Inhaltsverzeichnis
I. Regionale Maßnahmen
II. Globale Maßnahmen
III. Zuständigkeiten in der EU: Kompetenzen und Institutionen
IV. Übergreifende Entwicklungslinien, Bilanz und Fazit
Literaturauswahl
Die Entwicklungspolitik der EU (die Bezeichnung „EU“ wird hier durchgängig für alle Stadien der europäischen Integration benutzt) fand ihren Anfang in der Assoziierung der überseeischen Gebiete und damals noch abhängigen Kolonien Frankreichs, Belgiens, Italiens und der Niederlande an die EU durch den 1957 geschlossenen EWG-Vertrag. Daraus entstand eine regional begrenzte Kooperation mit Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks, die sogenannte AKP-Kooperation, die soweit das Herzstück der Entwicklungspolitik der EU darstellte. Im Laufe der Zeit weitete die EU ihre Entwicklungspolitik jedoch aus, obwohl der EWG-Vertrag keinen derartigen Handlungsauftrag an die EU enthielt. Sie schuf weitere regionale Kooperationen und entwickelte verschiedene globale Maßnahmen. Durch den Vertrag von Maastricht erhielt die Entwicklungspolitik der EU eine eigene Kompetenzgrundlage. Heute hat die EU entwicklungspolitische Beziehungen zu praktisch allen Entwicklungsländern. In den 50 Jahren ihres Bestehens haben sich die Inhalte der europäischen Entwicklungspolitik, die entwicklungspolitischen Kompetenzen der EU und die institutionelle Verankerung der Entwicklungspolitik in der EU weiterentwickelt und verändert.
I. Regionale Maßnahmen
Der wichtigste Teil der Entwicklungspolitik der EU erfolgte über regionale Kooperationen. Darunter nahm die Kooperation mit den AKP-Staaten, meist ehemaligen Kolonien einiger EU-Mitgliedstaaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik, lange eine unangefochtene Vorrangstellung ein. Insbesondere Frankreich (daneben Italien, Belgien und die Niederlande) hatte 1957 auf der Assoziierung seiner zu der Zeit noch abhängigen überseeischen Gebiete und Kolonien an die EU bestanden, da es die Beteiligung der EU-Länder an seinen Koloniallasten erreichen wollte. Zumindest Deutschland hatte zwar wenig Interesse daran – es hätte besondere Beziehungen lieber entsprechend der Hallstein-Doktrin vereinbart und bot zur Lastenbeteiligung eine einmalige Abfindungssumme an; dennoch setzte sich Frankreich schließlich durch, indem es seine Unterzeichnung des EWG-Vertrages von der Assoziierung abhängig machte. Nach der Unabhängigkeit der Kolonien wurden die Beziehungen auf eine vertragliche Grundlage gelegt. Mit dem Beitritt Großbritanniens zur EU wurden die ehemaligen britischen, in den AKP-Regionen gelegenen Kolonien in die entstehende AKP-Kooperation aufgenommen. Nach dem Beitritt Spaniens und Portugals zur EU im Jahr 1986 und der Aufnahme ihrer ehemaligen Kolonien und weiterer Entwicklungsländer aus den AKP-Regionen hatte sich die Zahl der AKP-Länder von anfangs 18 auf schließlich 77 im Jahr 2000 erhöht.
In den ersten Jahren wurden den assoziierten Ländern Handelspräferenzen eingeräumt und der Europäische Entwicklungsfond (EEF) eingerichtet, in den alle Mitgliedstaaten der EU anteilsweise einzahlten – der Anteil Deutschlands und Frankreichs liegt bei jeweils etwa 25% – und aus dem den AKP-Ländern Zuschüsse und Darlehen zur Verfügung gestellt wurden. Die Maßnahmen sollten die wirtschaftliche und politische Entwicklung der AKP-Länder fördern. Mit den Verträgen von Yaoundé von 1963 und 1969 wurden diese Maßnahmen vertraglich festgelegt, was die EU völkerrechtlich verpflichtete. Wenn hier auch schon gemeinsame Institutionen der EU- und AKP-Länder eingeführt worden waren, hatten letztere keinerlei Mitentscheidungsmöglichkeit über die Verwendung der EEF-Mittel oder die Art der Handelspräferenzen. Diese frühe Entwicklungskooperation brachte kaum positive Effekte für die AKP-Länder mit sich, sondern führte aufgrund einer hohen Exportkonzentration in die EU vielmehr zu einer einseitigen Abhängigkeit der AKP-Länder. Tatsächlich war es Frankreich, das am meisten von diesen Verträgen profitierte. Daher können sie treffend als die „Fortsetzung der Kolonialpolitik mit anderen Mitteln“ charakterisiert werden.
