Inhaltsverzeichnis
1. Die römischen Feldzüge in Germanien von 12 v. Chr. bis 16 n. Chr
1.1. Die Drususfeldzüge
1.2. Die Politik und Feldzüge des Tiberius
1.3 Die Feldzüge des Germanicus
2. „ Provinca Germania “
2.1. Exkurs zur Definition des Germania Begriffs
2.2. Vorfeldsicherung in Germanien
2.3. Die Propagierung der Germaniensiege in den römischen Quellen und in der politischen Symbolik
3. Die Herrschaft der Römer in Germania
3.1. Instrumente der Machtsicherung, Abgaben, Rechtsprechung, Geiselstellung
3.2. Der Stillstand an der Rheingrenze
4. Die Germanienpolitik Roms
4.1. Augustus Machtanspruch
4.2. Fazit
5. Literaturverzeichnis
Einleitung
Aufgrund der von der Studienordnung, vorgebenden Kürze der Hausarbeit, verzichtet der Autor auf eine vollständige Zusammenfassung der schon vorhandenen Literatur zu diesem Thema. Vielmehr richtet sich das Hauptaugenmerk zu Beginn auf die Darstellung der römischen Feldzüge dieser Zeit, um den Leser in den ereignisgeschichtlichen Rahmen, vor dem das Thema diskutiert wird, zu setzen.
Die Diskussion um die Provinca Germania wird aufgenommen und unter verschiedenen Gesichtspunkten geführt.
Anschließend werden die römischen Instrumente und Mittel zur Machtsicherung in Germanien näher beschrieben und anhand von Beispielen und Funden verdeutlicht.
Um den Kreis der Fragestellung zu schließen, wendet sich das letzte Kapitel der Hausarbeit nach Rom und fragt nach Beweggründen für die stattgefundene Umsetzung der Machtmittel in Germanien.
Abschließend wird der Autor ein Fazit aus der vorangegangenen Arbeit ziehen und sich bemühen, eine eigene These zum Thema aufzustellen.
1. Die römischen Feldzüge in Germanien von 12 v. Chr. bis 16 n. Chr.
1.1. Die Drususfeldzüge
Um nach der Niederlage des Lollius den Schutz der neu errichteten gallischen Provinzen Aquitania, Lugdunensis und Gallia gewährleisten zu können, übergab Augustus seinem Adoptivsohn Nero Claudius Drusus das Kommando über diese neuen Provinzen. Es war an Drusus den römischen census in den genannten Provinzen einzuführen und die Reingrenze zu sichern, um vor Überfällen der Germanenstämme geschützt zu sein. Drusus war, als schon zuvor in Pannonien siegreicher Feldherr, seiner Aufgabe militärisch gewachsen und begann sofort mit der ihm übertragenden Aufgabe.
Wahrscheinlich um die noch rudimentären geographischen Kenntnisse der Römer dieser Region zu verbessern, startete er 12 v. Chr. nach gründlicher Vorbereitung eine Invasion in das rechtsrheinische Gebiet. Ein römischer Historiographienschreiber bemerkt dazu „…[er]…wartete die Germanen ab. Als sie den Rhein überschritten, warf er sie zurück.“[1] Bei dem sich anschließenden Feldzug richtete er sich gegen die Sugambrer, die schon seit Caesar bekannten Feinde des imperium romanum sowie gegen die Usipeter. Da der Feind entwich, konnte er keine endgültigen Siege erringen. So startete er Mitte des Jahres 12 v. Chr. eine weitere Expedition nach Germanien, diesmal war es ein maritimes Unternehmen. Während dieser Expedition traf er auf den Stamm der Friesen und konnte sie zu amiciii Roms machen. Anschließend plante er einen Vorstoß in das Gebiet der Chauken, musste aber aufgrund von nautischen Komplikationen, seine Flotte lief in der Nordsee auf Grund, diesen Gedanken wieder aufgeben. Nur mit Hilfe der Friesen konnte die Flotte wieder flott gemacht werden.[2]
In das Winterlager zurückgekehrt ließ er mit dem Bau des fossa drusiana beginnen, der den unteren Rhein mit dem heutigen Ijesselmeer verband.
