0 Einleitung
Das Phoneminventar einer Sprache macht ihre Besonderheiten aus, indem jedes System einer Einzelsprache eine begrenzte Auswahl und eine besondere Kombinatorik von Phonemen mit den funktionalen Merkmalen wie der Distinktivität und der Kontrastivität besitzt, die sie von anderen Einzelsprachen unterscheidet. Im Deutschen entsteht z.B. durch die unterschiedliche Verwendung von den Phonen [r] und [R] im selben Kontext, also in der selben lautlichen Umgebung, kein Bedeutungsunterschied, es stellt lediglich eine Aussprachevariante dar. Somit sind die Phone [r] und [R] im Deutschen nur Allophone des ihnen gemeinsam zugrundeliegenden Phonems /R/, das aufgrund der häufiger auftretenden Variante [R] gewählt wurde. In dem Phoneminventar des Spanischen hingegen tritt durch die unterschiedliche Realisation des R-Lautes als Phon [r] oder als Phon [rr] im selben Kontext ein Bedeutungsunterschied auf, womit sie nicht nur auf der lautlichen Ebene der ‘parole‘ eine Unterscheidung bilden, sondern auch im Sprachsystem des Spanischen. Durch die Bedeutungsdifferenzierung können also die lautlichen Variationen nicht mehr nur als Aussprachevarianten betrachtet werden, sondern müssen auf das Sprachsystem, die Ebene der ‘langue‘, zurückgeführt werden, womit auch die zwei verschiedenen Phone auf zwei unterschiedliche selbstständige Phoneme zurückgeführt werden müssen. Die nähere Betrachtung der Unterscheidung dieser Phoneme wird den Gegenstand meiner Hausarbeit bilden.
Inhaltsverzeichnis
0 Einleitung
1 Phonologie
1.1 Allgemeines zur Phonologie
1.2 Opposition und freie Variation von Lauten
1.3 Minimalpaar und Kontrast
1.4 El contraste y la oposición
1.5 Die Neutralisierung
1.6 Das Archiphonem
2 Die phonologische Merkmalsbeschreibung der R-Laute
2.1 Gemeinsame Merkmale
2.2 Die differenzierenden Merkmale von [r] und [R]
3 Die Beschreibung der Phoneme /r/ und /rr/ nach Navarro
3.1 Die Opposition bei der Artikulation von /r/ und /rr/
3.2 Die artikulatorische Beschreibung der Phoneme /r/ und /rr/
3.3 Das distinktive Merkmal der Vibrationslänge
4 Die Phonembeschreibung von /r/ und /rr/ nach D´Introno, del Teso und Weston
4.1 Die Differenzierung der Realisationsmöglichkeiten nach der Silbentypifizierung
4.2 Die Realisationen von /r/ bezüglich seiner Stellung zum Silbennukleus
4.3 Die Realisationen von /rr/ im Wortinneren
4.4 Die phonetische Repräsentation von [r] und [rr]
4.5 Die komplementäre Verteilung / la distribución complementaria
4.6 Drei Hypothesen zu den unter 4.5 genannten Phänomenen
4.7 Mögliche Erklärungen für das Phänomen der komplementären Verteilung
5 Fazit
Literaturverzeichnis
0 Einleitung
Das Phoneminventar einer Sprache macht ihre Besonderheiten aus, indem jedes System einer Einzelsprache eine begrenzte Auswahl und eine besondere Kombinatorik von Phonemen mit den funktionalen Merkmalen wie der Distinktivität und der Kontrastivität besitzt, die sie von anderen Einzelsprachen unterscheidet. Im Deutschen entsteht z.B. durch die unterschiedliche Verwendung von den Phonen [r] und [R] im selben Kontext, also in der selben lautlichen Umgebung, kein Bedeutungsunterschied, es stellt lediglich eine Aussprachevariante dar. Somit sind die Phone [r] und [R] im Deutschen nur Allophone des ihnen gemeinsam zugrundeliegenden Phonems /R/, das aufgrund der häufiger auftretenden Variante [R] gewählt wurde.
In dem Phoneminventar des Spanischen hingegen tritt durch die unterschiedliche Realisation des R-Lautes als Phon [r] oder als Phon [rr] im selben Kontext ein Bedeutungsunterschied auf, womit sie nicht nur auf der lautlichen Ebene der ‘parole‘ eine Unterscheidung bilden, sondern auch im Sprachsystem des Spanischen. Durch die Bedeutungsdifferenzierung können also die lautlichen Variationen nicht mehr nur als Aussprachevarianten betrachtet werden, sondern müssen auf das Sprachsystem, die Ebene der ‘langue‘, zurückgeführt werden, womit auch die zwei verschiedenen Phone auf zwei unterschiedliche selbstständige Phoneme zurückgeführt werden müssen.
Die nähere Betrachtung der Unterscheidung dieser Phoneme wird den Gegenstand meiner Hausarbeit bilden.
1 Phonologie
1.1 Allgemeines zur Phonologie
„Die Phonologie beschäftigt sich mit dem Vorkommen bzw. Nichtvorkommen von Lauten in bestimmten Segmentfolgen.“ (Hall, 2000: 37)[1]
Die Phonologie als ein Teilgebiet der Linguistik besitzt als Grundeinheit das Phonem. Es ist die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit einer Sprache und wird nach Saussure dem Sprachsystem zugeordnet, also der Ebene der ‘langue‘. Quilis[2] bezeichnet diese kleinste bedeutungsunterscheidenden Elemente als die Laute, die eine kontrastierende Funktion aufweisen und definiert sie folgendermaßen:
„[...] la unidad lingüística más pequeña, desprovista de significado, formada por un haz simultáneo de rasgos distintivos.“ (Quilis, 1993: 27)
Die sprechsprachliche Realisation eines Phonems wird als Phon bzw. als Laut bezeichnet, wobei ein Phonem mehrere lautliche Realisationsformen aufweisen kann, die dann, wenn sie auf ein gemeinsames Phonem zurückgeführt werden können, als Allophone bezeichnet werden.
