Die sich stetig verschlimmernde Wasserkrise hindert viele Entwicklungsländer an der wirtschaftlichen Entwicklung. Immer weniger Arme, deren Zahl sich aufgrund der anwachsenden Kluft zwischen arm und reich exponentiell erhöht, haben einen Zugang zu sauberem Wasser. Noch seltener ist der Zugangs zu Abwassersystemen und sanitären Einrichtungen, wodurch das Trinkwasser verseucht wird und sich zahlreiche, oft tödliche Krankheiten ausbreiten.
Gleichzeitig schreitet die Globalisierung mit unverminderter Geschwindigkeit voran. Ihr Ziel ist eine einheitliche Weltwirtschaft, in deren Länder man im optimalsten Fall ohne Hindernisse und Risiken sowie mit hohen Gewinnaussichten investieren kann. Internationale profitorientierte Unternehmen und Wirtschaftslobbies, aber auch weltweit agierende Finanzunternehmen und globale Handelsinstitutionen befürworten die Globalisierung. Die Liberalisierung sämtlicher Sektoren ermöglicht, dass Privatkonzerne in immer mehr Bereiche investieren können, die vorher ausschließlich der Regierungsverantwortung oblagen.
So geben die Privatisierungsbefürworter an, dass der hohe finanzielle Investitionsaufwand in den Wassersektor von Entwicklungsländern, nur durch private Investoren gedeckt werden könne. Dieser politischen Linie schließen sich inzwischen auch die staatlichen Entwicklungshilfeministerien und deren Organisationen sowie die globalen Entwicklungsbanken an.
Sie unterstützen die Übernahme von Konzessionen für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung in den armen Ländern des Südens durch internationale Großkonzerne und machen die Übergabe dieses Versorgungsbereichs an Privatinvestoren zur Bedingung für die Erteilung dringend benötigter Kredite an diese Staaten. Vertreter dieser Art von Entwicklungshilfe gehen zumindest offiziell davon aus, dass sich die von den Großunternehmen propagierten und versicherten Verbesserungen in der Wasserversorgung auch tatsächlich einstellen, weswegen sie ihnen ihre volle Unterstützung und Zusammenarbeit gewähren.
Anhand der Leitfrage, ob die bisher praktizierte Form der Privatisierung der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung tatsächlich den notleidenden Menschen in den Entwicklungsländern dient, untersuche diese Arbeit die Wirkung dieser entwicklungspolitischen Strategie. Dabei geht es nicht um die Diskussion einzelner Entwicklungstheorien und um den geeignetsten Ansatz für die Entwicklung eines bestimmten Landes, sondern um die Analyse der Effektivität dieses Entwicklungshilfeansatzes.
Inhaltsverzeichnis
B) Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
C) Verzeichnis der Abkürzungen
1) Die Privatisierung der Wasserversorgung als Mittel aktueller Entwicklungshilfe
2) Wasser – Quelle allen Lebens
2.1) Biochemische Eigenschaften des Grundelements Wasser
2.2) Der hydrologische Kreislauf
2.3) Die existentielle, kulturelle und religiöse Bedeutung von Wasser
2.3.1) Die fünf Grundeigenschaften des Wassers
2.3.2) Wasser als Lebensgrundlage
2.3.3) Die Rolle des Wassers bei der kulturellen Entwicklung der Menschheit
2.3.4) Wasser in den großen Weltreligionen
3) Verteilungsaspekte des Süßwassers
3.1) Die geographische Verteilung des Weltwasservorkommens
3.2) Der globale Wasserverbrauch
3.3) Der sich weltweit erhöhende Süßwasserbedarf und seine Folgen 21
3.4) Die Auswirkungen der globalen Wasserkrise 30
3.4.1) Wasser – absolute Knappheit oder falsche Verteilung? 30
3.4.2) Menschen ohne Trinkwasserversorgung 33
3.4.3) Wasserknappheit – Indizes und extrem betroffene Weltregionen 34
3.4.4) Negativfolgen der Wasserknappheit 38
4) Die Politisierung und Ökonomisierung des Trinkwassers 41
4.1) Weltwasserkonferenzen – Politische Initiativen gegen die globale Wasserkrise
4.2) Internationale Lobbyorganisationen für den Wassermarkt
4.3) Die neoliberale Grundidee für die Wasserversorgung in den Entwicklungsländern
4.4) Die Weiterentwicklung der neoliberalen Grundausrichtung
4.5) Investitionserfordernisse für den Wassersektor
4.6) Die Strategie der modernen Entwicklungszusammenarbeit
4.6.1) Der Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik
4.6.2) Die Erwartungen an Public Private Partnerships
4.6.3) Der Privatisierungsschub durch IWF und Weltbank
4.7) Der Wassermarkt 63
4.7.1) Der Washington Consensus als internationale Handelsdoktrin
4.7.2) Das Potential des globalen Marktes für Wasserversorgung
4.7.3) Internationale Großkonzerne im Wassermarkt
4.8) Die Rolle des General Agreement on Trade in Services (GATS) in der Wassermarktliberalisierung
4.8.1) Entstehung und Ziel des GATS
4.8.2) Umfang und Bedeutung des weltweiten Dienstleistungshandels
4.8.3) Die wichtigsten Bestimmungen des GATS
4.8.4) GATS und Wasser
5) Privatisierungen der Wasserversorgung in der Praxis
5.1) Das weltgrößte Privatisierungsprojekt in Manila
5.2) Buenos Aires – Privatisierung der Wasserversorgung in der reichsten Stadt Südamerikas
5.3) Der Wasserkrieg in Cochabamba
6) Standpunkte und Alternativvorschläge zur Privatisierung der Wasserversorgung
6.1) Expertenpositionen zur bisherigen Pivatisierungspraxis
6.2) Reaktionen auf die bisherigen Privatisierungserfahrungen
7) Die Effektivität der Wasserprivatisierungsprojekte im Hinblick auf eine umfassende und nachhaltige Entwicklungshilfe
8) Bibliographie A
Danksagung
Ein großer Dank gebührt an dieser Stelle dem akademischen Betreuer meiner Diplomarbeit, Herrn Professor Dr. Reinhart Kößler vom Institut für Soziologie der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Innerhalb seines Empirieseminars „Deutsche Afrikapolitik heute“ an der Johann Wolfgang Goethe-Universität zu Frankfurt am Main im Sommersemester 2003 vermittelte er mir wichtige wissenschaftliche Arbeitstechniken und weckte mein Interesse an der kritischen Auseinandersetzung mit entwicklungspolitischen Themen und der Globalisierung. Obwohl Herr Professor Dr. Kößler zu der Zeit meiner Anfrage nicht mehr in Frankfurt am Main lehrte, erklärte er sich unmittelbar dazu bereit, meine Arbeit von Bochum beziehungsweise Münster aus zu betreuen. Dabei stand er mir bei Anfragen stets freundlich und kompetent zur Verfügung.
Herzlich möchte ich auch meinen Großeltern Erhard und Sonja Wagner und meiner Schwester Nina danken, die mich sehr geduldig und mit großem Rückhalt beim Anfertigen dieser Diplomarbeit unterstützt haben.
Zusätzlich danke ich meiner Schwester Nina noch einmal explizit für das kritische Gegenlesen meiner Arbeit und die von Ihr angebrachten Anregungen.
Saša Mitrović aus Groß-Karben im Mai 2005
B) Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: Die wasserreichsten Länder der Welt
Tabelle 2: Kontinentale Veränderung der gesamten Pro-Kopf-Süßwasserverfügbarkeit 1950-1980
Tabelle 3: Sektoraler Süßwasserverbrauch nach Erdteilen
Tabelle 4: Länder im Wasserstreß
Tabelle 5: Jährliche Investitionserfordernisse in den Wassersektor
Abbildung 1: Jährliche Investitionen in den Wassersektor und prognostizierter Bedarf
Tabelle 6: Die größten Wasserkonzerne der Welt
C) Verzeichnis der Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1) Die Privatisierung der Wasserversorgung als Mittel aktueller Entwicklungshilfe
Die sich stetig verschlimmernde Wasserkrise hindert viele Entwicklungsländer an ihrer wirtschaftlichen Entwicklung und an der damit verbundenen Wohlstandssteigerung. Vor allen Dingen haben immer weniger Arme, deren Zahl sich aufgrund der anwachsenden Kluft zwischen arm und reich exponentiell erhöht, einen Zugang zu sauberem Wasser. Noch seltener ist deren Möglichkeit eines Zugangs zu Abwassersystemen und sanitären Einrichtungen, wodurch das Trinkwasser verseucht wird und sich zahlreiche durch verschmutztes Wasser verursachte Krankheiten, mit oftmals tödlichem Verlauf, ausbreiten.
Gleichzeitig schreitet die weltweite Globalisierung mit unverminderter Geschwindigkeit voran. Ihr Ziel ist eine möglichst einheitliche Weltwirtschaft, in deren Länder man im optimalsten Fall ohne Hindernisse und Risiken sowie mit hohen Gewinnaussichten investieren kann. Internationale profitorientierte Unternehmen und Wirtschaftslobbies, aber auch weltweit agierende Finanzunternehmen und globale Handelsinstitutionen stellen dabei die Gruppe der Globalisierungsbefürworter und sorgen mit aller Kraft für einen zunehmenden Globalisierungsschub. Durch die fortschreitende Liberalisierung sämtlicher Sektoren ermöglicht es dieser, daß Privatkonzerne als potentielle Investoren in immer mehr Bereiche investieren können, die vorher fest in Staatshand waren und ausschließlich der Regierungsverantwortung oblagen.
So geben die Privatisierungsbefürworter an, daß der hohe finanzielle Investitionsaufwand in den Wassersektor von Entwicklungsländern, der notwendig sei, um der Wasserkrise rasch beizukommen, nur durch private Investoren gedeckt werden könne. Dieser politischen Linie schließen sich inzwischen auch die mächtigen, staatlichen Entwicklungshilfeministerien und deren Organisationen sowie die globalen Entwicklungsbanken an. Sie unterstützen die Übernahme von Konzessionen für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung in den armen Ländern des Südens durch internationale Großkonzerne und machen die Übergabe dieses Versorgungsbereichs an Privatinvestoren des öfteren zur Bedingung für die Erteilung dringend benötigter Kredite an diese bedürftigen Staaten. Vertreter dieser modernen Art von Entwicklungshilfe gehen zumindest offiziell davon aus, daß sich die von den Großunternehmen propagierten und versicherten Verbesserungen in der Wasserversorgung auch tatsächlich einstellen, weswegen sie ihnen ihre volle Unterstützung und Zusammenarbeit gewähren.
Anhand der Leitfrage → Dient die bisher praktizierte Form der Privatisierung der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung tatsächlich den notleidenden Menschen in den Entwicklungsländern? untersuche ich im Rahmen meiner Arbeit die Wirkung dieser entwicklungspolitischen Strategie. Dabei geht es mir nicht um die Diskussion einzelner Entwicklungstheorien und um den geeignetsten Ansatz für die Entwicklung eines bestimmten Landes, sondern um die Analyse der Effektivität dieses Entwicklungshilfeansatzes.
Meine Untersuchung beginnt mit Punkt 2, in dem ich die chemischen Grundlagen und die existentielle Bedeutung des Wassers für alle Lebewesen auf dem Planeten Erde sowie dessen kulturelle und religiöse Dimension darstelle. In Abschnitt 3 gehe ich auf die globalen Verteilungs- und Verbrauchsaspekte ein und benenne die Negativauswirkungen der sich zuspitzenden Wasserkrise in den Entwicklungsländern. Anhand des Hauptteils 4 dieser Arbeit zeige ich auf, wie die Organisationen der Wasserlobby entstanden sind und mit welchen Mitteln sie die Ökonomisierung des öffentlichen Allgemeinguts Wasser erreichten. Ferner erkläre ich die Art und Weise, in der diese weiterhin vorangetrieben wird. Bisherige Privatisierungserfahrungen stelle ich anhand dreier Vorzeigeprojekte der Privatisierungs-befürworter in Kapitel 5 dar, während ich die Meinungen und Verbesserungsvorschläge verschiedener Wasserexperten zu bereits abgeschlossenen Privatisierungsprojekten und einer bestmöglichen Trinkwasserversorgung für alle Bevölkerungsgruppen und Regionen in den Entwicklungsländern in Teilabschnitt 6 wiedergebe. Mit einer eigenen Stellungnahme und der konkreten Beantwortung meiner, diese Arbeit gliedernden Leitfrage, beschließe ich meine Untersuchung mit Teil 7.
Im folgenden ist mit jeglicher Wasserbezeichnung, ausgenommen beim Salzwasser und den weltweiten Wasservorkommen, Trinkwasser gemeint. Zudem impliziert die Trinkwasser-versorgung im allgemeinen die Abwasserentsorgung, außer in den Fällen, in denen explizit die Trinkwasserversorgung separat beziehungsweise im einzelnen betrachtet wird.
2) Wasser – Quelle allen Lebens
2.1) Biochemische Eigenschaften des Grundelements Wasser
Wasser ist ein Oxid des Sauerstoffs und besitzt die chemische Strukturformel H2O (chemische Verbindung aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom).[1] Ohne diese Verbindung und die anderen spezifischen Eigenschaften des Wassers gäbe es kein Leben auf der Welt. Der Mensch besteht zu circa 60 Prozent aus Wasser, andere Lebewesen haben einen Wasseranteil von bis zu 90 Prozent. Bereits ein 15-prozentiger Verlust dieser Wassermenge würde beim Menschen zum Tod führen. Der Wasserbedarf liegt je nach Größe eines Menschen und den klimatischen Bedingungen, die er in seinem Lebensraum vorfindet, bei drei bis fünf Litern pro Tag.[2] Wasser ist eine klare, geruchs- und geschmacksneutrale Flüssigkeit, die normalerweise farblos, in sehr dicken Schichten hingegen blau in Erscheinung tritt. Es hat seinen Gefrierpunkt bei 0oC (→ Eis) und seinen Siedepunkt bei 1000C bei einem normalen Atmosphärendruck von einem bar. Bei 4oC erreicht es seine größte Dichte (1cm³ = 1g), weswegen auf 4oC abgekühlte Gewässer an der Oberfläche Eis bilden, und die Kälte dadurch nur langsam in die Tiefe dringt (→ Dichteanomalie des Wassers).[3] Die Tatsache, daß das Wasser sein größtes Gewicht nicht in gefrorenem Zustand, sondern bei 4oC erreicht, gehört zu den lebenswichtigen Eigenschaften des Wassers. Wäre das Wasser in gefrorenem Zustand schwerer, würde sich das Eis auf dem Boden von Meeren und Seen bilden, langsam nach oben wachsen und dadurch alles organische Leben zerstören. So entsteht innerhalb der Gewässer bei Temperaturschwankungen ein stetiger Austausch, sowohl zwischen höheren und niedrigeren Wasserschichten, als auch horizontal (wie zum Beispiel durch den Golfstrom).[4]
Wasser entsteht bei der unter starker Wärmeentwicklung verlaufenden Reaktion zwischen Wasserstoff und Sauerstoff (→ Knallgasreaktion).
Das natürlich vorkommende Wasser (Meer-, Fluß-, Brunnen- und Regenwasser) enthält wechselnde Mengen von Salzen (z.B. Alkali- und Erdkristallsalze) und Gasen (z.B. Kohlendioxid und Sauerstoff), außerdem organische Verbindungen und Bakterien.
Durch die Verdunstung des Wassers enthält die Luft mehr oder weniger große Mengen an Wasser in dampfförmigem Zustand (→ Luftfeuchtigkeit), das bei Abkühlung der Luft kondensiert und in Form der verschiedenen Niederschlagsarten der Erdoberfläche wieder zugeführt wird (→Wasserkreislauf[5] ).[6] Der hydrologische Kreislauf ist neben den, hier dargestellten, überlebenswichtigen Eigenschaften auch deshalb von elementarer Bedeutung für sämtliches Leben auf der Erde, weil die Pflanzen ohne Regen verdorren würden und ohne die Wassermoleküle in der Atmosphäre die Hitze der Sonne direkt in den Weltraum zurückstrahlen würde, wodurch die Temperatur auf der Erde viel niedriger wäre.[7]
Die auf der Erde verfügbare Wassermenge ist eine feste Größe, die weder vermindert, noch vermehrt werden kann. Während ein Teil des Wassers in Ozeanen und deren Randmeeren sowie in tieferen Schichten der Erde gespeichert ist, befindet sich ein anderer Teil infolge der Energieeinstrahlung der Sonne in einem fortwährenden Zyklus. Deshalb stellen die großen Verteilungsräume des Wassers (Ozeane und deren Randmeere, Kontinente und Atmosphäre) keine in sich geschlossenen Systeme dar – vielmehr weisen sie untereinander ständige, in einem Kreislaufmodell darstellbare Wechselwirkungen auf.[8]
2.2) Der hydrologische Kreislauf
Durch die Sonneneinstrahlung wird permanent Wasser verdunstet und in Form von Wasserdampf in die Atmosphäre abgegeben.
Das in der Atmosphäre enthaltene Wasser hat eine zentrale Bedeutung für das globale Klima und dessen regionale Ausprägung, da es die Zusammensetzung der Luftmassen bedingt, die energetischen Verhältnisse der Atmosphäre beeinflußt und wesentlich die Aufrechterhaltung des Wasserkreislaufs mitbestimmt.
Teile des verdunsteten Wassers bleiben ständig als Wasserdampf in der Atmosphäre enthalten, während andere durch die Abkühlung aufsteigender Luftmassen kondensieren und als Wolken, Nebel, Regen und Tau oder – bei noch stärkerer Abkühlung – in Form von Schnee oder Hagelkörnern in Erscheinung treten. Werden die Wolken zu schwer, kommt es zu Niederschlägen. Fallen diese direkt ins Meer oder abflußlose Seen, so ist der Wasserkreislauf geschlossen. Niederschläge, die den Boden erreichen, sammeln sich zum einen durch oberflächlichen Abfluß in Bächen, Flüssen oder Seen, um so wieder in die Ozeane zurückzugelangen, zum anderen versickern sie und erreichen über den Boden das Grundwasser beziehungsweise werden – sofern sie in der obersten Bodenschicht als Haftwasser zurückgehalten werden – von dort aus direkt verdunstet. Zudem nehmen Pflanzen das Haftwasser durch ihre Wurzeln auf und geben es durch Atmung und Transpiration wieder als Wasserdampf in die Atmosphäre ab. Obwohl die Gesamtmenge des atmosphärischen Wassers, verglichen mit der gesamten Hydrosphäre, sehr gering ist, findet durch die atmosphärische Zirkulation innerhalb eines Jahres ein enormer Wassermengentransport statt. So muß das atmosphärische Wasser (ca. 12.300 km³) pro Jahr etwa 35 bis 40 mal umgesetzt werden.[9] Der globale Wasserkreislauf kann als einigermaßen stabil betrachtet werden. Das Leben auf der Erde hat sich über Millionen von Jahren nur deshalb in der heute bekannten Form herausbilden und bewahren können, weil es dieses Kreislaufmuster gab und gibt.[10]
2.3) Die existentielle, kulturelle und religiöse Bedeutung von Wasser
2.3.1) Die fünf Grundeigenschaften des Wassers
Es gibt laut Ehlers fünf Grundtatsachen bezüglich des Wassers[11]:
1. Wasser und Luft sind, zusammen mit dem Sonnenlicht, Grundvoraussetzungen fast allen Lebens auf der Erde. Reines Wasser und reine Luft sind ursprünglich mehr oder weniger unendlich verfügbare Güter, die aber – besonders bezogen auf ihren Reinheitsgrad – starke Verknappungstendenzen aufweisen.
2. Das Wasser der Erde bleibt durch ein geschlossenes Kreislaufsystem erhalten. Es wird nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Diesen Gleichgewichtszustand hat es offensichtlich über lange geographische Zeiträume hinweg beibehalten.
3. Prinzipiell ist Wasser auf der Erde in ausreichender Menge vorhanden. Das Problem dabei ist nur, daß circa 96,5 Prozent des Wassers in den Weltmeeren gebunden sind und daher für die menschliche Nutzung nicht oder nur bedingt zur Verfügung stehen.
4. Die verbleibenden 3,5 Prozent Süßwasser kommen in unterschiedlichen Aggregatzuständen sowie in global ungleicher Verteilung vor und weisen demzufolge nur teilweise erschließbare Nutzungsfunktionen auf.
5. Die Verfügbarkeit des Süßwassers und seine optimale Nutzung hängen von den differenzierten wissenschaftlich-technischen Fähigkeiten von Gesellschaften ab, Wasser zu fördern, Wasser zu nutzen, Wasser zu entsorgen beziehungsweise wiederzuverwerten.[12]
2.3.2) Wasser als Lebensgrundlage
Wasser ist die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Kein Lebewesen – ob Mensch, Pflanze oder Tier – ist ohne Wasser lebensfähig.[13] Der menschliche Körper enthält je nach Lebensalter und Geschlecht einen relativen Wassergehalt zwischen 75 Prozent (neugeborenes Kind) und 52 Prozent (älterer Mann), beziehungsweise 46 Prozent (ältere Frau). Pflanzen weisen Wasseranteile von bis zu 90 Prozent, gallertartige Wassertiere von bis zu 98 Prozent auf.[14] Entsprechend groß ist auch der Wasserbedarf der verschiedenen Organismen. So werden von einem Mitteleuropäer unter normalen Klimabedingungen bis zu 2,5 Liter Trinkwasser pro Tag benötigt, was einem Pro-Kopf-Jahresbedarf von 9.125 Litern entspricht.[15]
Wasser bedeckt in großen zusammenhängenden Wassermassen (Ozeane und Binnenmeere) rund 71 Prozent der Erdoberfläche.
Es stellt einen riesigen Lebensraum zahlreicher Pflanzen und Tiere, die teilweise vom Menschen als Nahrungsmittel genutzt werden, (Fische, Muscheln, Krebse, etc.) dar.
Das Leben nahm im Urmeer seinen Anfang. Erst viel später wurden Land und Binnengewässer von Lebewesen besiedelt.[16] Im Gegensatz zu den salzwasserführenden Ozeanen und Randmeeren enthalten die Binnengewässer Süßwasser, welches als einziges für Menschen, Landtiere und –pflanzen geeignet ist. Dieses Nutzwasser wird größtenteils aus den Süßwasservorräten der Erde (Quellen, Fließgewässer, Seen, Grundwasser und Niederschlag) gewonnen.[17]
2.3.3) Die Rolle des Wassers bei der kulturellen Entwicklung der Menschheit
Eine der ersten Naturbeobachtungen des Menschen war es wohl, daß ohne Wasser kein Leben möglich ist, weswegen die Wasserversorgung seit Beginn der Menschheitsgeschichte ein wichtiges Thema war. In vielen Weltreligionen beobachteten die Menschen die Häufung der
Niederschläge und Trockenheitsperioden zu bestimmten Jahreszeiten. Diese Prozesse wurden noch nicht wissenschaftlich als Ursache-Wirkungs-Verhältnis, sondern mythologisch verstanden.[18] Die wahrgenommene, völlige Abhängigkeit von diesen Prozessen wurde religiös erklärt und in unterschiedlichster Weise mit der Welt der Götter in Verbindung gebracht. Die Leben schaffende und Leben zerstörende Kraft des Wassers hatte in den früheren Religionen eine große Bedeutung. Gebete und Opfergaben sollten Götter gnädig stimmen und ausreichend Wasser zur rechten Zeit sichern. Diese Abhängigkeit von höheren Mächten war nicht von Fatalismus begleitet – die Menschen stellten sich in ihrem wirtschaftlichen Handeln auf die jeweils vorherrschende Wassersituation ein. So richteten Nomadengruppen ihre Wanderbewegungen an der regionalen und saisonalen Verfügbarkeit von Wasser aus. Auch sind sie beispielsweise Herden von Wasserstelle zu Wasserstelle gefolgt. Für den Zusammenhalt einer solchen Gruppe war die Versicherung der Existenzgrundlage Wasser für jedes ihrer Mitglieder eine unerläßliche Grundvoraussetzung. Es existierte ein ungeschriebenes Recht auf Wasser. Verweigerte eine Gruppe einer anderen den Zugang zum Wasser, brach oftmals ein erbitterter Kampf um Leben und Tod aus. Die gegenseitige Anerkennung des Rechtes auf Wasser bildete also die Grundlage für ein Nebeneinander und Miteinander benachbarter Gruppen.
Mit der Seßhaftwerdung einzelner Gruppen entstanden neue, komplexe Anspruchs- und Versorgungsstrukturen.
Das galt besonders für Gesellschaften, die in Gebieten mit einer so niedrigen Niederschlags-menge lebten, daß jeglicher Ackerbau unmöglich war.
Sie waren auf eine zusätzliche Bewässerung durch Quellen, Brunnen und Flüsse angewiesen.[19]
Dieser Prozeß wird von Adolf Muschg wie folgt beschrieben:
„Um sich das fließende Lebensmittel auf Dauer zu sichern, statt ihm nomadisch nachzuziehen, lernten die Menschen am Umgang mit dem Wasser, sich selbst höher zu organisieren. Wasserrechte sind überall, wo Überfluß oder Mangel an diesem Lebenselement herrschen, der Ursprung der Kulturgesellschaft […] (Die Menschen) lernten Wasser verteilen, rationieren, speichern; die Nutzung des Wassers war, wie der Schutz vor ihm, nur als Gemeinschaftsleistung zu vollbringen […] Das Wasser gebot eine strikte Ordnung, aber es erlaubte keine zentrale Gewalt ohne Mitverantwortung aller Benutzer. Die Gleichheit, der das Wasser physikalisch zustrebte, schien der Gerechtigkeit verwandt, die es sozial begünstigte; im Wasserrecht steckte auch schon der Keim zur Demokratie. Denn niemand kann es beherrschen, wenn er es nützen will, ohne ihm zugleich zu dienen.“[20]
Die Bewässerungsprojekte am Nil sowie an Euphrat und Tigris sind wohl die bekanntesten Beispiele für den Aufbau solcher komplexen sozialen und wasserbaulichen Strukturen. In beiden Gebieten war die Landwirtschaft nur durch eine organisierte Nutzung des Flußwassers für Bewässerungszwecke möglich. Dies begünstigte das Entstehen zentralistischer politischer Strukturen, in Ägypten beispielsweise den Aufstieg der Pharaonen.
Vor rund 5000 Jahren entstanden am Nil komplizierte Systeme zur Nutzung der jährlichen Überschwemmungen des Flusses für eine regulierte Bewässerung der Felder und eine Rückführung des übrigen Wassers in den Fluß. Um dieses System zu erbauen und zu unterhalten, wurde ein militärischer Machtapparat eingesetzt. Außerdem bedurfte es einer Loyalität der Bauernfamilien, die nur zu erreichen waren, wenn ihr Recht auf einen Anteil am Nilwasser respektiert wurde. Verbindliche Gesetze regelten die Pflichten der Einwohner für die Erhaltung und den Ausbau der Bewässerungssysteme, sicherten ihnen aber auch ihre Ansprüche auf das Wasser.
Das Recht auf Wasser gehört zu den ältesten, schriftlich festgehaltenen Rechten der Menschheit. So sind aus dem 17. Jahrhundert v. Chr. babylonische Vorschriften über die Wassernutzung und Strafen bei Nichteinhaltung dieser überliefert.[21]
Aus dem sechsten Jahrhundert v. Chr. Sind griechische Gesetze bekannt, die das Recht der Bürger auf eine Wasserversorgung formulierten. Auch zu Zeiten des römischen Reiches wurde dieses Recht schriftlich erteilt.[22]
Die Wassernutzung war wie das gesamte politisch-ökonomische System in religiöse Systeme eingebunden. Religion und politische Macht waren eng verzahnt und stützten sich gegenseitig, weil der jeweilige Herrscher als mit Göttern in Verbindung stehend angesehen wurde und seine Legitimität nicht nur aus der Erbfolge oder der militärischen Macht, sondern auch aus den religiösen Überzeugungen heraus besaß.[23]
2.3.4) Wasser in den großen Weltreligionen
In vielen Schöpfungsberichten steht am Anfang des Lebens das Wasser. Besonders im Judentum, Christentum und im Islam, die in Weltregionen mit Wassermangel entstanden sind, kommt dem Wasser eine zentrale Bedeutung zu. Sie spiegelt sich häufig in der Leben spendenden Kraft des Wassers, aber auch seiner zerstörerischen Kraft wider. Wasser wurde als Geschenk Gottes, beziehungsweise mehrerer Gottheiten angesehen. Damit wird auch das Recht aller Menschen auf Wasser begründet. Es ist nicht dafür da, daß es einige wenige nutzen, sondern ein Geschenk an alle Lebewesen.[24] Wasser ist ein kostbares Geschenk der Götter – dies wird in den großen Religionen gefeiert.[25] Als Ursymbol des Lebens steht es für Schöpfung und Zerstörung, Fülle und Mangel, Geborgenheit und Bedrohung, Verschmutzung und für die Grenzen menschlicher Einflußnahmemöglichkeiten in Naturprozesse.[26]
a) Wasser im Christentum
Als die Bücher der Bibel geschrieben wurden, kannten die Israeliten die Weltreiche am Nil sowie an Euphrat und Tigris. Die Bibel spiegelt aber vor allem ihre eigenen religiösen Vorstellungen und ihren Kampf um das tägliche Wasser in dem Gebiet zwischen Mittelmeer, Jordan und den benachbarten Wüsten wider. Die südlichen und östlichen Regionen Israels liegen in einem wenig fruchtbaren Trockengebiet, sodaß in biblischen Zeiten nur am Jordan, an den Seen und den wenigen Quellen ein Anbau von Gemüse und Getreide möglich war. Niederschläge zum Mittelmeer hin erlaubten einen Feldbau. Da das Wasser für die Vieh-züchter gleichbedeutend mit dem Leben war, gab es für sie keinen Zweifel daran, daß Wasser göttlichen Ursprungs war.[27]
Aber auch vom Kampf um das tägliche Wasser, insbesondere von Auseinandersetzungen über die Kontrolle von Brunnen, ist in der Bibel die Rede. Die Landnahme kann ebenso als ein Kampf um die knappen Wasserressourcen der Region interpretiert werden. Gleichzeitig herrschte die permanente Angst vor Überschwemmungen, denn bei starken Regenfällen füllten sich die trockenen Flußbette urplötzlich und rissen alles mit sich fort.
Unser heutiges Astronautenbild vom „Blauen Planeten“ wird schon im ersten Schöpfungsbericht der Bibel (Mosere 1,1-2,3) vorweggenommen, in dem berichtet wird, daß zuerst die ganze Erde vom Wasser bedeckt war. Gott trennte dann das Wasser und die Feste und schuf das Meer und die Erde. Hintergrund dieses Berichtes sind auch die Erfahrungen der Israeliten an Nil, Euphrat und Tigris, wo am Ende der jährlichen Überflutungen das Land wieder auftaucht, auf dem dann binnen kurzer Zeit die Pflanzen sprießen. Zudem bilden die Schöpfungsmythen der Nachbarvölker des alten Israel die Grundlage für diesen Bericht. Sie schildern, wie den Chaosmächten – symbolisiert durch den Urozean – die Erde als Lebensraum abgerungen wird.
Gott hat die Tiere des Ozeans und die Vögel vor den Menschen gesegnet und ihnen die Gewässer zum Lebensraum gegeben. Aus dieser biblischen Geschichte läßt sich die globale Aufgabe der Menschheit ableiten, die gesamte Schöpfung zu bewahren. Dies gilt besonders für das Wasser, das ja einen Großteil der Erde bedeckt und bei dem sich Schädigungen global auswirken können.[28]
Wasser wird auch als Strafe Gottes angesehen, was sich insbesondere in der Erzählung vom Bau der Arche und der Sintflut widerspiegelt. Den Anfang der Noah-Geschichte bildet die Reue Gottes, den Menschen geschaffen zu haben. Gott beschloß durch die Sintflut, alle Lebewesen von der Erde zu verbannen. Nur Noah, ein frommer Mann ohne Tadel, fand die Gnade Gottes und sollte deshalb mitsamt seiner Familie gerettet werden. Gott wies ihn an, einen Kasten zu bauen, mit dem er seine Familie und je ein paar von allen Tieren, die die Erde bewohnten, vor der Flut bewahren sollte.[29] Der Bibel nach folgte eine Katastrophe globalen Ausmaßes, bei der alle Menschen und Tiere der Erde mit Ausnahme der Bewohner der Arche vernichtet wurden. Nach 40 Tagen öffnete Noah die Arche und ließ einen Raben und eine Taube, die mit dem Ölblatt im Schnabel in die Arche zurückkehrte und noch heute als Symbol der Hoffnung und des Friedens darstellt, herausfliegen. Nachdem die Erde getrocknet war, verließ Noah zusammen mit den anderen Lebewesen die Arche wieder und baute einen Altar, um Gott für die Rettung zu danken. Die Geschichte von der großen Sintflut ist eine Mahnung an die Menschen, sorgsam mit der Schöpfung umzugehen.
Auch die spätere Flucht der Israeliten aus der Sklaverei wurde nach der Bibel dadurch möglich, daß Moses seine Hand über das Meer streckte und das Wasser mit Gottes Hilfe durch einen starken Ostwind zurückwich.
Das ägyptische Heer, das die Israeliten verfolgte, wurde dagegen von einer plötzlichen Flut erfaßt, sodaß alle starben.