11 v. Chr. folgte ein erneutes Flottenunternehmen, dass sich erneut gegen die Chauken richten sollte. Obwohl Drusus zum praetor urbanis berufen wurde, führte er die weiteren Feldzüge in Germania, auch wenn das gegen das römische Recht verstieß, dass Drusus mit diesem Amt vertrat. Er hätte in Rom bleiben müssen. In der Folge richtete er sich gegen seinen Hauptgegner, die Sugambrer, konnte diese aber auch 11 v. Chr. nicht fassen, da sie gegen die Chatten gezogen waren. So erreichte er erstmals die Weser und beschloss an dieser Stelle umzukehren, um das am Rhein gelegene Winterlager zu erreichen. Auf dem Rückweg kam es zu mehreren Schlachten gegen die Germanen, wahrscheinlich die vom Heerbann zurückgekehrten Sugambrer. Nur unter Verlusten gelang es Drusus mit seinen Legionen das Winterlager zu erreichen.[3]
10 v. Chr. führte Drusus die Feldzüge in Germanien fort und es gelang ihm die Markommen und die Sueben zu unterwerfen, so dass das militärische Vorfeld der Tres Gallia erstmals militärisch durchdrungen war.
Im Jahr seines Todes erreichte Drusus erstmals die Elbe und ließ dort Siegeszeichen errichten. Der ambitionierte Feldherr starb an den Folgen eines Beinbruchs, den er sich auf dem Rückweg von der Elbe zugezogen hatte.
1.2. Die Politik und Feldzüge des Tiberius
Tiberius Claudius Nero, der nach seines Bruders Drusus Tod von Augustus den Oberbefehl über die in Germanien stationierten Truppen erhielt, gelang es durch eine Mischung aus militärischer Präsenz und Verhandlungen mit den Stämmen[4], das Gebiet bis zur Elbe zu befrieden. Dabei ist die Formulierung des Vellius Paterculus „… inter Albim et Rhenum Germani omnes Tiberio Nero dedit “[5] von zentraler Bedeutung, denn sie besagt nur, dass Tiberius sich ungehindert zwischen Elbe und Rhein bewegen konnte, nicht aber, dass alle germanischen Stämme besiegt waren oder gar vertrieben. Vielmehr ist das Zitat als römisches Propagandaelement zu werten, als direkte Propaganda, oder als Folge einer solchen in Rom, auf die die Arbeit im Weiteren noch speziell eingehen wird.
Somit war Tiberius derjenige, der die Erfolge seines Bruders sicherte und das rechtsrheinischen Gebiet als römischen Einflussbereich kennzeichnete.
Nach seinem Zerwürfnis mit Augustus ging Tiberius 5 v. Chr. in das freiwillige Exil nach Rhodos, womit auch die Germanien Politik des Kaisers ins Stocken gerät. Der direkte Nachfolger des Tiberius in Germanien ist nicht bekannt und als im Jahr 1 n. Chr. ein Aufstand, ein immensum bellum[6], beinahe alle rechtsrheinisch ansässigen Stämme der Germanen erfasste, gelang es dem erfahrenen Feldherrn Marcus Vinicus nicht, der Lage Herr zu werden.
Der mittlerweile, zugunsten der Thronfolge des Kaisers von Augustus adoptierte Tiberius wurde 4 n. Chr. wieder nach Germanien geschickt. Es gelang ihm schnell die Aufständischen zu besiegen, so dass der an den Kämpfen teilnehmende Vellius später schreiben konnte „ Intrata prontinus Germania, subacti Canninefates, Attuarii, Bructeri, recepti Cherusci…, transitus Visurgis, penetrata ulterior.“[7]
Im folgenden Jahr entschloss sich Tiberius zu einem kombinierten Heer- und Flottenmanöver, um der römischen Machtnahme im rechtsrheinischen Germania Nachdruck zu verleihen.
Ab 6 n. Chr. gilt Germania wieder unter römischer Herrschaft und so heißt es in der Historiographie des Vellius: „ Nihil erat iam in Germania, quod vinci posset, prater gentem Marcomannorum“[8] Wieder erstreckt sich das militärische Operationsgebiet der Invasoren von Rhein bis Elbe.
Tiberius konnte sich dieser, aus römischer Sicht, letzten Bedrohung nicht stellen, da im Jahr 6 n. Chr., in dem es gegen die Markomannen gehen sollte, ein Aufstand in Pannonien aufflammte, zu dessen Niederschlagung er abkommandiert wurde.
P. Quinctillius Varus wurde als der Oberkommandierende der Rheinlegionen aber bei der Schlacht im Teutoburger Wald 9. n. Chr. von Arminius vernichtend geschlagen. Diese Niederlage stellt in der Politik Roms gegenüber Germania eine tief greifende Zäsur dar, die an späterer Stelle ausführlicher diskutiert wird.