Im Jahr 1975 wurde der erste Vertrag von Lomé geschlossen, auf den drei weitere Verträge folgten, wobei die Verträge I-III jeweils eine Laufzeit von fünf, der vierte Lomé-Vertrag eine Laufzeit von zehn Jahren, bei einer Halbzeitüberprüfung nach fünf Jahren, hatte. Der Kern dieser Verträge bestand aus Maßnahmen aus dem Handelsbereich sowie traditioneller Entwicklungshilfe („trade and aid“). Im trade-Bereich wurde den AKP-Ländern freier Zugang zum europäischen Markt für über 90% ihrer Exportprodukte gewährt. Für die sogenannten „sensiblen Produkte“, die auch von der EU produziert werden (hauptsächlich Rindfleisch, Mais, Zucker, Getreide und Zitrusfrüchte), galten allerdings besondere Protokolle, die Einfuhrquoten nach Mengen festlegten oder nach Jahreszeit beschränkten. Außerdem konnte die EU jederzeit nach eigener Willkür die sogenannte Schutzklausel anwenden und die Einfuhr von bestimmten Waren untersagen. Diese Handelspräferenzen wurden den AKP-Ländern zwar ohne Gegenpräferenzen eingeräumt, aber dennoch verlangte die EU das Prinzip der Meistbegünstigung für eigene Exporte in die AKP-Länder. Teilweise in den trade-, teilweise in den aid-Bereich einzuordnen sind die Instrumente zur Erlössicherung aus dem Export von agrarischen bzw. mineralischen Rohstoffen STABEX und SYSMIN. Sie wurden aufgrund der hohen Abhängigkeit der meisten AKP-Länder von diesen Produkten und den starken Preisschwankungen auf dem Weltmarkt eingeführt. Im Bereich aid wurden den AKP-Staaten im Rahmen finanzieller und technischer Zusammenarbeit Zuschüsse, Sonderdarlehen und ähnliches von EEF und der Europäischen Investitionsbank (EIB) zur Verfügung gestellt, die hauptsächlich für Agrar- und Infrastrukturförderung sowie für Vorhaben in Industrie, Bergbau und Tourismus gewährt wurden. Die Höhe der zugestandenen Mittel verhandelte die EU mit jedem AKP-Land einzeln, wobei die EU-Komission letztlich allein über die Verwendung der Mittel entschied. Im Rahmen des paritätisch besetzten EU-AKP-Ministerrates konnten die AKP-Staaten jedoch an der Projekfindung teilnehmen und über die Leitfäden der finanziellen und technischen Zusammenarbeit mitentscheiden.
Mit dem dritten und vierte Lomé-Vertrag wurden Neuerungen eingeführt, die den Menschen ins Zentrum der Zusammenarbeit stellten, indem zusätzliche Schwerpunkte auf Ernährungssicherung, die Kooperation mit der Zivilgesellschaft der Entwicklungsländer und die Bekämpfung von Umweltproblemen gesetzt wurden. Seit der Halbzeitüberprüfung von Lome IV (1995) wurde weiterhin ein so großes Gewicht auf die Einführung von Demokratie und „good governance“ gelegt, dass danach bei ausbleibenden Bemühungen in diese Richtung Finanztransfers teilweise oder ganz ausgesetzt werden konnten.
Während Lomé I das Prinzip der Kooperation oder „Partnerschaftlichkeit“ zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, und damit eine gewisse Mitbestimmung der Entwicklungsländer in die AKP-Kooperation eingeführt hatte, was sich im paritätisch besetzten EU-AKP-Ministerrat institutionalisierte, fanden mit Lomé IVb Elemente der Konditionalität Eingang in die AKP-Kooperation. Im Grunde kehrte man so zur Situation einer weitgehenden Bestimmung der Industrieländer über die Entwicklungsländer zurück. Der der Lomé-Kooperation aufgrund der Partnerschaftlichkeit zugesprochene Modellcharakter hat sich damit weitgehend als trügerisch erwiesen. Vielmehr orientierte sich die Kooperation an der jeweils herrschenden Entwicklungstheorie. Basierten Lomé I und II auf der Modernisierungstheorie, die von der Interdependenz von Industrie- und Entwicklungsländern ausging, beeinflusste ab Lomé III die Dependenztheorie das entwicklungspolitische Denken in der EU. Danach waren die Entwicklungsländer von den Industrieländern abhängig und es musste auf Dauer eine Verselbständigung und Abkoppelung erreicht werden. Ab Lomé IVb beeinflussten außerdem die Grundbedürfnistrategie, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt, das neo-liberale Modell, das eine totale Marktöffnung und Eingliederung der Entwicklungsländer in den Weltmarkt forderte, die Kulturtheorie und die Idee nachhaltiger Entwicklung die festgelegten Maßnahmen.