Diese Befreiung aus der ägyptischen Herrschaft wurde zur Grundlage des Bundes Gottes mit seinem Volk.[30] Bei der anschließenden Wanderung durch die Wüste litten die Israeliten unter starkem Durst. Mit Gottes Hilfe konnte der Anführer der Flüchtlingsgruppe (Moses) für Wasser sorgen und so das Überleben der Israeliten sichern.
Im Neuen Testament wird die zentrale Bedeutung des Wassers durch die Darstellung des Wirkens Johannes des Täufers und an der Taufe an sich deutlich. Erst nachdem Jesus von Johannes getauft wurde, trat dieser öffentlich in Erscheinung. Mit der Taufe wurden und werden Menschen in die christliche Gemeinschaft aufgenommen. Das Wasser symbolisiert hierbei die lebensspendende Kraft, es reinigt und erneuert den Menschen. Die Taufe war und ist somit nicht nur ein Zeichen der Aufnahme in die Gemeinschaft der Jesus-Nachfolger, sondern auch ein Zeichen der Gnade Gottes, der Vergebung der Sünden und des Neubeginns des Lebens.[31]
b) Wasser im Buddhismus
Wasser gehört im Buddhismus zu den vier großen Elementen. Wasser aus Seen, Flüssen und Meeren gilt als vergänglich und besitzt keine spirituelle Bedeutung. Gleichwohl gibt es im Buddhismus viele Bilder, die die Achtung vor dem Wasser zum Ausdruck bringen.[32] Wasser ist ein Sinnbild für den Strom der buddhistischen Lehre. Die Seele fließt wie in einem Fluß der Erlösung entgegen. Das rechte Verhältnis zur Natur und den Elementen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Erlösung.[33] Wasser ist dadurch ein Symbol für eine bessere Welt, was sich auch in zahlreichen buddhistischen Festen – vor allem im Neujahrsfest – widerspiegelt.[34]
Im taoistischen Verständnis ist Wasser der Inbegriff des Weichen, das aber die Eigenschaft besitzt, sich auf Dauer gegen das Harte durchzusetzen. Zudem verkörpert Wasser das Sinnbild wahrer Tugend – es schafft viel Gutes, bleibt dabei bescheiden und erwartet keine Belohnungen. So kann sich ein tugendhafter Mensch am Wasser orientieren, mit Weichheit auch das Harte überwinden und mit Bescheidenheit Gutes tun.
Wasser gilt als Symbol weiblicher Kraft und ist Sinnbild der Nacht. Das Feuer ist das Symbol des Männlichen und des Tages. Wie yin und yang ergänzen sich beide Elemente und finden zu einer Harmonie.[35]
c) Wasser im Hinduismus
Im Hinduismus wird Wasser als Urquelle des Lebens angesehen und genießt als einziges Element eine Unsterblichkeit. So sagt der Gott Vishnu über sich[36]: „Ich bin der uranfängliche Erzeuger, er, der Wasser ist, das erste Wesen, die Quelle des Lebens.“[37] Nach der Vorstellung gläubiger Hindus ist Wasser vom Himmel auf die Erde geflossen. Es transportiert auch die Seelen zum Ort des ewigen Lebens oder bis zu einer irdischen Wiedergeburt zu einer Existenz als Ahne – das hängt vom letzten Leben ab. Durch das Bad an heiligen Stätten oder das rituelle Waschen mit heiligem Wasser können Sünden abgespült und die Seele gereinigt werden. Zudem heilt Wasser in der hinduistischen Vorstellung Krankheiten und kann Jugend und Schönheit zurückbringen. Tief in der Erde befindet sich im Hinduismus der Ort, an dem die Wassergeister in einer Welt des Überflusses leben. In wenigen Religionen hat das Wasser eine ähnlich große Bedeutung wie im Hinduismus.
Besonders viele heilige Flußabschnitte, Seen und Teiche in Indien, bei denen ein Bad vor Sünden reinigt und den Weg zur Erlösung ebnet, liegen entlang des Ganges. Das Wasser dieses heiligen Flusses ist, bewahrt in kleinen Gefäßen, bei Hochzeiten und anderen Feierlichkeiten unentbehrlich. Bereits der Anblick des Ganges soll genügen, um von Sünden befreit zu werden. Die Asche der Toten wird in den Ganges gestreut, wodurch die Reise der Seele zur Erlösung führen soll.[38]
In Indien gibt es eine Reihe von Festen, bei denen Götter verehrt werden. Alle zwölf Jahre wird ein besonders großes und prächtiges Wasserfest im nordindischen Allahabad gefeiert. Der göttliche Heiler Dhanvantari, der Hüter des Paradieses, soll an dieser Stelle vier Tropfen des Tranks der Unsterblichkeit verschüttet haben. An diesem Zusammenfluß drei heiliger Flüsse versammeln sich Tausende von Menschen und begeben sich dann feierlich zur rituellen Reinigung ins Wasser.[39] Im Hinduismus wird die Bedeutung von und das Recht auf Wasser in vielen Festen und Zeremonien untermauert.
Das dort vorherrschende Kastensystem stellt allerdings ein Hindernis auf dem Weg zum universellen Recht auf Wasser dar, weil niedere Kasten und Kastenlose kein Recht darauf haben, Wasserquellen zu nutzen, die die höheren Kasten für sich reserviert haben.[40]
d) Wasser im Islam
Der Islam ist in den Wüstenregionen Arabiens entstanden, wo man sich der Leben spendenden Kraft des Wassers bewußt war. Islamische Mystiker vergleichen Allah mit einem grenzenlosen Ozean, den Menschen in seiner Vergänglichkeit aber mit einem zerbrechlichen Boot, das in den Wellen treibt.[41] Allah schenkt allen Lebewesen das Wasser, das besonders in den Paradiesvorstellungen eine wichtige Rolle einnimmt. Der Garten, durch den reines, kühles Wasser fließt, ist bereits auf Erden ein Symbol des Paradieses. Deshalb sind die prächtigen Gärten in trockenen arabischen Ländern ein Zeichen des Glaubens an Allah und seine Zusage des Paradieses. Die Beschreibungen dieses Paradieses im Koran sind das Vorbild dieser Gartenanlagen, und die Wasserspiele drücken die Großzügigkeit aus, mit der Allah den Lebewesen das kostbare Naß schenkt.[42]
Auch in den Gebeten kommt dem Wasser eine hohe Bedeutung zu. „Istiqua“, das Gebet um Regen, ist seit jeher für Muslime (gerade im Mittleren Osten) von großer Wichtigkeit. Wasser ist das Urbild des Reinen. Die Waschungen vor dem Gebet dienen der inneren und äußeren Reinigung. Zu einer der religiösen Pflichten eines Pilgers gehört das Trinken aus einer heiligen Quelle in der Nähe von Mekka. Der Zusammenfluß von zwei Ozeanen steht im Koran symbolisch für die Quelle des Lebens. Wasser steht den Rechtgläubigen und Gerechten reichlich zur Verfügung, während Allah den Ungerechten das Wasser entzieht und ihre Gärten vertrocknen läßt. Somit gibt es auf jeden Fall für die Gläubigen ein verbrieftes Recht auf Wasser, das ihnen nicht durch staatliche Institutionen und Verordnungen oder die private Aneignung von Wasser genommen werden kann.[43]
e) Religion in der heutigen Entwicklungsdebatte
In der Entwicklungsdebatte wird zunehmend erkannt, wie wichtig religiöse Überzeugungen für soziale, ökologische und ökonomische Veränderungsprozesse sind. Religiöse und damit eng verknüpfte kulturelle Traditionen, die ein Recht auf Wasser anerkennen, stellen somit einen wichtigen Faktor in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Nutzung des sich verknappenden Gutes Wasser dar. Der sorgsame Umgang mit dem wertvollen Geschenk Gottes (beziehungsweise der Götter) als religiöse Pflicht hat weitreichende Auswirkungen im Alltag. Aus diesem Grunde können religiöse Überzeugungen angesichts der heutigen globalen Wasserkrise eine wichtige Rolle spielen, wenn es gilt, umsichtig mit den weltweiten Wasserressourcen umzugehen.[44]
3) Verteilungsaspekte des Süßwassers
3.1) Die geographische Verteilung des Weltwasservorkommens
Der „Blaue Planet“ Erde ist zwar etwa zu vier Fünfteln von Wasser bedeckt, doch handelt es sich bei diesem Wasservorkommen vor allem um Ozeane, die allesamt Salzwasser führen, das nicht der Konsumtion von Lebewesen und menschlichen Produktionsprozessen dient. Nur etwa 2,5 Prozent der globalen Wasservorräte sind trink- und vom Menschen nutzbar, also Süßwasser. Davon sind gut vier Fünftel nicht zugängig, weil sie in Gletschern oder Eisbergen gebunden sind.[45] Der Großteil des für den Menschen nutzbaren Süßwassers lagert in Grundwasservorkommen.[46] Man versteht darunter unterirdisches Wasser, das Hohlräume im Boden oder Gestein ausfüllt. Manche Grundwasserleitern, sogenannte Aquifere, breiten sich über gewaltige Flächen aus. So erstreckt sich beispielsweise das Ogallala-Aquifer, als eines der größten der Welt, über eine Fläche von etwa 585.000 Quadratkilometern oder acht US-Staaten – von Texas bis South Dakota. Insgesamt sind die weltweiten Grundwasserreserven rund 60 mal so groß wie die Wasservorkommen in Flüssen und Seen.[47]
Die globale Menge an Wasser beträgt rund 1,4 Milliarden Kubikkilometer.[48] Wollte man bildlich gesehen sämtliches Wasser der Erde in einen Würfel gießen, müßte dessen Kantenlänge rund 1120 Kilometer betragen.[49] Die Menge an genieß- und verwertbarem Süßwasser beläuft sich dabei lediglich auf circa 36 Millionen Kubikkilometer, also nur etwa 2,6 Prozent der Gesamtmenge. Davon zählen nur elf Millionen Kubikkilometer (0,77% der globalen Wassermenge) zum in Punkt 2.2 dieser Arbeit dargestellten Wasserkreislauf, in dem Sinne, daß dieses Wasser relativ schnell zirkuliert. Somit kann die Menschheit nur auf die jährlich anfallenden 34.000 Kubikkilometer Regenwasser zurückgreifen, die über Flüsse und das Grundwasser in die Ozeane zurückgelangen. Bei jedem Mehrverbrauch von Süßwasser werden quasi endliche Süßwasserreserven aufgebraucht.[50]
Fast 60 Prozent der globalen Wasserressourcen sind in neun Ländern der Erde verfügbar:
Tabelle 1: Die wasserreichsten Länder der Welt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das verfügbare Pro-Kopf-Trinkwasser hat sich in den zuletzt erfaßten Dekaden stark verringert, speziell in Afrika und Asien. Die folgende Tabelle zeigt den generellen Entwicklungstrend bei der Süßwasserverfügbarkeit auf[51]:
Tabelle 2: Kontinentale Veränderung der gesamten Pro-Kopf-Süßwasserverfügbarkeit 1950-1980 (Angaben in Kubikkilometer, km³):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Die beiden Tabellen wurden direkt aus der in der Fußnote genannten Quelle übernommen)
3.2) Der globale Wasserverbrauch
Die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) erarbeitete im Verlauf der Internationalen Hydrologischen Dekade (IHD) 1964-1974, durch die letzte exakten Erfassung der weltweiten Wasservorräte, eine Bestandsaufnahme über die globalen Wasservorkommen.[52] Abzüglich der über den Ozeanen und nicht besiedelten Gebieten fallenden Niederschläge, sowie des im Verlauf von Überschwemmungen nicht genutzten Wassers, ermittelte man eine direkt zur Verfügung stehende Süßwassermenge von rund 1.800 m³ pro Kopf und Jahr. 644 m³ pro Person und Jahr werden davon lediglich genutzt, was einem guten Drittel entspricht.[53] Heute, circa 30 Jahre danach, sieht die UNESCO die verfügbare Wassermenge im Verhältnis zu den Lebens-ansprüchen der Menschheit des 21. Jahrhunderts als zu wenig an. So war der Süßwasserverbrauch 1990 rund 40 mal höher als im Jahr 1700.[54]
Alleine zwischen 1940 (1x 106 m³) und 1990 (4x 106 m³) hat sich der weltweite Wasserverbrauch vervierfacht.[55] Die UNESCO schätzt, daß ein Kind in der westlichen Welt im Laufe seines Lebens 30 bis 50 mal mehr Wasser verbraucht, als ein Kind in einem Entwicklungsland.[56] Der Pro-Kopf-Verbrauch von Wasser ist in den Städten generell höher als auf dem Land. Ebenso variiert dieser Verbrauch von Mensch zu Mensch. So genügt einem Mitteleuropäer in der gemäßigten Klimazone zum Aufrechterhalten seiner Körper- und Lebensfunktionen im Durchschnitt eine Menge von zwei bis drei Litern Wasser am Tag. In heißen Klimazonen und den Subtropen sind dagegen sechs Liter und mehr notwendig.
Für die Herstellung eines Liters Bier benötigt man rund 60 Liter Frischwasser.[57] Für drei Fachbücher werden circa 750 Liter verbraucht (1 Kilogramm Papier erfordert etwa 250 Liter Wasser) und für die Herstellung eines Automobils wendet man je nach Fahrzeugtyp zwischen 20.000 und 300.000 Liter Süßwasser auf und für die Produktion von einem Kilogramm Getreide werden – je nach Klimazone – 1.000 bis 2.000 Liter Trinkwasser eingesetzt.[58]
1 Kilogramm Rindfleisch vertilgt 15.000 Liter Wasser[59], während man für die Herstellung von einem Liter Orangensafts 1000 Liter Wasser benötigt.[60]
Heutzutage werden rund acht Prozent des erneuerbaren Süßwassers genutzt. Was den sektoralen Wasserverbrauch angeht, so nutzt die Landwirtschaft ungefähr 69 Prozent, die Industrie 23 Prozent und die Haushalte acht Prozent der insgesamt von der Menschheit genutzten acht Prozent des globalen Süßwasservorkommens.[61] Opp bezieht sich bei seinen Ausführungen über den sektoralen Wasserverbrauch auf die letzte exakte Bestimmung des globalen Süßwasserbedarfs.
Nach ihr werden 7,6 Prozent des Süßwassers von Haushalten, Kleingewerben und im öffentlichen Bedarf genutzt. 24,6 Prozent werden von der Industrie genutzt, die das sogenannte Brauch- und Prozeßwasser meistens nur kurzfristig entnimmt und es meistens als verschmutztes Abwasser wieder in den Wasserkreislauf einspeist. 67,8 Prozent des Nutzwassers werden von der Landwirtschaft zur Nahrungssicherung verwendet. Zwischen 30 und 40 Prozent der globalen Nahrungsmittelproduktion ist nur durch Zusatzbewässerung möglich.[62]
Die einzelnen Kontinente verbrauchen das Wasser in den Einzelsektoren sehr unterschiedlich[63]:
Tabelle 3: Sektoraler Süßwasserverbrauch nach Erdteilen (Angaben in Prozent)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.3) Der sich weltweit erhöhende Süßwasserbedarf und seine Folgen
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erfaßte die Industrialisierung weite Teile Europas. Der Kontinent war industrieller Vorreiter, weil Mitteleuropa schon damals über einen großen Wasserreichtum verfügte und die technischen Möglichkeiten hatte, diesen zu nutzen. Um die ausgeklügelten Turbinen und Maschinen anzutreiben, sowie für diverse Fertigungsprozesse brauchte man Unmengen von Wasser. Große Industriezentren entstanden so an wasserreichen Flüssen wie dem Rhein, der Themse und dem Po.[64] Im letzten Jahrhundert hat der industrielle Wasserverbrauch auch global stark zugenommen. Während im Jahr 1900 noch 38 Kubikkilometer Wasser für die gesamte industrielle Fertigung verwendet wurden, so waren es 1995 bereits 732 Kubikkilometer.[65]
Durch die wachsenden Grund- und Freizeitbedürfnisse der Menschen, die mit auf Wachstum ausgerichteten Konsumgewohnheiten und so mit neuen Technologieentwicklungen einhergehen, wird sich der Trend zum stetig steigenden Wasserbedarf und damit -verbrauch seitens der Industrie fortsetzen.[66] Nach einer Schätzung der Vereinten Nationen wird der industrielle Wasserverbrauch bis zum Jahr 2025 global auf 24 Prozent ansteigen.[67]
Zur Zeit wächst die Weltbevölkerung täglich um rund 219.000 Menschen an.[68] Jährlich wächst die Weltbevölkerung damit um rund 80 Millionen Menschen. Diese Bevölkerungsexplosion findet hauptsächlich in der Dritten Welt statt, in der circa drei Viertel der Menschen leben, die über zu wenig oder nur über verschmutztes Wasser verfügen (rund 26 Prozent der Weltbevölkerung). Laut einer Prognose der UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) wird sich die Zahl armer Menschen in Niedriglohnländern mit unzureichender Wasserversorgung bis zum Jahre 2025 auf 47 Prozent der Weltbevölkerung erhöhen.
Faktisch steigt der Pro-Kopf-Verbrauch von Wasser explosionsartig an. Alle 20 Jahre verdoppelt sich der weltweite Wasserkonsum nahezu. Sein Anstieg beträgt somit mehr als das Zweifache der Rate, in der die Weltbevölkerung wächst. Ein Grund dafür sind unter anderem zahlreiche Technik- und Sanitärsysteme, die es besonders den Menschen in den wohlhabenden Industriestaaten ermöglichen, viel mehr Wasser als nötig zu konsumieren.[69]
Immer mehr Menschen ziehen in die Städte, weswegen heute zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte genauso viele Menschen in den Städten leben wie auf dem Land. Megastädte (Städte mit über 10 Millionen Einwohnern), in denen über die Hälfte der Einwohner kein sauberes Wasser zur Verfügung hat, liegen mehrheitlich in Dritte-Welt-Staaten, wobei die Bevölkerung in den Slums dieser Städte am schnellsten wächst.[70]
So prognostiziert eine weitere UN-Schätzung, daß bis zum Jahr 2030 mehr als die Hälfte dieser Stadtbewohner in Elendsvierteln leben und keinen Zugang zur Wasserversorgung oder sanitären Einrichtungen haben wird. Laut den Vereinten Nationen wird die Gesamtzahl der Stadtbewohner in den Entwicklungsländern bis zum Jahr 2030 um etwa 160 Prozent anwachsen.[71] Damit würden dort dann doppelt so viele Menschen in Städten Leben wie auf dem Land.[72] Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) geht davon aus, daß im Jahr 2025 jeder zweite Mensch in einer Großstadt lebt.[73] Im Jahr 2025 wird es weltweit um die 650 Städte mit jeweils mehr als einer Millionen Einwohner geben. Die meisten dieser Städte werden in Afrika oder Asien liegen.[74] Die städtische Bevölkerung nimmt weltweit pro Jahr um mehr als 60 Millionen Menschen zu. Dabei wachsen vor allem Städte im armen Süden. Gab es im Jahr 1975 nur fünf Megastädte mit mehr als 10 Millionen Einwohnern, wovon sich 3 im Süden befanden, so waren es 25 Jahre später 20, von denen lediglich drei in Industrieländern liegen. In diesen Millionenmetropolen ist nicht nur der individuelle Verbrauch – etwa durch zahlungskräftige Mittelschichten und Industrien weitaus größer – es entstehen auch gewaltige Mengen hochgradig belasteter Abwässer. Vorbild für den Ausbau der städtischen Infrastruktur von Wasserleitungen und Kanalisationssystemen in den Entwicklungsländern war die Ver- und Entsorgung in den Industrieländern – ein aufwendiges, kostspieliges System, das enorm hohe Instandhaltungs-kosten erfordert. Der Wasserpreis wurde in den armen Ländern des Südens jedoch aus sozialen, politischen und wirtschaftlichen Gründen zumeist so niedrig gehalten, daß mit dem Gebühreneinzug die Kosten nicht annähernd gedeckt werden konnten. Problematisch sind auch die Umstände, daß die Zahlungsmoral, insbesondere von Behörden und anderen Großabnehmern in den Entwicklungsländern, äußerst gering ist, und das eine große Menge des kostbaren Wassers aus undichten Leitungen in den Boden versickert, bevor es die Kunden erreicht.
Das Geld zum Reparieren der Leitungen fehlt. Zudem verschlimmern in vielen Ländern Mißmanagement und Korruption die ohnehin schon mißliche Versorgungslage.
So wird in Accra, der Hauptstadt Ghanas, gut die Hälfte des Wassers, das das staatliche Versorgungsunternehmen liefert, nicht bezahlt. Wie dort hielten Ausbau und Instandhaltung der Infrastruktur vielfach nicht Schritt mit dem rapiden Wachstum der Bevölkerung. Für die oftmals illegal und ungeplant errichteten ärmeren Wohngebiete blieb kaum Geld übrig.
Insgesamt fließen 90 bis 95 Prozent der Haushaltsabwässer und 70 Prozent der Industrieabwässer in den Entwicklungsländern ungeklärt in Flüsse, Seen und Meere. Weil städtische Wasserquellen wie Brunnen, Seen und Flüsse zur Versorgung der Bevölkerung längst nicht mehr ausreichen, fällt in vielen Großstädten Asiens und Lateinamerikas, aufgrund der übermäßigen Wasserentnahme, der Grundwasserspiegel um mehr als einen Meter im Jahr. Um den stetig wachsenden Süßwasserbedarf dieser Städte zu decken, werden immer neue Staudämme, Fernleitungen und Aufbereitungsanlagen geplant und errichtet.
Insbesondere die ärmeren Bevölkerungsgruppen müssen die Folgen unzulänglicher Wasserversorgung und maroder Infrastruktur ertragen. So sind die meisten Bewohner von Armenvierteln auf Brunnen und Flüsse, die verunreinigtes Wasser liefern, auf verschmutzte Kanäle oder auf private Tankwagen angewiesen. Sie zahlen oft überhöhte Wasserpreise an private Wasserlieferanten und Brunnenbesitzer. Vor allen Dingen Frauen können sich diese hohen Preise nicht leisten. Oftmals müssen sie mitten in der Nacht aufstehen, weil nur um diese Zeit Wasser aus der Gemeinschaftspumpe kommt.[75]
Die Landwirtschaft, die ohnehin den größten sektoralen Wasserverbrauch aufweist[76], mußte dem Wasserkreislauf der Erde in den letzten 20 Jahren noch mehr Wasser für die Sicherstellung der Ernährung von 2,3 Milliarden zusätzlichen Menschen entnehmen, um die die Erdbevölkerung in diesem kurzen Zeitraum anwuchs.[77]
Die Agrarwirtschaft ist zudem von großer Wasserverschwendung geprägt. Weltweit erreicht von einem Liter Wasser zur Bewässerung nur knapp die Hälfte die Pflanze. Der Rest geht auf dem Transportweg verloren oder sickert in den Boden, ohne eine Pflanze erreicht zu haben.[78]
Wohlhabende Länder kaufen sich von der Wasserarmut frei, indem sie Lebensmittel importieren.
So hängen Länder wie Israel und Malta bereits heute vom „virtuellen Wasser“ ab – sie importieren wasserintensive Produkte und Nahrungsmittel,[79] um ihre Wasserreserven effizienter für die Versorgung nutzen zu können.
Gleichzeitig sind viele arme Länder darauf angewiesen ihr Wasser, das ja für die Erzeugung ihrer Produkte notwendig ist, über den Verkauf günstiger und oftmals subventionierter Produkte zu exportieren (→ virtuelles Wasser).[80]
Wasserintensive landwirtschaftliche Erzeugnisse werden vor allen Dingen in den Ländern des reichen Nordens konsumiert. Das führt dazu, daß auf das reichste Fünftel der Weltbevölkerung rund 86 Prozent des weltweit verbrauchten Wassers zurückfallen.[81]
Nach Ansicht der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (Food and Agriculture Organization, FAO) der Vereinten Nationen muß die globale Agrarproduktion um 50 Prozent gesteigert werden, um die explodierende Weltbevölkerung in 20 Jahren ernähren zu können. Gleichzeitig sieht die Welt sich vor dem Problem, daß die Nachfrage nach Süßwasser mit dem enormen Bevölkerungswachstum ansteigt.[82] Bereits heute stammen etwa 40 Prozent aller weltweit konsumierten Nahrungsmittel von bewässertem Ackerland, dessen Gesamtfläche in den letzten Jahrzehnten exponentiell gewachsen ist. Schätzungsweise an die 180 Millionen Tonnen Getreide – annähernd ein Zehntel des weltweiten Ertrags – wird mit Hilfe von Wasserreserven produziert, die nicht wieder nachgefüllt werden können. Um die Ernährung der Weltbevölkerung im Jahr 2025 noch sicherstellen zu können, werden zusätzliche 2.000 Kubikkilometer Wasser für die Bewässerung benötigt.[83]
Laut UN-Schätzungen wird die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2025 um 2,6 Milliarden Menschen anwachsen. Zwei Drittel davon werden wohl von einer schwerwiegenden Wasserknappheit betroffen sein, während das verbleibende Drittel wohl unter einem absoluten Wassermangel leiden wird. Die Nachfrage nach Wasser wird die verfügbare Menge um schätzungsweise 56 Prozent übersteigen.[84] Die Zahl der Menschen, die unzureichend mit Wasser versorgt sind, wird Schätzungen zufolge von 131 Millionen Menschen im Jahr 1990 auf 817 Millionen im Jahr 2025 ansteigen.[85] Das BMZ prognostiziert für das Jahr 2050 gar eine Weltbevölkerung von 9,3 Milliarden Menschen.[86]
Heute kommen bereits 72 Prozent der globalen und 90 Prozent der Wasserressourcen in den Entwicklungsländern der Landwirtschaft zur Bewässerung zugute.[87]
Weiterhin findet weltweit eine enorme Verschmutzung und Verschwendung von Süßwasser statt. So sind viele Flüsse und Seen weit über ihre natürliche Selbstreinigungskapazität hinaus belastet. In den Entwicklungsländern werden ganze 90 bis 95 Prozent der Haushaltsabwässer und circa 70 Prozent der Industrieabwässer ungeklärt in Flüsse und Seen geleitet. Dadurch werden die Gewässer so verschmutzt, daß es zu enormen Gesundheitsproblemen bei der betroffenen Bevölkerung kommt. Im reichen Norden hat sich diese Situation nur gebessert, weil es sich die Industrienationen leisten können, belastetes Wasser mit teuren und energieintensiven Klär- und Behandlungsverfahren wieder aufzubereiten.[88] Trotz dieser Möglichkeiten, dem steigenden Umweltbewußtsein und strikten Gesetzgebungen, sind die Hälfte aller Flüsse und Seen Europas nach offiziellen Richtlinien verschmutzt.[89] Das große Problem dabei sind Substanzen, deren Wirkung noch nicht endgültig bekannt ist. Jedes Jahr werden weltweit ungefähr 400 Millionen Tonnen synthetische Chemikalien produziert. So wurden seit 1981 alleine in der EU 2700 neue Stoffe registriert.[90]
Gelangen solche Substanzen in den Verkauf und damit in die Natur, handelt es sich jedes Mal um ein riskantes Experiment. Die Reaktion dieser unbekannten Chemikalien auf Luft, Wasser oder Erde sind, genau wie die jeweiligen Wechselwirkungen mit anderen Stoffen, weitgehend unbekannt.
Treten Negativfolgen auf, so dauert es oftmals Jahre oder Jahrzehnte, bis Verbote oder gesetzliche Grenzwerte definiert werden. Die erlassenen Richtlinien müssen nicht immer eingehalten werden, denn entsprechende Kontrollen sind sehr kostspielig und können oft nur stichprobenartig durchgeführt werden.[91] Trotzdem sind diese Errungenschaften der Industriestaaten ein großer Fortschritt, betrachtet man sich die Umweltschutzmaßnahmen vieler Industrieunternehmen im Süden der Welt. Um im internationalen Preiswettbewerb mithalten zu können und dem Konkurrenzdruck der zahlreichen kapitalkräftigeren multinationalen Konzerne und deren Tochtergesellschaften standzuhalten, verzichten diese Fabriken auf teure Umweltschutzmaßnahmen.
Dies führt zu einer übermäßigen Wassernutzung – was zu Lasten der Landwirtschaft, der privaten Haushalte und der Natur geht – und zu einer Abgabe von extrem mit Schadstoffen belastetem Abwasser in nahegelegene Flüsse. Global läßt sich dieser Prozeß nicht quantifizieren, aber von Mittelamerika bis Indien ist in den letzten Jahrzehnten eine drastische Belastung des Wassers durch die Industrie zu beobachten.[92]
Auch die Übernutzung der Grundwasserreserven wird immer mehr zum globalen Problem. In vielen Teilen der Welt wird den Aquiferen mehr Wasser entnommen, als ihnen wieder zugeführt werden kann.[93] In einigen Ländern und Regionen, in denen die Landwirtschaft zu einem Großteil vom Grundwasser abhängt, wie etwa im Westen der USA, in Pakistan, Mexiko, Nordafrika oder dem Mittleren Osten[94], wird mehr Wasser abgezapft, als nachgefüllt werden kann. Diese Situation könnte dort langfristig zu einem Rückgang der Nahrungsmittelproduktion führen.[95] Auch der Pro-Kopf-Trinkwasserkonsum der Menschen ist in den reichen Industrienationen, gerade in den USA, sehr hoch – um ein Vielfaches höher als in den ärmeren Regionen der Welt. So verbraucht ein Neugeborenes im Westen, beziehungsweise ein reiches Neugeborenes im Norden durchschnittlich vierzig- bis siebzig mal mehr Wasser als eines im ärmeren Süden, das keinen geregelten Zugang zum Wasser hat. Nordamerikaner konsumieren pro Person und Jahr 1280, Europäer 694, Asiaten 535, Südamerikaner 311 und Afrikaner lediglich 186 Kubikmeter Wasser.[96]
Auch die in diesem Punkt dargestellte Verstädterung führt zur Übernutzung der unterirdischen Grundwasservorkommen. Bewohner dieser Megastädte sind für ihr Trinkwasser von den Grundwasserreserven abhängig, was in sehr rasch anwachsenden Städten zu einem enormen Verbrauch führt. So ist das unter Bangkok (Thailand) liegende Aquifer bereits in einem so starken Maße entleert worden, daß das Stadtzentrum im Vergleich zu früher um gut 80 Zentimeter abgesunken ist.[97]
Über die Hälfte der europäischen Großstädte verschwenden mehr Grundwasser, als auf natürlichem Wege wieder aufgefüllt werden kann. Diese rasche Leerung der Grundwasserbecken führt vor allem in Mittelmeerländern zum Eindringen von Salzwasser in die Aquifere.[98]
Mittlerweile sind insgesamt schätzungsweise 1,5 Milliarden Menschen (rund ein Viertel der Weltbevölkerung) für Ihre Trinkwasserversorgung auf das Grundwasser angewiesen.
Die meisten Regionen Asiens – unter ihnen auch die weltweit bevölkerungsreichsten Länder China und Indien – beziehen ihr Wasser zu 50 bis 100 Prozent aus Grundwasserleitern. Länder wie Barbados, Dänemark und die Niederlande sind fast völlig von diesen Quellen abhängig. In Großbritannien, Kanada und Frankreich stammt etwa ein Drittel des benötigten Wassers direkt aus Aquiferen, während mehr als die Hälfte der US-Amerikaner auf das Grundwasser angewiesen sind.
Wie in diesem Punkt beschrieben, hat der Verbrauch von Grundwasser nicht nur für alltägliche Zwecke weltweit explosionsartig zugenommen – auch in den meisten Weltregionen, in denen die Landwirtschaft im industriellen Stil betrieben wird, ist der Raubbau am Grundwasser zu einem gravierenden Problem geworden.[99] Der massive Einsatz von künstlichen Düngemitteln (vor allem von Nitraten) und Pestiziden in allen Regionen der Welt ist ebenfalls zu einem großen Problem geworden. Durch ihn wird der Boden geschädigt und das Wasser, das aus diesen Feldern in Flußsysteme oder ins Grundwasser fließt, ist durch die Kunstdüngemittel- und Pestizidrückstände stark belastet. In den westlichen Industrieländern sind deshalb bereits verschiedene besonders umweltschädliche Pestizide und Agrarchemikalien verboten worden, die allerdings noch im großen Stil in die armen Länder des Südens exportiert und dort eingesetzt werden. Eine grundlegende Richtungsänderung der weltweiten Landwirtschaft in Richtung auf ökologische Anbaumethoden ist deshalb ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der globalen Wassersituation.[100] Ein ansteigender Wasserverbrauch ist auch für die Viehzucht festzustellen. Vielerorts wurde eine Erhöhung des Wasserangebots durch neu errichtete Tiefbrunnen zu einer Vergrößerung der Herden genutzt, was sich wiederum sehr negativ auf die Weideflächen auswirkt und oft den Prozeß der Ausweitung der Wüsten (→ Desertifikation) beschleunigt – so etwa in Teilen der afrikanischen Sahelzone.
