Die Weltbank gehört zu den mit am längsten operierenden internationalen Organisationen unseres Planeten und sieht sich bereits seit Jahrzehnten mit enormer Kritik konfrontiert. Im folgenden möchte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, ob sich internationale Organisationen wie die Weltbank aus ihrer Geschichte heraus zu einem Streiter für die Einhaltung der Menschenrechte entwickeln können?
I. Einleitung
Die Weltbank gehört zu den mit am längsten operierenden internationalen Organisationen unseres Planeten und sieht sich bereits seit Jahrzehnten mit enormer Kritik konfrontiert. Im folgenden möchte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, ob sich internationale Organisationen wie die Weltbank aus ihrer Geschichte heraus zu einem Streiter für die Einhaltung der Menschenrechte entwickeln können?
Kein internationales Unternehmen, kein Staat und keine internationale Organisation wird bestehen können ohne Kurskorrekturen und Neuausrichtungen innerhalb von 50 Jahren.
II. Hauptteil
1. Entstehung und Aufgaben
Die Weltbank wurde gegründet als “International Bank for Reconstruction and Development” (IBRD) zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IMF) 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods (USA). Zur Weltbank-Gruppe gehören auch die im Laufe der Jahre gegründeten Töchter: Die International Development Association (IDA), auf die später noch genauer eingegangen wird, die International Finance Corporation (IFC), deren Ziel es ist private Investitionen in Entwicklungsländern zu fördern, Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA), die einen Versicherungsschutz gegen nicht-kommerzielle Risiken, wie zum Beispiel politische Unruhen gewähren soll, und das International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID), einer Institution zur friedlichen Klärung von Investitionsstreitigkeiten.
Ursprünglich sollte die Weltbank eine Neuordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen mit größtmöglicher internationaler Kooperation ermöglichen. Da der Wiederaufbau Europas bereits über den Marshall -Plan in die Wege geleitet worden war, bleibt der Weltbank im wesentlichen die langfristige Kreditvergabe für Projekte in Entwicklungsländern als Betätigungsfeld.
Mitgliedsstaaten der Weltbank müssen auch dem Internationalen Währungsfond angehören, dessen Organisationsstruktur mit der Weltbank identisch ist. Entscheidungen werden auf einer jährlich tagenden Gouverneursversammlung der Finanzminister getroffen. Die BRD wird vom Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit vertreten. Das international besetzte Exekutivdirektorium besteht aus 24 Mitgliedern, doch herrscht ein unterschiedlich gewichtetes Stimmrecht bei Entscheidungen, das sich an der Höhe der Kapitalanteile der Mitgliedsstaaten orientiert. Die westlichen Industriestaaten dominieren in der 182 Mitgliedsstaaten (Stand: Dezember 2000) zählenden Institution (USA 18,2%, Japan 6,4%, Deutschland 5%, Frankreich 4,8%, Großbritannien 4,8%).
Das Grundkapital betrug 1944 10 Mrd. US-Dollar, und bestand nach Kapitalerhöhungen, zuletzt 1990, aus 175 Mrd. US-Dollar. Das System ist hier nicht ganz durchschaubar, denn nur 20 Prozent müssen tatsächlich eingezahlt werden, davon zwei Prozent in US-Dollar oder Gold und der Rest in eigener Währung. Die Einzahlungsquote wurde im Laufe der Jahre weiter gesenkt, so dass 90 Prozent reines Haftungskapital darstellen, das der Sicherung von Ansprüchen gegen die Weltbank dient.
Diese Konstruktion macht deutlich, dass die Weltbank primär als Brücke gedacht ist, um privates Kapital in die Entwicklungsländer zu leiten. Die Mittel zur Finanzierung der Weltbankaktivitäten stammen also auch primär aus Anleihen, die auf dem privaten Kapitalmarkt verkauft werden.
Doch welche Staaten bekommen überhaupt einen Kredit der Weltbank? Die Bank vergibt Kredite ausschließlich in Mitgliedsländern an Regierungsorganisationen oder private Unternehmen, unter der Bedingung, dass der Staat dafür bürgt, vergeben.