Auch für die konkreten Maßnahmen des trade and aid läßt sich nur schlecht eine positive Bilanz ziehen. In den Bereichen, in denen die Lomé-Verträge den AKP-Ländern freien Marktzugang zum EU-Markt gewährten, verfügten die AKP-Länder nicht über die entsprechende Produktionsstruktur. In den Bereichen, in denen die Entwicklungsländer dagegen sogar konkurrenzfähig wären (bestimmte Agrarerzeugnisse und Textilien), wurde der Marktzugang durch Protokolle eingeschränkt oder durch die Schutzklausel bedroht (Bsp. Mauritius). STABEX und SYSMIN funktionierten weder innerhalb ihrer eigenen Logik sonderlich gut, denn sie verfügten über zu geringe Mittel, die zusätzlich zu langsam abflossen, und führten auch nicht zu einer Exportsteigerung. Vielmehr verhinderten sie die Diversifizierung der Produktionsstrukturen in den AKP-Ländern und erhielten so den kolonialen Warenverkehr aufrecht, was am meisten der Rohstoffversorgung der EU diente. Der Anteil der AKP-Länder am Welthandel fiel dabei deutlich ab. Die Mittel von EEF und EIB wuchsen zwar kontinuierlich mit jedem Vertrag, dennoch nicht ausreichend um der ebenfalls wachsenden Zahl der an der AKP-Kooperation beteiligten Staaten gerecht zu werden.
Nach einer derart negativen Bilanz und den welt- und handelspolitischen Änderungen der 90er Jahre (Ende Ost-West-Konflikt und Uruguay-Runde der WTO) sieht das im Jahr 2000 geschlossene Folgeabkommen von Cotonou entsprechend anders aus. Es ist für die nächsten 20 Jahre gültig, wobei alle fünf Jahre eine Überprüfung vorgesehen ist. Der Kern der Lomé-Kooperation, die Handelspräferenzen und STABEX und SYSMIN, werden nach mehrjährigen Übergangsregelungen auslaufen und die AKP-Länder vollständig und ungeschützt in den Welthandel integriert. Danach werden sich die Wirtschaftsmaßnahmen seitens der EU auf die Förderung regionaler Wirtschaftskooperationen zwischen den AKP-Ländern beschränken, um später Freihandelsabkommen mit diesen Regionalkooperationen abzuschließen. Viel mehr Bedeutung misst das Abkommen der Armutsbekämpfung und der Zusammenarbeit mit nicht-staatlichen Akteuren in den AKP-Ländern zu. Auch die Erstellung von Programmen wurde insofern reformiert, als dass sogenannte einzeländerspezifische Länderstrategiepapiere und Regionalstrategien entsprechend der jeweiligen Bedürfnisse entwickelt werden sollen. Die tatsächliche Umsetzung aller dieser Programme ist dabei wesentlich stärker konditionalisiert als nach den Lomé-Verträgen und insbesondere von „good governance“ und der Einhaltung von Menschrechten abhängig. Inwiefern dieses Abkommen tatsächlich eine Verbesserung der Situation der AKP-Länder mit sich bringen wird, bleibt abzuwarten.
Fest steht aber, dass die Kooperation mit den AKP-Ländern während ihres fast 50-jährigen Bestehens relativ an Bedeutung für die Entwicklungspolitik der EU verloren hat. Allein in den Jahren von 1988 bis 1998 verringerte sich der Anteil der AKP-Mittel an den von der EU vergebenen Gesamt-ODA-Mitteln von knapp 70% auf gut 40%.[1] Und damit sind noch nicht die als OA an die Länder Mittel- und Osteuropas und der GUS zusätzlich vergebenen Mittel berücksichtigt, was den prozentualen Anteil der AKP noch verringern würde. Teilweise wird sogar die Aufhebung jedes Sonderstatus für die AKP-Länder diskutiert, zugunsten gleicher Ausgangskriterien für alle Entwicklungsländer.
