.O., S. 60.
[62] Schmidt-Dengler und Zeyringer, S. 11.
[63] Dies wird deutlich, wenn man die Geschichten, die Breton in seine Anthologie aufnahm, betrachtet. Neben vielen anderen ist zum Beispiel Kafkas „Die Verwandlung“ eine solcher Geschichten, die nicht zum Lachen sind. Auf mich wirkt sie eher unheimlich.
[64] Hader, Josef in moe: Kabarett in der Haftanstalt, http://www.kabarett.cc/div/presse.php?prid=hadestankaba, gesichtet am 27.09.2006.
[65] Lipps, S. 147.
- Arbeit zitieren
- Thomas Wulke (Autor:in), 2006, "Von ganz schräg" Formen und Funktionen des Humors im österreichischen Kabarettistenfilm, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110625
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