2. Entwicklung der Weltbanktätigkeit
Die Weltbank befindet sich ist in Abhängigkeit vom privaten Kapital und achtet daher sehr auf das eigene „standing“ an den Kapitalmärkten. Teilweise stammen die Mittel auch von Regierungsinstitutionen und Zentralbanken, unter anderem der deutschen und japanischen Zentralbank oder Regierungsinstitutionen von OPEC-Ländern.
Eingangs beschaffte sich die Weltbank ihr Kapital ausschließlich über den Kapitalmarkt der Vereinigten Staaten, weshalb ein US-Amerikaner als Präsident zur Institution geworden ist.
Bedingung für die Kreditgewährung ist immer eine vorausgehende umfassende Analyse der gesamtwirtschaftlichen Situation des kreditnehmenden Landes, des volkswirtschaftlichen Stellenwerts der zu finanzierenden Projekte und insbesondere natürliche die Möglichkeit der Kreditrückzahlung. Diese strenge Prüfung hat zur Folge, dass die Weltbank noch nie einen Kredit abschreiben musste.
Die Kredite werden zu relativ harten Konditionen, die allerdings etwas unter Marktkonditionen liegen, bereitgestellt und die Zinssätze orientieren an den eigenen Finanzierungskosten und nicht etwa an der Bedürftigkeit der Länder. Gewährt werden Kredite für überwiegend einzelne Projekte (specific investment loans), die davor recht gründlich untersucht und ständig beobachtet werden, aber auch für einzelne Wirtschaftssektoren (sector operations), die teilweise auf die Gesamtwirtschaft zielen.
Den Ausschlag für oder gegen eine Kreditvergabe geben nach der Satzung allein ökonomische Kriterien.
Gefördert wurden in den 50er Jahre vor allem Infrastrukturmaßnahmen, jedoch wird seit den 70er Jahren versucht in der Strategie die Folgen des Wachstums und der Einkommensverteilung zu berücksichtigen and die ärmsten Bevölkerungsgruppen besonders zu fördern. Dies führte zu integrierten Schwerpunkprogrammen zur Förderung der ärmsten Bevölkerungsteile auf dem Lande (1973) und auch in den Städten (1975), und ab Ende der 80er Jahre beziehungsweise Anfang der 90er Jahre hat die Weltbank neben Armutslinderung und tragfähigem Wachstum zunehmend die Mitwirkung bei der Lösung von Umweltproblemen als ihre Aufgabe betont.
Kritik an der Weltbank betraf früher in erster Linie den Vorwurf von politisch motivierten Entscheidungen durch die Industrieländer. So wünschte beispielsweise Ägypten für den Bau des Assuan-Staudamms eine Beteiligung der Weltbank, die mit Rücksicht auf die Vereinigten Staaten im Konflikt mit der Sowjetunion abgelehnt wurde.
Die harten Konditionen der Weltbank hatten schon in den ersten Jahren dazu geführt, dass gerade hilfsbedürftige Länder am wenigsten für Kredite in Frage kamen. Um Abhilfe zu schaffen wurde daher die IDA 1960 gegründet, als spezielle Organisation für Kredite an die Entwicklungsländer.
Besonders bei gesamtwirtschaftlichen Eingriffen wird zunehmend auch die Entwicklungsstrategie der Weltbank kritisiert, die natürlich auf „politischen“ Entscheidungen beruht und vor allem an den Interessen der Industrieländer ausgerichtet ist.
3. International Development Association (IDA)
Mit der Gründung der IDA 1960 versuchte die Weltbank eine Entwicklung zu korrigieren. Die meisten Mitglieder der Weltbank sind auch Mitglieder der IDA, genauer gesagt 161 Staaten (Stand: 2000). Diese stellen auch in Form von freiwilligen Beiträgen die Finanzierung der IDA sicher.