An Bedeutung gewonnen hat dagegen die Kooperation mit den Mittelmeerländern als unmittelbare Nachbarn und Erdöllieferanten der EU. Auch sie nahm ihren Anfang als Folge der engen Bindung der Maghreb-Länder (Marokko, Algerien, Tunesien) an Frankreich. In einem Zusatzprotokoll zum EWG-Vertrag wurden die besonderen Beziehungen festgehalten. Um weder die Staaten Südeuropas, noch die übrigen Mittelmeerländer zu benachteiligen, wurden bis 1972 mit allen diesen Ländern (Griechenland, Spanien, Portugal, Malta, Zypern, Türkei, Jugoslawien, Israel und den Maschrikländern Ägypten, Libanon, Syrien, Jordanien) bilaterale Verträge über Sonderbeziehungen unterschiedlicher Art geschlossen. Sie reichten von Assoziierungs- bis zu nicht-präferenziellen Handelsabkommen. Da jedoch die Ausweitung eines Abkommens jedesmal die Forderung der übrigen Länder nach ebenfalls ausgeweiteter Kooperation mit sich brachte, entschied man sich bald für ein möglichst einheitliches Vorgehen mit allen Mittelmeerländern. Allerdings wäre die Verhandlung eines einzigen Abkommens mit allen Mittelmeerländern im Stil der AKP-Kooperation schon allein aufgrund der politischen Spannungen zwischen vielen dieser Staaten unmöglich gewesen. So wurde weiterhin in bilateralen Abkommen grundsätzlich mit allen Ländern der gleiche handelspolitische Kern festgelegt: Industriewaren erhielten freien Zugang zum EU-Markt, während für Agrarprodukte günstigere Zollsätze festgelegt wurden als andere Drittländer (mit Ausnahme der AKP-Länder) sie erhielten. Ähnlich wie bei der AKP-Kooperation galten für sensible Agrarprodukte jedoch verschäfte Bedingungen und ebenso konnten auch hier die Entwicklungsländer von den gewährten Präferenzen nur geringen Gebrauch machen, da gerade die Produkte, in denen sie konkurrenzfähig gewesen wären, den Einfuhrbeschränkungen unterlagen. Auch Maßnahmen der finanziellen und technischen Zusammenarbeit wurden in unterschiedlichem Maße vereinbart.
Nach dem Beitritt Griechenlands 1981 und Spaniens und Portugals 1986 zur EU wurde der globale Ansatz gegenüber den Mittelmeerländern zugunsten einer stärkeren Unterstützung der neuen Mitglieder wieder aufgegeben. Schließlich wurde 1995 ein erneuter Anlauf zu einer einheitlichen Zusammenarbeit der EU mit den außereuropäischen Mittelmeerländern gemacht. In Barcelona verabredete man die Euro-mediterrane Partnerschaft, deren Kern darin besteht, auf Basis bilateraler Verträge, sogenannten Euro-Med-Assoziationsabkommen, zwischen EU und jedem einzelnen Mittelmeerland bis 2010 eine mediterrane Freihandelszone zu begründen. Die dafür zur Verfügung gestellten MEDA-Mittel stammen aus dem EU-Haushalt und werden politisch konditioniert (Menschenrechte und Demokratie) vergeben. Zusätzlich zu dieser ökonomischen Kooperation wurde eine politische und sicherheitspolitische, sowie soziale, kulturelle und menschliche Partnerschaft vereinbart. Nach der erneuten Eskalation des Nahostkonfliktes musste der Barcelona-Prozess jedoch starke Rückschläge hinnehmen und beschränkt sich inzwischen fast ausschließlich auf die ökonomische Zusammenarbeit. Die stärkere (wirtschaftliche) Stellung der Mittelmeerländer verglichen mit den AKP-Ländern ermöglicht es den Regierungen der Mittelmeerländer, weniger auf politische Forderungen der EU einzugehen. Insgesamt lässt die Umsetzung gegenüber dem durchaus begrüßenswerten Ansatz weitgehend zu wünschen übrig.
Die Zusammenarbeit mit den Ländern Asiens und Lateinamerikas (ALA) unterschied sich deutlich von den Regionalkooperationen mit den Mittelmeer- und AKP-Ländern. Wegen ihrer geringen strategischen Bedeutung für die EU und der Tatsache, dass Lateinamerika die klassische Einflussphäre der USA, Asien die Einflussphäre Japans und der USA ist, wurden bis in die 80er Jahre hinein praktisch keine spezifischen Regionalkooperationen verabredet. Die Entwicklungshilfe, die Asien und Lateinamerika erhielten, beschränkte sich weitgehend auf die globalen, allen Entwicklungsländern offenen Maßnahmen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS), der Nahrungsmittel- und Katastrophenhilfe, NRO-Zusammenarbeit und der finanziellen und technischen Zusammenarbeit. Dabei konzentrierte sich allerdings letztere hauptsächlich auf die ALA-Länder, eben weil diese Art der Hilfe für die Mittelmeer- und AKP-Länder in den Regionalkooperationen enthalten war. Der bedeutende Unterschied ist jedoch, dass den ALA-Ländern die finanzielle und technische Zusammenarbeit damit nicht vertraglich zugesichert war. Sie erfolgte auch erst 1976 zum ersten Mal.