Tiberius, von Augustus nach Germanien zurückberufen wird, nimmt sich der Aufgabe an, eine Strafexpedition gegen die rechtsrheinischen Stämme durchzuführen, um die Schande, die für das römische Verständnis aus der Niederlage des Varus heraus entstanden war, zu tilgen, indem er die verloren Legionsadler zurückeroberte. Er erhöhte die Anzahl der am Rhein stationierten Legionen und beschränkte sich vorerst ausschließlich auf die Defensive. Während dieser Zeit sollte er seinen späteren Nachfolger in Germanien, Nero Claudius Drusus Germanicus, den Sohn des Drusus, in dessen neuen Aufgabenbereich einführen.
In der Summe hat die Politik des Tiberius für einen Zeitraum von ca. 18 Jahren, während 9 v. Chr. Bis 9 n. Chr., den römischen Einflussbereich in Germania deutlich beeinflusst. Auf der von ihm vorgegebenen politischen Struktur versuchte Varus[9] dann später, ein der provinca ähnliches System in Germania[10] einzuführen.
Tiberius Exilaufenthalt stellt eine weitere Zäsur in der Kontinuität dieser Politik dar. Doch bei seiner Rückkehr zeigt er sich wieder einmal den schwierigen Anforderungen an einen Feldherrn gewachsen.
1.3. Die Feldzüge des Germanicus
Der junge Germanicus war ein weiterer Hoffnungsträger des Augustus, der 4 n. Chr. von Tiberius, auf den Wusch des Kaisers hin, adoptiert wurde.
11 n. Chr. unternahmen Tiberius und sein Neffe Germanicus einen ersten gemeinsamen Feldzug, in rechtsrheinische Gebiete.
Im Jahr 12 n. Chr. wurde Germanicus Iulius Caesar die vollständige Kommandogewalt über die Rheinlegionen übertragen. Bei dem Kaiserwechsel 14 n. Chr. – Augustus stirbt und Tiberius Caesar Augustus tritt dessen Nachfolge an – kam es zu einer Revolte der Rheinlegionen, die Germanicus nur mit Mühe verhindern konnte. Die Quellenlage ist bei der Wahl seiner Methoden zu diesem Zwecke widersprüchlich. So habe er einen Brief des Kaisers gefälscht, der den Truppen besseren Sold etc. zusicherte[11] ; während es in einer anderen Quelle, die zeitlich näher am Geschehen ist, heißt „ et his ipsis gladibus, quibus obsessus erat, obisdentes coercuit.“[12], was bedeuten würde, er hätte die Aufrührer hart bestraft für ihr Verbrechen.
Nachdem er der Lage wieder Herr war, begann er mit den Vorbereitungen für einen Feldzug in die rechtrheinischen Gebiete, wohl um die Moral der Truppen zu erhöhen und den Ort der Varusschlacht zu besuchen. Er teilte den Feldzug, seinem Vater Drusus gleich, in zwei Vorstöße, einer Zangenbewegung entsprechend. Der Erste richtete sich vom Niederrhein aus gegen das Gebiet der Cherusker; der Andere ging vom heutigen Mainz aus gegen die Chatten. Ein endgültiger Sieg blieb dem jungen Feldherrn verwehrt. Außer einer Spur von Zerstörung hinterließ er nichts im Feindesland. Er suchte aber das Schlachtfeld der Varusniederlage auf und errichtete den, von den Germanen zerstörten, Altar zu Ehren des Drusus wieder neu.
Während des Rückzuges in das Winterlager wurden die Legionen von den Germanen angegriffen und erlitten Verluste. Der neue Kaiser Tiberius befürchtete einen drohenden Einbruch, ähnlich der Niederlage des Varus und drängte schon 15 n. Chr., dass Germanicus, die Feldzüge in Germanien einstellen sollte „ sed crebis epistulis Tiberius monebat, rediret ad decretum triumphum: satis iam eventuum, satis casuum.“ [13]
Germanicus aber, wohl vom Gedanken an das Erbe seines Vaters beflügelt, rüstet 16 n. Chr. für einen erneuten Rheinübergang. Es ist anzunehmen, dass er die Taten seines Vaters überflügeln bzw. zu einem Abschluss führen, und dass gesamte rechtsrheinische Gebiet endgültig unter römische Kontrolle stellen wollte.
Im Jahr 16 n. Chr. fiel er noch einmal in das Gebiet ein, wieder ohne nennenswerte Siege zu erringen. Er stieß bis zur Weser vor, überschritt sie um Arminius zu stellen, der schon Varus in die Niederlage geführt hatte, und um Rache, im Sinne der römischen Schande, zu üben. Erneut blieb ihm ein Sieg verwehrt und so wand sich der römische Feldherrr wieder gegen die Marser und gegen die Chatten.
Am Ende dieser Eroberungsfeldzüge wurde er von Tiberius nach Rom berufen, also 16 n. Chr. und geehrt.