Weitere Probleme ergeben sich auch aus der Tatsache heraus, daß heutzutage von fünf Tonnen Getreide, die auf der Welt produziert werden, zwei Tonnen als Viehfutter verwendet werden.[101] Wird das Futtergetreide in Ländern angebaut, wo ein hoher Wassereinsatz zur Erzeugung des Getreides erforderlich ist, beträgt der Wasserverbrauch für ein einziges Rindersteak leicht schon einmal 20.000 Liter.[102]
Für die Energieproduktion, Industrie, Haushalte und die Landwirtschaft wird übermäßig viel Wasser von den Flüssen und Seen abgezapft und in Staudämmen gesammelt. Seit 1950 hat sich die Zahl der großen Staudämme versiebenfacht.[103]
Heute gibt es auf der Welt über 40.000 Dämme, die mindestens 15 Meter hoch sind. Sie stauen gut 14 Prozent der Fließgewässer der Erde.[104] Weil die gestauten Gewässer in den Stauseen der Sonne eine so große Oberfläche bieten, verdunstet das Wasser schneller als in unberührten Gewässern. So geht beispielsweise auf dem Weg durch die Stauseen ein gutes Drittel der Fließmenge des Colorado River verloren.
Außerdem erhöht sich durch den Verdunstungsprozeß der Salzgehalt im Wasser. Dieses Wasser wird mehrmals verwendet und führt dadurch zu einer Versalzung der Böden, was im schlimmsten Fall zur Folge haben kann, daß nichts mehr auf diesen Böden gedeiht.
Diese Versalzungen bedeuteten auch das Ende der alten, hydraulischen Kulturen in Ägypten oder Mesopotamien. Die ehemals fruchtbaren Böden wurden immer weniger ertragreich und verwandelten sich nach einiger Zeit in trostlose Wüsten.[105]
Stauseen führen zudem dazu, daß sich die natürliche Fließgeschwindigkeit der Flüsse verlangsamt. Sedimente, die vorher in Seen, Sümpfe, Deltas oder – bedingt durch Überschwemmungen – in Wälder getragen wurden, werden jetzt von Stauseen aufgehalten, was ernstzunehmende Folgen für die Biodiversität hat: Das von den Flüssen ins Meer geführte Wasser ist nämlich aus ökologischer Sicht keineswegs ein „Verlust“, denn in ihm sind wichtige Nährstoffe für die Fischpopulationen in den Küstengebieten enthalten.[106]
Durch die starke Zerstückelung der Flußläufe sind die Fische zudem nicht mehr in der Lage, zu ihren Laichplätzen zu gelangen. Zusammen mit der starken Verschmutzung führt das zu einem deutlichen Rückgang der Fischpopulationen.[107]
Die Sedimente führen in den Stauseen selbst zur Verschlammung und nehmen in manchen von ihnen nach etwa 10 Jahren mehr als die Hälfte der Speicherkapazität ein.[108]
Die Negativfolgen dieser Verschlammungen lassen sich gut am Beispiel der USA illustrieren, in deren Stauseen sich jährlich insgesamt rund zwei Kubikkilometer Sedimente ansammeln. Ihre Beseitigung verursacht Kosten in Höhe von circa 819 Millionen US-Dollar pro Jahr. Gleichzeitig kommt es durch die verringerte Fließgeschwindigkeit zur Verminderung des Sauerstoffgehalts des Wassers, das aus den Stauseen fließt.
Dadurch wird wiederum die Regenerationsfähigkeit der Flüsse beeinträchtigt, da sich nur reichlich mit Sauerstoff durchmischtes Wasser selbst reinigen kann.[109]
Die enorme Übernutzung führt sogar dazu, daß überhaupt kein Tropfen Wasser mehr das Meer erreicht. So versiegt der Rio Grande ungefähr an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, während der chinesische Yangtse in den 1990er Jahren jedes Jahr auf seinen letzten 600 Kilometern austrocknete.[110]
Das nicht nur die ökologischen Folgen von Staudämmen gravierend sind, zeigt die Tatsache auf, daß die über 40.000 großen und etwa 800.000 kleinen Talsperren, die im letzten Jahrhundert errichtet wurden, schätzungsweise bei 30 bis 60 Millionen Menschen (Barlow/Clarke schätzen sogar 60 bis 80 Millionen[111] ) zur Vertreibung aus ihrer Heimat führten. Möglichkeiten für neue Stauprojekte sind auf der Welt kaum noch vorhanden, weil die meisten großen Flußbecken bereits stark segmentiert sind.
Ein Ende der Staudamm-Ära ist indes nicht abzusehen. Die großen Staudämme produzieren schließlich gut ein Fünftel der weltweiten Energie, was nicht vom einen auf den anderen Tag wettgemacht und durch andere Energielieferanten ersetzt werden kann. Zudem sind die Monumentalbauwerke zu lukrativ für nationale und internationale Bau-, Maschinen- und Finanzunternehmen, für korrupte Kommunalpolitiker und auf ihr Prestige bedachte Staatsoberhäupter. So werden gegenwärtig am Euphrat und am Tigris 19 große Staudämme gebaut – elf entstehen entlang der Donau.
Schätzungsweise 75 Milliarden US-Dollar wird alleine das gigantische Drei-Schluchten-Projekt in China mit seinen 38 Staudämmen bei seiner geplanten Inbetriebsetzung im Jahr 2009 gekostet haben und damit nicht nur das größte, sondern auch das teuerste Staudammprojekt der Welt sein.[112]
3.4) Die Auswirkungen der globalen Wasserkrise
3.4.1) Wasser – absolute Knappheit oder falsche Verteilung?
Unter den Fachleuten herrscht schon lange ein Konsens darüber, daß der Welthunger, der ja in einer unzureichenden Frischwasserversorgung seine Wurzeln hat, nicht in erster Linie ein Produktionsproblem ist, sondern daß die Hauptursachen dafür die ungleiche Verteilung von Einkommen und politische Krisen sind. Bei den globalen Wasserressourcen wird jedoch häufig argumentiert, daß das Wasser ein absolut knappes Gut ist. Dabei spricht vieles dafür, daß die Süßwasserressourcen – ähnlich wie die Nahrungsmittel – weltweit gesehen in ausreichender Menge vorhanden sind. Das Problem bei der Ermittlung der Ursache für die Wasser- und Nahrungsmittelknappheit ist die bis heute sehr unsichere Datenlage. Zudem schwanken die Angaben in diversen Studien in Abhängigkeit von den jeweils getroffenen Grundannahmen um den Faktor 2-400. Deshalb ist und bleibt es eine Frage der subjektiven Einstellung, ob die Wasserressourcen insgesamt als knapp oder ausreichend angesehen werden. Die entscheidenden Unsicherheitsfaktoren bei diesen Prognosen sind einerseits die künftige Entwicklung der weltweiten Bevölkerungszahlen, die um 40 Prozent zwischen 7,7 Milliarden und 11,1 Milliarden Menschen für das Jahr 2020 schwanken. Zum anderen variieren die Schätzungen des zukünftigen Wasserbedarfs pro Person von 1000 Kubikmeter bis zu 2000 Kubikmeter pro Jahr und Person und damit um 100 Prozent. Die Entwicklung beider Faktoren hängt sehr stark von der wirtschaftlichen Gesamtentwicklung, von Politikmaßnahmen sowie der Entwicklung und Umsetzung technischer Möglichkeiten ab, die nicht vorhergesagt werden können. Sehr unterschiedliche Einschätzungen bestehen auch im Hinblick auf die Einschätzungen der gegenwärtig nutzbaren Wasserressourcen, weil die Datenlage hierüber in vielen Ländern völlig unzureichend ist. Die in Punkt 3.2 dieser Arbeit genannten Zahlen zum Wasserverbrauch – gerade für die Ernährungssicherheit – implizieren, daß das Hunger- und das Wasserproblem nicht getrennt voneinander diskutiert werden können. Beide sind unmittelbar miteinander verknüpft. So ist Wassernutzung in der Landwirtschaft auch immer Bodennutzung und umgekehrt.[113]
Während zunächst vieles dafür spricht, daß Frischwasser und Nahrung auch in Zukunft in ausreichendem Maße vorhanden sind, ist die Verteilung dieser beiden Ressourcen über den Globus extrem ungleich.
So entfallen die geringsten Wasserressourcen auf die Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas sowie Subsahara-Afrikas, die alle bereits unter einem drastischen Wasserengpaß zu leiden haben. Neben der geographischen Lage sind hierfür vor allem dem Bevölkerungs- und Wohlstandswachstum nicht angepaßte Managementsysteme verantwortlich, die zu fortschreitenden Land- und Wasserverlusten in Form von Desertifikation, Versalzung und Verschmutzung von Wasser und Boden führen.
Stark vom Wassermangel betroffene Regionen haben im Prinzip neben bevölkerungs-politischen Maßnahmen nur drei weitere Optionen, um den Versorgungsengpässen entgegenzuwirken:
1. Import von virtuellem Wasser in Form von Getreideimporten aus boden- und wasserreichen Ländern
2. Stabilisierung oder Verminderung der Nachfrage durch Effizienzsteigerung und Einsparungen bei vorhandenen Wassersystemen
3. Reform und Reorganisation der Wasser- und Landnutzungssysteme.[114]
Insgesamt werden zur Nahrungsmittelproduktion rund zwei Drittel der globalen Wasserressourcen verbraucht, wobei es in ariden Ländern Afrikas oftmals über 90 Prozent sind. Dieses Faktum untermauert nochmals, daß das Wasserproblem nicht ohne Berücksichtigung des Nahrungsmittelproblems zu lösen ist.[115]
Laut Stadler/Hoering beruht die Angst, daß der Menschheit das Wasser ausgehen könnte, auf falschen Prämissen. Sämtliches Wasser, das für Landwirtschaft, Industrie und Haushalte entzogen wird, gelangt auf natürlichem Wege wieder zurück in den geschlossenen Wasserkreislauf. Dies allerdings nicht an dem Ort, an dem es entnommen wurde und oftmals in extrem verschlechterter Qualität. Die Wasserkrise liegt deshalb nur bedingt an der stetig wachsenden Weltbevölkerung. Sie hat Ihre Ursache eher in der maßlosen Verschwendung und Verschmutzung und der oftmals naturgegebenen ungleichen Verteilung des Wassers auf der Erde.[116]
Die Wissenschaftlerin und Globalisierungsgegnerin Vandana Shiva drückt diesen Sachverhalt folgendermaßen aus:
„Es gibt genug Wasser auf der Erde, und die Wassermenge an sich bleibt immer gleich. Es gibt auch keinen Grund anzunehmen, daß sich das ändern wird. Entgegen allen Unkenrufen steht die Erde nicht kurz vor dem Austrocknen. Kein Anlaß also für eine Krise ums Wasser. Und trotzdem haben wir eine Wasserkrise. Aber die liegt auf einer ganz anderen Ebene. Sie liegt in dem, was heute als „Governance“ bezeichnet wird: Wasser gerecht verteilen, Wasser nicht verschmutzen, Wasser nicht verschwenden. Was wir als Wasserknappheit erfahren ist in erster Linie Ausdruck politischen und gesellschaftlichen Unvermögens.“[117]
3.4.2) Menschen ohne Trinkwasserversorgung
Das Thema globale Wasserkrise wurde im Jahr 2001 von Journalisten noch zum wichtigsten, aber am wenigsten behandelten Thema gewählt. Inzwischen hat es stärkeren Eingang in die öffentliche Diskussion gefunden.[118] Die Wasserproblematik rückt allmählich ins Bewußtsein der Menschheit ein. War die Auseinendersetzung mit diesem Problem bis vor zehn Jahren noch hoch spezialisierten Expertengruppen wie Hydrologen, Wasseringenieuren, Wissenschaftlern, Stadtplanern, Meteorologen und anderen vorbehalten, so läuten heute bei immer mehr Organisationen wie zum Beispiel den Vereinten Nationen, dem Worldwatch Institute und vielen anderen Gruppen die Alarmglocken auf. Alle diese Experten und Gruppen sind sich mittlerweile darüber einig, daß die globale Süßwasserkrise droht, zur größten Gefahr für das Überleben unseres Planeten zu werden, die es seit Menschengedenken gab.[119]
Rund 1,2 Milliarden Menschen auf der Welt haben gegenwärtig keinen Zugang zu sauberem Wasser, während 2,4 Milliarden nicht über eine Kanalisation oder Abwasserreinigungs-anlagen verfügen.[120] 2002 haben an die 5,2 Milliarden Menschen, also rund 83 Prozent der Weltbevölkerung, sehr einfache und improvisierte Wasserversorgungssysteme genutzt. Die restlichen fast 1,2 Milliarden Menschen, wovon fast zwei Drittel in Asien leben, beziehen Ihr Wasser aus wilden und unüberprüften Quellen. In Afrika südlich der Sahara beträgt die Zahl der Menschen, die ihr Wasser aus diesen Quellen beziehen fast 42 Prozent und nimmt damit erschreckende Ausmaße an. Zudem läßt sich dort und in Ozeanien der geringste Grad der Abdeckung mit Trinkwasser feststellen.[121]
Im Jahre 2002 hatten von zehn Menschen auf der Welt knapp fünf eine eigene Verbindung zu einer Wasserleitung. Drei hatten Zugang zu einer improvisierten, kontrollierten und öffentlichen Standleitung, während zwei von ihnen auf unkontrolliertes und oft gesundheitsgefährdendes Wasser aus wilden Quellen zurückgreifen mußten.[122]
3.4.3) Wasserknappheit – Indizes und extrem betroffene Weltregionen
Eine ausreichende Wasserversorgung gehört zu den elementarsten menschlichen Bedürfnissen überhaupt. Für Trinkwasser definiert die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) einen täglichen Mindestbedarf von 100 Litern pro Kopf. Laut UNESCO erfordert die Bereitstellung der für eine angemessene Ernährung der Weltbevölkerung notwendigen 2.800 Kalorien pro Person und Tag durchschnittlich 1.000 Kubikmeter Wasser.[123]
Es ist sehr schwierig, Wasserknappheit exakt zu definieren, weil es sich hierbei um ein relatives Konzept handelt, das mit sozialen und ökonomischen Bedingungen in direkter Beziehung steht. Absoluter Wassermangel ist nur dann gegeben, wenn zu wenig Wasser zur Verfügung steht, um selbst minimalste Bedürfnisse (Trinkwasser, Hygiene) zu befriedigen.
Gebräuchliche hydrologische Indikatoren der Wasserknappheit sind entweder bestimmt durch die Relation Gesamtbevölkerung zu verfügbarer Wassermenge (demographische Dimension[124] ) oder genutzte zu gesamter – aber nicht notwendig verfügbarer Wassermenge (technische Dimension).
Die Faustregel für die demographische Dimension besagt folgendes:
→ Stehen in einem Land mehr als 1700 Kubikmeter pro Kopf und Jahr zur Verfügung, liegen Knappheiten selten vor und treten eher lokal auf
→ Unter 1000 Kubikmeter pro Kopf und Jahr ist eine kritische Grenze erreicht, ab der Gesundheitsbedingungen und wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigt sind
→ unter 500 Kubikmeter pro Kopf und Jahr erreicht die Wasserknappheit ein lebensbedrohliches Ausmaß
Weltweit liegt letzteres in 15 Ländern vor.[125] Die Menschen in zwölf Ländern dieser Erde haben Trinkwasser zwischen 500 und 1000 Kubikmeter/Kopf/Jahr, während 22 Länder zwischen 1000 und 2000 Kubikmeter pro Kopf und Jahr zur Verfügung haben.[126]
Die UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung (UNCSD) definiert Wasserknappheit anhand ihrer technischen Dimension:
→ Überschreitet die Menge des jährlich entnommenen Wassers 20 Prozent des gesamten erneuerbaren Süßwasservorrates, sind Länder von einem mittleren bis hohen Wasserstreß betroffen
→ Entnimmt man jährlich über 40 Prozent des erneuerbaren Wasserangebotes, liegt ein eindeutig hoher Wasserstreß vor.
Demnach lebt gegenwärtig circa ein Drittel der Weltbevölkerung in Ländern, die von einem mittleren bis hohen oder einem eindeutig hohen Wasserstreß betroffen sind.[127]
Tabelle 4: Länder im Wasserstreß[128]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die schwedische Hydrologin Malin Flekenmark entwickelte einen Wasserindex, der die auf Seite 41 dieser Arbeit genannte demographische Dimension widerspiegelt. Nach ihm hat ein Land selten oder nur lokal Wasserprobleme, wenn ihm pro Kopf und Jahr über 1700 Kubikmeter erneuerbaren Wassers zur Verfügung stehen. Sind zwischen 1000 und 1699 Kubikmeter Wasser verfügbar, kann dies zur periodischen oder regelmäßigen Wasserknappheit führen. Verfügen Länder pro Kopf und Jahr über weniger als 1000 Kubikmeter Wasser, so leiden Sie laut Flekenmark unter einer chronischen Wasserknappheit. Zu den, diesem Index nach, gegenwärtig wasserarmen Ländern[129] werden sich wohl bis zum Jahr 2025 tiefen Schätzungen nach noch Somalia, Burkina Faso, Kenia, Marokko und Haiti dazubegeben. Dann würden 405 Millionen Menschen auf der Welt in wasserarmen Ländern leben. Andere Schätzungen für 2025 zählen auch Malawi, Äthiopien, Südafrika und den Libanon zu den künftig wasserarmen Ländern, sodaß demzufolge etwa 670 Millionen Menschen in wasserarmen Ländern wohnen würden.[130]
Die meisten afrikanischen Staaten verfügen nur über geringe Wasservorkommen, die sich unter anderem durch lange Dürreperioden, Bevölkerungswachstum und Umwelt-verschmutzung permanent vermindern. Die afrikanische Wüste Sahara ist die weltweit am schnellsten wachsende Wüste – andere Gebiete sind allerdings auch zunehmend betroffen von der rasch fortschreitenden Desertifikation. Den riesigen zuflußlosen Aquiferen unter der Sahara werden alleine durch den Willen des lybischen Staatschefs Gaddafi für sein Land jährlich schätzungsweise 10 Milliarden Kubikmeter entnommen, wobei sich die Rate mit jeder Phase des noch nicht abgeschlossenen Projekts in Lybien wohl noch steigern wird.[131]
Laut de Villiers können bereits heute 22 afrikanische Länder[132] die Hälfte ihres Volkes nicht ausreichend mit Wasser versorgen.[133] Im Jahr 2025 werden 17 Länder, in denen dann 1,8 Milliarden Menschen leben werden, unter schwerer (absoluter) Wasserarmut leiden, da sie ihren gegenwärtigen Pro-Kopf-Verbrauch nicht aufrechterhalten können.
24 weitere Länder, hauptsächlich in der Subsahara-Region, werden 2025 unter einer ökonomischen Wasserkrise leiden, weil sie nicht über genügende finanzielle Ressourcen zur Erschließung ausreichender Wasserressourcen verfügen.[134]
Indien ist das Land, das von allen Ländern der Welt seine Grundwasserressourcen am stärksten überstrapaziert. In den meisten Regionen Indiens übertrifft das geförderte Grundwasser die Menge des natürlichen Zuflusses um annähernd das Doppelte, wodurch die Grundwasserspiegel in den Aquiferen um jährlich ein bis drei Meter fallen.
Besonders hart betroffen sind die Bundesstaaten Punjab und Haryana - die quasi Indiens Kornkammer darstellen – und der Bundesstaat Gujarat im Nordwesten des Landes, wo in ungefähr 90 Prozent aller Brunnen der Wasserstand dramatisch abgesunken ist. Im Bundesstaat Tamil ist der Grundwasserpegel in 30 Jahren sogar um 30 Meter gefallen. Dort sind viele Aquifere bereits vollständig ausgetrocknet. Trotz der jährlichen großen Überschwemmungen in Punjab und Bangladesch sinkt dort der Grundwasserspiegel rapide schnell ab.
Nach Meinung des Internationalen Instituts für Wassermanagement (International Water Management Institute) könnte die indische Getreideproduktion aufgrund der überbeanspruchten und erschöpften Aquifere um ein ganzes Viertel zurückgehen.
Laut UNO herrscht derzeit in 31 Ländern der Welt eine offizielle Wasserknappheit.[135]
3.4.4) Negativfolgen der Wasserknappheit
Wasser ist eine Schlüsselvariable für die Entwicklung eines Landes. Eine unzureichende Wasserversorgung und Abwasserentsorgung verstärkt die Armut im jeweiligen Gebiet. Durch eine inadäquate Trinkwasserversorgung erhöhen sich die Lebenshaltungskosten für die betroffenen, zumeist armen Menschen. Zudem verringert sich durch die Mangelversorgung ihr Arbeitspotential, sodaß die Lebensqualität insgesamt enorm leidet. Der Wassermangel mindert ebenso die Möglichkeiten einer medizinischen Versorgung. Durch einen überteuerten oder kaum bezahlbaren Wasserzugang können die armen Haushalte weniger konsumieren. Oft beziehen Sie weniger als das Minimum an Wasser für ausreichende Hygiene, was die Gesundheit und Arbeitsproduktivität der einzelnen Haushaltsmitglieder sehr beeinträchtigt.
Fehlen Latrinen oder andere sanitäre Einrichtungen, an denen sich Frauen pflegen können, haben sie oft nur die Möglichkeit, dies bei Dunkelheit während der frühen Morgenstunden oder spät abends zu tun. In Ländern ist das Fehlen von Schultoiletten oftmals ein entscheidender Grund dafür, daß Mädchen – gerade nach der Pubertät – ihre Schulausbildung abbrechen.[136]
Mehr als die Hälfte der Nahrungsmittel in den Ländern des armen Südens wird von Frauen produziert. Eine mindestens ebenso große Verantwortung obliegt den Frauen bei der häuslichen Nutzwasserversorgung ihrer Familien. Das ist besonders in ländlichen Regionen und bei Angehörigen indigener Gruppen der Fall. So sind viele Frauen und Mädchen täglich mehrere Stunden unterwegs, um einige Kanister Wasser heranzuschaffen. So laufen in Ägypten rund 30 Prozent aller Frauen auf dem Lande täglich mehr als eine Stunde, um Wasser zu holen. In manchen Regionen Afrikas verbringen Frauen und Mädchen acht Stunden am Tag mit dieser Aufgabe. Der mangelnde Wasserzugang und die abnehmende Wasserqualität schaden der Gesundheit der Frauen und ihrer Familien, wobei die Frauen sich dann auch noch um die Kranken kümmern müssen. Der Tatsache, daß Frauen in vielen Ländern den größten Teil der Arbeit in der Landwirtschaft verrichten, wurde durch die meisten Entwicklungsstrategien zu wenig Rechnung getragen. Vor allen Dingen Bewässerungsprojekte, die sich auf den Anbau von Monokulturen für marktgängige Produkte fokussierten, schlossen die bis dahin von Frauen durchgeführte Vielfalt im Anbau von Feldfrüchten, größtenteils angepaßt an die Wasserverfügbarkeit, kategorisch aus.
Technische Geräte wie Wasserpumpen, für deren Betrieb nur die Männer ausgebildet werden, verdrängen die traditionellen Erfahrungen von Frauen, mit geringen Wassermengen unter zum Teil extremen Bedingungen und Mangelzuständen zu wirtschaften. Gerade die Männer favorisieren die moderne Landwirtschaft mit Hochertragssorten, Agrarchemie und intensiver Bewässerung. Die Folgen sind die Verdrängung von wichtigen Grundnahrungsmitteln durch Exportprodukte und das vermehrte Austrocknen von Brunnen.[137] Die weltweite Nahrungsmittelproduktion ist in den letzten Jahrzehnten stark angestiegen. Vor allen Dingen fanden eine Ausweitung von künstlich bewässerten Flächen und eine Einführung neuer Reis- und Weizensorten, deren Anbau sich vornehmlich in den Entwicklungsländern vollzieht, statt. Diese Sorten sind viel ertragreicher, benötigen aber auch eine regelmäßige Wasserversorgung und eine Behandlung mit Agrarchemie. Seit Anfang der sechziger Jahre hat sich die nutzbare Bewässerungsfläche in den Entwicklungsländern auf rund 202 Millionen Hektar mehr als verdoppelt, sodaß sie gegenwärtig etwa einem Fünftel der dortigen landwirtschaftlichen Nutzfläche entspricht. Schätzungen nennen für das Jahr 2030 eine Vergrößerung dieser Fläche auf circa 242 Millionen Hektar.[138]
In vielen Städten der Dritten Welt haben private und öffentliche Betriebe kein Interesse daran, die Armenviertel mit Wasser zu versorgen. Sie schieben des öfteren ungeklärte Eigentumsverhältnisse in den meist illegal errichteten und dicht besiedelten Siedlungen vor oder behaupten, daß die Armen das Wasser ohnehin nicht bezahlen könnten. Die Folgen dieser Argumentation tragen oft die Frauen, die in unversorgten Gebieten oder Haushalten das Wasser aus Hähnen in der Nachbarschaft oder aus lecken Hydranten beschaffen müssen.
Eine weitere Möglichkeit ist das Beziehen des Trinkwassers aus Tankwagen. In vielen Slums sind die einzigen sanitären Einrichtungen gebührenpflichtige öffentliche Toiletten. Als Hauptbetroffene einer verfehlten Wasserpolitik haben hier wiederum die Frauen ein besonders großes Interesse daran, daß die Wasserversorgung grundlegend verbessert wird.[139] Die Wasserverfügbarkeit und Wasserqualität sind stark saisonal bedingt. Während der Trockenzeit sehen sich die Stadtbewohner höheren Wasserpreisen gegenübergestellt, während die ländlichen Armen länger nach Wasser suchen müssen, das dann auch noch von minderer Qualität ist. Außerdem verschmutzen die in die Gewässer zurücklaufenden Abwässer das Trinkwasser in erheblichem Maße, wodurch die Wasserqualität stark und die Möglichkeit einer effizienten Wassernutzung deutlich vermindert werden.
Dieses Problem tritt in allen Sektoren auf – in den Haushalten, bei der industriellen Nutzung und in der Landwirtschaft. Die Armen haben keine Möglichkeit diesen Mißstand in den Griff zu bekommen, weil zu dessen Ausgleich hohe Investitionen in die Wasserinfrastruktur getätigt werden müßten.
Während der Regenzeit, in der starke Niederschläge auftreten, werden den Menschen in diesen Ländern die unzureichenden Abwasserentsorgungssysteme zum Verhängnis, weil verschmutztes Wasser alles überflutet. Diese Überflutungen dauern in der Regel über einen langen Zeitraum hinweg an.[140]
Zur Lösung der globalen Versorgungskrise beim Wasser muß also neben der Trinkwasserversorgung auch die Entsorgung der Abwässer verbessert werden, weil ungereinigte Abwässer alle Fortschritte bei der Bereitstellung von sauberem Trinkwasser wieder zunichte machen.[141]
Rund 80 Prozent aller Erkrankungen in den armen Ländern des Südens sind laut WHO auf unsauberes Wasser und unzureichende sanitäre Einrichtungen zurückzuführen. Daran sterben jedes Jahr alleine 2,4 Millionen Kinder[142], wobei täglich schätzungsweise mehr als 3.900 Sterbefälle bei Kleinkindern unter fünf Jahren eintreten.[143] Opp bezieht sich auf Schätzungen die besagen, daß die durch verschmutztes Wasser verursachten Infektionskrankheiten wie Cholera, Typhus, Ruhr, Diarrhöe, Hepatitis und andere weltweit insgesamt 6.000 Menschenleben pro Tag fordern.[144]
4) Die Politisierung und Ökonomisierung des Trinkwassers
4.1) Weltwasserkonferenzen – Politische Initiativen gegen die globale Wasserkrise
In den letzten drei Jahrzehnten wuchs allmählich das Bewußtsein, daß Wasser zu einem knappen Gut wird, dessen Verwaltung und Verteilung global und interdisziplinär organisiert werden muß. Seither haben sich zahlreiche Konferenzen mit dieser Gefahr für das Leben auf dem Planeten Erde befaßt. 1977 fand in Mar del Plata/Argentinien die erste ausschließlich dem Wasser gewidmete Konferenz der Vereinten Nationen statt. Sie hatte unter anderem zum Ergebnis, daß die UN die 1980er Jahre zum „Jahrzehnt der weltweiten Trinkwasser- und Hygieneversorgung“ erklärten. Das damalige Ziel – innerhalb von zehn Jahren alle Menschen auf der Welt mit sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen zu versorgen – wurde bei weitem nicht erreicht.[145] Das lag mitunter auch daran, daß man bei der Umsetzung zu sehr auf hochtechnisierte Lösungen setzte.[146] Weitere Meilensteine waren die Dublin-Konferenz im Jahr 1992, die Umwelt- und Entwicklungskonferenz von Rio de Janero (UNCED) im selben Jahr sowie der Gipfel für Nachhaltige Entwicklung von Johannesburg (WSSD) im Jahr 2002. Das dort gesetzte Ziel fiel im Gegensatz zum Gipfel von Mar del Plata schon realistischer und bescheidener aus: Das dort gesetzte Ziel besteht darin, die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung bis zum Jahr 2015 zu halbieren.[147] Mit diesem Ziel folgt der Johannesburger Gipfel einem Aspekt der von der UNO während des Millenniumsgipfels in New York im September 2000 verabschiedeten Millenniumsziele (Millennium Development Goals, MDGs). Diese sehen unter anderem vor, bis zum Jahr 2015 die Zahl der Menschen ohne eine ausreichende Versorgung mit sauberem Trinkwasser zu halbieren.[148] Der UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte damals:
„Nicht eine einzige Maßnahme würde mehr dazu beitragen, in den Entwicklungsländern Krankheiten vorzubeugen und Leben zu retten, als allen Menschen sicheres Trinkwasser und angemessene Abwasserentsorgung zu ermöglichen.“[149]
Die einzelnen internationalen Organisationen gehen solche Zielsetzungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und Interessenslagen heraus an:
→ UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, setzt auf eine größere Kooperation zwischen den einzelnen, verschiedenen Partnern – ohne dabei die Zusammenarbeit mit dem privaten, nicht-staatlichen Sektor auszuschließen.
→ FAO, die Welternährungsorganisation, verweist auf die Notwendigkeit neuer Technologien, um das Wasser in der Landwirtschaft effizienter zu nutzen und damit zu sparen.
→ WHO, die Weltgesundheitsorganisation, richtet das Zentrum ihres Interesses eher auf die Verbesserung der Wasserqualität.
→ Die Weltbank geht das Problem ökonomischer an.
Bis heute orientiert sich die Weltbank als wichtigste internationale Entwicklungsbank an den vier Beschlüssen der Internationalen Wasser- und Umweltkonferenz von Dublin 1992[150]:
Prinzip 1
Trinkwasser ist ein endliches und verletzliches Gut, das absolut notwendig ist für Leben, Entwicklung und Umwelt. Soziale und wirtschaftliche Entwicklung muß Hand in Hand gehen mit dem Schutz des Ökosystems
Prinzip 2
Entwicklung und Management von Wasser muß ausgehen von einem gemeinschaftlichen Ansatz, der alle Verbraucher, Planer und Entscheidungsträger aller Stufen einschließt
Prinzip 3
Frauen spielen eine entscheidende Rolle bei Beschaffung, Verwaltung und Schutz von Wasser. Sie haben das Recht bei allen Entscheiden mitzubestimmen
Prinzip 4
Wasser hat einen wirtschaftlichen Wert. Alle Menschen haben ein Grundrecht auf Wasser und Sanitation zu einem angemessenen Preis. Wasser als wirtschaftliches Gut zu betrachten ist ein guter Weg zu effizientem und angemessenem Verbrauch.[151]
Vor allen Dingen der vierte Punkt machte große Furore und stieß auch in der Finanz- und Unternehmenswelt auf ein großes Echo. So lobte die Controlling-Firma PriceWaterhouseCoopers in einem Ihrer Berichte das „Dublin Statement“ folgendermaßen[152]: „Die Idee von Wasser als einem Wirtschaftsgut ist eine kulturelle Revolution.“[153] Die neuen ökonomisch geprägten Theorien besagen seitdem, daß das Wasser nur deshalb in diesem Maß verschmutzt und verschwendet werden würde, weil es beinahe kostenlos zur Verfügung stehe. Würde Wasser hingegen den marktwirtschaftlichen Prinzipien von Angebot und Nachfrage unterworfen werden, würde es zu einem kostendeckenden Preis verkauft, durch den man die hohen Investitionen in Staudämme, Wasserrohre und Kläranlagen abdecken können würde.
Diese sich durch den Markt bestimmenden Preise würden schließlich zu einer effizienteren Nutzung und Verteilung des Süßwassers führen.
Dies hätte wiederum zur Folge, daß man die Wasserkrise endgültig abwenden könne. Dieses neue Paradigma bestach durch seinen pragmatischen Lösungsansatz und die scheinbar mögliche, schnelle Umsetzung. Gleichzeitig schien es einen neuen Markt ungeahnten Ausmaßes zu schaffen – denn die Nachfrage nach Wasser würde durch den stetig steigenden Bedarf weiter ansteigen.
Der Tabubruch war perfekt: Wasser galt zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit nicht mehr als Allgemeingut, das von allen Lebewesen mehr oder weniger kostenfrei genutzt, aber auch verschmutzt werden konnte. Wasser war zu einer herkömmlichen Handelsware geworden – vergleichbar mit Glühbirnen, Autos oder Zahnpasta.[154]
Auf dem Weltwasserforum vom Jahr 2000 in Den Haag entbrannte eine hitzige Debatte unter den rund 5.700 Teilnehmern. Man fragte sich ob die Verfügbarkeit von Wasser als ein grundlegendes menschliches Bedürfnis angesehen oder als fundamentales Menschenrecht festgeschrieben werden sollte. Veranstalter des Forums waren kommerzielle Lobby-organisationen wie Global Water Partnership, die Weltbank und die größten privaten Wasserversorger der Welt. Die Diskussionen konzentrierten sich darauf, wie Unternehmen aus dem Verkauf der Ressource Wasser auf den Weltmärkten am besten Kapital schlagen können. Es nahmen auch Vertreter der Vereinten Nationen Teil, zudem fand eine parallele Ministerkonferenz mit Vertretern aus nahezu 140 Ländern statt. Außer den Hauptakteuren des Weltwasserforums, den großen multinationalen Konzernen, hatte aber keine weitere Partei ein wirkliches Mitspracherecht.