Allophone sind also nur als Aussprachevarianten eines Phonems aufzufassen.
Das in der Definition von Hall genannte Vorkommen bzw. Nichtvorkommen von bestimmten Lauten beruht kurz gesagt darauf, dass nicht alle Laute in jeder denkbaren Kombination vorkommen können, sondern dass es hinsichtlich der Abfolge von Lauten Restriktionen gibt, die sich in den jeweiligen Einzelsprachen unterschiedlich ausprägen, womit sich eine begrenzte Kombinatorik von Segmentfolgen, also Lautfolgen ergibt .
Die Laute [k] und [t] stehen im deutschen in Kontrast, da nur die Lautfolge [kt], wie bei dem Wort Markt möglich ist und niemals die lautfolge [tk], daher stehen sie nicht nur in Opposition, sondern unterscheiden sich auch durch ein kontrastives Merkmal (Vgl. Duden Grammatik, 1998: 29).
1.2 Opposition und freie Variation von Lauten
Wie oben genannt können in der Phonologie verschiedene Realisationsarten des R-Lautes unterschieden werden, jedoch gehören sie alle zu der Gruppe der Vibranten und damit auch zu den Sonoranten. Primär wird unterschieden zwischen Zungen-R [r] und Zäpfchen-R [R].
Im Deutschen kann überall, wo das Zungen-R artikuliert wird, auch ein Zäpfchen-R realisiert werden. Bis auf die Möglichkeit einer dialektalen Differenzierung, ist damit kein Bedeutungsunterschied verbunden. Sie stehen somit in freier Variation (Vgl. Duden Grammatik, 1998: 30).
Diese beiden Laute treten also auf der Phonemebene nicht in Opposition, sondern sind nur auf der dialektalen Ebene distinktiv.
Laute können also in Opposition zueinander treten, wenn sie im selben Kontext vorkommen, d.h. die selbe Umgebung von Lauten bzw. Phonemen besitzen und sich nur durch diesen einen Laut unterscheiden und diese Unterscheidung eine Bedeutungsänderung bewirkt, denn nur durch diesen Bedeutungsunterschied erhalten die Phoneme ihre distinktive Funktion. Distinktivität läßt sich durch Minimalpaarbildung ermitteln.
1.3 Minimalpaar und Kontrast
Nach Hall[3] bilden zwei Worte ein Minimalpaar (engl. minimal pair), wenn sie sich in nur einem einzigen Laut unterscheiden und dadurch einen Kontrast bilden, wozu sie im selben Kontext vorkommen müssen (Vgl. Hall, 2000: 37). Ein Minimalpaar muss also immer die selbe Umgebung haben, ansonsten würden die beiden Wörter in mehr als nur einem Laut kontrastieren und es wäre nicht mehr feststellbar durch welchen Laut die Distinktivität zustandekommt und somit auch keine Phonemermittlung durchführbar.
Eine Verteilung bzw. Distribution der nach Hall benannten Kontraste kann man nur mit Hilfe einer Kontextermitllung untersuchen.
Eine defekive Verteilung bzw. ein defektiver Kontrast tritt auf, weil bestimmte Laute nicht in allen Kontexten auftreten und daher auch nicht in jeder Position innerhalb eines Wortes mit anderen Lauten kontrastieren. Trotzdem werden sie als Phoneme aufgefaßt (Vgl. Hall, 2000: 38).
Im Deutschen z.B. können die beiden Phoneme /x/ und /C/ nie im selben Kontext auftreten, da sie eine komplementäre Verteilung besitzen (Vgl. Duden Grammatik, 1998: 30).
Nach dem Grammatik Duden sind diese Phoneme nicht selbstständig, weshalb ein gemeinsames Phonem /X/ angesetzt wird.
Im Unterschied zu der komplementären Verteilung, wenn also zwei oder mehr Laute so verteilt sind, dass der erste nur in einem und der zweite nur in einem anderen Kontext vorkommt (Vgl. Hall, 2000: 39), können Allophone zwar komplementär verteilt sein, aber nicht als Phoneme bezeichnet werden, da sie bei einer Minimalpaarbildung keine Bedeutung differenzieren und damit keine distinktive Funktion besitzen, sondern nur eine Aussprachevariante auf der Ebene der ‘parole‘ bleiben, also auf ein gemeinsames – den verschiedenen lautlich realisierten Varianten zugrundeliegendes - Phonem zurückgeführt werden können.
Im Spanischen gibt es zwar kein Zäpfchen-R, d.h. dass von den Muttersprachlern das Phon [R] nicht realisiert wird, es tritt aber eine Opposition von zwei verschiedenen Realisationsmöglichkeiten des Zungen-Rs auf, welche als Phon [r] repräsentiert durch das Phonem /r/ und als Phon [rr] repräsentiert durch das Phonem /rr/ realisiert werden.
Im weiteren werde ich die phonologische und phonetische Beschreibung dieser Unterschiede herausarbeiten, ihre möglichen Realisationsarten und ihr Vorkommen und dann auf die unterschiedlichen Beschreibungsweisen des defektiven Kontrasts und der komplementären Verteilung von /r/ zu /rr/ eingehen.
1.4 El contraste y la oposición
Die Begriffe el contraste und la oposición werden nach Quilis wie folgt definiert:
„El contraste es la diferencia fonológica que existe entre dos unidades fonológicas contiguas. [...] La oposición fonológica es la diferencia que existe entre dos o más unidades distintivas.“ (Quilis, 1993: 35)
Den Kontrast könnte man also als den phonologischen Unterschied zwischen zwei aufeinanderfolgenden phonologischen Einheiten bezeichnen, während bei der phonologischen Opposition ein Unterschied zwischen zwei oder mehreren distinktiven Einheiten, die nicht aufeinander folgen müssen, vorliegt.