Germanien gilt von nun an als besiegt und die Propaganda in Rom verbreitet entsprechende Nachrichten „… consulibus Germanicus […] triumphavit de Cheruscis Chattisque et Angrivariis quaeque aliae nationes usque ad Albim colunt.“[14]
2. „ Provinca Germania “
2.1. Exkurs zur Definition des Germania Begriffs
Der Germania Begriff der im folgenden Verlauf der Hausarbeit verwendet wird, ist gegenüber dem allgemeinen ethnisch – geographischen Germania Begriff abzugrenzen.
Germania im Sinne eines ethnischen – geographischen Gebietes umfasst für die römischen Gelehrten und Historiographienschreiber eine Fläche vom Rhein bis zur Weichsel und von der Nord- bzw. Ostsee bis zu den Alpen oder einer Höhe der Donauquelle.
Dem gegenüber steht die politische Konnotation des Wortes Germania, die das Gebiet zwischen Rhein und Elbe beschreibt[15].
D.h., dass die Quellen nicht wörtlich zu nehmen sind; wenn Vellius berichtet, Tiberius habe alle Teile Germaniens durchzogen, so verkleinert er die Bedeutung des Wortes Germania auf das politisch definierte Germanien, gegen dass die Römer kämpften.
2.2. Vorfeldsicherung in Germanien
Als Drusus mit dem Kommando am Rhein erstmals beauftragt wurde, hatten die Römer nur eine grobe Vorstellung der geographischen Begebenheiten in Germanien. Durch die oben beschriebenen Feldzüge und bewaffneten Expeditionen durchdrang Drusus bis zu seinem Tod das Gebiet bis zur Elbe erstmals und trat mit den germanischen Stämmen in Kontakt. Einen Teil von diesen machte er zu Verbündeten Roms, einen anderen Teil unterwarf er scheinbar willkürlich. Dabei hatte Drusus die Eroberung Germaniens sicher nicht stringent betrieben. Vielmehr ließ er sich von seinen Erfolgen leiten. Eine vorher konzipierte Eroberung scheint demnach ausgeschlossen.
Es ist anzunehmen, dass die Expeditionen der Entlastung der Rheingrenze galten und sich die nach vorn gerichtete Okkupationspolitik Roms erst aus den späteren Aufständen heraus entwickelte.
Tiberius, der lange Zeit in Germanien verweilte, gelang es besser als Drusus, den römischen Einflussbereich im rechtsrheinischen Gebiet geltend zu machen. Er schuf in diesem Raum eine von Rom abhängige Peripherie; vorgelagert den unter Augustus eingerichteten Provinzen, der Tres Gallia.
Die Politik der Klientelstaaten ist wieder einmal angewandt worden, um den eigentlichen Herrschaftsbereich zu schützen. Somit war es erschwert für die germanischen Stämme, Raubzüge in das benachbarte Gallien zu unternehmen oder dort Land zu nehmen.
Trotz Unterbrechungen in der Linie der Germanienpolitik ( die Aufstände 1 n. Chr., der Exilgang des Tiberius ) kann für den Zeitraum von 15 v. Chr. bis 9 n. Chr. gelten, dass Tiberius eine Sicherung des Vorfeldes der Tres Gallia betreibt, die vorgezogene Position an der Elbe nach der Niederlage des Varus vorerst aufgibt und sich der Sicherung der Rheingrenze zuwendet.
Inwieweit hier Intentionen, also geplante und erfolgreich betriebene Politik, der römischen Machthaber zielgerecht umgesetzt wurden, kann den Quellen nicht entnommen werden, aber das Resultat, die Vorfeldsicherung, scheint zu erreicht worden sein.
Dem ergänzend, ein vorläufiges Fazit der Verhältnisse: Es besteht keine Provinca Germania im Sinne des römischen Rechtsverständnis. Zwar sind viele Germanische Stämme, wie die Friesen, später die Sugambrer in einem von Rom abhängigen Verhältnis, aber es gibt keine quellenkundlichen Aussagen, die eine solche Provinca belegen.
2.3. Die Propagierung der Germaniensiege in den römischen Quellen und in der politischen Symbolik
Auffällig ist das Missverhältnis vor allem in den ersten Jahren, in dem die militärische Realität zu dem der Anspruch des Augustus auf ein besiegtes Germanien steht. So bezeugen Münzfunde, die auf 15 - 13 v. Chr. datiert werden können, anlässlich der Pannonien/Germaniensiege der claudischen Brüder, einen Augustus, der die Feldherrn die seine Seiten flankieren überragt. Augustus nutzt die Siege für sich aus, indem die staatlichen Institutionen ( an dieser Stelle Münzprägestätten ) seine überhöhte Stellung im Staat verbildlichen.