Die Debatte über das Statut der Wasserverfügbarkeit (Bedürfnis oder Menschenrecht) verlief keineswegs rein akademisch. Im Kern enthielt sie die Frage ob der Markt, der Staat, Konzerne oder Regierungen den Menschen einen freien Zugang zum Wasser ermöglichen sollen. Es ist davon auszugehen, daß dieses elementar wichtige Thema nicht einmal diskutiert worden wäre, wenn die Vertreter von Umweltschutzorganisationen, Gewerkschaften und Bürgerrechtsgruppen sowie der Industrie- und Entwicklungsländern unter dem Banner des „Blue Planet Project“ nicht vehement und nachdrücklich versucht hätten, die Anerkennung der Wasserverfügbarkeit als Menschenrecht durchzusetzen.
Doch das Ziel der Hauptakteure des Den Haager Forums war es, den Zugang zum Wasser offiziell als menschliches Bedürfnis zu deklarieren, um so der Privatwirtschaft mit ihren Marktmechanismen das Recht und die Verantwortung für die Wasserversorgung auf kommerzieller Basis zu übertragen.
Die Definition des Wassers als Menschenrecht hätte hingegen bedeutet, den Regierungen die alleinige Verantwortung dafür zu überlassen, daß alle Menschen einen gleichen Zugang zu Wasser auf nichtkommerzieller Grundlage erhielten.
Die Konferenz hatte zum Ergebnis, daß sich die Regierungsvertreter sowohl den Kapitalinteressen der Privatwirtschaft als auch den Vorgaben der Wasserorganisationen beugten, und der freie Zugang zu sauberem Wasser in der Abschlußerklärung, die auch von Teilnehmern der Ministerkonferenz unterzeichnet wurde, lediglich als grundlegendes menschliches Bedürfnis bezeichnet wurde. Die Erklärung zum universellen Menschenrecht blieb vollends aus.[155]
4.2) Internationale Lobbyorganisationen für den Wassermarkt
Nach dem Paradigmenwechsel durch die vier Prinzipien von Dublin fand das bislang kaum behandelte Thema Wasser in den folgenden Jahren eine enorme Beachtung. So entstanden zahlreiche staatliche und nichtstaatliche Organisationen, die sich ausschließlich dem neuen Thema Wasser widmeten.
a) Der Weltwasserrat (World Water Council, WWC)
Der 1996 gegründete Weltwasserrat, ein supranationaler Think Tank mit Sitz in Marseille, ist wohl eine der mächtigsten Organisationen bei der Privatisierung der Wasserversorgung. Sein Ziel ist es, die verschiedenen Blickwinkel im Wasserbereich zu koordinieren und auf einen Nenner zu bringen, damit möglichst schnell neue Handlungsfelder geschaffen werden. Seine Mitglieder sind Regierungen, internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und multinationale Konzerne. Der Weltwasserrat ist kein demokratisch legitimiertes, neutrales Gremium, sondern sehr eng mit der Wasserindustrie und der Weltbank vernetzt, weswegen ihn Kritiker auch „das Politbüro der Privatisierung“ nennen.[156]
Das Weltwasserforum (WWF) ist eine große, vom Weltwasserrat organisierte, internationale Konferenz, die alle drei Jahre stattfindet. Diese ist inzwischen zu einer so wichtigen Networking-Plattform geworden, daß praktisch kein Weg mehr an ihr vorbei führt.[157]
Im März 2003 fand in Kyoto die letzte dieser Konferenzen statt. Insgesamt haben dort über 20.0000 Teilnehmer in rund 350 Workshops teilgenommen und über die globale Wasserkrise diskutiert. Die abschließende Ministererklärung blieb allerdings äußerst vage und unkonkret. Die Delegierten betonten, daß die öffentliche Kontrolle über das Wasser jederzeit gewährleistet sein muß. Sie befanden, daß der Staat den rechtlichen Rahmen zum Schutz des öffentlichen Interesses abzustecken und dabei insbesondere die Bedürfnisse der Armen zu berücksichtigen hat. Prinzipiell soll es aber laut dieser Erklärung möglich sein, daß Privatunternehmen die Aufgabe der Wasserver- und Abwasserentsorgung zugeschrieben bekommen. Stark umstritten und äußerst enttäuschend für viele Delegationen war es schließlich, daß die Anerkennung von Wasser als öffentliches und freies Gut keinen Eingang in die Schlußakte fand.[158]
Auch die von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen geforderte Definition von Wasser als ein Menschenrecht fand keine Beachtung.[159] Dabei hatte das UN-Komitee für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (CESCR) wenige Monate vor dem Weltwasserforum in Kyoto den freien Zugang zu Trinkwasser bereits als Menschenrecht anerkannt.[160]
Das dritte Weltwasserforum wurde aufgrund seiner abschließenden Ministerialerklärung als ein enormer Rückschritt angesehen, da sich die Tendenz, dem privaten Sektor die Türen zu öffnen, bereits in der Tradition der vorherigen Wasserkonferenzen befand. Dieser Weg wurde bereits in der Schlußdeklaration des ersten Forums von Marrakesch/Marokko geebnet. Die damalige Abschlußerklärung beinhaltete den Auftrag für den Weltwasserrat, „eine Vision für Wasser, Leben und die Umwelt für das 21. Jahrhundert“ auszuarbeiten. In diese „Vision“ sollte die gesamte Weltbevölkerung eingeschlossen werden – die Zivilgesellschaft ebenso wie die Privatwirtschaft, staatliche Institutionen, lokale Gemeinschaften und Frauen.
b) Die World Commission on Water for the 21st Century (WCW)
Um die Vision schnellstmöglich und qualitativ hochwertig auszuarbeiten, gründete der Weltwasserrat im Jahr 1998 die World Commission on Water for the 21st Century mit Sitz in Stockholm. Diese besteht aus 21 international anerkannten, hochkarätigen Wasserspezialisten aus der ganzen Welt. Zum Vorsitzenden dieser Kommission wurde Ismail Serageldin gewählt, ein Wirtschaftswissenschaftler mit 17 Ehrendoktortiteln[161], der zum Zeitpunkt seiner Wahl das Amt des Vizepräsidenten für Sonderprogramme der Weltbank bekleidete. Nicht von ungefähr schlugen sich von allen Positionen zur Wasserproblematik diejenigen der Weltbank in der Wasservision besonders nieder. Der Report[162] wurde zum zweiten Weltwasserforum im Jahr 2000 in den Haag publiziert. Er war stark beeinflußt von Serageldins eigenen, extrem neoliberalen Wasservisionen, die er bereits im Jahr 1994 in einem Buch veröffentlicht hatte.[163] In diesem skizzierte er die Probleme der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sowie der ökologischen Nachhaltigkeit als finanzökonomische Herausforderung.[164]
4.3) Die neoliberale Grundidee für die Wasserversorgung in den Entwicklungsländern
Serageldin sieht in den Haushalten die Keimzelle für den nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser. Deshalb liegt seine Priorität darin, sämtliche Haushalte mit Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungssystemen auf ökologisch nachhaltige Weise auszustatten. Laut Serageldin ist die Wasserversorgung in erster Linie von privatem und nicht von öffentlichem Nutzen, da vor allen Dingen die Haushalte von ihren Annehmlichkeiten wie Gesundheit oder Zeiteinsparungen profitieren. Deshalb sollen die Haushalte selbst für die Finanzierung ihrer Wasserversorgung aufkommen. Diese müssen sich dann keine Form der Wasserversorgung von staatlicher Seite aus vorschreiben lassen, sondern sollen sich die für sie am besten geeignete und finanzierbare Wasserversorgung aus einer Palette von Möglichkeiten frei wählen können. So benötigt nicht jede Familie ihr eigenes, hausinternes Wasserversorgungssystem – möglich wären auch günstigere Alternativen wie ein Wasserhahn, den sich mehrere Haushalte teilen. Versorgte Haushalte würden sich laut Serageldin automatisch Gedanken um die Abwasserentsorgung machen und auch hier nach Lösungen suchen, wodurch sich nach einiger Zeit ganze Häuserblocks, Viertel und Städte damit befassen würden. Schließlich würde sich die Frage der Abwasserbehandlung und somit auch der Wasserqualität überregional stellen, sodaß sich die verschiedenen Wassernutzer darüber einig werden müßten, wieviel sie in ökologische Maßnahmen zu investieren bereit seien. Auch bei der Abwasserentsorgung sollte der Verbraucher für die Kosten aufkommen. So müßten die Haushalte die Abwasserrechnung für ihre Wohnung zahlen, wozu noch ein kleiner Betrag für die Dienstleistung des städtischen und des überregionalen Entsorgers entrichtet werden müßte. In diesem nachfrageorientierten Ansatz soll der Privatwirtschaft eine entscheidende Rolle zukommen, da staatliche Wasser- und Abwasserversorger wegen ihrer zentralistisch geplanten Struktur und Korruptionsanfälligkeit kaum in der Lage sind, ihre Dienstleistungen effizient und flexibel zu erbringen. Zudem ist Serageldin der Meinung, daß heute vom Staat festgelegte, universale Standards in der Wasserver- und Abwasserentsorgung selbst in reichen Ländern nur noch schwierig zu finanzieren sind. Serageldin glaubt, daß es auch in ärmeren Ländern eine ausreichende Zahlungsbereitschaft für qualitativ besseres Nutzwasser gibt. Das begründet er damit, daß vor allem die Armen kaum an die bestehenden, staatlichen Wasserversorgungsnetze angeschlossen sind, weswegen sie auf den informellen Wassermarkt ausweichen und Wasser mangelhafter Qualität zu stark überhöhten Preisen kaufen müssen. Deshalb bestehe laut Serageldin die Rolle der Privatwirtschaft darin, auch die Nachfrage ärmerer Bevölkerungsschichten durch entsprechende Angebote zu befriedigen.
4.4) Die Weiterentwicklung der neoliberalen Grundausrichtung
In der Weltwasservision, die durch die World Commission on Water pünktlich zum Weltwasserforum im Jahr 2000 in Den Haag publiziert wurde, wurde Serageldins Analyse weiterentwickelt. Bei der Ausarbeitung dieses Reports wurden, eigenen Angaben der Autoren zufolge, Hunderte von Organisationen und Experten konsultiert, die sich auf verschiedenen Ebenen – wissenschaftlich, politisch, wirtschaftlich und sozial – mit Wasser beschäftigen.[165] Die internationale Gewerkschaft der öffentlichen Dienstleistungen, Public Services International (PSI) kritisierte dabei jedoch, daß Verbraucherorganisationen und Gewerkschaften nicht einbezogen wurden.[166] Die Präambel der Weltwasservision lautet:
„Jeder Mensch soll jetzt und in Zukunft Zugang zu sicherem und bezahlbarem Wasser haben – zum Trinken, für sanitäre Einrichtungen, für genügend Nahrung und Energie. Diese grundsätzlichen Bedürfnisse müssen im Einklang mit der Natur stehen.“[167]
Um das in der Präambel erklärte Ziel zu erreichen, forderte die Kommission eine drastische Änderung im Umgang mit dem Wasser. Anstelle des fragmentierten Denkens, das bisher vorgeherrscht hat – Wasser für Landwirtschaft, Industrie Haushalte und für die Natur – müsse eine gesamtheitliche Sicht treten. Wasser in jeglicher Nutzungsform sollte als Teil eines gesamten Ökosystems gesehen werden, von dem alle Beteiligten nachhaltig – also auch in den kommenden Generationen – abhängen. Dieses „integrierte Wassermanagement“ soll ökonomische und ökologische Betrachtungen im Sinne der Nachhaltigkeit verbinden. Demzufolge hat die Wasserqualität ebenso einen hohen Stellenwert wie die wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse der Wasserversorgung- und Abwasserentsorgung oder der ökologische Wert eines Gewässers – wie etwa als Siedlungsraum für eine seltene Vogelart.[168]
Gemäß der Weltwasserkommission muß deshalb das alte Modell der staatlichen Wasserverwaltung durch einen partizipativen Ansatz, in dem alle Wassernutzer (sogenannte Stakeholder) mitbestimmen können, ersetzt werden.
Auf lokaler Ebene nehmen dabei die Wassernutzungsgruppen die wichtigste Rolle ein. Sie haben die Aufgabe zu bestimmen, welche Wasserversorgungs-, Abwasserentsorgungs-, und Bewässerungssysteme sie bevorzugen.
Zudem sollen sie die Leistungen der öffentlichen oder privaten Dienstleister sowie die Einhaltung von Land- und Wasserrechten überwachen. Auf einem übergeordneten Niveau sollen dann Wasserparlamente, die aus den verschiedenen Wassernutzern bestehen – so auch aus Frauen, Armen und Jugendlichen – gemeinsam mit ihrer Regierung Lösungen für einen besseren Umgang mit Aquiferen oder Oberflächengewässern finden.[169] Die Nutzungsgruppen und Parlamente sollen offiziell entscheiden „was getan werden soll, wie es getan werden soll und wer dafür bezahlt.“[170]
Die Kostenfrage wird von der World Commission on Water als die wichtigste und dringlichste Aufgabe angesehen. Sie hält sich dabei an die Vorschläge ihres Vorsitzenden Serageldin und fordert, daß die Verbraucher die vollen Kosten für alle Wasserdienstleistungen selbst tragen sollen. Eine Abweichung von Serageldins erstem Report stellt aber die Erkenntnis der Vision dar, daß Subventionen notwendig sind, um auch die ärmsten der Armen mit Wasserdienstleistungen zu versorgen. Diese Finanzhilfen müssen direkt an die Armen gerichtet sein, sodaß die Versorgungsunternehmen diese nicht direkt als eigene Subvention erhalten. Eine andere im Bericht genannte Variante ist es, die armen Menschen ihre Wasserrechnung mit Arbeitsleistungen begleichen zu lassen.
Die Landwirte sollen der Vision zufolge – bei freier Wahl ihrer Versorgungssysteme – ebenfalls den vollen Preis für die Wasserdienstleistungen bezahlen. Zwar wird seitens der Kommission eingestanden, daß der Wegfall von Wassersubventionen für Bauern aus der Dritten Welt zu enormen Problemen führen kann: Müssen die Landwirte für ihr Wasser einen höheren Preis zahlen, können sie nicht mit niedrigen, subventionierten Preisen einer liberalisierten und globalen Landwirtschaft mithalten. Lösbar sei dieses Problem aber dadurch, daß die reichen Länder ihre Subventionen ebenfalls streichen und so einen echten weltweiten Wettbewerb im Agrarbereich schaffen. Durch den Wegfall dieser nichttarifären Handelsschranken würden die protektionistischen Mechanismen eliminiert, die den armen Ländern den Zugang zum Weltmarkt versperren.
Das Prinzip der Vollkostendeckung für die Wasserversorger ist gemäß der Weltwasservision deshalb so wichtig, weil es die Voraussetzung für ein größeres Engagement der Privatwirtschaft im globalen Wassergeschäft ist. Einzig private Investoren seien in der Lage, die finanziellen Mittel für die notwendige Infrastruktur wie Kläranlagen oder Bewässerungssysteme aufzubringen.
Weiterhin gäbe die Vollkostendeckung privaten Anbietern den Anreiz, neue Technologien für eine effizientere Wassernutzung zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Um diese Reformen zu realisieren, skizziert die Weltwasservision eine grundlegend neue Rollenverteilung für die neue Ära des Wassermanagements:
a) Der Staat
Seine Hauptaufgabe besteht darin, sich komplett aus der Wasserversorgung zurückzuziehen und die Rahmenbedingungen für die durch die Kommission vorgeschlagene Neuausrichtung zu schaffen. So sollen durch ihn Gesetze geschaffen werden, die die politische Partizipation aller Wassernutzer ermöglichen. Durch Steuererleichterungen soll der Staat aber vor allem private Investoren anziehen und ihnen nach getätigter Investition einen verläßlichen Regulierungsrahmen bieten. Staatliche Regulierungen dienen der Kontrolle der von den Privatunternehmen erbrachten Leistungen, der Wasserqualität, aber auch der Preis-entwicklung und der Einhaltung von Umweltnormen. Staatliche Regulierungen sind außerdem notwendig, damit die Privaten nicht ihre Monopolsituation ausnutzen, die sie sich mit dem Erwerb von oder der Beteiligung an vormals öffentlichen Wasserver- und Abwasserentsorgungsbetrieben geschaffen haben. Der Staat trägt ebenfalls die Verantwortung dafür, daß das Prinzip der Vollkostendeckung eingehalten wird und arme Bevölkerungsschichten gezielt subventioniert werden.
b) Der Privatsektor
Privatunternehmen spielen in der neuen Weltwasserordnung die wichtigste Rolle. Ihre Aufgabe besteht darin, vollumfänglich Wasser für Haushalte, Industrie und Landwirtschaft zu liefern. Auch die notwendigen Finanzen für die Instandsetzung oder Neuerrichtung von Wassersystemen sollen von privater Seite kommen. Um dieses Risiko eingehen zu können, ist die Privatwirtschaft laut dem Report auf klare, staatliche Rahmenbedingungen angewiesen.
c) Kommunen und Benutzergruppen
Die Vision geht davon aus, daß vor allem die Bewohner von ländlichen Gebieten und Vorstadtsiedlungen durch das Prinzip der Vollkostendeckung schwer belastet werden. Diese Bürde soll durch Kleinkredite und Subventionen abgefedert werden. Außerdem sollen die Menschen auf lokaler Ebene ihre Wasserversorgung in eigener Entscheidung wählen können.
d) Die internationale Entwicklungshilfe
Staatliche Entwicklungshilfeorganisationen sollen den Privatisierungsschub durch ihre Gelder mit flankierenden Maßnahmen wie Forschung, Beratung auf kommunaler und nationaler Ebene sowie der Subventionierung der armen Bevölkerung, unterstützen.[171]
4.5) Investitionserfordernisse für den Wassersektor
Die World Commission on Water kam zu dem Ergebnis, daß 180 Milliarden US-Dollar jährlich bis zum Jahr 2025 in den Wassersektor investiert werden müssen und sollen, damit das Millenniumsziel (MDG) erreicht wird. Nach Angaben der Autoren stünden derzeit aber nur 70 bis 80 Milliarden US-Dollar pro Jahr zur Verfügung, weswegen eine zusätzliche Summe von 100 Milliarden US-Dollar jährlich aufgebracht und investiert werden müßte. Für die Kommission steht fest, daß krisengebeutelte Städte und Kommunen diese Summe nicht aufbringen können. Nur die Privatwirtschaft sei der Expertenmeinung zufolge in der Lage, diese Summen zu erbringen oder über Kredite und Kapitalmärkte einzuholen. Die 180 Milliarden Dollar dienen seither als Grundlage sämtlicher Kostenrechnungen im Wassersektor.[172] Dagmara Berbalk zufolge beansprucht die Bereitstellung der Wasserver- und Abwasserentsorgung zur Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse nur einen kleinen Teil der 180 Milliarden US-Dollar Gesamtinvestitionsbedarf pro Jahr. Dieser wird auf lediglich rund 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt, wobei gegenwärtig etwa 10 Milliarden US-Dollar hierfür bereitgestellt werden.[173] Eine offizielle Angabe aus dem vielzitierten Camdessus-Report[174] erfaßt folgende Investitionsbedürfnisse[175]:
Tabelle 5: Jährliche Investitionserfordernisse in den Wassersektor (Angaben in Milliarden US-Dollar)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Andere Beschlüsse, wie etwa der beim Weltgipfel in Johannesburg verabschiedete Aktionsplan[176], stellen mit 111 Milliarden US-Dollar pro Jahr einen wesentlich niedrigeren Investitionsbedarf als die World Commission on Water fest. Trotzdem halten sich wichtige und mächtige Institutionen, wie das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ),[177] die Weltbank oder Unternehmen wie PriceWaterhouseCoopers[178] an den in der Weltwasservision erarbeiten Investitionsbetrag von 180 Milliarden US-Dollar im Jahr.[179] Die Weltwasservision lieferte nicht nur die notwendigen Jahresinvestitionen – sie gab auch vor, wie diese aufgeteilt werden sollten. Dabei ist festzustellen, daß Sie mit 30 Milliarden US-Dollar am wenigsten Geld für die Landwirtschaft vorsah, obwohl dieser Sektor am meisten Wasser verbraucht[180]:
Abbildung 1: Jährliche Investitionen in den Wassersektor und prognostizierter Bedarf (Weltwasserrat, Angaben in Milliarden US-Dollar)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der World Kommission zufolge benötigen Wasserversorgungen und Abwasserentsorgungen einen Großteil der benötigten Investitionen. Diese Summen können die Städte, Kommunen und Länder des armen Südens kaum auftreiben.
Das ist laut Vision allerdings überhaupt nicht nötig – Denn je mehr sich der öffentliche Sektor aus der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung zurückzieht, desto mehr Platz bleibt für Privatunternehmen.
Die von der World Commission on Water publizierte Summe war also eine Aufforderung an den Privatsektor, sich an den Investitionen zu beteiligen.[181]
4.6) Die Strategie der modernen Entwicklungszusammenarbeit
4.6.1) Der Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik
Für die Entwicklungspolitik stellt die wachsende Bedeutung ausländischer Investoren, transnationaler Konzerne, Betreiber und Kapitalanleger in den Ländern des armen Südens gleichzeitig eine Gefährdung und eine Chance dar. Die Gefährdung ergibt sich durch die Tatsache, daß sich die Rolle der internationalen Entwicklungspolitik für die Entwicklung angesichts dreistelliger Milliardensummen an ausländischen Direktinvestitionen (FDI) an die Entwicklungsländer zunehmend marginalisiert, womit auch die Legitimation für die Entwicklungshilfeorganisationen schleichend schwindet. Die Chance besteht in der Hoffnung seitens der Entwicklungspolitik, durch neue Kooperationsformen mit der Privatwirtschaft ihren Anspruch einer sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Entwicklung besser, schneller und kostengünstiger verwirklichen zu können. Für diese öffentlich-privaten Partnerschaften (PPPs, Private Public Partnerships) im Rahmen der Entwicklungs-zusammenarbeit (EZ) hat die deutsche Entwicklungspolitik den Begriff „Entwicklungspartnerschaften“ geprägt.[182] Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung spricht seitens der Entwicklungspartnerschaften von einem Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik:
„ Es geht darum, strategische Partnerschaften für eine nachhaltige Entwicklung in unseren Partnerländern zu schaffen. Das ist ein Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik.“[183]
Dieses Konzept wird nicht nur seitens der deutschen Politik, sondern auch in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit anderer Länder und auf multinationaler Ebene, bei UN-Organisationen und internationalen Konferenzen seit Ende der 1980er Jahre berücksichtigt und verfolgt.
Der historische Wandel in der Entwicklungshilfe wird durch einen Schlagabtausch zwischen deutscher Politik und Wirtschaft deutlich.
Bei einer Veranstaltung im Mai 2001 sagte Franz Schoster, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) folgendes[184]:
„In den siebziger Jahren arbeitete die deutsche Entwicklungspolitik gegen den privaten Sektor, in den achtziger Jahren ignorierte sie ihn, seit Beginn der neunziger Jahre arbeitet sie mit ihm zusammen.“[185]
Daraufhin brachte Heidemarie Wieczorek-Zeul auf besagter Veranstaltung folgendes Statement entgegen:
„In den Siebzigern glaubten wir noch an den Staat, in den Achtzigern vertrauten wir nahezu ausschließlich auf die soziale Marktwirtschaft. Und in den Neunzigern haben wir erkannt, daß keine Seite allein mit den enormen Herausforderungen fertig werden kann.“[186]
Das neue Paradigma zieht eine Fülle von abgeleiteten Begriffen und Vorstellungen nach sich, wie zum Beispiel Vertrauen, Verantwortung, gemeinsame Interessen, Freiwilligkeit, Selbstverpflichtung, gegenseitiger Nutzen („win-win-Situationen“) und Synergieeffekte. Damit wird gleichzeitig eine neue politische Handlungsstrategie umrissen, der sich nicht nur öffentliche Institutionen, sondern auch Regierungen, multilaterale Organisationen und selbst die Vereinten Nationen (siehe „Global Impact“) zunehmend unterwerfen.[187]
Mit den Entwicklungspartnerschaften erfolgte ein Rückgriff auf die Modernisierungstheorien der fünfziger und sechziger Jahre, die der Privatwirtschaft, und dabei insbesondere den transnationalen Konzernen eine Funktion als Entwicklungshelfer zuschrieben. Die alte und unbewiesene Behauptung, daß Investitionen, freie Marktwirtschaft und Wirtschaftswachstum auch der Armutsbekämpfung dienen würden („trickle down“), wurde mit der neuen Ausrichtung der Entwicklungshilfe wiederbelebt. In den neunziger Jahren kam es zu dem Eingeständnis, daß staatliche Korrekturen und Regulierungsmaßnahmen notwendig sind, um etwaige Formen von Marktversagen auszugleichen und eine wirkliche Armutsminderung zu erreichen.
Der Staat, der bis dahin in vielen armen Ländern als Triebkraft von Entwicklung galt, soll sich jetzt auf seine neu definierten Kernaufgaben zurückbesinnen.
Sie bestehen einerseits aus der Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für mehr Markt, private Investitionen und globalen Handel. Zum anderen muß der Staat für ein ausreichendes Maß an Regulierung und Kontrolle sorgen, um zu gewährleisten, daß die wirtschaftliche Liberalisierung und die privaten Akteure auch soziale und ökologische Zielsetzungen erfüllen.
Mit dem neuen Paradigma werden auch komplementär immer mehr Leistungen, die früher als Staatsaufgaben betrachtet wurden, auf die Privatwirtschaft übertragen (Private Sector Participation, PSP), oder es werden PPPs eingegangen. Seit Anfang der Neunziger geraten dabei vermehrt der Infrastrukturbereich (Wasser, Abfallwirtschaft, Energie, Transport) und die Bereiche der Daseinsvorsorge (Gesundheit, Bildung), die vorher allesamt Schwerpunkte öffentlicher Investitionen waren, ins Zentrum privatwirtschaftlicher Aufmerksamkeit.
Mit dem neuen Konzept der Entwicklungspartnerschaften verknüpfte die Entwicklungspolitik auch die Hoffnung auf einen dreifachen Befreiungsschlag:
→ Einen Ausgleich für den eigenen Bedeutungsverlust angesichts der massiven Direktinvestitionen, durch die die Entwicklungshilfe ihre Legitimation als eine der Hauptkräfte von Entwicklung und ihre Rolle als Juniorpartner neben der Wirtschafts- und Außenpolitik weiter geschmälert sah.
→ Einen Ausgleich für den Rückgang öffentlicher Entwicklungsmittel, der auch die Existenz einzelner Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit und damit zahlreiche Arbeitsplätze bedrohte.
→ Größere Effizienz und Nachhaltigkeit durch eine Zusammenarbeit mit Privat-unternehmen, da die multilaterale und bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zunehmend als ineffizient und zu bürokratisch in die Kritik geraten war.
Hinter dem neuen Konzept für Entwicklungspartnerschaften stand seitens der Entwicklungspolitik zudem die Vorstellung, einen starken Einfluß auf die Privatwirtschaft zu nehmen und so die Investitionen in die von der Entwicklungszusammenarbeit bevorzugte Richtung lenken zu können.[188]
4.6.2) Die Erwartungen an Public Private Partnerships
Wie beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank wurde auch in der deutschen Entwicklungspolitik sowie in der internationalen Entwicklungszusammen-arbeit die Konzeption der Entwicklungspartnerschaften weitgehend „donor driven“, also von Seiten der Kapitalgeber entwickelt und umgesetzt. Die bisherigen Partner, also die Entwicklungsländer, sowie die nichtstaatlichen und kirchlichen Entwicklungshilfe-organisationen wurden anfangs nicht informiert, geschweige denn konsultiert. Den Fakten nach zu urteilen erfolgte die entwicklungspolitische Neuorientierung zunächst scheinbar auch weitgehend ohne eine Rücksprache mit dem künftigen Wunschpartner – der Privatwirtschaft.[189]
Inzwischen wird auf der Umsetzungsebene allerdings versucht, diese Abstimmung nachzuholen. So wurde beispielsweise für das PPP-Sektorvorhaben der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein Projektbeirat gebildet, an dem die öffentliche Seite, die Wirtschaft (Vertreter von AquaMundo, der DG Bank, den Stadtwerken Frankfurt und des BDI – des Bundesverbandes der Deutschen Industrie) und Wissenschaftler beteiligt sind. Jedoch wohnen immer noch keine Vertreter der Zivilgesellschaft oder aus den Partnerländern diesen Beiräten bei.[190]
Angesichts der sich verstärkenden Haushaltsprobleme der Industrieländer und der anwachsenden Direktinvestitionen privater Investoren in einigen Entwicklungsländern hatte der Wissenschaftliche Beirat beim BMZ empfohlen[191], „das BMZ von Aufgaben zu entlasten, die an leistungsfähigen, globalen Märkten von privaten Akteuren besser wahrgenommen werden könnten.“[192]
Der offizielle BMZ-Haushaltstitel „Förderung entwicklungswichtiger Beiträge der deutschen Wirtschaft und ihrer Einrichtungen“ wird explizit als Mittel definiert, die Investitionen auf ärmere Länder oder vernachlässigte Bereiche auszurichten, an denen die ausländischen Direktinvestitionen vorbeigehen, und damit Ziele wie Armutsbekämpfung und Umweltschutz zu erreichen. Die BMZ-Ministerin, Frau Wieczorek-Zeul, bekräftigte im März 2003 in Berlin die Auffassung, daß die UN-Millenniumsziele nur in einer engen Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu erreichen seien.
So seien nur private Unternehmen in der Lage, die hohen Investitionen aufzubringen, die zum Beispiel für das UN-Millenniums-Teilziel notwendig wären, bis zum Jahr 2015 die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sicherem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen zu halbieren. Die Kooperation der Partner soll Synergieeffekte und „win-win-Situationen“ mit Vorteilen für beide Akteure – Marktzugang und Profit für die beteiligten Unternehmen und entwicklungspolitischer Mehrwert für die Entwicklungshilfe – schaffen. Unter anderem wird sich davon seitens des Staates oder der Entwicklungspolitik eine Entlastung von den Aufgaben versprochen, die auch privatwirtschaftlich gelöst werden können.
Laut BMZ sollen PPPs nicht nur effizienter, schneller und billiger sein als rein staatliche Entwicklungsprojekte, durch die Kooperation soll auch ein Muiltiplikatoreffekt der eingesetzten Mittel der Entwicklungszusammenarbeit erreicht werden, sodaß diese eine größere Wirkung bei der Armutsbekämpfung erzielen können.[193] Laut Foerster/Wolff können PPPs die Effizienz, Wirksamkeit, Signifikanz und Nachhaltigkeit der EZ für die Entwicklungsländer deutlich erhöhen, womit „Projektruinen“ und „Weiße Elefanten“, die den Weg der Entwicklungszusammenarbeit seit ihren Ursprüngen markieren, verhindert werden könnten.[194]
Diese prognostizierte, entwicklungspolitische Positivwirkung von PPPs ändert aber nichts an der Tatsache, daß es sich bei Public Private Partnerships im Sinne von Synergieeffekten oder „win-win-Situationen“ auch um ein Instrument der heimischen Standortpolitik und Wirtschaftsförderung handelt.[195]
So erklärte beispielsweise Uschi Eid, Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, beim Dialogforum „Wasserwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit“ Anfang 2000 in Bonn, daß die „Entwicklungspartnerschaften“ nicht nur der Bestimmung entsprungen seien, „[…] im Sinne unserer Partner in Entwicklungsländern die deutsche Wasserwirtschaft – Betreiber, Lieferanten und Anlagenbauer, Consultants und Finanziers – stärker“ zu nutzen. Die Bundesregierung sei gleichermaßen interessiert an „einer leistungsfähigen deutschen Wasserwirtschaft […], die auch eine starke Rolle spielt auf dem Weltmarkt, der erheblich an Bedeutung gewinnt.“[196]
Hans-Dietrich Pallmann von der GTZ fügte an, daß PPP-Projekte deutschen Unternehmen folgendes böten:
„Zugang zu ausländischen Märkten; unterstützen sie bei der Einführung und Vermarktung innovativer Technologien […] und leisten Beiträge für bessere Rahmenbedingungen, die privatwirtschaftliche Investitionen fördern und sichern.“[197]
4.6.3) Der Privatisierungsschub durch IWF und Weltbank
In vielen Ländern und Regionen der Welt stoßen Privatisierungsvorstöße im Wassersektor auf heftigen Widerstand von Verbrauchern, Gewerkschaften und Parteien. In vielen Staaten und Ländern dieser Welt ist die Daseinsvorsorge in staatlicher oder kommunaler Hand. Wasser wird quasi als freies Gut angesehen, dessen Privatisierung ein absolutes Tabu darstellt. Die Wasserversorgung gilt sogar als Kernbereich öffentlicher Aufgaben. Aus politischen und wirtschaftlichen Aspekten heraus ist die Wasserversorgung vielerorts stark subventioniert. Aus diesen Gründen sind für den Markteintritt der multinationalen Großunternehmen – gerade in den Entwicklungsländern – tiefgreifende Strukturreformen nötig.