Zusätzlich hat Quilis die beiden Begrifflichkeiten der paradigmatischen und der syntagmatischen Ebene zugeordnet:
„La oposición es una relación de orden paradigmático. El contraste es una relación de orden sintagmático.“ (Quilis, 1993: 34f.)
Somit gehört la oposición zu der paradigmatischen Dimension und baut eine Entweder-oder-Beziehung auf, welche bei der Auswahl der sprachlichen Einheiten benötigt wird, sie stellt sozusagen die vertikale Ebene dar, wobei sich bestimmte Oppositionen wie die Mitglieder eines lexikalischen Paradigmas ausschliessen können.
Während el contraste zu der syntagmatischen Dimension gehörend eine Und-und-Beziehung eingeht, die einer Verknüpfung der einzelnen - mit Hilfe des Paradigmas ausgewählter Elemente ermöglicht, indem sie sie in sinnvoller Weise aneinanderreiht und syntaktisch verbindet.
Sie stellt die horizontale Ebene dar, bei der es wiederum bestimmte syntagmatische Beziehungen gibt, die andere Möglichkeiten ausschliessen (Vgl. Duden Grammatik, 1998: 565).
1.5 Die Neutralisierung
Um auf die Neutralisation eingehen zu können, werde ich vorerst den Begriff der Markiertheit näher erläutern.
Eine Sprache besitzt markierte und unmarkierte Segmente. Der Markiertheit von Segmenten liegt ein generelles Implikationsschema zugrunde. Das Auftreten von markierten Segmenten in einer Sprache impliziert zugleich das Vorhandensein ihrer Gegenstücke –die unmarkierten Segmente. Dieses Schema wird durch die Aussage ‚X ist markierter als Y‘ ausgedrückt, die wiederum auf das für alle grammatischen Strukturen geltende Schema ‚wenn X, dann Y‘ zurückgeführt werden kann.
Markiertheit kann bei Segmenten der verschiedenen ‚langue-Einheiten‘ einer Sprache auftauchen. Es gibt beispielsweise den Unterschied von markierten zu unmarkierten Lauten auf der phonetischen sowie von markierten zu unmarkierten Silbenabfolgen auf der silbenphonologischen Ebene.
Markiertheit in der Phonetik:
„Im allgemeinen haben markierte Laute die folgende Eigenschaften (Jakobson 1941, Trubetzkoy 1939):
- Sie kommen in weniger Sprachen vor als ihre unmarkierten Gegenstücke.
- Sie implizieren die Existenz der unmarkierten Gegenstücke.
- Sie werden von Kindern später als unmarkierte Laute erworben.
- Sie sind historisch instabil.
´Historisch instabil´ bedeutet, dass die markierte Struktur in einer späteren Sprachstufe entweder verschwindet oder sich in eine unmarkierte Struktur wandelt.“ (Hall, 2000: 88f.)
Diese historische Instabilität wird besonders bei der Neutralisierung deutlich, denn:
„In der Regel wird bei Neutralisierungen ein Kontrast zwischen zwei Segmenten zugunsten des unmarkierten Segments aufgehoben [...].“ (Hall, 2000: 97)
Markiertheit in der Silbenphonologie:
Da jede Sprache phonotaktische Restriktionen besitzt, diese lassen sich untereinander gut vergleichen. Dabei kann man sprachübergreifende Generalisierungen für markierte und unmarkierte Silben feststellen. Jede Sprache hat bestimmte Tendenzen in Hinblick auf die Anzahl der Konsonanten im Silbenanlaut sowie im Silbenauslaut. Diese Tendenzen können bestimmten Sprachtypen zugeordnet werden, womit dann auch jede Sprache diesem bestimmten Sprachtyp zugeordnet werden kann. Die Anzahl und die Kombination von Konsonanten im Silbenanlaut (dem linken Rand der Silbe) ist in jeder Sprache begrenzt. Es wird angenommen, dass der markierte Sprachtyp diejenigen Sprachen zusammenfasst, bei denen nur silbeninitiale Konsonanten zulässig sind und der unmarkierte Fall dann auftritt, wenn nur ein Konsonant im Silbenanlaut vorkommt. Das Prinzip des Silbenanlautgesetzes rechtfertigt diese Annahme. Es setzt sich aus den folgenden zwei Teilen zusammen:
I. „õ[KV ist weniger markiert als õ[V.
II. õ[Kn V ist weniger markiert als õ[Kn+1 V “ (Hall, 2000: 213)
Teil I. besagt, dass das Vorkommen von alleinstehenden Vokalen am Silbenbeginn markierter ist, als ein Silbenbeginn mit einem Konsonanten und einem folgenden Vokal. Teil II. besagt, dass die Silbe mit der höheren Anzahl von Konsonanten am Silbenbeginn vor einem folgenden Vokal weniger markiert ist. Zur Untermauerung dieser These wird angeführt, dass alle Sprachen Silbenanlaute mit einem Konsonanten und einem ihm folgenden Vokal besitzen, es aber keine Sprache gibt, die nur Vokale im Silbenanlaut zulässt.
Ergänzend zum Silbenanlautgesetz gibt es auch ein Silbenauslautgesetz:
III. „KVKn ]õ < KVKn+1 ]õ“ (Hall, 2000: 215)
Die Regel III. stellt den Zusammenhang von der Anzahl der Konsonanten in silbenfinaler Position und der Markiertheit der Silbe dar, denn:
„Je weniger Konsonanten in silbenfinaler Position stehen, desto markierter ist die Silbe. [...], d.h. die am wenigsten markierte Silbe lautet auf einen Vokal aus. Silben, die auf Vokal enden, werden als offene Silben bezeichent. Silben, die auf mindestens einen Konsonanten auslauten, sind geschlossene Silben. Das Silbenauslautgesetz besagt also, daß offene Silben präferierter als geschlossene Silben sind.“ (Hall, 2000: 214f.)
