„Er war alles auf einmal: Autor, Übersetzer, Schauspieler, Sänger, Regisseur und Entertainer. Er hinterließ über achtzig Bühnenarbeiten, neben einigen wunderbaren Parodien meist Possen[…]. Geblieben ist, was er schon zu Lebzeiten war: Der erfolgreichste Vertreter des Wiener Volkstheaters und einer der besten Humoristen und witzigsten Satiriker, die es je in Österreich gegeben hat, ironisch, aggressiv und natürlich zeitkritisch.“
Johann Nepomuk Nestroy: „Der Zerrissene. Posse mit Gesang in drei Aufzügen“
1. Biographischer Überblick zu Leben und Werk Johann Nepomuk Nestroys
„Er war alles auf einmal: Autor, Übersetzer, Schauspieler, Sänger, Regisseur und Entertainer. Er hinterließ über achtzig Bühnenarbeiten, neben einigen wunderbaren Parodien meist Possen[…]. Geblieben ist, was er schon zu Lebzeiten war: Der erfolgreichste Vertreter des Wiener Volkstheaters und einer der besten Humoristen und witzigsten Satiriker, die es je in Österreich gegeben hat, ironisch, aggressiv und natürlich zeitkritisch.“
- 07. 12. 1801: Johann Nepomuk Nestroy wird als zweites Kind des Hof- und Gerichtsadvokaten Johann Nestroy und seiner Frau Magdalene in Wien geboren
- 1810- 1814: Besuch des Akademischen Gymnasiums; 1814- 1816: Besuch des Gymnasiums der Schotten
- 1817- 1820: Studium der Philosophie an der Universität in Wien
- 1820: Beginn des Jurastudiums; zwei Jahre später Abbruch desselben
- August 1822: Debüt als Sarastro in der „Zauberflöte“ am k.u.k. Hoftheater
- September 1823: Heirat mit Wilhelmine von Nespiesni; ein Jahr später Geburt des Sohnes Gustav
- 1825: Engagement am Nationaltheater in Brünn
- 1828: Nestroy lernt seine spätere Lebensgefährtin, die Sängerin Marie Weiler kennen
- 1832: Bühnenautor am Theater an der Wien
- April 1840: Geburt der Tochter Maria Cäcilia
- 09. 04. 1844: Uraufführung von „Der Zerrissene“ am Theater an der Wien
- 25. 05. 1862: Tod Nestroys durch einen Schlaganfall
2. Die Posse als Genretypus des Wiener Volkstheaters
Die Posse:
- im 15. Jahrhundert aus dem Französischen abgeleitete Bezeichnung für verschiedene Formen der volkstümlichen Komödie derb-komischen Charakters
- kennzeichnend für die oft einfach gebauten Stücke sind vor allem Situations- und Charakterkomik, Improvisationen nach Art des Stegreifspiels sowie zum Teil drastische erotisch- sexuelle Anspielungen.
- spezifische Charakteristika sind Verwechslungen, närrisch- witzige Zufälle sowie unwahrscheinliche Übertreibungen
- musikalische Elemente wie Lieder, musische Begleitungen und Tanzeinlagen sind Wesen der Posse (I. Akt; 5. Szene. II. Akt; 11. Szene. III. Akt; 4. Szene)
- entwickelte sich aus der Tradition der Fastnachtspiele hin zum nicht- religiösen Bühnenstück
- die satirischen Possen Nestroys, die den Sprachgebrauch und somit das Bewusstsein seiner Zeit parodieren, gehören zu den bedeutendsten deutschsprachigen Komödien des 19. Jahrhunderts
Das (Wiener) Volkstheater:
- von Johann Wolfgang von Goethe in Abgrenzung zum Hoftheater geprägter Sammelbegriff für ein nicht schichtenspezifisches Theater
- als einzigartiges Phänomen von theater- und literaturhistorischer Bedeutung gilt das Wiener Volkstheater des 18. und 19. Jahrhunderts; in der Romantik verband sich die Idee eines Theaters für das Volk mit dem Nationalgedanken
- Theater entfaltete die alltägliche Wirklichkeit; wirkte unterhaltend und übte zugleich Kritik an der feudalen Obrigkeit
3. „Der Zerrissene“: Posse mit Gesang in drei Aufzügen
3.1. Sprachliche Gestaltung
- implizite Verweise auf Charakterzüge und sozialen Status der handelnden Figuren durch Namensgebung und sprachlichen Bestand
- lyrische Einarbeitungen in Form von Liedern (I. Akt; 5. Szene. II. Akt; 11. Szene. III. Akt; 4. Szene)
- stereotypenhafter Einsatz von Mitgliedern gewisser sozialer Kreise
- Zerrissenheit des Protagonisten wird in lyrischen Formen widergespiegelt: „Bald ekelt mich´s Leben an, das Grab nur mir g´fallt, Gleich darauf möchte´ich wern über 1000 Jahr alt […]“ (Seite 509)
- Dualismen durch konträre Sprechanteile (I. Akt; 7. Szene. Seite 526)
3.2. Die Motivik des Närrischen in „Der Zerrissene“
„Die Narrenthematik und die mit ihr verbundenen Satire offenbart das kritische Potential, das in Nestroys Possen steckt.“
- geistig- moralische Fehlhaltung; sozial verwerfliche Aufführung: Handlungsstruktur von Madame Schleier bzw. Mathilde Flink sowie den „Freunden“ des Herrn von Lips
- Überschätzung des Wertes materieller Güter: Stifler, Sporn und Wixer als parasitäre Heuchler)
- Narr als törichtes und mit Lastern behaftetes Subjekt: „Freunde“ des Herrn von Lips; Madame Schleier bzw. Mathilde Flink
- Fokussierung auf ein Besitztum bzw. Gut: Gluthammer präferiert das Essen und das Trinken
- Verrücktheit, Naivität und das Unvernünftige des Einzelnen: Gluthammers Einfältigkeit; Herrn von Lips spontane Heiratspläne
Literatur:
Braun, Johannes: Das Närrische bei Nestroy. Aisthesis Verlag, Bielefeld, 1998.
Feilchenfeldt, Konrad (Hrsg.): Deutsches Literaturlexikon. Saur Verlag, Zürich, 2003.
Preisner, Rio: Johann Nepomuk Nestroy. Der Schöpfer der tragischen Posse. Hanser Verlag, München, 1968.
- Quote paper
- Marlen Vogel (Author), 2006, Johann Nepomuk Nestroy: 'Der Zerrissene. Posse mit Gesang in drei Aufzügen', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110607
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