Bereiter und Antreiber dieser Reformen in den Entwicklungsländern sind der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Seit Anfang der Neunziger treiben sie mit ihrer Strukturanpassungspolitik verstärkt auch die Privatisierung des Wassersektors in diesen Ländern voran. Ihre Argumentation und Vorgehensweise hat die deutsche Entwicklungspolitik (als einer der weltweiten Vorreiter der Entwicklungshilfe) inzwischen auch übernommen und als das Konzept der Entwicklungspartnerschaft zum Schwerpunkt ihrer Entwicklungszusammenarbeit erklärt:
Schritt I
Die Versorgungskrise in vielen Entwicklungsländern ist der Ausgangspunkt für eine grundlegende Problemdefinition im jeweiligen Land. Wie in Punkt 3.4.2) dieser Arbeit beschrieben, haben trotz hoher Investitionen immer noch etwa 1,2 Milliarden Menschen auf der Welt keinen sicheren Trinkwasserzugang – mehr als die doppelte Menge an Menschen haben keine ausreichenden sanitären Einrichtungen. Um dieser existentiellen Krise beizukommen, sind nach den Berechnungen und der Weltwasservision Investitionen in Höhe von 180 Milliarden US-Dollar jährlich bis zum Jahr 2025 erforderlich [Punkt 4.5) dieser Analyse].
Schritt II
Die Entwicklungszusammenarbeit stellt unwiderruflich klar, daß es keine Alternative zu den Geldern aus der Privatwirtschaft gibt, weil die armen Regierungen, Städte und Gemeinden die hohe Summe an erforderlichen Investitionen nicht aufbringen können. Zudem würden Privatinvestoren neues technisches Know-how und ein besseres Management als das der öffentlichen Versorgungsunternehmen einbringen. Letztere werden pauschal als ineffizient, korrupt und als zu bürokratisch eingestuft.
Laut den Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit ist die Behandlung des Wassers als Wirtschaftsgut und Handelsware die Grundvoraussetzung für private Investitionen. Demzufolge müsse sich der Wasserpreis nach den Investitionskosten richten und die Versorgung so reorganisiert werden, daß sie für die beteiligten Unternehmen rentabel und gewinnbringend wird.
Schritt III
Widerstrebende Regierungen werden durch politischen Druck und Dialog dazu veranlaßt, attraktive Rahmenbedingungen für die zumeist ausländische Privatwirtschaft zu schaffen und öffentliche Versorgungsunternehmen zu privatisieren. Nur unter dieser Voraussetzung bekommen sie die für ihre Entwicklung dringend benötigten, zinsgünstigen Kredite von den multilateralen Finanzinstitutionen wie der Weltbank oder von nationalen Entwicklungsbanken wie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die im Auftrag des deutschen Entwicklungshilfeministeriums BMZ die Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit abwickelt.
Schritt IV
Entwicklungspolitik und die in der Entwicklungszusammenarbeit involvierten Finanzinstitutionen helfen den investitionswilligen Großunternehmen dabei, die mit einer Investition verbundenen wirtschaftlichen Risiken zu verringern. Marode Staatsunternehmen werden entschuldet, reorganisiert und personell rationalisiert, damit sie attraktiver für die Privatwirtschaft werden. Zudem stellt die Entwicklungshilfe zinsgünstige Kredite bereit, finanziert Marktanalysen und sichert die Investoren gegen politische Risiken und Zahlungsunfähigkeit von Entwicklungspartnern wie etwa Regierungen und Städten ab.
Die meisten Entwicklungsländer sind inzwischen in den Privatisierungssog geraten, weil sie als hoch verschuldete Kreditnehmer über wenig Spielraum verfügen, sich den Forderungen von IWF oder Weltbank zu widersetzen. Die öffentliche Armut, in die die Staats- und Kommunalhaushalte durch globale Finanzkrisen, Schuldendienst und den deutlichen Rückgang der öffentlichen Entwicklungshilfegelder geraten sind, treibt die Privatisierung zusätzlich voran. Viele Regierungen und Stadtverwaltungen sind somit zur Privatisierung gezwungen und überlassen ihre teilweise effizienten und für sie wertvollen Versorgungsunternehmen gewinnorientierten Privatversorgern.[198]
4.7) Der Wassermarkt
4.7.1) Der Washington Consensus als internationale Handelsdoktrin
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich der Washington Consensus als Doktrin für den internationalen Handel und dessen Förderung durchgesetzt. Sein Ideal ist eine einzige und einheitliche Weltwirtschaft im Sinne des internationalen Wettbewerbs. Diesem Paradigma folgend gilt es in erster Linie, Waren und Dienstleistungen für den Export und nicht für die heimischen Märkte und die regionale Entwicklung zu produzieren. Um international so wettbewerbsfähig wie möglich zu sein, bemühen sich die Regierungen sämtlicher Länder darum, alle Barrieren abzubauen, die den freien Fluß von Kapital, Waren und Dienstleistungen hemmen könnten. Dazu zählen unter anderem auch Umweltschutz-regelungen, die natürliche Ressourcen wie zum Beispiel das Wasser schützen sollen.
Diese Handelspolitik sorgte dafür, daß die weltweiten Investitionen und das weltweite Handelsvolumen in den letzten drei Jahrzehnten explosionsartig angewachsen sind.[199] Laut dem World Investment Report der Vereinten Nationen haben sich die ausländischen Direktinvestitionen durch multinationale Unternehmen in die Entwicklungsländer zwischen 1970 und 1992 verzwölffacht.[200] In den nachfolgenden fünf Jahren bis 1997 haben sich die FDIs wiederum verdreifacht und sind auf 149 Milliarden US-Dollar von weltweit insgesamt 400 Milliarden US-Dollar an ausländischen Direktinvestitionen angestiegen. Der damit einhergehende Druck, weltweit durch Importe und gleichzeitige Exportproduktion die Märkte zu öffnen, hat zu einem enormen Anwachsen des Welthandels geführt. So ist Berichten des World Economic Outlook zufolge der Welthandel von 1950 bis 1997 von rund 380 Milliarden US-Dollar auf 5,86 Billionen US-Dollar gestiegen. Innerhalb eines halben Jahrhunderts fand somit eine Steigerung um das etwa Fünfzehnfache statt.
Durch den Zwang zur hohen Exportproduktion mehren und verschlimmern sich die globalen Umweltschädigungen. So zeigen sich bei der in den Entwicklungsländern sehr stark ausgeprägten Landwirtschaft schwere ökologische Schäden, wie Bodenerosion, Absenkung des Grundwasserspiegels und chemische Verseuchung.[201]
Außerdem führt der Exportzwang zu einer Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in den Anbauländern der Exportprodukte.
So exportiert Botswana seine Diamanten zu 100 Prozent, Burundi seinen Kaffee zu 99 Prozent, Costa Rica seine Bananen zu 93 Prozent, Burkina Faso seine Baumwolle zu 83 Prozent Malawi seinen Tabak zu 71 Prozent, Malaysia sein Holz zu 50 Prozent und Island seinen Fisch auch um die Hälfte des Gesamtvorkommens. Der bereits in Punkt 3.3) dieser Arbeit beschriebene Abbau von Umweltschutznormen seitens der Industriestaaten und Entwicklungsländern findet ausschließlich statt, um sich Wettbewerbsvorteile auf dem umkämpften Weltmarkt zu verschaffen.[202]
4.7.2) Das Potential des globalen Marktes für Wasserversorgung
Nach dem Kursverfall der Technologie-Aktien machte das amerikanische Wirtschaftsmagazin Fortune das Wassergeschäft als gewinnträchtigste Geldanlage aus[203]: „ Wasser verspricht im 21. Jahrhundert die Bedeutung zu erlangen, die das Öl im 20. Jahrhundert besaß: Die wertvolle Ware, die über den Wohlstand ganzer Nationen entscheidet.“[204] Diese Prophezeiung ist sicherlich keine Überraschung, denn die Versorgung der Bevölkerung und Industrie gilt bereits jetzt als ein Geschäft mit einem Jahresvolumen von weltweit 400 Milliarden US-Dollar. Berücksichtigt man dabei, daß sich der Wassermarkt noch am Anfang seiner Entwicklung befindet, wird einem schnell klar, was dieser Industriezweig im Vergleich zu anderen, bereits etablierten Bereichen der Weltwirtschaft für ein Potential hat.[205] Nach Berechnungen des Fortune Magazines liegt der Jahresumsatz der Wasserindustrie schon bei fast 40 Prozent des Ölsektors und übertrifft den der Pharmazieindustrie bereits um ein Drittel.[206]
Industrieanalysen räumen der Wasserindustrie kurzfristig noch bedeutend höhere Zuwächse ein. Prognostizierte die Weltbank dem Wassersektor im Jahr 1998 noch ein künftiges Gesamtvolumen von 800 Milliarden US-Dollar, korrigierte sich die Entwicklungsbank im Jahr 2001 auf einen Wert von einer Billion US-Dollar. Diese fantastischen Wachstums-prognosen muß man als vorsichtige Schätzungen begreifen – bedenkt man, daß derzeit erst fünf Prozent der Weltbevölkerung von kommerziell ausgerichteten Privatunternehmen mit Wasser versorgt werden. An dieser scheinbar geringen Zahl läßt sich aber auch ablesen, daß der globale Wassermarkt über ein enormes Wachstumspotential verfügt, der bei gleichbleibender Entwicklung rasch zu einem billionenschweren Zukunftsmarkt werden kann.[207] Nach vorsichtigen Schätzungen der Fortune würde der Warenwert von Wasser enorm in die Höhe schießen, wenn der Wassersektor um zehn Prozent pro Jahr wachsen würde.[208]
Mächtige Großkonzerne wie der Biotech-Gigant Monsanto haben den lukrativen Wassermarkt bereits fest im Visier.
Das Unternehmen befaßt sich seit längerem mit entsprechenden Investitionsplanungen und versucht, sich möglichst viele Fördermittel der verschiedenen Entwicklungsagenturen zu sichern.[209]
In einer unveröffentlichten Monsanto-Studie heißt es bereits im Jahr 1991:
„Erstens glauben wir, daß insbesondere im Bereich Wasser Entwicklungsbrüche wahrscheinlich sind (entweder in der Ausrichtung staatlicher Wasserpolitik oder hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Quantität und Qualität der Ressource). Für diesen Fall werden wir uns entsprechend positionieren, um auf diesen Geschäftsfeldern signifikante Gewinne zu erwirtschaften. Zweitens erkunden wir das Potential an unkonventionellen Finanzierungsmöglichkeiten (NGOs, Weltbank, USAID, usw.), die unsere Investitionskosten senken oder in den jeweiligen Ländern geschäftsbildende Ressourcen freisetzen könnten.“[210]
Die Politik der Weltbank, notwendige Darlehen an arme Länder nur unter der Bedingung der Privatisierung von Wasserressourcen zu vergeben, kommt Monsanto sehr zupaß. Die Gespräche über eine zukünftige Zusammenarbeit haben bereits begonnen. „Vor allem das Potential an Partnerschaftsabkommen mit der International Finance Corporation (IFC) der Weltbank“ wird von Monsanto begeistert zur Kenntnis genommen. Die IFC wird den Erwartungen des Konzerns zufolge „unsere Anstrengungen sowohl mit Investitionskapital als auch mit länderspezifischem Know-how unterstützen.“[211]
Eigenen Marktschätzungen zufolge schreibt Monsanto dem Wassermarkt ein Potential von mehreren Milliarden US-Dollar zu. Allein in Indien und Mexiko belief sich im Jahr 2000 das Geschäft mit der Trinkwasserversorgung auf rund 300 Millionen US-Dollar. Diesen Betrag bringen Nichtregierungsorganisationen gegenwärtig für Wasserentwicklungs- und kommunale Wasserversorgungsprojekte auf. Monsanto erhofft sich, diesen öffentlichen Finanzierungspool anzuzapfen, um die ländlichen Gemeinden mit Wasser zu versorgen.[212]
In Gebieten, in denen die Armen nicht für die Wasserversorgung aufkommen können, will das Unternehmen „unkonventionelle Verfahren anwenden, zum Beispiel die Zusammenarbeit mit der örtlichen Regierung und mit Nichtregierungsorganisationen, aber auch innovative Finanzierungsmechanismen wie den Mikrokredit.“[213]
4.7.3) Internationale Großkonzerne im Wassermarkt
Seit Beginn der 1990er Jahre strebten einige wenige Wasserkonzerne auf den globalen Wassermarkt. Mittlerweile sind die beiden französischen Energiekonzerne Veolia (früher Vivendi) und Suez, die durch ihre Wasserunternehmen Veolia Water beziehungsweise Ondeo weltweit zusammen über 200 Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgen, die unangefochtenen Weltmarktführer. Dahinter folgt der deutsche Energiekonzern RWE mit seiner britischen Tochtergesellschaft Thames Water, die über 70 Millionen Kunden auf der Welt versorgt. Alle drei Konzerne finden sich auf der jährlich veröffentlichten Liste des amerikanischen Wirtschaftsmagazins Fortune in der Liste der „Global 500“, also der 500 größten Konzerne der Welt wieder.[214]
Die folgende Tabelle zeigt die Weltspitze der global operierenden Wasserkonzerne[215]:
Tabelle 6: Die größten Wasserkonzerne der Welt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Es ist kein Zufall, daß nahezu alle großen Wasserkonzerne ihren Sitz in England oder in Frankreich haben. Hintergrund dieser Dominanz ist die Struktur der Wasserversorgung in diesen beiden Ländern. Unter der Regierung Thatcher wurden im Jahr 1989 alle neun Wasserversorgungsgesellschaften Großbritanniens privatisiert. In Frankreich sind private Wasserversorger bereits seit dem 19. Jahrhundert zugelassen. Diese beliefern heute etwa 80 Prozent der Haushalte. In Deutschland beherrschen noch rund 6.000 kommunale Unternehmen den Wassersektor. Doch auch hier setzt sich der Trend zu Fusionen und zur Privatisierung vermehrt und rapide durch.
Die in Deutschland bereits vollzogene Liberalisierung der Energieversorgung ermöglichte es RWE, sich neben den Franzosen und Briten auf dem internationalen Wassermarkt zu positionieren. Nach der Strommarktliberalisierung stieg RWE wirtschaftlich auf und kaufte im Jahr 2000 den britischen Marktführer Thames Water auf, wodurch man Anschluß an die Spitze des weltweiten Wassermarktes fand.[216] Mittlerweile sind gerade einmal knapp zehn globale Unternehmen im internationalen Wassersektor aktiv.[217] Einige dieser großen Wasserkonzerne verstehen sich als sogenannte Multi-Utility-Konzerne. Das bedeutet, daß sie neben der Wassersparte auch in anderen Versorgungsbereichen, wie zum Beispiel der Energieversorgung, der Abwasser- und Abfallentsorgung sowie im Bereich Verkehrs-dienstleistungen tätig sind.[218] Die beiden größten Wasserunternehmen werden im folgenden in einem Kurzportrait vorgestellt.
a) Suez/Ondeo
Im Jahr 1880 entstand das Unternehmen Lyonnaise des Eaux als Wasserversorgungsunternehmen für die französische Stadt Lyon. Die Aktivitäten dieses Betriebs dehnten sich in den 1980er und 1990er Jahren im Inland und global so rasch aus, daß Lyonnaise des Eaux zu einem der führenden Anbieter von Dienstleistungen im Wasserversorgungsbereich wurde. Im Jahr 1997 kam es zur Fusion mit dem Finanz- und Industriekonzern Compagnie de Suez, der ursprünglich 1858 für den Bau des Suez-Kanals gegründet wurde. Weltweit ist der Konzern unter seinem neuen Namen Suez einer der weltweit führenden Anbieter im Energie- und Umweltbereich. Ein weiterer Unternehmenszweig kümmert sich um die Abfallentsorgung. Die Wasseraktivitäten des Unternehmens sind im Unternehmensbereich Ondeo zusammengefaßt. Im Jahr 2001 erzielte Suez einen Konzernumsatz von 42,4 Milliarden Euro, wovon 10,09 Milliarden Euro auf den Wasserbereich entfielen. Der operative Gewinn des Jahres 2001 belief sich auf 4.06 Milliarden Euro – ein etwas höheres Ergebnis als im Vorjahr. 190.000 Beschäftigte arbeiten bei Suez – mehr als die Hälfte davon im Bereich der Umweltdienstleistungen.
Ondeo ist in allen Regionen der Welt tätig. Die Tätigkeiten belaufen sich auf den Bau von Wasseraufbereitungs- und Abwassersystemen und die Übernahme des Managements lokaler Wasserbetriebe.
Im Gegensatz zum Konkurrenten Vivendi[219] hat sich Suez fast ausschließlich auf die Bereiche Energie, Wasser und Abfall konzentriert. Nur im kleinen Umfang hat der Konzern in den Kommunikationsbereich investiert. Seit 1997 weist Suez ein jährliches Wachstum von circa 25 Prozent auf. Dieses stetige und enorme Wachstum wurde durch eine Gesamtverschuldung von etwa 33 Milliarden Euro ermöglicht. Im Gegensatz zu Vivendi schaffte es Suez, mit diesem Kapitaleinsatz einen Konzern aufzubauen, in dem die Aktivitäten der einzelnen Bereiche aufeinander abgestimmt sind, was sich auch an Ondeo zeigt. Dank eigener Investitionen und weltweiter Unternehmensaufkäufe kann Ondeo eine große Palette an Wasserdienstleistungen anbieten.
Ondeo versorgt weltweit über 115 Millionen Menschen mit Wasser und zählt 60.000 industrielle Kunden. Zudem errichtete der Versorger rund um den Globus 10.000 Wasseraufbereitungsanlagen. Gerne erwähnen Ondeo und Suez ihre humanitären Aktivitäten zur Verbesserung der Wasserversorgung von Menschen in Notsituationen. Dabei spielen bei Suez insgesamt gesehen Aktivitäten in armen Ländern gegenwärtig eine marginale Rolle. Afrika und der Mittlere Osten tragen lediglich etwa zwei Prozent zum Konzernumsatz bei, Asien und Ozeanien nur circa fünf Prozent. Asien stellt dabei allerdings einen starken Wachstumsmarkt für Suez dar.
Die Ergebnisse der Suez-Dienstleistungen im armen Süden der Welt sind unter Experten höchst umstritten. Streitbare Aspekte sind hierbei der tatsächliche Umfang der Verbesserungen, die Preisentwicklung, der Einsatz von Entwicklungshilfegeldern für Vorhaben, den der Konzern als Eigenleistung deklariert und die Umstände, unter denen Verträge ausgehandelt werden. Suez/Ondeo ist ein Beispiel dafür, wie ein modern geführtes Unternehmen zielstrebig den Weltmarkt erobert und dabei weiß, wie wichtig imagefördernde humanitäre Aktivitäten sind. Mit seiner Marktmacht und gebündelter Kompetenz entscheidet Suez/Ondeo immer mehr Privatisierungsvorhaben für sich.
Im Jahr 2002 wurde bekannt, daß das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, die nicht zuletzt durch die massive Expansionspolitik verursacht wurden. Im März 2003 verkaufte der Konzern zahlreiche Beteiligungen, um die Verschuldung in Höhe von 27 Milliarden Euro abzubauen. Diese Finanzprobleme wirken sich auch stark auf Ondeo aus. Erschwerend hinzu kommt hierbei, daß Suez in zwei großen Privatisierungsprojekten mit schweren Rückschlägen zu kämpfen hat. In Buenos Aires/Argentinien wirkt sich die Wirtschaftskrise deutlich auf das Wassergeschäft aus und läßt dadurch hohe Verluste entstehen.
Nach massiven Protesten und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zog sich Suez/Ondeo komplett aus der Wasserversorgung der philippinischen Hauptstadt Manila zurück.
Das Unternehmen hat sich inzwischen dazu entschieden, sein Wasser-Engagement in den Entwicklungsländern um ein Drittel zu reduzieren. Wie die Konkurrenzbetriebe will sich Suez nur an Privatisierungsprozessen beteiligen, wenn die Risiken überschaubar sind. Das Unternehmen hat wie auch viele andere realisiert, daß sich aus der Wasserversorgung armer Bevölkerungsgruppen heraus keine Gewinne erzielen lassen. Die Botschaft des Großkonzerns wie auch anderer Hauptakteure im internationalen Wassergeschäft lautet, daß sich das Konzept der Privatisierung der Wasserversorgung in Entwicklungsländern ohne massive Entwicklungshilfegelder nicht verwirklichen läßt.[220]
b) Vivendi/Veolia
In den letzten Jahren ist wohl kein internationales Wasserunternehmen so häufig in die Schlagzeilen der Fachpresse geraten wie Vivendi, was allerdings nur selten mit Vivendis Wassersparte zu tun hatte. Vivendi ist aus dem 1853 gegründeten Wasserkonzern Compagnie Générale des Eaux entstanden. In den letzten Jahrzehnten expandierte das Unternehmen immer stärker in andere Geschäftsbereiche, sodaß Mitte der 1990er Jahre über 3.000 Gesellschaften zur Unternehmensgruppe gehörten. Als Jean-Marie Messier 1996 den Firmenvorsitz übernahm, beschloß er, sich auf den Medienbereich und in zweiter Linie auf Umweltdienstleistungen wie die Wasserversorgung zu konzentrieren, die er als äußerst lukrativ ansah. In der Folge verkaufte Vivendi viele Tochterunternehmen, Die Erlöse wurden für den Erwerb von Medienunternehmen eingesetzt.
Bald reichte das Firmenkapital für die globalen Expansionspläne nicht mehr aus, weswegen Vivendi hohe Kredite für weitere Akquisitionen aufnehmen mußte. Messier wollte von der Filmproduktion bis hin zu den Fernsehsendern alle Bereiche in einer Unternehmensgruppe vereinen, um so Synergieeffekte zu erzielen. So sollten zum Beispiel die Filme der eigenen Produktionsfirmen über firmeneigene Fernsehsender ausgestrahlt werden. Dafür erwarb Vivendi unter anderem für 30 Milliarden US-Dollar den kanadischen Seagram Konzern, der seinerseits Besitzer des großen Filmunternehmens Universal Pictures in Hollywood war. Mit solchen Zukäufen stieg Vivendi innerhalb von kurzer Zeit zum zweitgrößten Medienkonzern der Welt auf. Für Vivendi arbeiteten zeitweise bis zu 380.000 Arbeiter auf der ganzen Welt.
Die Umweltdienstleistungen wurden in der Konzerntochter Vivendi Environnement vereint. Der Wasserbereich stand dabei im Mittelpunkt des Firmeninteresses.
Grund dafür war das im Sinne der massiven Expansionspolitik reichhaltiger vorhandene Anlagevermögen in dieser Sparte.[221] Spätere Überprüfungen ergaben, daß der Firmenchef etwa 19 Milliarden Euro in diesem Bereich geparkt hatte.[222] Im Laufe der Zeit erreichte der vielseitige Konzern einen Schuldenstand von rund 35 Milliarden Euro. Problematisch waren hierbei die zeitgleich hohen Verluste durch die Pay-TV-Programme, wie vor allem die des französischen Canal Plus. Auch kam es nicht zu den erhofften raschen Gewinnen im UMTS-Geschäft. Dies hatte in der Summe zum Ergebnis, daß die Kreditgeber nicht mehr dazu bereit waren, die riskanten Geschäfte Jean-Marie Messiers zu finanzieren.
Im Sommer 2002 trat Messier gezwungenermaßen zurück. Seine Nachfolger mußten viele verlustreiche Firmenbereiche wieder abstoßen. Der damalige Konzernchef Messier hätte den Bereich der Wasserversorgung gerne schon frühzeitig verkauft. Allerdings hatte sich der französische Präsident Jacques Chirac beim Bekanntwerden der Verkaufspläne persönlich eingeschaltet und davor gewarnt, einen so zentralen Bereich wie die französische Wasserversorgung ausländischen Investoren zuzuspielen. Auch angesichts der massiven Finanzkrise von Vivendi im Jahr 2002 bekräftigte die französische Regierung, daß ein Verkauf der Vivendi-Wassersparte an ausländische Unternehmen ausgeschlossen sei. Vor allem ein Aufkauf durch die deutschen Energieriesen EON und RWE wurde damit blockiert. Im November 2002 fand sich schließlich ein französisches Konsortium (Veolia), das bereit dazu war, die entsprechenden Anteile von Vivendi Environnement zu einem verhältnismäßig günstigen Kurs zu übernehmen. Bis zum Jahr 2004 hatte der Mutterkonzern alle Anteile an den neuen Eigentümer abgestoßen.
Bemerkenswert an diesem Vorgang ist, daß Vivendi vor allem zur Nummer Eins auf dem globalen Markt geworden ist, weil der Konzern die Wasserversorgung in vielen Weltregionen übernahm und dabei auf die dortigen nationalen Interessen an einer Kontrolle der eigenen Wasserressourcen keine Rücksicht genommen hat. Der Einfluß der französischen Politik hatte für Vivendi vor allem in den früheren französischen Kolonien in Afrika eine zentrale Bedeutung – denn es sind bis heute zahlreiche afrikanische Regierungen von Paris abhängig. Zunächst konnte der Konzern in den frankophonen Staaten Fuß fassen. Inzwischen ist Vivendi in allen Teilen Afrikas präsent – so in Burkina Faso, dem Tschad, in Gabun und in Guinea und Niger.
Insgesamt ist der französische Wasserversorger in über 100 Ländern dieser Welt auf dem Gebiet der Wasserver- und Abwasserentsorgung tätig, versorgt um die 110 Millionen Menschen und verfügt in diesem Unternehmensbereich über mehr als 70.000 Beschäftigte. Von einem Gesamtumsatz von 29,1 Milliarden Euro im Jahr 2001 entfielen 13,6 Milliarden Euro auf die Wassersparte. Davon wurden 45 Prozent in Frankreich und 55 Prozent im internationalen Geschäft erwirtschaftet. Vom Gesamtumsatz des Unternehmens entfällt der weitaus größte Teil, wie auch beim Konkurrenten Suez/Ondeo, auf Frankreich, das übrige Europa und die USA. Lediglich 6,5 Prozent Umsatz werden in anderen Teilen der Welt erzielt. Vivendi besitzt auch Beteiligungen an deutschen Wasserwerken, wobei die gemeinsame Übernahme der Berliner Wasserwerke mit RWE die größte Errungenschaft darstellt. Vivendi hält aber auch über seine private Eisenbahngesellschaft Connex, die Plattenfirma Universal und dem Filmstudio Babelsberg in Berlin Firmenanteile auf dem deutschen Markt.
Der Weltkonzern mußte für seinen Erfolg aber auch Politiker in vielen Teilen der Welt bestechen. So wurde der französische Staatssekretär Jean-Michael Bocheron im Jahr 1997 wegen der Annahme von Bestechungsgeldern zu zwei Jahren Haft verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, daß er für fiktive Leistungen einen höheren Geldbetrag von Vivendi angenommen und im Gegenzug dafür gesorgt hatte, daß das Unternehmen den Auftrag erhielt, die Wasserversorgung von Angoulême/Frankreich zu übernehmen. In einem anderen Fall wurde ein Vivendi-Manager in Mailand wegen Politikerbestechung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Auch auf der Insel Réunion im Indischen Ozean wurde bereits ein Bestechungsfall publik.
Die Loslösung des Wasserbereichs ist sicherlich von Vorteil für Vivendis weitere Entwicklung. Allerdings bleibt abzuwarten, in wieweit das Management durch die hohen Schulden in seinem Handlungsspielraum beschränkt wird. Der Verkauf des Wasserbereichs ist ebenso ein Vorteil für die circa 110 Millionen weltweiten Kunden Vivendis, da diese dadurch zunächst einmal von riskanten und oftmals auch undurchsichtigen Finanz-spekulationen des Unternehmens befreit wurden. Inwiefern Sie die weiterhin hohen Konzernschulden mit ausgleichen müssen, bleibt abzuwarten.[223]
4.8) Die Rolle des General Agreement on Trade in Services (GATS) in der Wassermarktliberalisierung
4.8.1) Entstehung und Ziel des GATS
Das General Agreement on Trade in Services ist ein Vertrag von inzwischen mehr als 140 Ländern, die in der Welthandelsorganisation WTO zusammenarbeiten. Diese (und zeitgleich auch das GATS-Abkommen[224] ) wurde 1995 gegründet, um den Welthandel zu fördern, Handelsbarrieren abzubauen und vor allem eine Liberalisierung der Handelsbeziehungen voranzutreiben. Die WTO knüpft mit dem GATS an die GATT (General Agreement on Tariffs and Trade)-Vereinbarungen an, die 1948 entstanden sind, um den weltweiten Freihandel zu fördern. Die GATT-Verhandlungen waren fokussiert auf die Liberalisierung des Warenhandels durch den Abbau von Zöllen und Abgaben. In der letzten von acht mehrjährigen Verhandlungsrunden („Uruguay-Runde“, 1986 in Montevideo/Uruguay begonnen) ging es zum ersten Mal um die Frage der Dienstleistungen. Im Rahmen dieser Runde wurde die spätere Gründung der WTO vereinbart.
Mit der Gründung der WTO ging der Abschluß des GATS-Vertrages einher, der am 01.01.1995 in Kraft trat und von vornherein auf weiter voranschreitende Liberalisierungen ausgerichtet war.[225]
Hauptziel des seit 1995 rechtsgültigen GATS-Vertrages ist die größtmögliche Liberalisierung sämtlicher Dienstleistungsmärkte. Durch die Vereinbarung regelmäßiger Verhandlungsrunden soll dieses Ziel schnellst- und bestmöglich erreicht werden. Die gegenwärtige GATS-Runde wurde im Jahr 2000 begonnen und soll im Mai 2005[226] – dem angestrebten Ende der neuen Welthandelsrunde der WTO – abgeschlossen sein.[227]
Über die gegenwärtige Phase des GATS-Prozesses wird verstärkt seit der WTO-Ministerkonferenz vom November 2001 in Doha/Katar beraten. In der Doha-Erklärung wurde festgeschrieben, daß die einzelnen GATS-Mitgliedsstaaten bis zum 30. Juni 2002 formulieren sollten, welche Liberalisierungserwartungen sie an andere Staaten haben. Bis zum 31. März 2003 sollen die betroffenen Länder ihrerseits Angebote machen, zu welchen Dienstleistungsliberalisierungen sie bereit sind. Auf der Grundlage der beiden erstellten Listen sollen dann rege Verhandlungen beginnen.
Ausgenommen von diesen Verhandlungen sind lediglich der Luftverkehrssektor und die Aufgaben, die zu den hoheitlichen Aufgaben des Staates gehören – wobei dieser Punkt höchst strittig ist, da es sich hierbei um eine reine Auslegungssache handelt.[228]
Bis auf die beiden genannten Bereiche ist grundsätzlich kein Dienstleistungssektor vom GATS ausgeschlossen, sodaß die GATS-Klassifikation bereits heute etwa 160 Dienstleistungssektoren umfaßt. Darunter sind zentrale Sektoren der Daseinsvorsorge wie Post und Telekommunikation, Banken und Versicherungen, medizinische und soziale Dienste, Tourismus und Transport, Handel und Bauwesen, Abwasserreinigung und Müllentsorgung sowie Bildung und Kultur. Alle Bereiche sollen den WTO-Prinzipien des freien Marktzugangs und der Gleichbehandlung in- und ausländischer sowie öffentlicher und privater Anbieter unterworfen werden.[229]
Dabei ist das GATS nicht nur ein Handelsabkommen, sondern in seinem Kern auch Investitionsschutzvertrag. In Artikel I des GATS werden vier Arten („modes“) des Dienstleistungshandels beschrieben: die grenzüberschreitende Lieferung, der Konsum im Ausland, die kommerzielle Präsenz (wie zum Beispiel ausländische Unternehmens-niederlassungen) und die temporäre Arbeitskräftemigration. Hierbei bietet vor allem die kommerzielle Präsenz einen Schutz der Interessen ausländischer Investoren.
Durch GATS sollen innerstaatlichen Regulierungen verbindliche Rahmenrichtlinien auferlegt werden. So schreibt der Artikel VI des Abkommens die Entwicklung verbindlicher Disziplinen für die staatliche Gesetzgebung und die Regulierung sämtlicher Dienstleistungsmärkte vor. Diese Disziplinen erstrecken sich auf Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsrichtlinien, Normen und Standards auf der nationalen und der regionalen sowie kommunalen Ebene.