Erstens gibt es keine Sprache, die nur geschlossene Silben zulässt, zweitens besitzt jede Sprache offene Silben und drittens gibt es mehr Sprachen mit offenen als mit geschlossenen Silben. Dies bestätigt, dass die geschlossenen Silben markierter sind als die offenen.
Aus dem Silbenanlaut- und dem Silbenauslautgesetz lässt sich schlussfolgern, dass die Abfolge von Konsonanten auf Vokale sowohl im Silbenanlaut als auch im Silbenauslaut am häufigsten auftritt und dadurch den jeweils am wenigsten markierten Fall darstellt. Man kann also sagen, dass KV (Konsonant+Vokal) die unmarkierte Silbe schlechthin ist.
Wie oben genannt, wird bei der Neutralisierung der Kontrast zwischen zwei oder mehr Lauten in einem bestimmten Kontext zugunsten des unmarkierten Lautes aufgehoben. Meistens treten Neutralisierungen von Konsonanten am Wort- oder Silbenende auf, da diese Positionen im allgemeinen unmarkierte Laute bevorzugen und die markierten Laute wort- bzw. silbeninitiale Positionen bevorzugen.
Im Deutschen ist das bekannteste Beispiel für die Neutralisierung die Auslautverhärtung, bei der der Kontrast zwischen zwei ähnlichen Phonemen in einem Kontext aufgehoben wird. Daher kommen im Deutschen am Wortende nur stimmlose Obstruenten vor, da diese im Gegensatz zu den stimmhaften weniger markiert sind (Vgl. Hall, 2000: 53).
Die Phoneme /r/ und /rr/ können in postnuklearer Silbenposition neutralisiert werden. Wenn der Vibrant in einer implosiven Position steht, kann es entweder einfach oder mehrfach gerollt oder frikativ ausgesprochen werden. Für die beiden zusammengefallenen Phoneme /r/ und /rr/ setzt Quilis ein gemeinsames Archiphonem an (Vgl. Quilis, 2000: 331f.).
1.6 Das Archiphonem
„La neutralización se produce cuando una oposición fonológica deja de ser pertinente en ciertas posiciones de la cadena hablada [...].[4] El resultado de la neutralización es el archifonema, que es el conjunto de rasgos distintivos comunes a los dos fonemas de la oposición neutralizada.“ (Quilis, 2000: 41)
Wenn das Phonem /r/ an einer postnuklearen Position (d.h. hinter dem Nukleus der Silbe, der von einem Vokal eingenommen wird) steht, kann es zu einer Neutralisierung der Phoneme /r/ und /rr/ kommen, wie z.B. bei dem spanischen Wort cortar, das entweder wie [kortár] oder [korrtár] ausgesprochen werden kann, ohne dass das Wort durch die unterschiedliche Aussprache eine Bedeutungsänderung erfährt.
Da in dieser Umgebung die Distinktion der Phoneme neutralisiert wurde, setzt Quilis hier für beide Vibranten ein gemeinsames Archiphonem /R/ an (was nicht zu verwechseln mit dem deutschen Zäpfchen-R ist), das die gemeinsamen Merkmale [+vibr] und [+liquid] der zusammengefallenen Phoneme /r/ und /rr/ beinhaltet.
Die Transkription des Wortes cortar sieht bei der Annahme eines Archiphonems wie folgt aus:
(1) /koRtáR/ → [kortár] oder [korrtár]
Das Archiphonem /R/ kann also entweder als Allophon [r] oder [rr] realisiert werden.
Die Neutralisierung unterscheidet sich von der defektiven Verteilung nach Quilis dahingehend, dass bei der defektiven Verteilung in bestimmten Umgebungen bestimmte Phoneme nicht vorkommen:
„La neutralización se distingue de la simple ausencia de un fonema en una posición dada: distribución defectiva. “ (Quilis, 2000: 42)
Bei der defektiven Verteilung kann an der gegebenen Position entweder nur das Phonem [r] oder [rr] vorkommen. Sie fallen also nicht wie bei der Neutralisation zusammen, sondern schliessen sich durch ihre Position gegenseitig aus.
Zum Beispiel kann im Spanischen am Wortanfang nur das Phonem [rr] stehen, jedoch nie das Phonem [r].
Zwar würde bei der Aussprache des Wortes rosa wie [rósa] jeder Muttersprachler verstehen, dass [rrósa] gemeint ist, doch würde es kein Muttersprachler auf diese Weise aussprechen. Das Phonem [rr] wird also in dieser Position grammatisch vorgegeben, daher ist hier keine Variante möglich. Es kann also auch kein gemeinsames Archiphonem angesetzt werden:
(2) [rósa]*
(3) [rrósa]
Die Phoneme /r/ und /rr/ bilden also nur dann eine Opposition, wenn sie im Wortinneren zwischen Vokalen in pränuklearer Position stehen:
„Las fonemas vibrantes /r/ y /rr/ funcionan plenamente en posición prenuclear interior de palabra: coro – corro,[...].“ (Quilis, 1993: 331)
2 Die phonologische Merkmalsbeschreibung der R-Laute
2.1 Gemeinsame Merkmale
Die R-Laute weisen folgende binäre Merkmale auf:
- sie gehören der Oberklasse der Konsonanten an, da man die Artikulationsstelle, die Artikulationsart und das artikulierende Organ angeben kann.
- Konsonanten lassen sich in die Oberkategorien der Obstruenten und Sonoranten gliedern. Die R-laute gehören zu den Sonoranten, da sie immer spontan stimmhaft sind und man daher keine stimmhaften und stimmlosen Oppositionen bilden kann.