Seit den 80er Jahren intensivierten sich allerdings die Beziehungen der EU zu beiden Regionen. Einerseits wurde durch die Schuldenkrise ganz Lateinamerikas sowie die gesellschaftlichen und militärischen Konflikte besonders in Mittelamerika die Notwendigkeit von Entwicklungshilfe deutlich. Andererseits traten mit dem Falklandkrieg und dem Beitritt Spaniens und Portugals zur EU die durchaus zwischen Europa und dem lateinamerikanischen Raum bestehenden Verbindungen hervor. Damit erwiderte die EU endlich das seitens Lateinamerika schon lange bestehende Interesse an einer regionalen Kooperation. Im Falle Asiens spielte dessen gute wirtschaftliche Entwicklung die entscheidende Rolle dafür, dass die EU Beziehungen zu den asiatischen Ländern aufzubauen wünschte. Anders als Lateinamerika hatte auch Asien vorher wenig Interesse an einer Kooperation mit der EU gezeigt, während es nun eine Strategie des „Look to Europe“ entwickelte. Beide Regionen profitierten vom Wunsch der EU ihre Bedeutung als internationaler Akteur zu stärken und ihre Außenbeziehungen auszuweiten.
Die im weiteren geschlossenen Kooperationsabkommen zu beiden Regionen enthielten vorwiegend handels- und wirtschaftspolitische Maßnahmen. Seitdem die Zusammenarbeit mit beiden Regionen 1992 eine neue rechtliche Grundlage erhalten hat, sollen insbesondere auch Menschenrechte, Demokratisierung, „good governance“, Umwelt- und Kulturbelange gefördert werden. Wichtiges Ziel der Zusammenarbeit mit beiden Regionen sind „group-to-group relations“ zwischen der EU und regionalen Integrationen wie ASEAN, MERCOSUR, etc. In Asien sollen insbesondere private Investitionen gefördert werden, mit dem Ziel die Vormachtstellung der USA und Japans zumindest zu verringern, und Maßnahmen zur Armutsbekämpfung durchgeführt werden. In Lateinamerika sollen Demokratieentwicklung, Verteilung des Wohlstands und eine Umstellung vom Drogenanbau auf andere Produkte besonders unterstützt werden. Dies erfolgt durch nichtrückzahlbare Zuschüsse aus dem EU-Haushalt.
Mit Ende des Kalten Kriegs und der Auflösung der Sowjetunion Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, hat die EU auch regionale Programme zur Förderung der GUS-Staaten (TACIS) und der übrigen osteuropäischen Länder (PHARE) entwickelt. Weiterhin wurde ein Förderprogramm für die Länder des westlichen Balkans aufgesetzt (CARDS). Während PHARE sich im Laufe der Zeit in ein Programm zur Vorbereitung der EU-Beitrittsländer gewandelt hat, kommt die Kooperation im Rahmen von TACIS den übrigen regionalen Entwicklungsprogrammen der EU näher. Dennoch geht der Hauptteil dieser Kooperation an Russland und die Ukraine, die nicht als Entwicklungsländer klassifiziert werden, weshalb auch die Zuständigkeit für TACIS beim Kommissar für Erweiterung liegt und der Großteil der geleisteten Hilfe aus beiden Programmen nicht als ODA (official development aid), sondern unter der Kategorie OA (offical aid) verbucht wird. Aus dem Grunde werden beide Programme hier nicht weiter vorgestellt. Mit der Klassifizierung der Länder des ehemaligen Jugoslawiens als Entwicklungsländer, fällt CARDS dagegen unter die Verantwortung der Entwicklungspolitik. Das Programm soll Wiederaufbau, Entwicklung und Stabilisierung der Region dienen, peilt aber als Fernziel ebenfalls den Beitritt dieser Länder zur EU an. In Form nicht zurückzuzahlender Zuschüsse unterstützt die EU den Aufbau von staatlichen Institutionen (Verwaltung, Bildung), Infrastruktur (Wasserversorgung, Kanalisation) und Zivilgesellschaft und fördert die Privatwirtschaft.