Eine durch die WTO permanent eingesetzte „Arbeitsgruppe zur innerstaatlichen Regulierung“ entwickelt gegenwärtig einen sogenannten „Notwendigkeitstest“, der beurteilen soll, ob eine staatliche Aufgabe überhaupt notwendig ist, oder ob sie nicht durch eine weniger handelsbeschränkende Maßnahme substituiert werden kann.[230]
4.8.2) Umfang und Bedeutung des weltweiten Dienstleistungshandels
Der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr hat im letzten Jahrzehnt rasch und stetig zugenommen und erreichte im Jahr 2001 einen Wert von 1,485 Billionen US-Dollar. Der Anteil des Güterhandels war mit 5,948 Billionen US-Dollar noch deutlich darüber.[231]
Obwohl der Handel mit Dienstleistungen laut WTO gerade einmal 20 Prozent des Welthandels ausmacht, stellt er einen zentralen Bereich der WTO-Liberalisierungsabsichten dar. Die Ursache dafür liegt naheliegenderweise darin begründet, daß in vielen wohlhabenden Industrieländern mehr als zwei Drittel des Bruttosozialprodukts auf diesen Bereich entfallen. Große und mächtige Dienstleistungskonzerne versprechen sich somit ein großes Geschäftspotential durch eine größtmögliche globale Liberalisierung dieses Sektors.[232] Da alleine die Europäische Union (EU) einen Anteil von 26 Prozent am weltweiten Handel mit Dienstleistungen besitzt (gegenüber 20 Prozent am globalen Warenhandel) hat sie ein besonderes Interesse an weiteren Liberalisierungen, die sie auch vehement vorantreibt.[233]
Obwohl der Dienstleistungssektor aufgrund seiner stetig wachsenden ökonomischen und beschäftigungspolitischen Bedeutung allmählich zum profitträchtigsten Sektor avanciert, ist sein Anteil am Welthandel (noch) relativ gering. Der Aufstieg der Dienstleistungen zu Lasten des Industrie- und Landwirtschaftssektors schlägt sich sowohl in den Industrienationen als auch in zahlreichen Entwicklungsländern nieder. In den OECD-Staaten (Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) tragen Dienstleistungen gegenwärtig 60 bis 70 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei und Beschäftigen 64 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.[234] In den Entwicklungsländern arbeiten etwa 40 Prozent der Menschen im Dienstleistungssektor.[235]
Aus der Diskrepanz zwischen der zentralen ökonomischen und beschäftigungspolitischen Bedeutung des Dienstleistungsgewerbes und seinem relativ geringen Weltmarktanteil ziehen Freihandelsbefürworter den Schluß, daß weitere Liberalisierungen in diesem Bereich zu Wirtschaftswachstum, Wohlstandssteigerungen und der Schaffung von Arbeitsplätzen führen würden.[236]
Einer OECD-Studie zufolge würde die Welt durch die Beseitigung der noch bestehenden Handelshemmnisse jährliche Wohlfahrtsgewinne von bis zu 260 Milliarden US-Dollar einstreichen können. Die Dienstleistungsliberalisierung brächte dabei mit 160 Milliarden Dollar den höchsten Wohlfahrtsgewinn, gefolgt vom Güterbereich mit 80 Milliarden US-Dollar pro Jahr und dem Agrarbereich mit jährlich 50 Milliarden US-Dollar. Der Dienstleistungsbereich wäre so profitabel, weil in ihm das gegenwärtige Schutzniveau am größten ist.[237]
Innerhalb dieser Bestandsaufnahme führt die OECD weitere Studien an, die angeblich beweisen, daß das Beschäftigungs- und Produktivitätswachstum in den Ländern, die ihren Dienstleistungssektor liberalisierten, am höchsten ist. Zudem könne man dadurch in diesen Staaten vielfältige Modernisierungen und Kostensenkungen verzeichnen.[238] Entwicklungs-länder würden zudem überproportional von der Liberalisierung der Dienstleistungen profitieren.[239]
Analysiert man diese Angaben genauer, stößt man auch beim Dienstleistungshandel auf eine ungebrochene Dominanz der wohlhabenden Industrieländer. Gegenwärtig fallen drei Viertel der Dienstleistungsexporte auf diese Ländergruppe.[240]
Der Anteil der Entwicklungsländer an den Weltdienstleistungsexporten verteilt sich zudem recht ungleich. So exportierte die Gruppe der 48 am wenigsten entwickelten Länder der Welt (Least Developed Countries, LDCs) im Jahr 2000 unter 0,4 Prozent der Dienstleistungen im Gesamtwert von lediglich 5,8 Milliarden US-Dollar.[241] Im Vergleich dazu vereinigten die 16 exportstärksten Entwicklungsländer im Jahr 1999 immerhin 16,29 Prozent der weltweiten Dienstleistungsexporte auf sich. Besonders vor dem Hintergrund fortdauernder Handels-defizite in diesem Sektor scheint es eher fraglich zu sein, ob die Entwicklungsländer tatsächlich überproportional von einer Liberalisierung profitieren würden. Diese vermochten zwar ihren Anteil an den weltweiten Dienstleistungsausfuhren zu vergrößern, verzeichneten aber dadurch, daß sie gleichzeitig mehr importierten als exportierten, enorme Defizite in deren Handelsbilanz.[242] Da der Handel mit Dienstleistungen in erster Linie eine Domäne der industrialisierten Staaten ist, werden diese von einer fortschreitenden Liberalisierung dieses Sektors überproportional profitieren.
Die forcierte Öffnung einer großen Anzahl weiterer Dienstleistungssektoren für wettbewerbsfähige Firmen aus dem Norden wird das Handelsbilanzdefizit der Entwicklungsländer eher noch weiter anwachsen lassen. Zudem erfolgt die GATS-Liberalisierung in Bereichen, die für die Ökonomie und deren Entwicklung in den Einzelstaaten von hoher strategischer Bedeutung sind. Wer Infrastrukturen wie die Telekommunikation, die Energieversorgung, das Transportwesen oder auch die Finanzinstitute kontrolliert, hat erheblichen Einfluß auf die Geschicke eines Landes. Durch einen endgültigen Abschluß der GATS-Verhandlungen würde internationalen Konzernen der Zugriff auf die Infrastruktur zahlreicher Volkswirtschaften erheblich erleichtert werden. Die vom GATS ins Visier genommenen Bereiche sind unverzichtbare Elemente menschlicher Entwicklung. Bereiche der Daseinsvorsorge wie Bildung, Gesundheitsdienste, sanitäre Anlagen und Sozialversicherungen befinden sich auch deswegen in vielen Ländern der Welt unter öffentlicher Kontrolle, weil sie als elementare Grundgüter des Lebens betrachtet werden, deren Nutzung nicht vom einzelnen Geldbeutel oder von der Willkür von Profitinteressen abhängig sein darf.
Hintergrund der zahlreichen beschönigenden Szenarien seitens der Liberalisierungs-befürworter sind letztendlich die enormen Profitchancen, die sich die Dienstleistungs-wirtschaft von der weltweiten Liberalisierung erhofft.[243]
4.8.3) Die wichtigsten Bestimmungen des GATS
Beim GATS wird unterschieden zwischen allgemeinen Verpflichtungen, die für alle Dienstleistungssektoren gleichermaßen gelten sollen, wie zum Beispiel dem Meistbegünstigungsprinzip und spezifischen Verpflichtungen wie Marktzugang und Inländerbehandlung. Letztere sind nur für jene Sektoren relevant, in denen die WTO-Mitglieder konkrete Liberalisierungen vorgenommen haben. Jedes Mitglied der Welthandelsorganisation muß seine spezifischen Verpflichtungen in eine Liste eintragen, die verbindlicher Bestandteil des GATS ist. Die Länderlisten untergliedern sich ihrerseits in einen alle Dienstleistungen übergreifenden und einen sektorspezifischen Teil. In diesen Listen kann vermerkt werden, ob in den liberalisierten Sektoren noch Beschränkungen des Marktzugangs oder der Inländerbehandlung bestehen. Durch dieses flexible Liberalisierungskonzept können die WTO-Mitglieder im Prinzip nur in den Bereichen ihren Markt öffnen, in denen sie dies für sinnvoll halten.
Das Meistbegünstigungsprinzip (GATS, Art. II) schreibt den Mitgliedern vor, daß vereinbarte Handelsvergünstigungen allen WTO-Mitgliedsstaaten gleichermaßen zugestanden werden müssen. Die WTO-Mitglieder dürfen Dienstleistungen oder deren Erbringer aus verschiedenen Ländern nicht ungleich behandeln. Allerdings enthält das GATS hierbei eine wichtige Ausnahme vom Meistbegünstigungsprinzip für regionale Integrationsabkommen (wie zum Beispiel die EU). Diese verhindert, daß das hohe Liberalisierungsniveau des jeweiligen Binnenmarktes umstandslos auch Drittstaaten außerhalb dieses Wirtschaftsraumes gewährt werden muß. Das Meistbegünstigungsprinzip nimmt eine zentrale Stellung bei der internationalen Durchsetzung von Handelsliberalisierungen ein. Während dieses Prinzip für sämtliche GATS-Sektoren gilt, beziehen sich die Prinzipien des Marktzugangs und der Inländerbehandlung ausschließlich auf diejenigen Sektoren, die die WTO-Staaten in ihre Länderlisten eingetragen haben.
Die Marktzugangsregel (GATS, Art. XVI) verbietet eine Reihe quantitativer Handels-bestimmungen, wie unter anderem Beschränkungen der Beschäftigtenanzahl, der Unternehmensform oder der Höhe ausländischer Kapitalbeteiligungen.
Die Inländerbehandlung (GATS, Art. XVII) verlangt eine Gleichbehandlung in- und ausländischer Anbieter mit dem Ziel einheitlicher Wettbewerbsbedingungen für sämtliche Unternehmen.[244]
Die kommerzielle Präsenz ist eine ökonomisch so wichtige Erbringungsart, weil etwa drei Viertel der weltweiten Direktinvestitionen, die sich im Jahr 2000 auf rund 1,3 Billionen US-Dollar beliefen, in die Dienstleistungsindustrie fließen. Dabei konnte in den letzten zehn Jahren ein stetiger Anstieg von ausländischen Direktinvestitionen verzeichnet werden, an dem auch Entwicklungsländer partizipiert haben. Drei Viertel der ausländischen Direkt-investitionen fließen in die Industrienationen (im Jahr 2000 über 1 Billion US-Dollar), während ein Viertel vor allem auf die größeren Schwellenländer entfällt (im Jahr 2000 rund 240 Milliarden US-Dollar). Die Schwellenländer haben diese Investitionssumme vor allem durch Privatisierungen vormaliger Staatsbetriebe akquiriert.[245]
Die mächtigen ausländischen Direktinvestoren fordern zunehmend die größtmögliche Beseitigung der entwicklungs- und strukturpolitisch äußerst sinnvollen Auflagen, die ihnen in den Gastländern auferlegt werden. Zu diesen gehören Bestimmungen über die Höhe ausländischer Beteiligungen, Quoten für die Einstellung einheimischer Arbeitnehmer oder die Verwendung inländischer Vorprodukte, der Zwang zur Bildung von Joint Ventures[246] mit lokalen Konzernen, die Einhaltung bestimmter Gesetze zum Arbeits- und Umweltschutz sowie Auflagen bei der Handels- und Zahlungsbilanz. Letztere haben die Aufgabe sicherzustellen, daß keine außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte durch zu hohe Importe von Vorprodukten, zu hohe Devisenausgaben oder durch Rückführungen von Gewinnen im Zusammenhang mit den Investitionen entstehen.[247]
Die Erbringungsart der kommerziellen Präsenz wird wohl zu einer weiteren Stärkung von Investorenrechten gegenüber den Gastländern führen und viele der für diese Länder wichtigen Investitionsauflagen zu unzulässigen Handelshemmnissen erklären. Der bereits erörterte GATS-Artikel IV über „innerstattliche Regulierung“ beauftragt das zuständige WTO-Gremium (Rat für den Dienstleistungshandel) damit, Disziplinen zu entwickeln, die gewährleisten, daß nationale Qualifikationserfordernisse, technische Normen und Zulassungsverfahren keine in seinem Sinne unnötigen Hemmnisse für den Handel mit Dienstleistungen darstellen. Derartige Qualifikationsanforderungen stellen für ausländische Dienstleister dann ein Handelshemmnis dar, wenn ihnen aufgrund fehlender oder andersartiger Qualifikationen der Marktzutritt verwehrt wird. Zudem erschweren von Land zu Land variierende technische Normen den im Gastland geplanten Markteintritt.
Aufgrund dieser Einschränkungen für weltweite Dienstleistungsliberalisierungen hat die WTO in Genf die „Arbeitsgruppe zu innerstaatlicher Regulierung“ eingesetzt.[248] Sie soll vor allem über folgende Punkte verhandeln[249]:
1. Transparenz hinsichtlich der politischen Ziele der staatlichen Regulierung
2. Kriterien zur Bestimmung der Notwendigkeit einer staatlichen Maßnahme zur Erreichung ihres Ziels (der sogenannte „Notwendigkeitstest“)
3. Gegenseitige Anerkennung von Qualifikations- und Zulassungserfordernissen
Das WTO-Schiedsgerichtsverfahren vor dem ISCID verhilft dem GATS und allen anderen WTO-Verträgen zu enormer Durchsetzungskraft. Dieses Verfahren wird dabei nicht aus sich selbst heraus tätig, sondern wird initiiert, wenn ein WTO-Land ein anderes verklagt. Unternehmen haben die Möglichkeit ihre Regierung dazu zu bewegen, einen anderen WTO-Staat im Unternehmensinteresse anzuklagen, was auch keine Seltenheit darstellt. Hierbei wird aber an alle WTO-Mitglieder appelliert, sich gütlich zu einigen, um ein Verfahren zu vermeiden. Das Verfahren wird nur beim Scheitern der außergerichtlichen Verhandlungen eröffnet. Wird das Urteil dieses Gerichts nicht befolgt, kann das geschädigte Land zu handelspolitischen Vergeltungsmaßnahmen (wie zum Beispiel Strafzölle auf Exportprodukte des im Streit unterlegenen Landes) greifen, die allerdings von der WTO genehmigt werden müssen. Diese Strafmaßnahmen dürfen auch in einem anderen Sektor als im Bereich der Streitangelegenheit verhängt werden. Diese sogenannte Überkreuzvergeltung („cross retaliation“) gibt dem Schiedsmechanismus noch erheblich mehr Schärfe und Durchsetzungskraft. Dies betrifft vor allem Entwicklungsländer, die mitunter nur zwei bis drei Rohstoffe exportieren und durch eine solche Überkreuzvergeltung wesentlich empfindlicher getroffen werden als Industrieländer mit einer großen, diversifizierten Exportpalette. Erhebt ein Entwicklungsland Strafzölle gegen eine Handelsmacht, wie zum Beispiel die EU, so hat dies kaum einschneidende Folgen für diese, weil der Absatz europäischer Produkte in dem betreffenden Land unter Umständen verschwindend niedrig ist.
Alle Mitgliedsstaaten haben formal gesehen den gleichen Zugang zum WTO-Schiedsverfahren. Diese Tatsache trägt aber keineswegs zur Milderung der strukturellen Ungleichheit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern bei.[250]
4.8.4) GATS und Wasser
Die Expansion der wenigen privaten und wettbewerbsfähigen Wasserversorger vollzieht sich vor allem auf zwei Wegen. Einerseits durch den Erwerb von Wasserrechten, andererseits durch die Übernahme lokaler Versorgungsunternehmen im Zuge der Privatisierungsprozesse. Bei diesen Übernahmeformen spielt das GATS eine zentrale Rolle, weil es durch seine Bestimmungen und Instrumente oftmals dazu beiträgt, staatliche Auflagen einzuschränken und abzubauen. Tatsächlich ist der Staat als Eigentümer der Ressource Wasser, als Betreiber von Wasserversorgungsbetrieben und als zentrale Regulierungsinstanz das größte Hindernis für die multinationalen Großkonzerne bei ihrem Kampf um Marktanteile im sich rasch entwickelnden Wasserversorgungsmarkt.
In der bisherigen GATS-Klassifikation tauchen Wasserdienstleistungen in der Rubrik „Umweltdienstleistungen“ auf. Dabei sind bisher allerdings nur die Klärung von Abwässern und sanitäre Anlagen als explizite Kategorien aufgenommen worden.[251]
Da der Bereich der Wasserversorgung bisher im GATS-Katalog fehlte, hat die EU in der neuen GATS-Runde den Vorschlag unterbreitet, den Sektor Umweltdienstleistungen weiter zu differenzieren und einen Teilsektor „Wasser für menschlichen Gebrauch und Abwassermanagement“ hinzuzufügen.[252]
Die bis heute im Bereich der Wasserdienstleistungen eingegangenen Liberalisierungs-verpflichtungen der einzelnen WTO-Staaten sind noch sehr gering. Nach Angaben des WTO-Sekretariats kam es lediglich in 38 Länderlisten zu Eintragungen bei den Wasserdienstleistungen. Da deren Export verstärkt über Niederlassungen im Ausland erfolgt, ist die kommerzielle Präsenz auch hier die wichtigste Erbringungsform. In diesem Bereich haben die Länder zwar einige Liberalisierungsverpflichtungen übernommen, diese werden jedoch von Eintragungen im sektorübergreifenden Bereich stark eingeschränkt. Die Beschränkungen bestehen in wirtschaftlichen Bedarfstests, Beschränkungen des Erwerbs von Grund und Boden, restriktiven Eigentumsregelungen sowie Steuern und Subventionen. Eine laut der WTO besonders relevante Einschränkung stellt die EU-Ausnahme für öffentliche Aufgaben und Versorgungsunternehmen dar.[253]
5) Privatisierungen der Wasserversorgung in der Praxis
5.1) Das weltgrößte Privatisierungsprojekt in Manila
In Manila, der Hauptstadt der Philippinen, leben derzeit rund 13 Millionen Menschen. Die Metropole wächst unkontrolliert, wodurch vermehrt zahlreiche soziale und ökologische Negativwirkungen auftreten. Eines der größten Probleme der Stadt ist die Unterversorgung mit sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen. Nach offiziellen Angaben hatten im Jahr 1997 mit rund drei Millionen Menschen circa 27 Prozent der Einwohner Manilas keinen Zugang zur Wasserversorgung. Etwa 90 Prozent (rund 11,7 Millionen Menschen) haben keinen Zugang zur öffentlichen Abwasserentsorgung. Die Dunkelziffer dürfte in beiden Fällen sowie in Anbetracht der Tatsache, daß ein ständiger und wilder Zuzug von Menschen erfolgt und die illegalen Siedlungen immer schneller wachsen, sogar noch darüber liegen. Die staatlichen Wasserbetriebe weigerten sich damals aus Angst vor einer möglichen Legitimation der illegalen Siedlungen und Slums, den dort lebenden Menschen Wasser zu liefern.[254] Die Bewohner der Elendssiedlungen waren trotz größter Armut darauf angewiesen, sauberes Wasser aus teuren Wasserstellen oder von privaten Wasserverkäufern mit exorbitanten Wassertarifen zu beziehen.[255]
Die Wasserver- und Abwasserentsorgung Manilas lag zu diesem Zeitpunkt, wie zu 95 Prozent weltweit, in der öffentlichen Hand.[256] Hohe Wasserverluste durch Lecks in den Wasserleitungen sowie zahlreiche illegale Anschlüsse führten zu hohen Einnahmeverlusten beim öffentlichen Wasserversorger Metropolitan Waterworks and Sewerage Systems (MWSS). Zudem war dieses Versorgungsunternehmen durch hohe Kredite internationaler Finanzinstitutionen hoffnungslos verschuldet.[257] Als 1995 eine plötzliche Wasserknappheit entstand und zahlreiche Menschen an den Folgen der Cholera und anderer Wasserkrankheiten starben, beauftragte der damalige Präsident Marcos ein von der Weltbanktochter IFC geführtes Gremium aus New Yorker Anwälten, internationalen Experten und Beratern des französischen Konzerns Suez-Lyonnaise des Eaux, private Investoren für die dortige Wasserversorgung zu finden. 1998 wurde die philippinische Hauptstadt schließlich in zwei Versorgungszonen (West- und Ostzone) unterteilt. Ein philippinisch-internationales Joint Venture namens Maynilad Water übernahm die Wasserversorgung der Stadt.
Durch das Joint Venture sollte es zu einem Wettbewerb und zu einem permanenten Qualitätsvergleich in der Trinkwasserversorgung kommen. Ondeo war der größte Partner für Maynilad Water in der Westzone, während Northeast Water der größte Partner für Manila Water in der Ostzone war.
Zunächst lief alles nach Plan. Die Wasserpreise wurden niedriger bei einer gleichzeitigen Erhöhung der Trinkwasserqualität und in den ersten fünf Jahren sollen mehr als eine Million Menschen, größtenteils aus den armen Slums, einen Zugang zur Trinkwasserversorgung bekommen haben. Es gab allerdings keine staatliche Kontrolle der Wasserversorgung und nur indirekte Informationen über die Wasserqualität.
Der Wasserpreis war alleinige Grundlage des Vergabeverfahrens, weswegen lediglich dieser durch eine staatliche Regulierungsbehörde überwacht wurde. Die unmittelbare Folge dieser Fokussierung war ein durch defekte Leitungen oder illegale Wassernutzung verursachter Anstieg des Wasserverlustes von 61 Prozent vor der Privatisierung auf 69 Prozent im Jahr 2001 in der von Maynilad versorgten Westzone der Großstadt.
Die notwendigen Investitionen in die Wasserinfrastruktur wurden durch die beteiligtem Firmen nicht mit deren Eigenkapital, sondern durch eine Kreditaufnahme auf dem internationalen Finanzmarkt erbracht. Diese Kredite wurden in US-Dollar vergeben, während das Wasser in der Landeswährung Peso bezahlt wurde.
Die Katastrophe trat ein, als der US-Dollar aufgrund der Asienkrise um das Vierfache anstieg, was den Rückgang der Einnahmen auf ein Viertel reduzierte. Die profitorientierten Unternehmen erhöhten die Preise und erhoben gleichzeitig einen Investitionszuschlag. So stieg der Wasserpreis seit der Privatisierung in der Ostzone von 2,32 Peso auf 12,21 Peso (+ 526%) pro Kubikmeter und in der Westzone von 4,96 Peso auf 21.11 Peso (+425%). Um Kosten zu sparen, hat man den mittellosen Slumbewohnern Sammelanschlüsse gelegt, doch diese in die Preisklasse der Einzelanschlüsse eingeordnet. Durch die kollektive Nutzung entstand ein hoher Verbrauch pro Zapfstelle, weswegen den Slumbewohnern höhere Gebühren berechnet wurden, als sie bei einem individuellen Anschluß hätten zahlen müssen. Die Regulierungsbehörde ist erst mit der Gründung des Joint Ventures ins Leben gerufen worden, weswegen sie von den Firmeninformationen abhängig war und somit keine Möglichkeit der Unternehmenssanktionierung bestand. Im Jahr 2003 wollte Suez Maynilad Water zur Rückgabe der Konzession drängen, weil die Regulierungsbehörde einer geplanten Preiserhöhung nicht zustimmte. Zur Rückabwicklung wurde ein Schlichtungsverfahren vor der Internationalen Handelskammer in Paris einberufen, in dessen Verlauf Maynilad sämtliche Investitionen und Zahlungen von Konzessionsgebühren einstellte.
Da die philippinische Regierung ihre internationalen Kredite tilgen mußte, die eigentlich durch die Konzessionszahlungen gedeckt werden sollten, mußte sie sich auf dem privaten Kapitalmarkt mit Geld versorgen und sich somit weiter verschulden. Die hinter Maynilad stehende Industriellenfamilie Lopez zog dabei weiterhin Wassergebühren ein. Aufgrund der fehlenden Investitionen seitens des privaten Konsortiums und der daraus resultierenden katastrophalen Versorgungslage kam es im November 2003 erneut zum Ausbruch von Durchfallerkrankungen und Cholera, an deren Folgen mindestens sechs Menschen starben.[258] Mehrere hundert Bürger wurden in Krankenhäuser eingeliefert. Als Ursache der vielen Erkrankungen nannten die Ärzte einen Konsum von hochgradig verschmutztem Wasser. Vertreter Maynilads gaben zu, daß das Leitungsnetz im betroffenen Stadtteil Tondo veraltet sei. Gleichzeitig gaben sie aber an, daß der Konzern aufgrund seiner Finanznot keine Möglichkeit der Instandsetzung des maroden Leitungssystems hätte.[259]
Insgesamt entsprach die Situation in der philippinischen Hauptstadt im Jahr 2003 keineswegs den Versprechungen aus dem Jahr 1995. Manila blickte statt dessen auf eine katastrophale Bilanz der weltweit größten Wasserprivatisierung, die einst als Vorzeigeprojekt der Weltbank galt. Das angekündigte Ziel der ersten fünf Jahre, rund zwei Millionen Menschen einen Zugang zum Leitungswasser zu verschaffen, wurde weit verfehlt. Durch geschönte Zahlen versuchte Maynilad, dies in seiner Unternehmensbilanz zu vertuschen. Bis auf einige wenige Vorzeigeobjekte sind die ärmsten Stadtteile nicht mit Wasser versorgt, da die Bürger die Anschlußgebühren nicht entrichten konnten und die öffentlichen Wasserstellen geschlossen wurden.
Die Wasserverluste sind in beiden Stadtteilen weiter angestiegen, sodaß sie im Westteil der Stadt schon über 70 Prozent des aufbereiteten Leitungswassers betragen. Anstatt diese Einnahmeverluste durch erforderliche Reparaturen einzudämmen versuchten die Betreiber, diese durch höhere Tarife wieder einzuholen, was ihnen der Konzessionsvertrag auch explizit ermöglichte.
Die Investitionen des Versorgungsunternehmens in die Wasserinfrastruktur blieben ebenfalls hinter den Vereinbarungen zurück. Maynilad benannte als Grund für diese Verfehlung die Tatsache, daß es aufgrund der geringen Einnahmen, der hohen Konzessionsgebühren, der Asienkrise und den Umweltschäden durch El Niño kein Geld mehr für Investitionen hätte.
Schuld an dieser Misere waren aber vor allem die hohen Betriebskosten durch Spitzengehälter für ausländische Manager, Auslagerungen von Aufgaben und überhöhte Zahlungen an die Konzerntöchter Maynilads. Zeitgleich zu dieser Ausgabenpolitik wurden zahlreiche Angestellte, Techniker und Ingenieure entlassen.[260]
5.2) Buenos Aires – Privatisierung der Wasserversorgung in der reichsten Stadt Südamerikas
Die Privatisierung der Wasserver- und Abwasserentsorgung in der argentinischen Hauptstadt war bis dato die größte Vergabe einer Privatkonzession dieser Art auf der ganzen Welt. Die Privatisierung der Wasserversorgung der reichsten Stadt Lateinamerikas wurde der Öffentlichkeit als die Erfolgsgeschichte einer privaten Übernahme und als Vorzeigeprojekt schlechthin verkauft. Das Projekt Buenos Aires wurde 1989 einseitig von oben erlassen. Die argentinische Regierung unter dem neoliberalen Peronist Carlos Menem erklärte seinerzeit den wirtschaftlichen Notstand auf dem Gebiet der öffentlichen Dienstleistungen und brachte im Eilverfahren ein Gesetz zur Verwaltungsreform durch. Es erlaubte die „[…] teilweise oder völlige Privatisierung oder Auflösung von Gesellschaften, Unternehmen, Einrichtungen oder Produktionsstätten, die sich in Staatsbesitz befinden oder an denen der Staat Anteile hält […].“ Auf dieser Gesetzesgrundlage wurde die Privatisierung der Wasserver- und Abwasserentsorgung von Buenos Aires, der Obras Sanitarias de la Nación (OSN) eingeleitet.[261]
Die von oben verordnete Lösung lautete Privatinitiative. Man versprach sich davon, daß das unternehmerische Profitstreben für Effizienz sorge und die Kosten senke, sodaß im Ergebnis insbesondere die Verbraucherinnen und Verbraucher davon profitieren. Die Verkaufserlöse des Staatsbetriebes sollten der Tilgung der Auslandsschulden dienen. Der IWF und die Weltbank stellten großzügige Kredite in Aussicht, um Staatsunternehmen zu entschulden. Diese sollten so attraktiv für eine privatwirtschaftliche Übernahme werden. Somit kam es auch zur Privatisierung der Obras Sanitarias.
Der ehemals öffentliche Versorger OSN wurde in verschiedene Teile zerlegt. Den Zuschlag bei der Privatisierung bekam der Konzern, der die umfangreichsten Investitionen und die niedrigsten Preise versprach. Auslandsinvestitionen in Argentinien waren deshalb so attraktiv, weil der Kurs des argentinischen Pesos damals direkt an den US-Dollar gekoppelt war und somit keine Währungskrisen zu erwarten waren. Da staatliche Monopole in Privatmonopole transformiert wurden, gab es auch keinen Wettbewerb auf dem Wassermarkt.
Die Wasserversorgung teilten die beiden französischen Weltmarktführer Veolia und Suez weitgehend unter sich auf.
Das neue Konsortium Aguas Argentinas erhielt die dreißigjährige Betriebskonzession für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung des Großraums Buenos Aires mit mehr als zehn Millionen Einwohnern am 01. Mai 1993[262], als das überalterte Pumpen- und Leitungssystem der Metropole kurz vor dem Kollaps stand.[263] Zudem galt die Konzession für Córdoba und die Provinz Santa Fé. Suez hält bis heute 39,93 Prozent von Aguas Argentinas. Ein Viertel des Konsortiums besitzt die Suez-Konzerntochter Aguas de Barcelona. Weitere Anteilseigner sind die Banco de Galicia, Veolia, Anglian Water und die zur Weltbankgruppe gehörende International Finance Corporation. Ein Zehntel hält das Programa de Propiedad Participada. Dieser Gewerkschaftsanteil kam zustande, weil die Gewerkschaft auf Widerstand gegen die Privatisierungen verzichtet hatte und somit für Ruhe in den Betrieben sorgte. Im Gegenzug bekam sie Aktien und es wurden Sub-Unternehmen gegründet, die von Gewerkschaftsfunktionären in Eigenregie betrieben werden.
Den Verpflichtungen Aguas Argentinas, Millionen zu investieren und die Wassergebühren langfristig auf einem stabilen Niveau zu halten, kam das Unternehmen nicht nach. Nach zehn Jahren Privatisierung protestierten Konsumenten und Verbraucherverbände, weil die Versprechen nicht eingehalten wurden. Die Wasserrechnungen erhöhten sich von Monat zu Monat, das Abwassersystem ist nach wie vor marode, weswegen Regenfälle immer noch in Katastrophen ausarten und Fäkalien des öfteren durch lecke Rohre in die Trinkwasserversorgung gelangen. Das Trinkwasser der argentinischen Hauptstadt enthält Giftstoffe wie Arsen, Ammonium, Zyankali und Phenole. Gleichzeitig werden die Grenzwerte bei Nitraten und Chlor nicht eingehalten.
In den ersten Jahren investierte Aguas Argentinas noch, um die gröbsten Unterlassungen der staatlichen Betreiber zu korrigieren. So wurden vor allem lecke Rohre repariert und neue Wasserleitungen gelegt. Verfügten im Jahr 1993 lediglich 5,7 Millionen Haushalte über einen Wasseranschluß, waren es 1999 bereits 7,6 Millionen. Das Abwassersystem vergrößerte sich um ein Viertel seiner Ursprungskapazität und auch das Abrechnungssystem wurde modernisiert: Anstatt die von den Verbrauchern mehrheitlich geforderten Wasserzähler zu installieren, finanzierte man Luftaufnahmen der jeweiligen Grundstücke. Wer nun ein größeres Haus hatte, mußte unabhängig vom Verbrauch im Endeffekt mehr als vorher bezahlen, weil von nun an nach überdachten Quadratmetern des Grundstückes abgerechnet wurde.[264]
Der Privatisierungsplan für die argentinische Hauptstadt erlaubte Aguas Argentinas sich mit dem Bau von Kläranlagen mehr Zeit zu lassen als mit dem Ausbau der Trinkwasser-versorgung. Im Jahr 1999, zwölf Monate nachdem eigentlich 64 Prozent anstatt der ursprünglichen 58 Prozent der Bevölkerung an das Abwassersystem angeschlossen sein sollten, war dies nur für 61 Prozent erreicht worden. Aguas Argentinas hatte zwar die Disparität zwischen Wasserver- und Abwasserentsorgung von seinem öffentlichen Vorgänger OSN übernommen, doch argumentierte man nun, der Ausbau der Wasserversorgung habe Vorrang, da die Menschen in den noch unversorgten Gebieten nitratbelastetes Wasser trinken würden. Hierzu ist zu sagen, daß die Kosten für die Abwasserversorgung seinerzeit doppelt so hoch lagen wie ein Ausbau der Trinkwasserversorgung im gleichen Umfang, für beide Dienstleistungen aber die gleichen Gebühren erhoben wurden. Der Privatbetreiber hatte also schlicht und ergreifend das profitablere Netz schneller ausgebaut. Das nicht abgeleitete Wasser wurde in Faul- und Senkgruben gesammelt, sodaß sich die Seuchengefahr stark erhöhte.[265]
Man hatte sich von der Privatisierung erhofft, daß die Wasserpreise tatsächlich niedriger ausfallen würden, doch im Endeffekt trat das Gegenteil ein.