- sie bilden die Klasse der Vibranten, da erst durch die Vibrationsbewegung der Zungenspitze bzw. des Zäpfchens der Laut entsteht. Zusammen mit den Lateralen gehören sie zur Gruppe der Liquide („Fließlaute“).
2.2 Die differenzierenden Merkmale von [r] und [R]
Das Zäpfchen-R und das Zungen-R sind beide stimmhaft und haben den gleichen Artikulationsmodus (vibrant). Jedoch unterscheiden sie sich in ihrem Artikulationsort und dem artikulierenden Organ:
- [r] ist alveolar (am Zahndamm, eigentlich „kleine Rillen“) und koronal (die Vorderzunge, eigentlich „Zungenkranz“) (Vgl. Duden Grammatik, 1998: 21), wobei [r] und [rr] als ein „stimmhafter alveolarer Zitterlaut“ definiert werden, bei dem „die Zungenspitze einen raschen Schlag gegen die Alveolen“ ausführt. (Navarro,1970: 89)
- [R] ist uvular (am Zäpfchen) und dorsal (am Zungenrücken); es kann im Deutschen auch als stimmhafter postdorsaler Frikativ [¨] realisiert werden (Vgl. Duden Grammatik, 1998: 23).
3 Die Beschreibung der Phoneme /r/ und /rr/ nach Navarro
3.1 Die Opposition bei der Artikulation von /r/ und /rr/
Im Spanischen tritt eine Opposition zwischen dem kurzgerollten [r] auf, auch flap-r genannt, da es nur einen Schlag ausführt, und dem langgerollten [rr], dem sog.[5] trill-r, bei dem die Zunge mehrmals vibriert.
Dies ist an der folgenden Minimalpaaropposition zu sehen:
(4) pero ⇒ [péro]
(5) perro ⇒ [pérro].
Hier entsteht durch die unterschiedliche Aussprache von [r] und [rr] eine Bedeutungsdifferenzierung, dadurch treten die Phone [r] und [rr] in Opposition zueinander.
Sie bilden also keine Allophone eines ihnen gemeinsam zugrundeliegenden Phonems und können auch nicht als Varianten eines Archiphonems gelten, sondern müssen auf zwei unterschiedliche Phoneme zurückgeführt werden.
Deshalb unterscheidet man im Spanischen die Phoneme /r/ und /rr/.
3.2 Die artikulatorische Beschreibung der Phoneme /r/ und /rr/
Beim flap-r kommt es „nur zu einer kurzen und leichten Berührung“ der Zunge, bei einer sorgfältigen Aussprache bildet sich trotzdem ein vollständiger Verschluß, „nach dem die Zunge sofort zur Artikulation des folgenden Lautes übergeht oder in die Ruhelage zurückkehrt [...]. Dieses einfach geschlagene r (sp. r simple) ist also ein Momentanlaut; es darf nur mit einer Schwingung oder einem Zungenschlag gesprochen werden; zwei Schwingungen würden unter Umständen bereits genügen, die Bedeutung eines Wortes vollständig zu verändern [...].“ (Navarro, 1970: 87)
Beim trill-r ist „[...] die Zungenbewegung [ist] zunächst die gleiche wie bei /r/; infolge der grösseren Artikulationsspannung kehrt die Zungenspitze nach der Öffnung des Verschlusses wieder in die Ausgangsstellung zurück; durch den Atemdruck wird der Verschluß erneut geöffnet; diese Bewegungsphasen wiederholen sich mehrmals, wobei das für den [rr]-Laut typische Vibrationsgeräusch entsteht. Dieses mehrfach gerollte r (sp. r vibrante múltiple) ist ein Dauerlaut; [...].“ (Navarro, 1970: 89)
3.3 Das distinktive Merkmal der Vibrationslänge
Die vom Prinzip her gleich gebildeten Laute erhalten ihr distinktives Merkmal nur aufgrund der Länge der Vibration bzw. aufgrund der Anzahl der Schwingungen der Zunge. Durch die Vibrationslänge besteht die Möglichkeit einer Minimalpaarbildung, womit also nicht nur eine Unterscheidung auf phonetischer, sondern auch auf phonematischer Ebene getroffen werden kann.
Neben den für die Unterscheidung von Phonemen wichtigen Merkmalen wie Artikulationsort und –art tritt nun ein weiteres hinzu: das distinktive Merkmal der Vibrationslänge, das durch die Zeitkomponente bestimmt wird.
Für das Spanische sind damit die einzigen Phoneme bei der die Zeitkomponente ein Differenzierungskriterium bildet die beiden Phoneme /r/ und /rr/.
Denn weder im spanischen Konsonanten- noch im spanischen Vokalsystem kann man durch die Länge eines Lautes ein Minimalpaar bilden, wie es beispielsweise im deutschen Vokalsystem möglich ist bei der Unterscheidung von:
(6) Aas ⇒ [`s] → /`s/
(7) As ⇒ [as] → /as/
4 Die Phonembeschreibung von /r/ und /rr/ nach D´Introno, del Teso und Weston
4.1 Die Differenzierung der Realisationsmöglichkeiten nach der Silbentypifizierung
Nach D´Introno werden vorerst die verschiedenen Realisationsmöglichkeiten anhand der Silbenanalyse differenziert.[6]
Im Spanischen besitzt jede Silbe einen Vokal, den sog. nucleo silábico.
Die dem Nukleus vorangestellten Segmente werden als pränuklear, die ihm nachgestellten als postnuklear bezeichnet.
Wenn der Nukleus sin margen ist, dann besteht er nur aus einem Vokal, wenn er con ambas márgenes ist, besitzt er vor- und nachgestellte Segmente.