Die Motive wechseln einander ab, sind aber von der inhaltlich-propagandistischen Motivation her ähnlich[16]. Immer ist Augustus der Empfänger der Huldigungen, während die wahren Akteure nur im Hintergrund stehen.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Tacitus für das Jahr 9/8 v. Chr. eine Erweiterung der sakralen Stadtgrenzen notiert[17], die unmittelbar mit den diplomatischen Erfolgen des Tiberius in Germanien zusammenfällt. Auch hier wird in Stadt Rom suggeriert, dass Germanien besiegt oder zumindest tributpflichtig ist. Selbst bei dem Triumph, der Tiberius 8/7 v. Chr. zugesprochen wird, ist es immer noch Augustus, der in der numismatischen Darstellung zu diesem Triumph vordergründig erscheint. Allerdings ist es auch schon anlässlich der oratio, die die claudischen Brüder - Drusus und Tiberius - 12/11 v. Chr. Empfangen, das Procedere, dass Augustus als Principes nutzt; nämlich seine herausragende Stellung darzustellen und zu sichern sowie seine Nachkömmlinge zu legitimieren und die imperatorische Akklamation zu beanspruchen.
Mit der, bei dem Exilgang des Tiberius verbundenen, Zäsur in der Germanienpolitik, wird die tradierte Quellenlage aussparender und auch die Überrestquellen versiegen für diesen Zeitraum.
Erst mit den Feldzügen des Germanicus vermehren sich erneut die Belege, wenn auch diesmal nicht der Realität entsprechend. Die Darstellung der Germanicusfeldzüge zu Beginn der Arbeit sollten deutlich gemacht haben, wie willkürlich und ziellos Germanicus durch Germania wütete. Denn neben der Ehrung 16 n. Chr. für seine Siege in Germanien und vor allem für die Rache der Varusschlacht, erscheint er auch auf Münzen als ein Sieger, der die verlorenen römischen Legionsadler wieder empfängt.
Nach seinem Tod wird das Bild in der Darstellung der Triumphe maßgeblich korrigiert. In einem Ehrenbeschluss des Senats werden ihm drei Siegessäulen zugedacht. Eine davon befindet sich am Rhein, die ihn zeigt, wie er die Feldzeichen der sieglosen Germanen erhält[18]. Das Bild, das aus dem römischen Selbstverständnis heraus entworfen wird, entspricht nun dem eines besiegten, aber freien Germaniens. So wird 19/20 n. Chr. in der Darstellung davon abgegangen, die politische Realität zu verfremden, wenn es um die Vorgänge in Germanien ging.
3.0. Die Herrschaft der Römer in Germania
3.1. Instrumente der Machtsicherung; Abgaben, Rechtsprechung, Geiselstellung
Neben den Legionen war die Einmischung in innergermanische Belange eine große Stütze bei der konkreten Umsetzung der Germanienpolitik Roms. Bei stammesinternen und auch bei stammesübergreifenden Konflikten wurde die römische Rechtssprechung auch von den Germanen gesucht, da sie für beide Seiten die Chance auf einen fairen Prozess bot. Das römische Recht wurde schnell zu einer Schlichtungsinstitution bei innergermanischen Streitigkeiten und es gelang den Römern auf diese Art ihren Einflussbereich auch innerhalb der Stämme auszuweiten. Den Führungsspitzen der Stämme verliehen die Römer das Bürgerrecht Roms oder auch römische Ritterrechte. So banden sie diese an Rom und konnten ihre Interessen über die nun loyale Führungsspitze des betreffenden Stammes durchsetzen, auch im ara Ubiorum bei Köln, dass einen kultisch-politischen Mittelpunkt in Germanien bildete.
Schon unter Drusus begonnen, wurden die Elite der Stämme bald unter Tiberius gegen pro-römische ersetzt oder die Stämme wurden bei einer Expedition militärisch bedroht und gezwungen „Kriegskostenentschädigung“[19] zu leisten.
Solche Entschädigung oder Abgaben von verbündeten Stämmen konnten in Form von Naturalabgaben, also Weizen und Korn, oder in Form von Vieh und Fellen abgeleistet werden Diese Naturalabgaben wurden höchstwahrscheinlich zum Unterhalt der Legionen[20] benutzt. Eine weitere Möglichkeit, Rom gegenüber die Treue zu halten war die, ein Heer auszuheben; zumeist Auxilliar- bzw. Hilfstruppen zu stellen, die die römischen Legionen zu Beginn innerhalb Germaniens – wie die Friesen bei Drusus 12 v. Chr. -, später im gesamten Imperium unterstützen sollten.