Nach der Geschäftsübernahme von OSN wurden die Preise durch das unter der Leitung von Suez geführte Konsortium zwar wirklich um 26,9 Prozent gesenkt, OSN hatte aber bereits 1991, kurz nachdem der Betrieb zur Privatisierung ausgeschrieben wurde, eine Preiserhöhung um 25 Prozent verkündet. Bereits zwei Monate später wurde das Wasser um weitere 29 Prozent verteuert. Diese Preisanhebungen wurden als Inflationsausgleich ausgewiesen. Im Jahr 1992 kam es zu weiteren Preisaufschlägen die zum Ergebnis hatten, daß die Tarife kurz vor der privaten Übernahme ein Rekordniveau erreicht hatten. Diese Preiserhöhungen übertrafen zusammengenommen bei weitem die 26,9 Prozent Preisnachlaß des Privatversorgers. Schon nach einem halben Jahr forderte die neue Gesellschaft ein weiteres Ansteigen der Wasserpreise mit der Begründung, die Regierung fordere vertraglich nicht vereinbarte Extraleistungen wie den Anschluß von Armenvierteln an die Wasserversorgung, was die Kosten des Unternehmens um 15 Prozent erhöhe. Eine 13,5-prozentige Preiserhöhung für den Wasserverbrauch und die für den Ausbau der Trinkwasserversorgung notwendige temporäre Trennung vom Netz inklusive des Wiederanschlusses folgte prompt. Zusätzlich kam es zu einem 42-prozentigen Anstieg der auf die Grundstücksgröße bezogenen Grundgebühr.[266]
Darüber hinaus fanden sich im Privatisierungsplan selbst Mechanismen vor, die Aguas Argentinas den Profit garantierten. So erlaubte der Vertrag eine Gebührenerhöhung für den Fall, daß sich der Betriebskostenindex über sieben Prozent erhöhen sollte. Nachverhandlungen des Abkommens führten sogar zu noch größeren Spielräumen bei der Sicherung der Gewinnmargen. 1993 legte man Ziele für die ersten fünf Jahre fest, 1997 wurde diese Frist jedoch bis zum Jahr 2000 verlängert. Ein Bericht der Universidad Argentina de la Empresa besagt, daß Aguas Argentinas 1995 28,9 Prozent seiner Einnahmen als Gewinn verbuchen konnte, 1996 waren es 25,4 Prozent und 1997 21,4 Prozent.[267]
Im Zeitraum von Mai 1993 bis Januar 2002 stiegen die Wasserrechnungen um insgesamt 54 bis 65 Prozent an. Die Löhne fielen gleichzeitig im Schnitt um 5,8 Prozent.
Aufgrund der argentinischen Währungskrise wurden alle Bankkonten in dem Land eingefroren und der Peso wurde abgewertet. Viele Betriebe gingen bankrott, wodurch auch eine große Masse an Menschen ihre Arbeit verlor. Es war die schlimmste Wirtschaftskrise, die das Land in seiner Geschichte erlebt hatte. Heutzutage sind große Bevölkerungsteile zahlungsunfähig. Trotzdem wird das Wasser bisher nur selten abgestellt. Es gibt aber einzelne Sanktionen, wie zum Beispiel das Halbieren des Wasserdruckes in Rosario in der Provinz Santa Fé, weswegen die Menschen dort keine Waschmaschine mehr betreiben oder nicht mehr duschen können.
Der französische Hauptbetreiber Suez klagt inzwischen über Millionenverluste und übt Druck auf die Regierung aus, eine Tariferhöhung von fünfzehn Prozent durchzusetzen. Andernfalls seien dringend benötigte Reparaturen am Abwassersystem ernsthaft in Gefahr. Zudem versucht Suez gegenwärtig, von der Weltbanktochter „Multilaterale Agentur für Investitionsgarantien“, einen Teil der entstandenen Verluste wieder einzuholen. Diese hat die Konfliktparteien angehört und ihnen empfohlen, sich in bilateralen Gesprächen zu einigen. Zwischenzeitlich führt Aguas Argentinas seine Tätigkeit fort. Im Jahr 2004 führte die argentinische Regierung Verhandlungen mit den Eigentümern des Wasserversorgers mit dem Ziel der einvernehmlichen Fortführung der Wasserver- und Abwasserentsorgung. Privatisierungsgegner fordern dagegen vehement, die Zusammenarbeit mit Suez zu beenden.[268]
5.3) Der Wasserkrieg in Cochabamba
Im Jahr 1997 drohte die Weltbank damit, 600 Millionen US-Dollar Schuldenerlaß und Entwicklungshilfegelder an Bolivien zurückzuhalten, solange die Wasserwerke der bolivianischen Großstadt Cochabamba nicht privatisiert werden. Unter diesem Druck verabschiedete das Parlament neue Gesetze, die eine Privatisierung der Wasserversorgung ermöglichten und die kommunale Kontrolle über die Wasserressourcen einschränkten. Damals war unbestritten, daß das städtische Versorgungsunternehmen SEMAPA (Servicio Municipal de Agua Potable de Cochabamba ) korrupt und inkompetent war. Unter seiner Versorgung hatte nur gut die Hälfte aller Haushalte einen Wasser- und Abwasseranschluß. Viele davon erhielten nur zwei Stunden am Tag sauberes Wasser. Privatunternehmen, die das Wasser mit Tankwagen lieferten, machten gute Geschäfte, während der hoch verschuldeten SEMAPA die Mittel für die äußerst notwendigen Ausbauinvestitionen fehlten. Durch die Privatisierung sollte sowohl die Versorgung ausgeweitet, als auch die Effizienz dieser verbessert werden. Der Pachtvertrag für die künftigen Betreiber sah einen garantierten Profit von 15 Prozent vor.[269]
1998 teilte die Weltbank der bolivianischen Regierung mit, daß sie ihr einen Kredit in Höhe von 25 Millionen US-Dollar für die Refinanzierung der Wasserwerke in Cochabamba nur unter der Bedingung gewähren würde, daß die Stadt die Wasserversorgung an ein Privatunternehmen verkauft und die Kosten an die Endverbraucher weitergibt. Die Weltbank würde in diesem Fall Monopole an private Konzessionäre verleihen lassen und forderte eine Umlage der Gesamtkosten auf die Wassertarife. Nach den Vorstellungen der weltgrößten Entwicklungsbank sollten die Wasserpreise an den US-Dollar gekoppelt werden. Sie sprach sich strikt dagegen aus, daß die erteilten Kredite nicht zur Subventionierung der Trinkwasserversorgung für die Armen verwendet werden dürfen.[270] Schließlich wurde im Jahr 1999 die Wasserversorgung der mit rund 600.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Boliviens, Cochabamba, an den Privatkonzern Aguas del Tunari verpachtet, der als einziger Bieter beim öffentlichen Ausschreibungsverfahren für den Pachtvertrag auftrat. Das Konsortium wurde geführt von International Water Limited (IWL), einer Tochter des global operierenden US-Baukonzerns Bechtel Enterprise Holdings und der britischen United Utilities. Beteiligt waren auch bolivianische Partner, von denen einige eng mit der Regierung verbunden waren. Kurz nach der privaten Übernahme der Wasserversorgung vom ehemals kommunalen Versorger SEMAPA schossen die Wasserpreise kräftig in die Höhe.
Im Durchschnitt kam es zu Preissteigerungen um ein Drittel, teilweise auch zur Verdopplung des Wasserpreises. Für viele einkommensschwache Familien stiegen die Ausgaben für Nutzwasser damit auf ein Fünftel ihres gesamten monatlichen Haushaltsbudgets.[271]
Aufgrund der Preisexplosion kam es dann im Januar 2000 zu einer Protestwelle in Cochabamba. Organisiert wurden die Protestaktionen von der Coordiadora de la Defensa del Agua y de la Vida (Koalition zur Rettung des Wassers und des Lebens) unter Führung des Gewerkschafters Oscar Olivera.[272] Während der Proteste wurden Wasserrechnungen nicht bezahlt und zahlreiche Demonstrationen organisiert. Die Coordiadora war ein Bündnis von Gewerkschaften, Landwirten sowie Umwelt- und Jugendorganisationen. Sie verlangte die Rückführung der Wasserversorgung in öffentliche Kontrolle und grundlegende Änderungen an den Gesetzen, die die Privatisierung ermöglichten.[273]
Olivera, einer der Wortführer der Coordiadora erklärte: „Die Menschen betrachten Wasser als etwas Heiliges, als ein Recht, nicht als etwas, das verkauft werden kann.“[274]
Einer der zahlreichen jugendlichen Demonstranten besagte folgendes:
„Wir kämpfen gegen das System, nicht nur gegen Aguas del Tunari, sondern gegen die Armut, die Arbeitslosigkeit, die steigenden Lebenshaltungskosten und schließlich gegen die Erhöhung des Wasserpreises. Mir sind die sozialen Unterschiede in Bolivien, die Kluft zwischen Arm und Reich, bewußt geworden.“[275]
Ein vier Tage andauernder Generalstreik Anfang April 2000 war der Höhepunkt der Protestwelle.[276] Zehntausende gingen auf die Straßen und legten die Großstadt mit Streiks und Blockaden vier Tage lang lahm.[277] Dies geschah, nachdem alle Verhandlungen gescheitert waren. Staatspräsident Hugo Banzer rief daraufhin das Kriegsrecht aus und setzte die Armee gegen die Demonstranten ein. Bei den daraus folgenden Ausschreitungen wurde ein Jugendlicher, der erst 17-jährige Victor Hugo Daza Argadona, erschossen. Hunderte von Demonstranten wurden verletzt – viele verhaftet und gefoltert. Der Widerstand blieb allerdings ungebrochen, sodaß die ausländischen Manager von Aguas del Tunari fluchtartig das Land verließen und die Regierung einlenkte, indem sie den Privatisierungsvertrag aufhob.[278]
Nach dem Verlust der Konzession hat Bechtel das Land Bolivien vor dem der Weltbank angesiedelten Schiedsgericht International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) auf 25 Millionen Dollar Schadensersatz verklagt. Dabei hat das gesamte Konsortium Aguas del Tunari insgesamt lediglich eine Million US-Dollar in das Projekt Cochabamba investiert. Bechtel ging es bei der hohen Klage gegen eines der ärmsten Länder Lateinamerikas weniger um die Erstattung der getätigten Investitionen, als um die verlorenen Gewinne, die sich das Weltunternehmen für die Dauer der Konzession ausgerechnet hat.[279] Diese Klage beruht auf folgendem handelspolitischen Hintergrund:
Anfang der sechziger Jahre begannen zahlreiche Industriestaaten, Bilaterale Investitions-vereinbarungen (Bilateral Investment Treaties, BITs) mit anderen Ländern abzuschließen. Diese BITs sollten das Recht der Unternehmen etablieren, in den jeweiligen Mitgliedsländern uneingeschränkt zu wirtschaften und Zugang zu deren Märkten und Ressourcen zu bekommen. Die BITs verleihen den investitionswilligen Unternehmen die nötige wirtschaftliche und politische Macht für die geplante Markterschließung. Diese ist besonders groß, wenn die BITs die Inverstorland-Regelung enthalten, die es den Investoren erlaubt, die Regierung des Gastlandes, in das investiert wird, zu verklagen. Genau das geschah, nachdem die bolivianische Regierung den Privatisierungsvertrag mit Bechtel aufgekündigt hatte.
Aufgrund einer im Jahr 1992 von Bolivien und den Niederlanden unterzeichneten, bilateralern Investitionsvereinbarung konnte der Konzern eine Klage gegen Bolivien vor dem ICSID einreichen. Dies wurde Bechtel, mit seinem Hauptsitz in San Francisco, erst durch die Verlegung seiner holländischen Holdinggesellschaft für Aguas del Tunari – International Water Holdings BV – von den Kaimaninseln in die Niederlande (genauer: nach Amsterdam) im Jahr 1999 ermöglicht. Nachdem Bechtels Vorgehen bekannt wurde, hat die bolivianische Regierung öffentlich bekundet, sie werde sich gegen die Klage wehren. Allerdings vertreten einige Regierungsmitglieder den Standpunkt, man müsse der Schadensersatzforderung nachkommen, um unter Beweis zu stellen, daß man für die Globalisierung bereit und ein geeigneter Mitspieler in der WTO-Gemeinschaft ist. Somit läßt sich mutmaßen, daß diese Politiker hinter verschlossenen Türen bereits über eine außergerichtliche Einigung mit Bechtel verhandeln. Durch die Klage ist Bechtel mittlerweile in seiner Heimat unter einen starken öffentlichen Druck geraten.[280]
6) Standpunkte und Alternativvorschläge zur Privatisierung der Wasserversorgung
6.1) Expertenpositionen zur bisherigen Pivatisierungspraxis
Die Wasserlobby, allen voran der mit der Wasserindustrie und den multilateralen Finanzinstitutionen eng verbundene Weltwasserrat, betonen, daß die notwendigen Finanzmittel für das Erreichen der Millenniumsziele bis zum Jahr 2015 nur durch die Privatwirtschaft zu erbringen sind. Dies ist auch die weit verbreitete Argumentationslinie für sogenannte Public-Private-Partnerships in der internationalen Entwicklungshilfe, die ihrerseits vorgibt, durch die Subventionierung privatwirtschaftlicher Aktivitäten in den Entwicklungsländern einen entwicklungspolitischen Mehrwert erzielen zu können. Die Angaben über die jeweilige Höhe der nötigen Investitionen weichen stark voneinander ab. Während der Weltwasserrat einen zusätzlichen Investitionsbedarf von rund 100 Milliarden Dollar pro Jahr vorgibt, wurde auf der Internationalen Süßwasserkonferenz vom Jahr 2001 in Bonn ein zusätzlicher Investitionsbedarf von lediglich zehn Milliarden US-Dollar pro Jahr ermittelt. Diese Zahlenspiele sind in höchstem Maße ideologisch geprägt. Hoch angesetzte, nötige Investitionssummen beinhalten sämtliche Wasserinfrastruktur bis hin zu großen Staudammprojekten. Sie basiert auf der Ideologie der zentralistischen und kapitalintensiven Technologie der wohlhabenden Industrienationen und stellt darüber hinaus den Versuch dar, das in Mißgunst geratene Geschäft mit Großstaudämmen wieder anzukurbeln. Die hohen Kosten dieser Projekte sind Teil der Investitionsvorgaben. Niedrige Schätzungen beschränken sich auf die notwendigen Investitionen für den menschlichen Grundbedarf an Trinkwasser und sanitären Anlagen.[281]
Die Privatisierungsbefürworter setzen darauf, daß das privatwirtschaftliche Engagement profitorientierter Unternehmen eine größere Effizienz und Nachhaltigkeit bei der Verwirklichung entwicklungspolitischer Projekte mit sich bringt. Durch die Kooperation von Entwicklungshilfe und Privatwirtschaft werden dieser Vorstellung nach Synergieeffekte entfaltet. Privatwirtschaftliche Ziele, wie etwa Marktzugang oder Profit, einerseits und entwicklungspolitische Zielsetzungen andererseits sollen im gleichen Maß verwirklicht werden.[282] Zusätzlich wird die Behauptung angebracht, Privatunternehmen seien durch Regulierungsbehörden leichter zu kontrollieren und arbeiteten transparenter als öffentliche Versorger unter der Leitung gewählter Regierungen.[283]
Laut Stadler/Hoering beschränken sich die Erfolge der Privatisierungen auf den lukrativen Ausbau der Kanalisation im Stadtzentrum und in Industriegebieten. Hier besteht meistens bereits eine Wasserinfrastruktur, sodaß viel weniger für die Trinkwasserversorgung in diesen Gebieten investiert werden muß. Zudem finden sich hier die zahlungskräftigen Kunden: Großverbraucher wie Fabriken, Behörden und Hotels, Geschäftsleute und wohlhabendere Bevölkerungsgruppen. Kostengünstige und schnell greifende Maßnahmen wie eine Verbesserung von Gebrauchsmessung und Gebühreneinzug, die Instandsetzung von Leitungen und Verteilern sowie die Erhöhung des Wasserdrucks können die Wirtschaftlichkeit dieser Projekte schnell steigern.
Sehr viel höher hängen dagegen die Früchte in den Slums. Diese liegen oft abseits an Berghängen oder sumpfigen Gebieten, sind dicht bebaut, planlos und wildwüchsig entstanden. Investitionen in die Wasserversorgung dieser Gebiete sind für die Unternehmen in höchstem Maße unrentabel. So sind der Aufwand und die Kosten beim Anschluß an die Trinkwasserversorgung besonders hoch, die Zahlungsfähigkeit und –moral vieler Haushalte aber äußerst gering. Das Erzielen von Gewinnen oder wenigstens einer Kostendeckung ist hierbei nahezu unmöglich.
Längst räumen Konzernmanager ein, daß sich die Versorgung einkommensschwacher Gebiete – von wenigen Ausnahmen abgesehen – für sie nicht rechnet.[284] Aus diesem Grund werden die ärmsten Bevölkerungsgruppen in den Städten und insbesondere auf dem Land durch die privaten Versorgungsbetriebe kaum erreicht.
Tatsächlich ziehen sich die großen Weltkonzerne vermehrt aus den ärmsten Ländern zurück, weil ihnen die Risiken zu hoch und die Gewinnchancen zu niedrig sind. Die Global Players werden zudem durch unzufriedene Shareholder unter Druck gesetzt, die beim Ausbleiben des wirtschaftlichen Unternehmenserfolges den Aktienkurs durch das Abstoßen von Unternehmensanteilen in den Keller treiben.
Von den durch Privatisierungsbefürworter veranschlagten, notwendigen Investitionen in Milliardenhöhe zahlen die globalen Großkonzerne so wenig wie möglich. Sie bedienen sich zumeist an öffentlichen Mitteln oder greifen auf subventionierte Entwicklungsgelder zurück.[285]
Während im Zeitraum von 2000 bis 2001 rund drei Milliarden US-Dollar an bilateralen und multilateralen Entwicklungshilfegeldern in den Wassersektor geflossen sind, investierte die globale Privatwirtschaft bestenfalls fünf Prozent davon in den Bereich der gesamten globalen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung.[286]
Somit lagen die direkten Projektfinanzierungen bei der Wasserversorgung durch den internationalen Privatsektor in diesem Zeitraum bei nur etwa 157 Millionen US-Dollar, was weniger als 0,3 Prozent der weltweiten Investitionen in alle Sektoren ausmachte.[287]
Auf der Internationalen Süßwasserkonferenz vom 03. bis zum 07. Dezember 2001 in Bonn wurde die enorme Zurückhaltung der Privatinvestoren ebenso angesprochen, sehr deutlich auch durch den damaligen britischen Umweltminister Michael Meacher[288]:
„The World Bank`s database on Private Participation in infrastructure, whilst it shows that private investment in water and sanitation in developing countries to date totals $25 billion also reveals that none is in South Asia, and almost none is in Africa. Yet these are the two regions in the world without adequate water and sanitation services. This indicates that private sector investment is at present insignificant at providing basic water and sanitation services to the very people who most need it.”
Die internationale Ausschreibung stellt eine der wenigen Möglichkeiten für Regierungen und Städte dar, sich durch das Schaffen einer Konkurrenzsituation bei der Konzessionsvergabe selbst einen Nutzen durch den entstehenden Bieterwettbewerb zu verschaffen. Sie können somit Verträge aushandeln, die ihre eigenen Interessen und die Ihrer Staatsbürger berücksichtigen. In der Realität handelt es sich jedoch äußerst selten um einen freien Wettbewerb unter den Privatunternehmen. So gibt es jeweils nur wenige Konzerne, die als künftiger Wasserversorger in Frage kommen. Die Unternehmen schließen sich oftmals zu Bieterkonsortien zusammen und verringern so zusätzlich die Zahl der konkurrierenden Bewerber. So findet anstelle eines Unternehmenswettbewerbs einer um ausländische Betreiber zwischen den Städten statt, die ihre Trinkwasserversorgung privatisieren wollen.[289]
Die hilfsbedürftigen Entwicklungsländer unterbieten sich zumeist gegenseitig darin, möglichst günstige Bedingungen für ausländische Investoren zu schaffen.[290]
Bei den Konzessionsverhandlungen nehmen attraktive Schwellenländer von vornherein eine weitaus bessere Position ein, als zum Beispiel arme afrikanische Staaten und Kommunen.
Da es sich bei den Konzessionsverträgen oft um langfristige Bindungen handelt, ist eine eindeutige Ausarbeitung der Verträge wichtig. In diesen muß die Teilung von Verantwortung und Risiken unmißverständlich geregelt werden. Auch müssen Verpflichtungen darin festgelegt werden, wie etwa die Versorgung ärmerer Bevölkerungsgruppen. Für die erforderlichen Analysen und die Regulierung dieser komplexen Angelegenheiten fehlen den Institutionen der armen Entwicklungsländer zumeist Informationen, Kapazität und Erfahrung. Bei der späteren Kontrolle des Privatbetreibers bezüglich der Einhaltung des Vertrages sind die Behörden völlig abhängig von den Angaben, Kalkulationen und des jeweiligen Versorgers. So war in sechs der im Auftrag der Weltbank untersuchten Regulierungsbehörden in Großstädten nur die in Santiago de Chile in der Lage den Betreiber dazu zu bringen, die nötigen Informationen bereitzustellen.
Andere Möglichkeiten für die Privatkonzerne, sich der Regulierung weitestmöglich zu entziehen und so aus ihrer Monopolsituation heraus höhere Gewinne einzufahren sind eine fehlende Transparenz, der Rückzug auf das Geschäftsgeheimnis oder Bestechungen.[291]
So stellt die Weltbank in ihrem Bericht über Korruption folgendes fest[292]:
„[…] der Privatisierungsprozeß als solches kann Ursache für Korruption sein. Ein Unternehmen läßt es sich vielleicht etwas kosten, in die Liste qualifizierter Anbieter aufgenommen zu werden oder auch die Zahl der Mitbewerber zu begrenzen. Möglicherweise zahlt es auch dafür, daß der zu privatisierende öffentliche Besitz eine niedrige Steuereinschätzung bekommt oder um im Auswahlverfahren begünstigt zu werden. […] Unternehmen, die Geldzahlungen leisten, mögen damit die Erwartung verbinden, sich substantielle Beihilfen, monopolistische Vergünstigungen oder Laxheit der Aufsichtsbehörden zu erkaufen.“
Öffentliche Versorger in den Entwicklungsländern gelten heute unter den Privatisierungsbefürwortern als ebenso korrupt, schwerfällig und bürokratisch, schlampig und schlecht geführt sowie als verschwenderisch und kundenunfreundlich. Sie gelten in Zeiten des Geldmangels als nicht finanzierbares, teures Faß ohne Boden. Ohne Zweifel treffen solche Beschreibungen auf viele staatliche und kommunale Versorgungsunternehmen, insbesondere in den armen Ländern des Südens, durchaus zu. Sie wurden oft über lange Zeiträume hinweg zu einer Pfründe für Politiker, Parteien und Staatsverwaltung.
Der Niedergang des dortigen öffentlichen Sektors ist zudem auf Schuldenkrisen, Demokratiedefizite und die gesamtökonomischen Entwicklungsprobleme vieler Länder zurückzuführen. Diese machten die 1980er Jahre insbesondere in Lateinamerika und Afrika zu einem verlorenen Jahrzehnt in bezug auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Erdteile.
Wissenschaftlich gesehen wurde die vielzitierte Überlegenheit des Privatsektors keineswegs belegt, da die angebrachten empirischen Beweise für ein besseres Abschneiden des privaten Wassermanagements bisher recht begrenzt sind.[293]
Die zwei folgenden Positivbeispiele von einer öffentlichen Wasserversorgung zeigen, daß diese Art der Versorgung nicht hinter der privaten zurückstehen muß – das Gegenteil ist der Fall: Seit 1998 wurde die Mehrzahl der öffentlichen Wasserwerke in Chile teilprivatisiert. Vor der Privatisierung galten die kommunalen Versorgungsbetriebe als hochgradig effizient. Im Jahr 1996 fertigte die Weltbank eine Vergleichsstudie von sechs Entwicklungsländern an.
In dieser wurden Chiles Wasserversorgung, besonders EMOS, als Musterbeispiel für Effizienz herausgestrichen. Zwei Jahre nach der Studie kam es zur Teilprivatisierung, weil gerade finanziell rentable öffentliche Betriebe das Profitinteresse von Privatunternehmen wecken.[294] Dazu bemerkt David Hall von PSIRU folgendes[295]:
„Der Wunsch, die Löcher der öffentlichen Kassen zu stopfen, führt zu dem nachteiligen Effekt, gerade die gesündesten Wasserbetriebe zu privatisieren, weil sie einen höheren Preis erzielen.“
SABESP, der weltgrößte öffentliche Wasserdienstleister aus dem brasilianischen São Paulo, wird seit 1995 zu einem modernen und leistungsfähigen Betrieb umgebaut. Der Wasserversorger, der die Mehrheit der 22 Millionen Einwohner des Bundesstaates mit Trinkwasser versorgt, wurde komplett neu strukturiert, um den Gebühreneinzug zu verbessern, die Kosten zu senken und die Effizienz im allgemeinen Sinn zu steigern.[296]
Laut PSIRU kam es alleine im ersten Jahr der Umstrukturierung, 1995 zu folgenden Positivergebnissen[297]:
„[…] stieg im Versorgungsgebiet der Anteil der Bevölkerung, die mit sauberem Wasser beliefert wird, von 84 auf 91 Prozent, die Abwasserentsorgung steigerte sich von 64 auf 73 Prozent und der Anteil der unbezahlten Rechnungen sank auf acht Prozent.“
Der Wasserversorgungsbetrieb konnte zum gleichen Zeitpunkt seine Betriebskosten um rund 45 Prozent senken und ist mittlerweile in der Lage, Investitionsprogramme durch Kredite und eigene Finanzmittel zu finanzieren. Zudem hat SABESP eine größere Verantwortung für den Umweltschutz übernommen und sich unter anderem an der Sanierung des Flusses Tiett beteiligt. Dieses Vorhaben stellt eines der größten Umweltprojekte dieser Art in Südamerika dar.[298]
Mittlerweile sind sich selbst die Initiatoren der Entwicklungszusammenarbeit darüber einig, daß die PPP-Gelder den privaten Investoren folgen und nicht umgekehrt.
Diese Gelder fließen vorrangig in die Schwellenländer, in den städtischen und industriellen Bereich, teilweise aber auch in den modernen Dienstleistungssektor wie Banken und IT-Branche.[299]
Der Synthesebericht des BMZ kommt am Beispiel deutscher Konzerne ebenso zu diesem Ergebnis[300]:
„Die Praxis, Ideen deutscher Unternehmen zum Ausgangspunkt für Projekte zu nehmen, führt in der Tendenz zu einer Konzentration der Maßnahmen auf Schwellenländer mit erheblichem Marktpotential und auf vergleichsweise entwickelte Regionen innerhalb der jeweiligen Länder. Dies steht im Konflikt mit dem Ziel, die EZ auf ärmere Länder, Regionen und Zielgruppen zu konzentrieren.“
Während die renditeträchtigen Sektoren mit der Unterstützung der Entwicklungs-zusammenarbeit privatisiert werden, bleiben die ökonomisch unrentablen in öffentlicher Verantwortung. Somit bleibt der größte Teil der Bevölkerung auf die öffentliche Daseinsvorsorge angewiesen, deren Finanzierung immer schwieriger wird.
So fehlen den Regierungen, Städten und Gemeinden die Einnahmen aus den privaten Versorgungsbereichen, um die anderen Bereiche quer zu subventionieren. Zeitgleich schrumpfen die Entwicklungshilfemittel für die Partnerregierungen um den Anteil, der für PPP-Projekte bereitgestellt wird. Gerade die ärmsten der armen Länder sind auf diese Entwicklungshilfegelder angewiesen, da sie kaum Zugang zum privaten Kapitalmarkt haben. Im Endeffekt bedeutet dies, daß die Entwicklungszusammenarbeit mit ihren PPP-Projekten die Möglichkeiten, gezielt Maßnahmen zur Armutsminderung umzusetzen, weiter vermindert.[301]
6.2) Reaktionen auf die bisherigen Privatisierungserfahrungen
Entgegen der Verlautbarungen von Privatisierungsbefürwortern sind die zweifelsohne notwendigen Reformen des öffentlichen Wasserversorgungssektors auch ohne einen Systemwechsel, der den Eingriff von Privatkonzernen impliziert, möglich. Auch David Hall vom gewerkschaftlichen Forschungsinstitut PSIRU an der Universität Greenwich ist davon überzeugt, daß restrukturierte öffentliche Unternehmen[302] „[…] preiswerter, flexibler, transparenter und kontrollierbarer sein können als private Konzerne oder eine „öffentlich-private Partnerschaft“, und genauso effizient.“[303]
Aufgrund der anwachsenden, heftigen Widerstände gegen die Wasserprivatisierung in den Industrie- und Entwicklungsländern sowie des Scheiterns zahlreicher Modellvorhaben wie Manila oder Buenos Aires rudern inzwischen auch die Privatisierungsbefürworter merklich zurück. Auch Sie mußten konstatieren, daß durch private Konzessionsinhaber weder die Armen in einem großen Umfang erreicht werden, noch die erhofften Profite für die internationalen Wasserkonzerne durch die Privatisierungsprojekte heraussprangen. Zudem blieben die erhofften Privatinvestitionen aus, die unter anderem das BMZ für unverzichtbar hält, um die VN-Millenniumsziele zu erreichen. So kommt eine Weltbankstudie über mehr als 300 ihrer initiierten Projekte der Wasserver- und Abwasserentsorgung zu dem Ergebnis, daß „[…] ein großer Teil der untersuchten Projekte, insbesondere in den Städten, keinen wirksamen Beitrag zur Umsetzung von Maßnahmen, durch die die Versorgung der Armen verbessert worden wäre, leisteten.“ [304] Aufgrund dieser Erkenntnisse versucht die gesamte Entwicklungspolitik jetzt einen Spagat. Einerseits versichert sie, wie etwa im aktuellen Entwicklungsbericht der Weltbank, daß die Wasserversorgung öffentliche Aufgabe bleibt, öffentliche Versorgungsunternehmen reformiert und gestärkt werden müssen, Regulierungs-möglichkeiten ausgebaut, und die Partizipation der Bevölkerung verbessert werden muß. Andererseits wird mit den privaten Konzernen verfahren wie bisher. Um die Investoren wieder auf den Plan zu rufen, werden neue Mechanismen für die Absicherung ihrer ökonomischen und finanziellen Risiken entwickelt und weitere subventionierte Kreditlinien geschaffen. Zusätzlich werden weitere profitable Investitionsbereiche, wie etwa der neuer Großstaudammprojekte oder der Bau großer Bewässerungssysteme, eröffnet.
Dabei bleibt abzuwarten, inwieweit öffentliche Kontroll- und Regulierungsbehörden gestärkt und ausgebaut werden sollen – werden sie doch in den offiziellen Unternehmenskalkulationen als Investitionshindernis erfaßt. Zudem prognostiziert Hoering, daß die überschuldeten Regierungen, Kommunen und öffentlichen Versorgungsbetriebe nach wie vor auf der Armenversorgung sitzen bleiben, weil die gewinnorientierten Privatkonzerne sich weiterhin auf profitträchtige Projekte konzentrieren werden.[305]
Laut Sacher bedarf es einer Menschenrechtsverankerung des freien Zugangs zu sauberem Trinkwasser für jedermann und einer prinzipiellen Umsteuerung der dahingehenden Entwicklungshilfemaßnahmen. So soll die Reorientierung der Weltbankpolitik und der staatlichen Entwicklungshilfe hin zur Reform und Stärkung beziehungsweise dem Aufbau öffentlicher Versorgungskapazitäten in Entwicklungsländern, für nachhaltige, flächen-deckende Wasserver- und Abwasserentsorgungssysteme, an allererster Stelle stehen. Dafür soll jeglicher Druck Richtung Privatisierung in Entwicklungsländern abgebaut werden. Da gegenwärtig nur etwa zwölf Prozent der gesamten Mittel für Wasserprojekte in Länder fließen, in denen weniger als 60 Prozent der Bevölkerung Zugang zur Wasserversorgung haben, fordert Sacher zudem eine armenorientierte Umlenkung der Entwicklungshilfegelder für diesen Bereich.
Auch seien die kreditfinanzierten Initiativen im Wassersektor mit mehr als 50 Prozent unverhältnismäßig hoch und verstärkten somit den Schuldendruck der Kreditnehmer.[306]
Sabine Krüger sieht privates Kapital aus der Sicht der Entwicklungsländer aufgrund der erforderlichen Investitionen im Hinblick auf die Bereitstellung und die Instandhaltung einer Trinkwasserinfrastruktur als unbedingt notwendig an. Sie betont aber aufgrund der negativen Erfahrungen mit Privatinvestoren, daß durchaus staatliche Eingriffe notwendig seien, um auch die Armen in der Bevölkerung mit sauberem und erschwinglichem Trinkwasser zu versorgen. Da es laut der Autorin beim schnellen Aufbau einer allumfassenden, zuverlässigen und bezahlbaren Wasserinfrastruktur derzeit keine Alternative zu privaten Geldgebern gibt, wäre es für PPP-Projekte um so wichtiger, daß vorab klare Rahmenbedingungen und Regulierungsmechanismen formuliert beziehungsweise realisiert werden würden.