4.2 Die Realisationen von /r/ bezüglich seiner Stellung zum Silbennukleus
(D´Introno, 1995: 292)
4.2.1 Die pränukleare Position
In der pränuklearen Position wird das Phonem /r/
a) wenn es am Wortanfang, sowie am Wortbeginn eines zusammen-gesetzten Komposita oder innerhalb eines Wortes und am Silbenbeginn, der nicht auf einen Vokal folgt, also in diesem Fall nach einem alveolarem Konsonanten wie /n ,l ,s/ steht, als vibrante múltiple [rr] realisiert.
b) wenn es in einem Silbenbeginn, der einem Vokal folgt oder nach einem consonante oral, anterior no-alveolar oder velar also /p, t, k, b, d, g/ steht, als vibrante simple [r] realisiert.
c) in einigen spanischen und lateinamerikanischen Dialekten wird es, auch wenn es in der pränuklearen Konsonantengruppe auftritt, oder wenn der in der Silbe vorangestellte Konsonant ein dentaler ist, realisiert wie eine fricativa asibilada, es wird dann ein kleines Stück hinter den Alveolen ausgesprochen.
d) in bestimmten Dialekten wird es völlig verschluckt, wenn es vor einem Vokal oder einem Diphtong, der auf /e/ endet, auftritt.
Die Realisationen bei a) und b) werden mit der folgenden Regel IV. veranschaulicht (D´Introno, 1995: 293): IV.
4.2.2 Das simple vibrante /r/ in der postnuklearen Stellung
a) kann frikativ ausgesprochen werden,
b) kann in bestimmten Dialekten und Kontexten assimiliert, vokalisiert, als [l] realisiert oder vollkommen eliminiert werden oder
c) durch eine emphatische Aussprache zum [rr] vibrante múltiple oder zu der verzögerten frikativen Variante des [rr] werden.
4.3 Die Realisationen von /rr/ im Wortinneren
(D´Introno, 1995: 294 f.)
Das Phonem /rr/ kann innerhalb eines Wortes zwischen Vokalen auf folgende Arten realisiert werden:
a) als vibrante múltiple [rr],
b) als fricativa continua [ ¨¨ ] oder
c) in einigen Dialekten als fricativa continua asibilada / velar.
4.3.1 Das Phonem /rr/ als ambisilbischer Konsonant
Kahn (1976) hat an dem spanischen Wort perro gezeigt, dass das Phonem /rr/ ambisilbisch ist, d.h. „[...], daß ein intervokalischer Konsonant nicht nur zum Onset der zweiten Silbe gehört, sondern gleichzeitig auch zum Reim der ersten Silbe gehören kann.“ (Hall, 2000: 263)
Nach der Regel zur Onset-Maximierung, bei der man zuerst den grösstmöglichen Silbenanlaut und dann den Silbenauslaut bilden soll (Vgl. Hall, 2000: 218), müsste das Phonem /rr/ beim Wort perro eigentlich nur zum Silbenanlaut der zweiten Silbe gehören. Es stellt jedoch wie Bsp. (8) zeigt eine Verbindungsstelle von zwei Silben dar.
(8) „ S S
/ p e r r o /“ (D´Introno, 1995: 386)
D´Introno kritisiert jedoch an Kahns Theorie, dass er keine Regeln aufstellt, um die möglichen Silben sowie prä- und postnuklearen Sequenzen zu definieren.
Die Idee von Kahn, bei der nur die segmentale und silbische Ebene berücksichtigt werden, wird von Clements und Keyser um eine dritte Zwischenebene erweitert. Sie segmentieren das Wort perro mit Hilfe der CV(Konsonant-Vokal)-Skelettanalyse wie folgt:
(9) „ õ õ
C V C C V
/ p e r r o /“ (D´Introno, 1995: 386)
Für Clements und Keyser definiert das CV-Skelett den zeitlichen Ablauf der Segmente sowie die Abfolge der Sequenzen der Segmente: „Cada símbolo C o V es un „momento“ en la secuencia temporal, representada por la secuencia de C y V, pero las vocales son más largas que las consonantes, y las consonantes geminads, o consonantes como la [rr] en español, ocupan dos posiciones o „momentos“ en el plano CV, como se nota en (3) [Bsp. (9)] que nos recuerda la silabificación de Kahn.“ (D´Introno, 1995: 387)
Hier bestätigt sich die These von Punkt 3.3. Die Distinktion der Phoneme /r/ zu /rr/ wird durch die zeitliche Komponente bedingt, die damit eine Voraussetzung für eine Komponente der Merkmalbündel der beiden Vibranten darstellt.
4.4 Die phonetische Repräsentation von [r] und [rr]
(D´Introno, 1995: 295-303)
Nach D´Introno gibt es im castellano ‚culto‘ zwei Phone der Vibranten – das einfach [r] und das mehrfach gerollte [rr], die den beiden Phonemen /r/ und /rr/ entsprechen, was an dem oberen Bsp. (4) pero vs. (5) perro gezeigt wurde.
Da die Beschreibung nicht in allen Fällen so eindeutig ist wie hier, wo der Kontrast innerhalb eines Wortes zwischen zwei Vokalen auftritt, wird nun das Verhalten in anderen Kontexten untersucht und versucht, allgemeingültige Regeln für das Vorkommen von [r] und [rr] aufzustellen.
4.5 Die komplementäre Verteilung / la distribución complementaria
In den folgenden Beispielen entspricht jeweils die erste Variante der Norm (daher ist die zweite mit einem * versehen), d.h. dass die zweite nicht existiert, in dieser Umgebung kann somit keine Opposition gebildet werden, womit es auch keinen Kontrast gibt.