Des Weiteren konnte Rom den Stämmen Vorgaben bei deren Siedlungsgebieten machen. So wies Drusus den Chatten Land an und wurde zugleich zu einem Schutzgarant für die germanischen Siedler, die dann besonders unter römischen Einfluss standen. Diese Stämme, wie z.B. die Friesen, später die Sugambrer, hatten ebenfalls Naturalabgaben zu leisten, auch wenn diese sicher niedriger ausfielen als die der besiegten Stämme.
Ein weiterer Garant für die Einhaltung der mit Rom geschlossenen Verträge - die Absprachen der römischen Oberbefehlshaber zu diesen Punkten mit der Führung eines Stammes sind – bilden im Wesentlichen Geiselstellungen, die auch numismatisch belegt[21] werden können. Sie spielen in den Quellen aber nur eine untergeordnete Rolle.
Die hier skizzenhaft dargestellten Machtmittel sind ein konstanter Faktor bei der Ausdehnung des römischen Herrschaftsbereiches. So gelingt es Tiberius bis 6 v. Chr. das Gebiet bis zur Elbe zu befrieden. Auch nach der Erhebung von 1 n. Chr. nutzt Tiberius diese politischen Instrumente, um die Stämme an Rom zu binden.
Vellius Beschreibung eines „beinahe tributpflichtigen Germaniens“[22] lässt sich am besten in diesen Kontext einordnen.
Im Gesamteindruck wird deutlich, wie es Rom, mittels einer „friedlichen de facto Einverleibung mittels indirect rule’“[23] gelingt, seinen Herrschaftsbereich bis in das rechtrheinische Gebiet auszudehnen, was einer Politik von Klientelstaaten entspricht, die in Rom schon seit der Eroberung des nördlichen Italiens betrieben und als erfolgreich tradiert wird.
Im Fazit ist Germanien durch die Anwendung der Machtmittel zumindest militärisch durchdrungen und an den Grenzen zu den wirklichen Provinzen, also am Rhein, findet ein intensiver Austausch von Kultur- und Handelsgütern statt. Es fließen Sprache, römische Waren, technische und rechtsphilosophische Ideen in das germanischen Gebiet; freilich mehr von der römischen Seite aus als umgekehrt.
Die Stämme der Germanen sind in ihrer traditionellen, nicht sesshaften Lebensweise eingeschränkt. Sie stoßen an eine politische und mit dem Rhein auch geographische Grenze, die sie an der weiteren Wanderung nach Westen hindert. Länger als eine Generation hält die, wenn auch instabile, Beziehung zwischen dem römischen Imperium und den Stämmen, bis Varus das Oberkommando in übernimmt und die Römer in ihre größte militärische Niederlage führt[24], was zum Abbruch des Anspruches auf ein westrheinisches Germanien führen soll.
3.2. Der Stillstand an der Rheingrenze
Die Niederlage des Varus stellte in der römischen Expansionspolitik eine entscheidende Zäsur dar. Denn auch wenn Tiberius mit Germanicus gemeinsam noch einige Strafexpeditionen in das ostrheinische Gebiet führten, wurde der Anspruch auf ein besiegtes Germanien selbst in den Darstellungen der Historiographien aufgegeben, "hac clade factum, ut imperium, qoud in litore Oceani non steterat, in ripa Rhenum fluminis staret."[25]
Nur zu Ehren des Germanicus wird, bei dessen Abberufung von der Rheingrenze, der Mythos eines besiegten Germaniens noch einmal erzeugt. Tatsächlich jedoch, gelang es dem Feldherrn nicht das Gebiet bis zur Elbe wieder an Rom zu binden oder im Sinne einer Klientelstaatenpolitik Einfluss zu nehmen[26]. Auf das wiederholte Drängen[27] des neuen Prinzipaten sollte Germanicus schließlich nach Rom zurückkehren, da der vorsichtige Tiberius, durch die Leichtsinnigkeit mit der Germanicus die Schlachten in Germanien austrug, eine erneute schwere Niederlage befürchtete.
In den wissenschaftlichen Darstellungen zur Abberufung des Germanicus wird diese auch unter einem anderen Gesichtspunkt diskutiert: Tiberius hätte Bedenken, Germanicus würde allzu viel Sympathie bei den Soldaten gewinnen, ihm das Prinzipat streitig machen können und so sei Germanicus allein aus Gründen der Herrschaftssicherung abberufen worden.[28]
Mit der Abberufung des Germanicus, kommt die nach Osten gerichtete Expansionspolitik zu einem ersten konzeptionellen Stillstand. Rom hat seinen Machtbereich westlich des Rheins markiert, der vorerst auch von den germanischen Stämmen respektiert wurde. An diesen Grenzen hält Tiberius, vielleicht auf die testamentarische Empfehlung des Augustus hin, "consilium coercendi intra terminos imperii“ [29] fest und beginnt mit dem Ausbau der Kastelle und Stellungen.