Die Bedeutung der Schaffung aller drei Programme für die Entwicklungspolitik der EU mit den südlichen Entwicklungsländern kann dabei jedoch nicht außenvor gelassen werden, denn sie konkurrieren um die Mittel der EU-Außenkooperation. Damit sind sowohl die finanziellen Mittel und eingesetzten personellen Ressourcen gemeint, als auch die politische Bedeutung der Kooperation. Da die Länder in unmittelbarer geographischer Nachbarschaft liegen, hat die EU ein besonderes Interesse an der Schaffung eines „Gürtels von Wohlstand und Sicherheit“. Die begrenzten Ressourcen, die die EU an andere Länder zu vergeben hat, sei es als ODA oder als OA oder in welcher Form auch immer, werden daher zu größeren Teilen an diese Länder und in geringerem Maße für die (geographisch entferneteren ärmsten) Entwicklungsländer zur Verfügung stehen. Die Osterweiterung der EU dürfte diesen Trend noch verstärken, da die zehn neuen Mitgliedsländer über große Lobbymacht für die Zusammenarbeit mit diesen ihren umittelbaren Nachbarländern verfügen werden. Ein Zuwachs der entwicklungspolitischen Mittel, der diese Wirkung kompensieren könnte, ist aus ihrem Beitritt dagegen erst langfristig zu erwarten.
II. Globale Maßnahmen
Neben den Regionalkooperationen entwickelte die EU auch einige globale Instrumente entwicklungspolitischer Zusammenarbeit. Davon seien hier nur einige wichtige herausgegriffen.
Als erste nicht regional begrenzte entwicklungspolitische Maßnahme wurde 1967 die Nahrungsmittelhilfe eingeführt. In ihrem Rahmen stellt die EU in autonomen Maßnahmen oder aufgrund vertraglicher Verpflichtungen aus ihrer Mitgliedschaft in der Internationalen Getreideübereinkunft den Entwicklungsländern größere Mengen Nahrungsmittel zur Verfügung. Da diese lange Zeit weitgehend aus Produktionsüberschüssen der Gemeinschaft stammten, profitierte auch die EU selbst davon. Inwieweit den Entwicklungsländern damit tatsächlich geholfen wurde, ist sehr umstritten, denn die europäischen Nahrungsmittel nahmen den Produzenten aus den Entwicklungsländern den Absatzmarkt für ihre Produkte. Daher wurde die Nahrungsmittelhilfe schließlich dahingehend reformiert, dass sie zumindest teilweise durch Dreieckskäufe erfolgt, bei denen die EU die nötigen Nahrungsmittel auf angrenzenden, regionalen Märkten der Entwicklungsländer kauft. Sie ist auch heute noch ein wichtiges Element der europäischen Entwicklungspolitik.
Seit 1971 ist auch das Allgemeine Präferenzsystem (APS) in Kraft. Es gewährt Entwicklungsländern begünstigten Zugang zum europäischen Markt für ihre Industrie- und Agrarprodukte, ohne reziprok einen ebensolchen begünstigten Zugang der eigenen Waren für die Märkte der Entwicklungsländer zu verlangen. Wie diese Präferenzen jeweils ausgestaltet sind, unterscheidet sich nach Produkt und Entwicklungsland. Grundsätzlich sind die Präferenzen für Industriegüter vorteilhafter und sollen die am wenigsten entwickelten Länder bevorzugt werden. In der Praxis profitierten allerdings meist industrialisierte Schwellenländer vom APS. Dabei ist das APS für die AKP- und Mittelmeerstaaten wenig relevant, da für sie im Rahmen der regionalen Kooperationen jeweils günstigere Regelungen eingeräumt wurden. Entsprechend diente dieses System in erster Linie den Staaten Asiens und Lateinamerikas (ALA). Bis heute besteht es insofern weiter, als dass es in das WTO-Regelwerk als Ausnahmeregelung übernommen wurde; sie läuft jedoch in diesem Jahr (2004) aus.
Den ALA-Staaten galt auch die 1976 erstmals erfolgte Finanzielle und technische Zusammenarbeit mit nicht-assoziierten Entwicklungsländern. Anders als mit den AKP- und Mittelmeerländern wurde eine derartige Unterstützung nicht vertraglich festgelegt. Zu ihren Maßnahmen zählen schwerpunktmäßig die Unterstützung der Landwirtschaft und ländlichen Entwicklung.