So erfolgt die Kreditvergabe zu äußerst günstigen Bedingungen, einer Laufzeit von 35-40 Jahren, einer zehnjährigen Tilgungsfreiheit und einer nur ein Dreiviertel Prozent betragenden Bearbeitungsgebühr pro Jahr. Dies macht diese Kredite in den Entwicklungsländern sehr begehrt.
1996 startete die IDA eine Initiative für schwer verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries - HIPC), die in Washington von Regierungsvertretern aus aller Welt beschlossen wurde. Diese Initiative soll es armen Ländern mit einer guten Politik ermöglichen dem Schuldenberg zu entkommen und Energien auf nachhaltige Entwicklung und die Verringerung der Armut zu konzentrieren. Dies führte im November desselben Jahres zur Etablierung des entsprechenden Fonds unter Verwaltung der IDA. Dieser enthielt ein Grundkapital von 500 Mio. US-Dollar von nicht ausgeschütteten Gewinnen der Weltbank. Als eines der ersten Länder profitiert Bolivien von der neuen Regelung unter der HIPC-Initiative (September 1997 bzw. Februar 2000).
Insgesamt sieht sich die Weltbank als anerkannten Experten in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern. Dies verdeutlicht auch der seit 1978 herausgegeben „Weltentwicklungsbericht“.
III. Beispiel Staudämme und die Zukunftsaussichten
Die Geschichte der Entwicklung der Weltbank hört sich eigentlich recht gut an. Doch verdecken manche Kleinigkeiten die strukturellen Abhängigkeiten. So sitzt die Weltbank in Washington D.C., ihr Präsident ist seit ihrer Gründung ein US-Amerikaner und auch ihr Kapital beschaffte sie sich eingangs ausschließlich in den Vereinigten Staaten. Eine Unabhängigkeit von den Interessen der USA kann daher mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Erst nachdem sich das Ende des Kalten Krieges bis nach Washington durchgesprochen hatte, wurden Programme wie die Initiative für schwer verschuldete arme Länder (1996) aufgelegt.
Beispiel Groß-Staudämme
Am Beispiel der großen Staudamm-Projekte lassen sich diese Entwicklungsansätze vielleicht am deutlichsten zeigen: Oberstes Primat haben natürlich gemäß der Satzung ökonomischen Kriterien.
Doch nachdem die Weltbank ihre Kritiker jahrzehntelang als Feinde der ökonomischen Entwicklung der Entwicklungsländer dargestellt hatte, die es doch galt mit Hilfe westlichen Geldes auf die Seite des Westens im Kalten Krieg gegen den Kommunismus zu ziehen, setzte Anfang der 90er Jahre ein Umdenken ein. Die Revolutionen von 1989 und 1991 gingen auch an der Weltbank nicht spurlos vorüber, die jedoch erst ihr Blockdenken über Bord werfen musste.
Andererseits hatte dies mit den vielen vor Ort aktiven und engagierten Menschen in Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) zu tun, die sich mit den Projekten kritisch auseinander setzten, handelte es sich doch um ihre von der Zerstörung bedrohte Heimat. Die NGOs schafften es auch die Welt durch die Medien auf die furchtbaren und zerstörerischen Pläne der Weltbank hinzuweisen. Spätestens mit dem Einzug des Internet konnte die zunehmende Vernetzung der Nicht-Regierungsorganisationen nicht mehr aufgehalten werden. Diese können jetzt unheimlich schnell ein riesiges Publikum auf katastrophale Projekte aufmerksam machen, und Regierungen über den Druck der Bevölkerung bewegen sich gegen bestimmte Projekte auszusprechen und eine Kreditvergabe zu verhindern.
Im Bezug auf die Staudämme ging die Weltbank sogar noch einen Schritt weiter und eröffnete 1997 den offiziellen Dialog mit Kritikern dieser gigantischen Projekte. Den Auftakt bildete eine gemeinsame Konferenz mit der World Conservation Union (IUCN) in der Schweiz im Februar 1998 an deren Ende die Einrichtung der World Commission on Dams (WCD) beschlossen wurde. Diese Weltkommission über Staudämme erarbeitete einen Bericht, der im November 2000 veröffentlicht wurde.