4. Die Germanienpolitk aus dem Blickwinkel Roms
4.1 Augustus Machtanspruch
Wie im bisherigen Verlauf deutlich wurde, bestimmten im Wesentlichen die Charaktere der Oberkommandierenden die direkte Ausführung der römischen Politik in Germanien. Die Spanne reicht dabei von der Diplomatie, über militärische Verwüstungsfeldzüge bis zu Niederlagen mit, selbst für Rom ungewohnt hohen, Verlusten.
Alle diese Feldherren stehen jedoch in einer Beziehung zum Prinzipaten Augustus. Denn dieser ist es, der streng genommen die Linie der Germanienpolitik selbst gestaltet. Drusus kann noch größtenteils selbstständig und eigenverantwortlich in Germanien handeln, lautet doch sein Auftrag von Augustus, die Grenzen zu sichern und über sie hinaus militärisch zu erkunden. Das selbst ernannte Ziel des Günstlings, das Gebiet bis zur Elbe für Rom zu erobern, erreicht jedoch erst sein Bruder Tiberius. In beiden Fällen bekommen die beiden Favoriten des August Auszeichnungen und militärische Ehren, wie die dazu eingeführten Triumphalornamente[30], obwohl Augustus die Erfolge auf sich selbst beziehen ließ, was zahlreiche Münzfunde belegen. Auf diese Weise verdeutlichte er auch im öffentlichen Leben seinen erhöhten Rang im Staat und festigte seine Stellung. Mit dem Exilgang des Tiberius verliert Augustus einen fähigen Feldherrn Germanien, der sich nur schwerlich ersetzen ließ. Sollte doch derjenige, der die oben erwähnten Auszeichnungen beanspruchen könnte, jemand sein, der gleichfalls Anspruch das auf die Nachfolge des Augustus, das Prinzipat, hatte. Da Augustus selbst seine Nachfolge, durch Adoption, bestimmen wollte, findet hier ein Einschnitt in der begonnen Expansion statt, der schließlich zum Aufstand 1 n. Chr. führen soll. Ob aus der Not heraus ihn an sich zu binden, oder einen anderen geeigneten Nachfolger zu finden[31], adoptierte Augustus schließlich Tiberius, der Germanien erneut befrieden konnte.
Augustus beginnt somit zu Lebzeiten schon seinen Emporkömmling aufzubauen, indem er ihn weiter auf Roms prestigeträchtigsten Kriegsschauplatz agieren lässt und er ihn durch die Adoption in seine gentile Linie bringt, ihn sozusagen als Erben markiert.
Als Augustus hoch betagt stirbt, führt Tiberius, der wie kein anderer die Eigenheiten von Germania kannte, die gemeinsame Politik weiter. Nach der cladi varii beraten er und Augustus das weitere Vorgehen und beschließen den Rückzug auf die Rheingrenze. Somit markiert die Abberufung des Germanicus nur das letzte Glied in der Kette: vom Entschluss bis zu dessen Ausführung vergeht nur ein Jahrfünft.
In diesem Zusammenhang wird deutlich wie eng die Politik des Augustus mit der Germanienpolitik verknüpft ist[32].
4.2 Fazit
Sicherlich erstaunlich ist es, das Fazit in das vierte Kapitel einzuarbeiten, aber dafür meine ich berechtigte Gründe zu haben.
Folgt man dem Ansatz, die Situation im Großraum Germania politisch zu durchleuchten, so endet man unweigerlich bei der Betrachtung der Verhältnisse in Rom. Die umgesetzte Politik dort wurde von Personen geführt, die unter dem Einfluss und oder in Abhängigkeit zu Augustus standen. Somit kann es mir gelingen aufzeigen, wie die Legionen das Gebiet militärisch durchsetzt haben; wie die Römer mit den Barbaren in Kontakt traten; wie sich Interessen der römischen Innenpolitik im germanischen Gebiet niederschlugen. Unbekannt bleibt jedoch, wie die Personen den Kontakt Vorort mit den germanischen Stämmen herstellten, durch die Pläne eines in Rom sitzenden Kaisers beeinflusst worden sind. Lediglich beim Abbruch der Expansion, dem Stillstand kann erahnt werden, wie weit die Pläne des Augustus letztlich politisch wirken; im Falle Germania über eine Generation lang, einer außenpolitischen Doktrin gleich.