Seit Mitte der 70er Jahre besteht auch, was anfangs als Katastrophenhilfe bezeichnet und inzwischen in humanitäre Hilfe unbenannt wurde. In ihrem Rahmen stellt die EU im Fall von Naturkatastophen und bewaffneten Konflikten internationalen Organisationen und NROs Bargeld für Erste-Hilfe-Maßnahmen in den Katastrophengebieten zur Verfügung. Inzwischen laufen diese Maßnahmen unter weitgehend alleiniger Zuständigkeit des 1992 gegründeten European Community Humanitarian Office (ECHO). Dadurch hat sich dieser Bereich auch in gewissem Maße von der allgemeinen Entwicklungspolitik der EU entfernt. Verschiedene Vorkehrungen sollen dennoch sicherstellen, dass humanitäre Hilfe, Wiederaufbau und Entwicklungspolitik nahtlos ineinander übergehen. ECHO ist heute einer der weltweit wichtigsten Akteure für humanitäre Hilfe.
Die ebenfalls seit Mitte der 70er Jahre bestehende Zusammenarbeit mit NROs ist weiterhin ein wichtiger Teil der Entwicklungspolitik der EU. Sie bezuschusst Vorhaben von NRO, bei denen es sich meist um Kleinprojekte in den Bereichen Landwirtschaft, Bildung und Gesundheit handelt. Hier bedürfte insbesondere das langwierige und komplizierte Antragsverfahren der Verbesserung. Auch der Nebenwirkung, dass nun viele NGOs ihre Vorhaben eher danach ausrichten, wofür es Mittel gibt, als danach, was im Land notwendig ist, sollte entgegengewirkt werden.
Eine sehr junge Maßnahme ist die im Jahr 2001 begonnene „ Everything but arms-Initiative “ (EBA). Diese wie das APS von der WTO akzeptierte Ausnahme von den allgemeinen Handelsregeln sieht vor, dass bis zum Jahr 2004 alle tarifären Hindernisse für Importe von Produkten aus den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) in die EU wegfallen sollen. Einzig ausgeschlossen davon sind Waffen. Dies ist eine einzigartige Maßnahme, die sehr vielversprechend klingt. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob andere nicht-tarifäre Hindernisse den Import behindern werden. Außerdem verfügen wohl auch nur wenige LDCs über die nötige Infrastruktur, ihre Produkte in großem Maßstab in die EU importieren zu können.
III. Zuständigkeiten in der EU: Kompetenzen und Institutionen
Lange Zeit betrieb die EU ihre über die Assoziierung hinausgehende Entwicklungspolitik, ohne eine entsprechende Kompetenzgrundlage. Das trug nicht unbedeutend dazu bei, dass die entwicklungspolitischen Zuständigkeiten nicht nur zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten, sondern auch innerhalb der EU weit verstreut und zerissen sind.
Kompetenzgrundlagen
Von der Assoziierung der ehemaligen Kolonien abgesehen, enthielt der EWG-Vertrag keinen entwicklungspolitischen Handlungsauftrag an die EU. Als die EU dennoch entwicklungslungsplitisch tätig wurde, führte sie ihre Maßnahmen neben zwei Artikeln zur Agrar- und Handelspolitik weitgehend auf den Generalartikel 235 EWG-Vertrag zurück, nach dem der Rat einstimmig Vorschriften in zusätzlichen Regelungsgebieten erlassen konnte. Zusätzlich wurde in manchen Bereichen auf die Kompetenz der Mitgliedstaaten zurückgegriffen, so dass beispielsweise bestimmte entwicklungspolitische Verträge sowohl von der EU als auch von ihren Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden. Auf diesem Weg erfolgte ein schleichender Transfer dieser urspünglich nur den Mitgliedstaaten zukommenden Kompetenzen auch an die EU. Weiterhin gingen die Mitgliedstaaten bestimmte Fragen ihrer nationalen Entwicklungspolitik im EU-Rahmen gemeinsam an, ohne dass der EU dabei irgendeine Kompetenz zugekommen wäre. Dennoch stellte die EU den für die Koordinierung notwendigen Rahmen dar.
Diese Vorgehensweise brachte es mit sich, dass es verschiedene Bereiche der Zuständigkeit von EU bzw. Mitgliedstaaten in entwicklungspolitischen Fragen gibt. Grundsätzlich lassen sich hier drei Kompetenzbereiche unterscheiden: der Gemeinschaftsbereich, der gemischte Bereich und der Koordinierungsbereich, wobei die Unterscheidung nicht trennscharf ist. In den Gemeinschaftsbereich fallen solche entwicklungspolitischen Maßnahmen, die auf Rechtsakten basieren, die nach Gemeinschaftsrecht zustande gekommen sind, über den EU-Haushalt finanziert werden und deren Entscheidungen nach Verfahren und Regeln des Gemeinschaftsrechts getroffen werden. Dazu zählt beispielsweise die Nahrungsmittelhilfe. Im gemischten Bereich handeln sowohl die EU als auch ihre Mitgliedstaaten. Grundsätzlich treten hier beide als Vertragspartner auf, während die Mitgliedstaaten die Finanzierung übernehmen, diese also nicht über den EU-Haushalt läuft. Hier ist in erster Linie die AKP-Kooperation mit ihrer Finanzierung über den Europäischen Entwicklungsfond (EEF) zu nennen. In den Koordinierungsbereich werden schließlich die Maßnahmen eingeordnet, die ohne Rechtsgrundlage im EWG-Vertrag ausgeübt werden und der Koordinierung nationaler Politik und der gemeinsamen Interessenvertretung in internationalen Organisationen dienen. Praktisch umgesetzt wurde in diesem Bereich aber weitgehend nur eine Koordinierung von Maßnahmen der Soforthilfe und humanitären Hilfe.