Und man hätte sich sicher nicht vor einem Jahrzehnt vorstellen können, dass der Weltbank-Präsident Wolfensohn die Ergebnisse unterstützt. Diese besagen nämlich, dass das Bauen von Großstaudämmen ökonomischen Wohlstand bedeuten mag, doch häufig zu hohen Kosten im nicht-ökonomischen Bereich führt.
Ilisu-Staudamm in der Türkei
Die Weltbank hat eine Beteiligung am Südostanatolien-Projekt (GAP) und den damit verbundenen riesigen Staudamm-Projekten bereits 1984 aufgrund des außenpolitischen Konfliktpotentials abgelehnt. Menschenrechte oder Umweltschutz spielten damals zwar noch überhaupt keine Rolle, doch wurden mehrere Bedenken ins Feld geführt.
Rechtlich gesehen gelten die Weltbank-Richtlinien als internationaler Standard, den die Türkei anzuwenden versprochen hat. Diese beinhalten Prinzipien, dass nach internationalem Recht die detaillierte Vorab-Information und Konsultation flussabwärts gelegener Staaten ein grundlegendes Prinzip für Projekte an grenzüberschreitenden Flüssen sind. Dies wurde von türkischen Politikern wiederholt ziemlich ignorant negiert.
Allein bei der Projektvorbereitung kam es im Bereich der Massenumsiedlung bereits in 18 Fällen zu Verstößen gegen Weltbank-Richtlinien, die als Maßstab für derartige Großprojekte anzusehen sind. Erst auf Druck der Exportkreditversicherungen wird jetzt mit der Erstellung eines Umsiedlungsplanes begonnen.
Auch fehlen noch immer entscheidende Daten, zum Beispiel über die Einkommensstruktur der Betroffenen. Entgegen Weltbank- und OECD-Richtlinien sind keine Förderprogramme für Frauen vorgesehen und es wurde kein Budget für die Umsiedlungsmaßnahmen festgesetzt. Ersatzland für die Umzusiedelnden steht auch kaum zur Verfügung.
Diese gravierenden Verstöße beeinflussen sogar beteiligte Firmen. In den skandinavischen Ländern werden Menschenrechte traditionell groß geschrieben. Daher hat wohl die schwedische Firma Skanska schon im September 2000 erkannt, dass der Ilisu-Staudamm ein problematisches Projekt ist und zog sich aus dem Ilisu-Konsortium zurück. Nicht nur der unwahrscheinliche Nutzen, sondern auch die Verletzung der Weltbankstandards bei dem geplanten Staudamm wurden als Gründe genannt.
Insgesamt hat es die Weltbank geschafft einige Richtlinien und weltweit anerkannte Maßstäbe für die Beurteilung von Infrastruktur- und anderen Entwicklungsvorhaben zu etablieren, die kreditnehmende Staaten erfüllen müssen, um nicht nur in den Genuss von Weltbank-Krediten zu kommen. Das vorangegangene Beispiel zeigt besonders, dass der Einfluss der Weltbank auf das private Investitionsvolumen sehr hoch ist, da sich die privaten Investoren auf die Prüfungen der Weltbank verlassen.
Eine gewisse Entwicklungstendenz lässt sich wohl verstärkt ab Mitte der 1990er Jahre ausmachen. Wenn es die NGOs schaffen die Öffentlichkeit auf die Verfehlungen der Weltbank weiter hinzuweisen, werden sich die Regierungen überlegen müssen, ob sie die Politik der Weltbank nicht grundsätzlich reformieren und an Menschenrechtsstandards ausrichten sollten. International ist der Reformstau noch viel schwieriger zu beseitigen als national. Doch, die international operierenden NGOs werden dafür arbeiten, bis die Standards der Menschenrechte gewahrt werden.
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- Dipl. Pol. Tobias Raschke (Author), 2001, Kann sich die Weltbank aus ihrer Geschichte heraus zu einem Streiter für die Einhaltung der Menschenrechte entwickeln?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110200
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