Nach D´Introno wird die ‚ distribución complementaria‘ wie folgt beschrieben: „[...] donde aparece [r] no puede aperecer [rr] y viceversa [ ... ].“ (D´Introno, 1995: 299) und sieht darin eine Regelhaftigkeit, denn „[...] no es un capricho de la lengua, es un paradigma sistemático, y es un signo del efecto de la aplicación de alguna regla.“ (D´Introno, 1995: 300)
Es werden nun anhand der Beispiele (D´Introno, 1995: 295; Bsp. 51a-f) Regeln für das Auftreten der Opposition und der komplementären Verteilung entwickelt.
4.5.1 Die komplementäre Verteilung von [rr]
- am Wortbeginn:
(10) [rr]ama vs. *[r]ama
- nach /n, l, s /:
(11) al[rr]ededor vs. *al[r]ededor;
(12) hon[rr]a vs. *hon[r]a;
(13) is[rr]aelita vs. *is[r]aelita.
- bei Komposita zeigt sich, dass das /r/ im Bsp. (14) bei aropar, obwohl es im Wortinneren zwischen zwei Vokalen steht, trotzdem als [rr] realisiert wird, da es ein ‚compuesto ‘ des Wortes ropa ist.
(14) a-[rr]opar
4.5.2 Die komplementäre Verteilung von [r]
(15) ap[r]emio vs. *ap[rr]emio;
(16) conc[r]eto vs. *conc[rr]eto;
(17) at[r]aso vs. *at[rr]aso;
(18) b[r]avo vs. *b[rr]avo.
Die Realisation des Phonems [rr] am Wortende ist nicht möglich, wenn es an den Vokal des folgenden Wortes gebunden wird, was sich bei den beiden aufeinanderfolgenden Wörtern comer otro, die nur in den Varianten der Bsp. (19) und (21), jedoch nicht wie im Bsp. (20), erlaubt sind, zeigen lässt:
(19) come# [r]otro
(20) *come#[rr]otro
(21) come[rr]#otro.
4.5.3 Die freie Variation von [r] und [rr] des Phonems /r/
Am Silbenende stehen die Phoneme /r/ und /rr/ in freier Variation, denn normalerweise wird an dieser Position das Phonem /r/ als sein Phon [r] realisiert, es kann aber auch emphatisch betont als [rr] realisiert werden.
(22) come[r] vs. come[rr]
(23) ha[r]to vs. ha[rr]to.
Nach Quilis könnte man also die beiden Phone, wenn sie in dieser Umgebung auftauchen, auf ein gemeinsames Archiphonem zurückführen, wobei zu beachten ist, dass [rr] eher als eine Variante und damit als ein Allophon anzusehen ist und dass [r] der Norm entspricht.
4.6 Drei Hypothesen zu den unter 4.5 genannten Phänomenen
„Las realizaciones [r] y [rr] en contextos distintos de „interior de palabra entre vocales“ se derivan:
1. todas del fonema /r/
2. todas del fonema /rr/
3. de la manera siguiente: [r] siempre de /r/, pero [rr] se deriva de /rr/ en algunos casos y en otros de /r/. “ (D´Introno, 1995: 297)
Von diesen drei Hypothesen wird vorerst die letzte als die zutreffendste angesehen. Sie besagt, dass in unterschiedlichen Kontexten im Wortinnern zwischen Vokalen das Phon [r] immer auf das Phonem /r/ zurückzuführen sei, wobei man das Phon [rr] entweder auf das Phonem /rr/ oder in einigen Fällen auch auf das Phonem /r/ zurückführen kann.
4.6.1 Regelaufstellung in Anlehnung an die dritte Hypothese
(D´Introno, 1995: 297-302; Bsp.:52-58)
V. /r/ ⇒ [r] oder [rr]
VI. /rr/ ⇒ [rr]
Bei Regel V. kann das Phonem /r/ entweder als Phon [r] oder [rr] realisiert werden.
Bei Regel VI. ist das Phonem /rr/ nur als Phon [rr] realisierbar.
Zur Vermeidung von Missverständnissen werden die Regeln V. und VI. zu folgender Regel VII. zusammengefaßt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Regel verdeutlicht, dass die Allophone [r] und [rr] des Phonems /r/ nur am Wortende (#) in freier Variation stehen können, jedoch nicht im Wortinneren zwischen Vokalen, da sie hier in Kontrast zueinander treten und somit keine Allophone mehr sind, sondern dann jeweils unterschiedlichen Phonemen angehören.
An den Bsp. (22) come[r] vs. come[rr] und (23) ha[r]to vs. ha[rr]to zeigt sich eine Unzulänglichkeit an der Regel VII.
Ihrzufolge müßte man im Bsp.(22) die zweite Variante als die einzig mögliche betrachten, obwohl es nur eine Variation der häufiger gebrauchten ersten ist.
Bei dem Wort harto hingegen würde es die zweite Variante nicht geben, weshalb die Regel VII. folgendermaßen erweitert wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die -( )- Klammern bedeuten, dass sich /r/ fakultativ als Allophon [rr] realisieren läßt, wenn es am Silbenende steht, ansonsten wird es als [r] realisiert.
4.7 Mögliche Erklärungen für das Phänomen der komplementären Verteilung
Es wird angenommen, dass der Grund für das Auftreten der komplementären Verteilung nicht nur das ihm zugrundeliegende Phonem ist, sondern die Umgebung, in der es auftritt:
„[...] podemos suponer que el contexto, y no el fonema subyacente, es el factor determinante en la sección del fono [...], es necesario relacionar la distribución a reglas, que como hemos visto son las que dan cuenta de los alófonos de acuerdo con el contexto.“ (D´Introno, 1995: 300)
Der distributiven Verteilung muss eine Gesetzmässigkeit zugrundeliegen, da sie ein Paradigma bilden kann. Diese Gesetzmässigkeit muss folglich mit einer Regel darstellbar sein.