Schließlich kann es also aufgrund der einseitigen Quellenlage nur gelingen, die Germanienpolitk durch die römische Brille zu durch betrachten. Diese aber zieht ein weites Spektrum an anderen historischen Fragen nach, die an dieser Stelle gut aufgehoben sein sollen.
5. Literaturverzeichnis
Quellen:
- Augustus, Res Gestae Divi Augusti, engl. von F.Shipley, London, 1955
- Cassius Dio, Römische Geschichte, dt. von Otto Reh, 5Bde., Zürich/München, 1987
- Tacitus, Annales, dt. von E.Heller, München, 1982
- Vellius Paterculus, Compendium of Roman History, engl. von F.Shipley
Sekundärliteratur:
- Jochen Bleicken, Augustus – eine Biographie, Berlin 1998
- Karl Christ, Zur augusteischen Germanienpolitik, In, Chiron, Mitteilungen der Kommision für alte Geschichte und Epigraphik des deutschen archäologischen Instituts, München, 1977
- Peter Kehne, Limitierte Offensiven, In : Res publica reperta, Hrsg. Spielvogel, Stuttgart 2002
- Hans Günther Simon, Eroberung und Verzicht, In: Die Römer in Hessen, Hrsg. Baatz/Herrmann, Stuttgart, 1982
- Kurt Telschow, Die Abberufung des Germanicus, In : Monumentum Chiloniense, Hrsg. Lefevre, Amsterdam 1975
- Schlüter / Wiegels Hrsg.: Rom, Germania und die Ausgrabungen von Kalkriese, Osnabrück, 1999
- Wiegels/Woesler Hrsg.: Arminius und die Varusschlacht, Paderborn, 1995
- Wolfram, Herwig, Die Germanen, München,. 1995
- Reinhard Wolters, Die Römer in Germanien, München 2000
- Reinhard Wolters, Römische Eroberung und Herrschaftsorganisation in Gallien und Germanien, Bochum, 1990
- Reinhard Wolters, „Tam diu Germania vincitur“, Bochum 1989
Erklärung:
Hiermit versichere ich, Jan Dahlke, die Hausarbeit ohne Hilfe und in selbständiger Arbeit angefertigt zu haben. Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen zitiert und alle Zitate als solche deklariert.
Braunschweig, den 6.Januar 2003
____________________________
Jan Dahlke
[...]
[1] Cass. D. : 54, 32, 1
[2] Cass. D. : 54, 32, 3
[3] Cass. D. : 54, 33, 2
[4] vgl dazu die nachfolgenden Kapitel, im besonderen 3.Machtsicherung
[5] zitiert nach Kehne: Limitierte Offensiven: vgl. dazu Vell. II, CVI, 1
[6] Vell. II, CIV, 2
[7] Vell. II,CV,1
[8] Vell. II, CVIII, 1
[9] vgl. zu diesem Themenkomplex: Wiesler/Woesler, Arminius
[10] vgl. dazu 2.1.Exkrus
[11] Cass. D.: 57, 5, 3 ff
[12] Vell. II, CXXXV, 3
[13] Tac. Ann : II, 26 f
[14] Tac. Ann. : II, 41 f
[15] Vgl. zu diesem Thema : Wolters : Herrschaftsorganisation , S. 202 f
[16] vgl. dazu die Diskussion um die numismatische Darstellungen des Augustus in Wolters : „Tam diu…“, S 32ff
[17] Tac. Ann. : 12 , 39, 2
[18] Wolters : „Tam diu…“, S. 40ff, aber auch Telschow: Abberufung
[19] Wolters: „Tam diu…“ , S. 28
[20] Cass. D. : 56, 19, 1
[21] Wolters : „Tam diu…“ , S.33ff
[22] Vell, II, CVI, 3
[23] Wolters : Herrschaftsorganisation , S. 223ff
[24] vgl hierzu erneut Wiesler/Woesler: Arminius, darin vor allem, Lehmann: Varuschlacht S.123ff
[25] Tac. ann I, 2,88
[26] vgl dazu , vor allem 1.3. und 3.1.
[27] Simon: Verzicht, S.57
[28] vgl. dazu genauer : Telschow : Abberufung s.155ff
[29] Tac. ann. I, 2, 5
[30] Wolters, Tam diu , S, 35
[31] Bleicken, Nachfolge, S.619ff
[32] vgl hierzu den Aufsatz von Christ: Augusteiische Germanienpolitik", der das Thema unter diesem Aspekt gründlich bearbeitet hat.
- Quote paper
- Jan Dahlke (Author), 2003, Formen der römischen Herrschaft in Germanien, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110395
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