Laut ihr gehörten hierzu die Beibehaltung der Regierungsverantwortung beim Schutz und der Verwaltung der heimischen Wasserressourcen, eine unabhängige Überprüfung der PPP-Vorhaben, die stärkere Einbeziehung von Gewerkschaften und Vertretern des öffentlichen Sektors, der Kampf gegen die Korruption im Wasserbereich sowie der Verzicht internationaler Finanzinstitutionen auf die strikte Kopplung der Kreditvergabe an bedürftige Länder an die Privatisierung des Bereichs der Wasserversorgung.[307]
Die zentrale Forderung von Athie lautet, daß die staatlichen Wassergesellschaften ausschließlich vom Staat kontrolliert werden müssen, damit die Armen nicht marginalisiert werden. Seiner Meinung nach ist die Privatisierung zwar nötig, aber das Wasser soll ihm zufolge ein für jeden frei zugängliches, öffentliches Gut bleiben.[308]
Hoering spricht sich für eine Reform des öffentlichen Versorgungssektors in den Entwicklungsländern aus. Dabei hält er – ähnlich wie bei einer etwaigen Beteiligung von Privatinvestoren – einen Rückzug des Staates aus der direkten Kontrolle, eine Restrukturierung zwecks Effizienzsteigerung, Regulierungsinstanzen, eine öffentliche Kontrolle in einem demokratischen System und Capacity Building für nötig. Durch diese Reform sieht er ein größeres Potential, öffentliche Anliegen und soziale und ökologische Zielsetzungen bei der Wasserversorgung zu berücksichtigen und sogar kostengünstiger durchzusetzen. Für eine rasche Lösung der Wasserkrise in einkommensschwachen städtischen Gebieten und in ländlichen Regionen betont der Autor die Notwendigkeit von zusätzlichen lokalen, bedarfsorientierten und kostengünstigen Versorgungsalternativen, die auf Selbsthilfe angepaßter Technologie und überbrachten Kenntnissen beruhen. Laut ihm können viele dieser Ansätze nur mit der Unterstützung durch öffentliche Entwicklungsinstitutionen oder nichtstaatliche Entwicklungsorganisationen in die Tat umgesetzt werden.[309]
Die Wassergruppe des Forums Umwelt und Entwicklung sieht es als erwiesen an, daß der öffentliche Sektor reformierbar ist und klare Vorteile[310] bei der Durchführung sektoraler Reformen im Hinblick auf die Festlegung von Richtlinien für etwaige Privatisierungen und der Übergabe der sozialen und wirtschaftlichen Verantwortung für die Wasserver- und Abwasserentsorgung an die Privatwirtschaft besitzt.
Laut dem Forum herrschte auf dem der Internationalen Konferenz „Water – Human Right or Commidity“ im März 2003 in Berlin unter den Teilnehmern[311] Einigkeit darüber, daß die Aufgabe, alle Bevölkerungsgruppen in den Entwicklungsländern mit Trinkwasser und Abwassersystemen zu versorgen, nur durch den öffentlichen und nicht durch den privaten Sektor erfüllt werden kann.[312]
7) Die Effektivität der Wasserprivatisierung im Hinblick auf eine umfassende und nachhaltige Entwicklungshilfe
In dieser Analyse komme ich zu dem Ergebnis, daß die bisherigen Privatisierungsprojekte ihre Zielsetzung, nämlich die Verbesserung der Trinkwasserinfrastruktur in den armen Entwicklungsländern, deutlich verfehlt haben. Nicht nur das, sie haben in den meisten Fällen sogar dazu beigetragen, daß im Ergebnis einer in Relation zur besorgniserregenden Ausgangssituation, einer noch größeren Anzahl von bedürftigen Menschen der Zugang zu einer ordentlichen Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung verwährt blieb. Das lag vor allem am ausgeprägten Profitstreben der internationalen Großkonzerne, das in der in dieser Arbeit beschriebenen Dimension eine entwicklungspolitische Ausrichtung unmöglich macht. Es ging den involvierten Privatunternehmen nicht darum, der bedrohlichen Wasserkrise beizukommen, sondern einzig und alleine darum, aus den scheinbar lukrativen Konzessionserteilungen heraus einen Gewinn zu erzielen. Dabei waren sie nicht einmal dazu bereit, ihre vertraglich vereinbarten Investitionen zu tätigen oder die versprochenen Versorgungsleistungen zu erbringen. Weil Sie mit der Zeit realisiert haben, daß die Versorgung der ärmsten Bevölkerungsschichten kein profitables Geschäft ist, haben sie sich auf die lukrative Wasserversorgung der wohlhabenderen Bevölkerungsteile konzentriert und die Armen dabei völlig vernachlässigt. Die bisherigen Privatisierungsprojekte führten zu keiner Verbesserung der Wasserinfrastruktur überhaupt. Schuld daran war die mangelnde Bereitschaft, die nötigen Investitionen für die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Wasserversorgung zu erbringen. Statt dessen bediente man sich öffentlicher Entwicklungshilfegelder, wobei die zu tätigenden Investitionen trotzdem größtenteils ausblieben. Auch kam es nicht zur Einhaltung des im Vorfeld festgelegten Leistungskatalogs, sodaß sich die Versorgungslage im Ergebnis nicht verbesserte, sondern in vielen Fällen, besonders auch aus der Sicht der Armen, sogar verschlechterte.
Mittlerweile haben sämtliche Privatisierungsbefürworter erkannt, daß die bisherige Privatisierungspraxis sowohl nach ökonomischen als vor allem auch nach entwicklungs-politischen Gesichtspunkten heraus nicht tragbar ist. So ziehen sich auch die Wirtschafts-unternehmen vermehrt von dieser Form der Wasserversorgung in den armen Ländern des Südens zurück und verklagen bei ihrem Rückzug teilweise die ohnehin hoch verschuldeten Länder aufgrund des ausgebliebenen, kalkulierten Profits über hohe Schadensersatzforderungen.
Die staatlichen, internationalen Entwicklungshilfeorganisationen distanzieren sich mittler-weile ebenso von der bisherigen Privatisierungspraxis.
Sie suchen zusammen mit den internationalen Entwicklungsbanken und Wasserlobbyisten nach neuen Wegen der Entwicklungshilfe in diesem Versorgungssektor. Dabei geht es den Entwicklungsbanken und Vertretern der Wasserlobby augenscheinlich in erster Linie wiederum um das Erschließen neuer Geschäftsfelder unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe und nicht um die Verbesserung der Versorgungssituation der Ärmsten der Armen. Meiner Meinung nach muß die internationale Entwicklungshilfe ganz klar statuieren, daß die von ihr initiierten Projekte auf jeden Fall in erster Linie die Armen erreichen und eine generelle Verbesserung der Versorgungslage in den Entwicklungsländern erbringen. Dabei ist die Privatwirtschaft aufgrund ihrer Finanzkraft unabdingbar mit einzubeziehen. Allerdings muß dieses Engagement zunächst vernünftig im entwicklungspolitischen Sinn verhandelt und dann unter bindenden Verpflichtungen seitens der Privatinvestoren erfolgen. Keinesfalls darf die Privatwirtschaft, deren einziges Ziel natürlicherweise die Erwirtschaftung eines möglichst hohen Reingewinns ist, so autark und selbstbestimmt agieren wie bisher. Sie muß in dem Sinn in den ganzheitlichen, partizipativen Ansatz eingebettet werden, daß sie vorrangig den von den Entwicklungshilfeinstitutionen ausgegebenen Zielen dient. Ein effektiver Regulierungs-rahmen, der idealerweise mit internationaler Unterstützung geschaffen sowie souverän und nachdrücklich arbeiten kann, ist dabei die absolute Grundvoraussetzung. Die große Schwierigkeit bei der Einbeziehung der Privatwirtschaft besteht allerdings darin, daß sie durch den gegenwärtigen Globalisierungsdruck und dem damit einhergehenden System der Weltwirtschaft oftmals dazu gezwungen ist, rasche und möglichst hohe Profite zu machen um auf dem hart umkämpften und rücksichtslosen Weltmarkt zu bestehen. Gerade Firmen mit der überdimensionalen Kapazität der in dieser Arbeit erwähnten, in die Wasserversorgung involvierten, internationalen Großkonzerne müssen ständig Gewinne erwirtschaften und profitabel in möglichst viele neue Bereiche expandieren, um den Renditeinteressen der Großaktionäre, die inzwischen zur mächtigsten ökonomischen Kennziffer unter den Global Players geworden sind, gerecht zu werden. Neben den finanziell starken, privatwirtschaftlichen Akteuren, die zudem einen viel besseren Zugang zum internationalen Kreditmarkt haben, als staatliche Stellen in Entwicklungsländern, muß die jeweilige Staatsregierung als starker, kompetenter und kooperativer Partner auftreten. Ihr alleine muß letztendlich die Verantwortung und Kontrolle über die Ressource Wasser obliegen.
Sie muß den Einsatz der Privatwirtschaft – im besten Fall mit der Unterstützung internationaler Regierungen und Institutionen – optimal planen und mit dem Ziel koordinieren, daß alle Bevölkerungsgruppen und hierbei vor allem die Armen einen Zugang zu einer bedarfsgerechten Wasserinfrastruktur erhalten. Die genaue Abstimmung sollte in Foren und Sitzungen in einem fortwährenden, gerechten und transparenten Dialog erfolgen und durch gemeinsame Untersuchungen und Lösungsvorschläge ständig optimiert und verbessert werden.
Als dritter Akteur spielt das Volk als Wassernutzer eine ebenso wichtige Rolle. Ihm sollte eine gleichberechtigte Rolle bei den Dialogen und der Umsetzung der Vorgaben für eine flächendeckende und bedarfsgerechte Infrastruktur der Wasserversorgung zukommen. Durch die Bildung regionaler und überregionaler Wasserparlamente könnte eine äußerst genaue Abstimmung bei künftigen Wasserversorgungsprojekten erfolgen. Ihnen sollen Vertreter von Nutzergruppen, Behörden und Versorgungsexperten angehören, die sich auf ihre jeweilige Region fokussieren und übergeordneten Stellen eine genaue Versorgungsbilanz vorlegen sowie diesen regionalspezifische Anliegen und Verbesserungsvorschläge unterbreiten können.
Grundsätzlich sollte immer zuerst ermittelt werden, wie hoch der Investitionsbedarf für eine zu verbessernde Trinkwasserversorgung ist und in wie weit öffentliche und private Versorgungsbetriebe oder öffentlich-private Konsortien mit dieser Aufgabe vertraut werden sollen. Diese Studien müssen idealerweise objektiv, genau und umfangreich angefertigt werden und erfordern daher auch eine penible Planung und einen ausreichenden Zeithorizont.
Nur durch eine Versorgungspolitik, die in erster Linie auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet ist und unmittelbar auf deren Nöte durch Versorgungsengpässe mit der lebenswichtigen Ressource Wasser reagiert, kann man der globalen Wasserkrise, die sich immer weiter über den Planeten erstreckt, angemessen beikommen.
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Erklärung
Hiermit versichere ich, daß ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfaßt habe. Sämtliche für diese Arbeit herangezogenen Quellen und Hilfsmittel sind in den Fußnoten und der Bibliographie angegeben. Es wurden keine anderen Literaturquellen als die dort angegebenen herangezogen.
Karben, Groß-Karben den 25. Mai 2005
[...]
[1] vgl. wissen.de GmbH: http://www.wissen.de/xt/default.do?MENUNAME=Suche&SEARCHTYPE=topic&query=wasser, 29.03.05
[2] vgl. Wallacher (1999:5f.)
[3] vgl. Das Grosse Lingen Universal Lexikon Band 19 (1984:5881)
[4] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003a:2)
[5] Darstellung des hydrologischen Kreislaufs in Punkt 2.2) dieser Arbeit.
[6] vgl. wissen.de GmbH: http://www.wissen.de/xt/default.do?MENUNAME=Suche&SEARCHTYPE=topic&query=wasser, 29.03.05
[7] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003a:2)
[8] vgl. Erdmann/Schell (2003:5)
[9] vgl. Erdmann/Schell (2003:5f.)
[10] vgl. Reusswig (2003:109)
[11] vgl. Ehlers (2002:11)
[12] Diese fünf Punkte werden im folgenden noch näher erläutert.
[13] vgl. Erdmann/Schell (2003:3)
[14] vgl. ebd. (2003:3) nach Bick (1984:165)
[15] vgl. ebd. (2003:3)
[16] vgl. ebd. (2003:3) nach Woropajew (1985)
[17] vgl. ebd. (2003:3) nach Bick (1984:165f.)
[18] vgl. Wallacher (1999:130)
[19] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:2)
[20] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:2) nach Muschg (1992)
[21] vgl. Wallacher (1999:125)
[22] vgl. ebd. (1999:147f.)
[23] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:3)
[24] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:3)
[25] vgl. ebd. (2003b:4) nach Gaidetzka (2002:50f.)
[26] vgl. ebd. (2003b:4)
[27] vgl. ebd. (2003b:4) nach Dierx/Garbrecht (2001)
[28] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:7)
[29] vgl. ebd. (2003b:7f.) nach Ebach (2001) und Dehn (2002)
[30] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:8)
[31] vgl. ebd. (2003b:9f.)
[32] vgl. ebd. (2003b:5)
[33] vgl. Wallacher (1999:156)
[34] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:6) nach Wasser-Magazin (2002:12)
[35] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:6)
[36] vgl. ebd. (2003b:5)
[37] ebd. (2003b:5) nach Stubbe-Diarra (1997:83)
[38] ebd. (2003b:5) nach ebd. (1997:86f.)
[39] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:5) nach Decker in Hoffmann (1997:100f.)
[40] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:5)
[41] vgl. ebd. (2003b:4) nach Gaidetzka (2000:18)
[42] vgl. Wallacher (1999:98f.)
[43] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:4)
[44] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:4)
[45] vgl. Stadler/Hoering (2003:20)
[46] vgl. ebd. (2003:20) nach Lee (1999)
[47] vgl. ebd. (2003:20) nach Leslie (2001)
[48] vgl. Barlow/Clarke (2003:19)
[49] vgl. ebd. (2003:19) nach Pielou (1998)
[50] vgl. Barlow/Clarke (2003:19f.)
[51] vgl. European Christian Environmental Network (ECEN) in Entwicklungspolitik Materialien (2004:12)
[52] vgl. Opp (2004:6)
[53] vgl. Pliego (1999), online: http://www.mi.uni-hamburg.de/lehre/Globale_Umweltveraenderungen/Jacques/wasser.html, 04.04.05
[54] vgl. Opp (2004:8) nach McNeill (2003)
[55] vgl. Pliego (1999), online: http://www.mi.uni-hamburg.de/lehre/Globale_Umweltveraenderungen/Jacques/wasser.html, 04.04.05
[56] vgl. UNESCO (2003b:5), online: http://www.unesco.org/water/wwap/wwdr/table_contents.shtml, 22.05.05
[57] vgl. Meyers Großer Weltatlas (2001:56f.)
[58] vgl. Opp (2004:8)
[59] vgl. Sacher in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:3)
[60] vgl. Stadler/Hoering (2003:19) nach Trittin-Rede (2001)
[61] vgl. WBGU (1998:47)
[62] vgl. Opp (2004:9f.) nach WBGU (1998)
[63] Eigene Darstellung nach WRI (1994) in Opp (2004:10)
[64] vgl. Stadler/Hoering (2003:22f.)
[65] vgl. ebd. (2003:23) nach Gleick (2000)
[66] vgl. Ehlers (2002:25)
[67] vgl. Opp (2004:16) nach UNESCO (2003a)
[68] vgl. Opp (2004:7) nach DSW (2003)
[69] vgl. Barlow/Clarke (2003:22)
[70] vgl. Barlow/Clarke (2003:81)
[71] vgl. UNCSD (1994), online: http://www.un.org/documents/ecosoc/cn17/1994/background/ecn171994-bpch7.htm, 16.05.05.
[72] vgl. Barlow/Clarke. (2003:21)
[73] vgl. BMZ et al. (2001:5)
[74] vgl. Athie (2002:52)
[75] vgl. Brot für die Welt (2003:11f.)
[76] siehe Punkt 3.2) dieser Arbeit.
[77] vgl. Stadler/Hoering (2003:22)
[78] vgl. ebd. (2003:31) nach WWPA (2001)
[79] Einen kleinen Auszug wasserintensiver Erzeugnisse liefert Punkt 3.2) dieser Arbeit.
[80] vgl. Stadler/Hoering (2003:38)
[81] vgl. ebd. (2003:38) nach Petrella (2000)
[82] vgl. Barlow/Clarke (2003:21)
[83] vgl. ebd. (2003:86)
[84] vgl. ebd. (2003:42)
[85] Vgl. Shiva (2003:23) nach de Villiers (2000)
[86] vgl. BMZ et al. (2001:5)
[87] vgl. Neubert (2001) in Aus Politik und Zeitgeschehen Band 48-49 (2001:13)
[88] vgl. Stadler/Hoering (2003:28) nach UNFPA/Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (2001)
[89] vgl. Cosgrove/Rijsbermann (2000:16), online: http://www.worldwatercouncil.org/Vision/Documents/Chapter2.pdf, 16.05.05
[90] vgl. Stadler/Hoering (2003:28f.) nach Schertenleib et al. (2003)
[91] vgl. Stadler/Hoering (2003:29f.)
[92] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003b:6)
[93] vgl. Stadler/Hoering (2003:29f.)
[94] vgl. ebd. (2003:30) nach Postel (1997)
[95] vgl. ebd. (2003:30)
[96] vgl. Barlow/Clarke (2003:81f.)
[97] vgl. Stadler/Hoering (2003:30)
[98] vgl. ebd. (2003:31) nach Cosgrove/Rijsbermann (2000), online: http://www.worldwatercouncil.org/Vision/Documents/Chapter2.pdf, 16.05.05
[99] vgl. Barlow/Clarke (2003:28)
[100] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003a:5)
[101] vgl. Postel (1999:78)
[102] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003a:6) nach Bliss (2001:18)
[103] vgl. Stadler/Hoering (2003:21)
[104] vgl. Revenga et al. (2000:15), online: http://pdf.wri.org/page_freshwater.pdf, 16.05.05
[105] vgl. Stadler/Hoering (2003:31f.) nach Leslie (2001)
[106] vgl. ebd. (2003:32) nach Schertenleib et al. (2003)
[107] vgl. Revenga et al. (2000:18) nach Abramowitz (1996:11), online: http://pdf.wri.org/page_freshwater.pdf, 16.05.05
[108] vgl. Stadler/Hoering (2003:33) nach Leslie (2001)
[109] vgl. Revenga et al. (2000:18) nach Vörösmarty (1997:217) , online: http://pdf.wri.org/page_freshwater.pdf, 16.05.05
[110] vgl. Stadler/Hoering (2003:33) nach UNFPA/Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (2001)
[111] vgl. Barlow/Clarke (2003:87)
[112] vgl. Stadler/Hoering (2003:33f.) nach Leslie (2001)
[113] vgl. Neubert (2001) in Aus Politik und Zeitgeschichte Band 48-49 (2001:13f.)
[114] vgl. Neubert in Aus Politik und Zeitgeschichte Band 48-49 (2001:15)
[115] vgl. ebd. (2001:22)
[116] vgl. Stadler/Hoering (2003:26)
[117] Shiva (2003:9)
[118] vgl. Sacher in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:3)
[119] vgl. Barlow/Clarke (2003:9f.)
[120] vgl. Stadler/Hoering (2003:24)
[121] vgl. WHO und UNICEF (2004:8)
[122] vgl. ebd. (2004:18)
[123] vgl. Opp (2004:16) nach UNESCO (2003a:17)
[124] Der Begriff der demographischen Dimension wurde geprägt von Falkenmark/Lundqvist/Widstrand (1989:258f.)
[125] Die entsprechende Tabelle folgt auf der nächsten Seite.
[126] vgl. Klaphake/Scheumann (2001) in Aus Politik und Zeitgeschichte Band 48-49 (2001:3f.)
[127] vgl. Klaphake/Scheumann in Aus Politik und Zeitgeschichte Band 48-49 (2001:4) nach UNCSD (1997)
[128] Eigene Darstellung nach World Resources Institute (1990) in Klaphake/Scheumann (2001:4)
[129] Folgende Länder sind gemeint: Kuwait, Libyen, Singapur, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Jordanien, Jemen, Israel, Tunesien, Oman, Algerien, Burundi, Ruanda und Ägypten.
[130] vgl. Stadler/Hoering (2003:36f.) nach Engelmann et al. (2000)
[131] vgl. Barlow/Clarke (2003:41)
[132] Es handelt sich dabei um folgende Länder: Guinea-Bissau, Guinea, Sierra Leone, São Tomé und Príncipe, Mali, Niger, Nigeria, Kamerun, Kongo, Demokratische Republik Kongo, Angola, Lesotho, Swaziland, Burundi, Mosambik, Madagaskar, Uganda, Kenia, Äthiopien, Somalia, Dschibuti und Eritrea.
[133] vgl. Barlow/Clarke (2003:41) nach de Villiers (1999)
[134] vgl. Klaphake/Scheumann in Aus Politik und Zeitgeschichte Band 48-49 (2001:4)
[135] vgl. Barlow/Clarke (2003:41f.)
[136] vgl. Bosch (2001:375f.)
[137] vgl. Brot für die Welt (2003:13)
[138] vgl. ebd. (2003:10f.)
[139] vgl. ebd. (2003:13)
[140] vgl. Bosch (2001:379)
[141] vgl. Brot für die Welt (2003:12)
[142] vgl. Brot für die Welt (2003:9)
[143] vgl. WHO und UNICEF (2004:6)
[144] vgl. Opp (2004:7)
[145] vgl. Stadler/Hoering (2003:45)
[146] vgl. ebd. (2003:45) nach Davis (2002:8f.), online: www.swisscoalition.ch/deutsch/files/T_WrAvWz.pdf, 24.04.05
[147] vgl. Stadler/Hoering (2003:45)
[148] vgl. Deckwirth (2004:3)
[149] Varghese (2003:2)
[150] vgl. Stadler/Hoering (2003:46) nach Ziegler (2003)
[151] vgl. Helvetas: http://www.helvetas.ch/global/pdf/topic/wasser/0202_wasserkonferenzen.pdf, 18.04.2005
[152] vgl. Stadler/Hoering (2003:46)
[153] PriceWaterhouseCoopers (2001:19), online: http://www.pwcglobal.com/fr/pwc_pdf/pwc_etude_uk-water.pdf, 18.05.05
[154] vgl. Stadler/Hoering (2003:46f.)
[155] vgl. Barlow/Clarke (2003:109f.)
[156] vgl. Public Service International (2000), online: www.psiru.org/reports/2000-03-W-Hclub.doc, 18.05.05
[157] vgl. Stadler/Hoering (2003:48)
[158] vgl. Neue Zürcher Zeitung, 24.03.2003
[159] vgl. Davis (2002:20), online: www.swisscoalition.ch/deutsch/files/T_WrAvWz.pdf, 24.04.05
[160] vgl. ECOSOC (2002:1), online: http://www.unhchr.ch/tbs/doc.nsf/0/a5458d1d1bbd713fc1256cc400389e94/$FILE/G0340229.pdf, 18.05.05
[161] Kurzbiographie Ismail Serageldin: http://www.serageldin.com/framea.htm, 18.05.05
[162] vgl. WWC (2000), online: http://www.worldwatercouncil.org/Vision/Documents/CommissionReport.pdf, 21.05.05
[163] vgl. Stadler/Hoering (2003:49)
[164] vgl. ebd. (2003:49) nach Serageldin (1994)
[165] vgl. Stadler/Hoering (2003:51)
[166] vgl. Public Service International, online: www.psiru.org/reports/2000-03-W-Hclub.doc, 18.05.05
[167] World Water Council (2000:1), online: http://www.worldwatercouncil.org/Vision/Documents/CommissionReport.pdf, 18.05.05
[168] Vgl. Stadler/Hoering (2003:52) nach Meran (2000)
[169] vgl. Stadler/Hoering (2003:52)
[170] World Water Council (2000:2), online: http://www.worldwatercouncil.org/Vision/Documents/CommissionReport.pdf, 18.05.05
[171] vgl. Stadler/Hoering (2003:53f.)
[172] vgl. Stadler/Hoering (2003:56)
[173] vgl. Berbalk in Studenteninitiative Wirtschaft&Umwelt e.V. (2004:121)
[174] Report des World Panel on Financing Water Infrastructure vom März 2003. Der Bericht “Financing Water For All” wurde unter dem Vorsitz von Michel Camdessus, dem ehemaligen Chef des Internationalen Währungsfonds, verfaßt und von seinem Mitarbeiter James Winpenny niedergeschrieben.
[175] Eigene Darstellung nach World Panel on Financing Water Infrastructure (2003:3)
[176] „Johannesburg Plan of Action“ (PoA), verabschiedet beim Weltgipfel Nachhaltige Entwicklung im September 2002 in Johannesburg/Südafrika.
[177] Gemeinsame Pressemitteilung von BMU/BMZ: www.bmu.de/pressearchiv/14_legislaturperiode/pm/print/1517.php, 23.04.05
[178] PriceWaterhouseCoopers (2001:22), online: www.pwcglobal.com/fr/pwc_pdf/pwc_etude_uk-water.pdf, 23.04.05
[179] vgl. Stadler/Hoering (2003:56)
[180] Eigene Darstellung aus den jeweiligen Angaben von www.worldwatercouncil.org/Vision/Documents/CommissionReport.pdf, 23.04.05 sowie www.johannesburgsummit.org/html/documents/summit_docs/wehab_papers/wehab_water_sanitation.pdf, 23.04.05
[181] vgl. Stadler/Hoering (2003:57)
[182] vgl. Hoering (2003a:3)
[183] Forum Eine Welt (2000:3), online: www.forumeinewelt.de/servlet/PB/show/1372177/Entwicklungspartnerschaft%20mit%20der%20Wirtschaft%20-%20eine %20neue%20Allianz.pdf, 24.04.05
[184] vgl. Hoering (2003a:3)
[185] Rabe (2002:11), auch online: http://www.inwent.org/E+Z/1997-2002/de402-4.htm, 21.05.05
[186] ebd. (2002:11)
[187] vgl. Hoering (2003a:3)
[188] vgl. Hoering (2003a:4)
[189] vgl. Hoering (2003a:5)
[190] vgl. ebd. (2003a:5) nach GTZ (2001)
[191] vgl. ebd. (2003a:5)
[192] vgl. Hoering (2003a:5) nach Wissenschaftlicher Beirat beim BMZ (1994)
[193] vgl. Hoering (2003a:5)
[194] vgl.ebd. (2003a:5) nach Foerster/Wolf (1997)
[195] vgl. Hoering (2003a:5)
[196] Uschi Eid auf dem Dialogforum Wasserwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit vom 29.02.2000 in Bonn, online: http://www.uschi-eid.de/docs/000229was.htm, 18.05.05
[197] Forum Eine Welt (2000:26), online: www.forumeinewelt.de/servlet/PB/show/1372177/Entwicklungspartnerschaft%20mit%20der%20Wirtschaft%20-%20eine %20neue%20Allianz.pdf, 24.04.05
[198] vgl. Stadler/Hoering (2003:135f.)
[199] vgl. Barlow/Clarke (2003:127)
[200] vgl. United Nations (1996), online: www.unctad.org/en/docs/wir96_en.pdf, 22.05.05
[201] siehe auch Punkt 3.3) dieser Arbeit.
[202] vgl. Barlow/Clarke (2003:128)
[203] vgl. Shiva (2003:130)
[204] Barlow/Clarke (2003:138) nach Fortune Magazine, Mai 2000
[205] vgl. Barlow/Clarke (2003:138)
[206] vgl. ebd. (2003:138) nach Fortune Magazine, Mai 2000
[207] vgl. Barlow/Clarke (2003:138)
[208] Barlow/Clarke (2003:138) nach Fortune Magazine, Mai 2000
[209] vgl. Shiva (2003:130)
[210] Shiva (2003:130) nach Monsanto (1991:3)
[211] ebd. (2003:131) nach Monsanto (1991:14)
[212] vgl. ebd. (2003:131)
[213] vgl. ebd. (2003:131) nach Monsanto (1998)
[214] vgl. Deckwirth (2004:6)
[215] eigene Darstellung nach RWE (2003), online: http://www.fcca.es/Docs/Mercado%20del%20agua.pdf, 22.05.05 und www.fortune.com (2003) aus Deckwirth (2004:6).
[216] vgl. Deckwirth (2004:9)
[217] vgl. Hillary (2003:8)
[218] vgl. Deckwirth (2004:9)
[219] Firmenportrait in Punkt 4.7.3) dieser Arbeit.
[220] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003c:5f.)
[221] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003c:7f.)
[222] vgl. Handelsblatt vom 19. Juli 2002, Seite 18, Handelsblatt online-Archiv: www.handelsblatt.com, 22.05.05
[223] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003c:8f.)
[224] vgl. Deckwirth in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004b:9)
[225] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003d:2)
[226] Die Ergebnisse der GATS-Verhandlungen lagen bei der Fertigstellung dieser Arbeit noch nicht vor.
[227] vgl. Fritz (2003:11)
[228] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003d:2)
[229] Genauere WTO-Prinzipien ab Punkt 4.8) dieser Arbeit.
[230] vgl. Fritz (2003:11)
[231] vgl. Fritz (2003:15) nach WTO (2002), online: http://www.wto.org/english/res_e/statis_e/its2002_e/its2002_e.pdf
[232] vgl. Kürschner-Pelkmann (2003d:2)
[233] vgl. ebd. (2003:2) nach EC (2002)
[234] vgl. Fritz (2003:15) nach OECD (2000)
[235] vgl. ebd. (2003:15) nach Mashayekhi (2000)
[236] vgl. ebd. (2003:15)
[237] vgl. OECD (2002:37)
[238] vgl. ebd. (2002:28)
[239] vgl. ebd. (2002:24f.)
[240] vgl. Fritz (2003:16) nach WTO (2002)
[241] vgl. ebd. (2003:16) nach ebd. (2002)
[242] vgl. ebd. (2003:16f.) nach WTO (2001a)
[243] vgl. Fritz (2003:16)
[244] vgl. Fritz (2003:26)
[245] vgl. Fritz (2003:26) nach UNCTAD (2001)
[246] Joint Ventures sind Gemeinschaftsunternehmen
[247] vgl. Fritz (2003:26) nach Sauvé/Wilkie (1999)
[248] vgl. Fritz (2003:26f.)
[249] vgl. Fritz (2003:28) nach Barth (2000)
[250] vgl. Fritz (2003:27f.)
[251] vgl. Fritz (2003:35)
[252] vgl. ebd. (2003:36) nach WTO (2000)
[253] vgl. ebd. (2003:36) nach WTO (2001b)
[254] vgl. Rosemann in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:16)
[255] vgl. Deckwirth (2004:11)
[256] vgl. Rosemann in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:16)
[257] vgl. Deckwirth (2004:11)
[258] vgl. Rosemann in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:16f.)
[259] vgl. Deckwirth (2004:12)
[260] vgl. Deckwirth (2004:11f.)
[261] vgl. Barlow/Clarke (2003:134f.)
[262] vgl. Brot für die Welt (2003:38)
[263] vgl. Barlow/Clarke (2003:134)
[264] vgl. Brot für die Welt (2003:38f.)
[265] vgl. Barlow/Clarke (2003:136)
[266] vgl. ebd. (2003:135f.)
[267] vgl. Barlow/Clarke (2003:136f.)
[268] vgl. Brot für die Welt (2003:38f.)
[269] vgl. Stadler/Hoering (2003:134f.)
[270] vgl. Barlow/Clarke (2003:194)
[271] vgl. Stadler/Hoering (2003:132f.)
[272] vgl. Barlow/Clarke (2003:194f.)
[273] vgl. Stadler/Hoering (2003:133)
[274] Stadler/Hoering (2003:133) nach Bolivia (1999):
[275] ebd. (2003:133) nach ebd. (1999)
[276] vgl. Stadler/Hoering (2003:133)
[277] vgl. Barlow/Clarke (2003:194)
[278] vgl. Stadler/Hoering (2003:133f.)
[279] vgl. Terhorst in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:26f.)
[280] vgl. Clarke/Barlow (2003:220f.)
[281] vgl. Sacher in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:3)
[282] vgl. Hoering (2003b:4)
[283] vgl. Barlow/Clarke (2003:165)
[284] vgl. Stadler/Hoering (2003:154f.)
[285] vgl. Hoering in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:8)
[286] vgl. Cardone et al. (2002:18)
[287] vgl. World Panel on Financing Water Infrastructure (2003:27)
[288] Bundesregierung (2002:71)
[289] vgl. Stadler/Hoering (2003:161f.)
[290] vgl. Drillisch/Sekler (2004:3)
[291] vgl. Stadler/Hoering (2003:161f.)
[292] vgl. Rose-Ackermann (1996), online: http://rru.worldbank.org/Documents/PublicPolicyJournal/074ackerm.pdf, 24.05.05
[293] vgl. Stadler/Hoering (2003:167f.)
[294] vgl. Barlow/Clarke (2003:165f.)
[295] vgl. ebd. (2003:166) nach Hall (2001)
[296] vgl. Barlow/Clarke (2003:166)
[297] vgl. ebd. (2003:166) nach Hall (2001)
[298] Vgl. Barlow/Clarke (2003:166)
[299] vgl. Hoering (2003a:30)
[300] BMZ (2002:52)
[301] vgl. Hoering (2003a:30)
[302] vgl. Stadler/Hoering (2003:168f.)
[303] vgl. ebd. (2003:169) nach Laugerud (2003)
[304] vgl. Sacher in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:5f.)
[305] vgl. Hoering in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:8)
[306] vgl. Sacher in INKOTA-netzwerk e.V. und Brot für die Welt (2004:5f.)
[307] vgl. Krüger (2003:210f.)
[308] vgl. Athie (2002:142)
[309] vgl. Hoering (2001:34f.)
[310] Gemeint sind das Bewußtsein über die soziale Verantwortung, Versorgungsverläßlichkeit und andere Vorteile gegenüber Privatisierungsprojekten, bei denen die Privatwirtschaft unreguliert agieren kann.
[311] Nach Angaben des Forums wohnten der Konferenz 250 Teilnehmer aus Industrie- und Entwicklungsländern sowie Vertretern von der Weltbank und dem deutschen Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bei.
[312] vgl. Forum Umwelt und Entwicklung (2004:1)
- Arbeit zitieren
- Sasa Mitrovic (Autor:in), 2005, Die Privatisierung der Wasserversorgung der Dritten Welt. Eine effektive Strategie moderner Entwicklungshilfe?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110352
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