„Cuando los datos muestran la existencia de un paradigma sistemático, y en particular de una distribución complementaria, nuestra impresión es que los datos son la consequencia de reglas, porque generalmente las reglas son las que crean paradigmas.“ (D´Introno, 1995: 300)
4.7.1 Lexikalische Regel
Als möglichen Lösungsweg kann man lexikalische Regeln aufstellen:
„[...] „reglas léxicas“, es decir reglas que determinan las características morfo-fonológicas de las palabras.“ (D´Introno, 1995: 300)
Nach der lexikalischen Regel darf das Phonem [rr] nur am Wortanfang oder am Silbenbeginn nach einem Konsonant stehen kann. Es wird ausserdem die Distribution und die 3.Hypothese berücksichtigt.
4.7.2 Phonologische Regel
Hier wird der Distribution nicht auf lexikalischer, sondern auf phonologischer Ebene Rechnung getragen. Eine phonologische Regel besagt, dass das Phonem Vibrant V am Wort- oder Silbenbeginn nach einem Konsonant als Phon [rr] realisiert wird. Als das Phonem V könnte entweder /r/ oder /rr/ oder das neutrale /R/ angesetzt werden.
4.7.3 Obligatorische und fakultative Regeln
obligatorische Regel IX. (57.):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Regel besagt, dass /r/ zu dem Allophon [rr] wird, wenn es am Silbenanfang vor einem Konsonanten oder am Wortbeginn steht, ansonsten bleibt es das Phon [r]. Um auch den Komposita wie im Bsp. (14) gerecht zu werden, muss man bei diesen eine Silbengrenze ($) einführen und kann dann folgende fakultative Regel X. aufstellen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.7.4 Auswertung der Regeln
Die Hypothesen 1. und 3. werden als gleichwertig gültig betrachtet, da sie beide die Bedingungen der komplementären Verteilung berücksichtigen, wobei die dritte Hypothese auf der phonologischen Ebene und die erste auf lexikalischer Ebene einfacher ist.
5 Fazit
Die komplementäre Verteilung tritt für das Phonem /rr/ nur am Wortbeginn (bzw. im Wortinneren von ‚compuestos‘) und nach /l, n, s/ auf, sowie für das Phonem /r/ in pränuklearer Stellung vor den Konsonanten /p, t, k, b, d, g, f/ und in postnuklearer Stellung vor einem folgenden Vokal.
Wenn man das Vorkommen von /r/ und /rr/ in ihre distributive und nicht-distrubutive Position trennt, erhält man entweder eine Opposition oder eine komplementäre Distribution oder eine freie Variation.
Da die Phoneme /r/ und /rr/ eine defektive Verteilung haben und phonetische Ähnlichkeit aufweisen, bilden sie auch eine komplementäre Verteilung.
Quilis bezeichnet die freie Variation als eine Neutralisierung und die komplementäre Verteilung als eine defektive Distribution.
Da in diesem Fall die komplementäre Verteilung auf der defektiven Distribution beruht, sind beide Ansätze logisch begründet. D´Introno geht jedoch intensiver auf diese Problemstellung ein und stellt zusätzlich phonologische Regeln auf, weshalb m.E. sein Ansatz besser nachvollziehbar ist.
Literaturverzeichnis
- ARIZA, Manuel,1994: „ Sobre fónetica histórica del español. Madrid: Arco Libros, S.A.
- D´INTRONO, Francesco; Enrique del Teso; Rosemary Weston, 1995: Fónetica y fonología actual del español. Madrid: Ediciones Cátedra, S. A.
- DUDEN. Grammatik der deutschen Gegenwartssprache. Bd.4; 1998 (6. Aufl.). Hg.: Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion. Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich: Dudenverlag.
- HALL, T. Alan, 2000: Phonologie. Eine Einführung. Berlin, New York: Walter de Gruyter.
- HARRIS, James W., 1969: Fonología generativa del español (orig.: Spanish Phonology). Barcelona: Editorial Planeta, S.A.
- HARRIS-NORTHALL, Ray, 1990: Weakening Processes in the History of Spanish Consonants. London: Routledge.
- NAVARRO TOMÀS, Tomás; Günther Haensch, Bernard Lechner, 1970: Spanische Aussprachelehre. München: Max Hueber Verlag.
- QUILIS, Antonio, 1993: Tratado de fonología y fonética españolas. Biblioteca Románica Hispánica. Madrid: Editorial Gredos.
- REAL ACADEMIA ESPANOLA (Comisión de gramática), 1986: Esbozo de una nueva gramática de la lengua española. Madrid: Espasa-Calpe.
- SECO, Manuel, 1989²: G ramática esencial del español. Introducción al estudio de la lengua. Madrid: Espasa Calpe.
[...]
[1] T. Alan HALL, 2000: Phonologie. Eine Einführung. Berlin, New York.
[2] Antonio QUILIS, 1993: Tratado de fonología y fonética españolas. Biblioteca Románica Hispánica. Madrid.
[3] T. Alan HALL, 2000: Phonologie. Eine Einführung. Berlin, New York.
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[4] Alle folgenden Ausführungen sind, wenn nicht anders angegeben nach: Antonio QUILIS, 1993: Tratado de fonología y fonética españolas. Biblioteca Románica Hispánica. Madrid: Editorial Gredos.
[5] Alle folgenden Ausführungen beziehen sich auf : Tomás TOMÁS NAVARRO, Günther HAENSCH, Bernard LECHNER, 1970: Spanische Aussprachelehre. München.
[6] Alle folgenden Ausführungen beziehen sich auf: Francesco D´INTRONO, Enrique DEL TESO, Rosemary WESTON, 1995: Fonética y fonología actual del español. Madrid.
- Arbeit zitieren
- Cora Scholz (Autor:in), 2001, Die phonologische Differenzierung des flap-r und trill-r im Spanischen unter besonderer Berücksichtigung ihrer komplementären Verteilung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110444
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