War die Entwicklungspolitik der EU also anfangs ohne wirkliche Grundlage im EWG-Vertrag betrieben, und neben dem Rückgriff auf Art.235 teilweise durch schleichenden Kompetenztransfer, teilweise in pragmatischer Koordinierung der nationalen Entwicklungspolitiken kontinuierlich ausgeweitet worden, erhielt sie durch den 1992 in Maastricht geschlossenen Vertrag über die Europäische Union eine eigene Kompetenzgrundlage. Vertragstitel XVII, Art.130u-130y schreibt die Grundlagen der gemeinschaftlichen Entwicklungspolitik fest. Der Verträge von Amsterdam und Nizza haben diesen Titel weitgehend unverändert belassen. Danach soll die Entwicklungspolitik der europäischen Länder nicht vollständig vergemeinschaftet werden, sondern es wurden der EU vielmehr weitestgehend die Kompetenzen vertraglich zuerkannt, die sie vorher ohnehin schon wahrgenommen hatte. Dabei wird der EU aufgetragen, mit ihrer Entwicklungspolitik die nationalen Entwicklungspolitiken ihrer Mitgliedstaaten zu ergänzen. Grundsätzlich sollen die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre Entwicklungspolitik miteinander koordinieren. Auch wurde das Kohärenzgebot festgelegt, nach dem andere Maßnahmen der EU auf ihre Verträglichkeit für die Entwicklungsländern geprüft werden sollen. Weiterhin definierte man die Ziele der Entwicklungspolitik der EU: die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer, insbesondere der am meisten benachteiligten Länder; ihre harmonische und schrittweise Eingliederung in die Weltwirtschaft, Armutsbekämpfung und die Festigung von Demokratie und Menschenrechten.
Institutionelle Verankerung
Entsprechend dem EU-internen Entscheidungsprozess fallen die entwicklungspolitischen Entscheidungen der EU im Zusammenspiel von Komission, Rat und Parlament.
Der Komission kommen das Initiativrecht und, als Verwaltungsorgan, die Verantwortung für die Umsetzung zu. Dabei waren und sind innerhalb der Komission nicht eine, sondern mehrere Generaldirektionen für verschiedene entwicklungspolitische Fragen zuständig, was schon in der Vergangenheit oft zu mangelnder Koordination und Abstimmung führte. Seit Beginn der 90er Jahre haben verschiedene Umstrukturierungen der Komission stattgefunden, die jedoch gerade diese oft kritisierte Zersplitterung der Zuständigkeit nicht behoben, sondern vielmehr weiter fortgeführt haben. So waren zwischenzeitlich bis zu vier Generaldirektionen (aufgeteilt nach Regionen) für entwicklungspolitische Fragen verantwortlich. Zur Zeit beschäftigen sich zwei Generaldirektionen (DG) mit grundsätzlichen entwicklungspolitischen Fragen: DG VIII Entwicklung und DG I Außenbeziehungen. Die DG Entwicklung behandelt ausschließlich entwicklungspolitische Fragen. Bei ihr sollen übergreifend die Fäden von Formulierung und Umsetzung der gesamten EU-Entwicklungspolitik zusammenlaufen. Sie ist zusätzlich spezifisch für die Nahrungsmittelhilfe und die AKP-Kooperation zuständig. Für die Entwicklungszusammenarbeit mit den übrigen Regionen ist die DG Außenbeziehungen verantwortlich. Weitere DGs beschäftigen sich mit bestimmten Einzelfragen, die ihren Kompetenzbereich betreffen. Die DGs sind dabei grundsätzlich für die allgemeine Konzeption und die politischen Entscheidungen der Entwicklungspolitik der EU zuständig, während für die Umsetzung eine gesonderte Durchführungsstelle mit dem Namen EuropeAid (anfangs (1998) CSR – Common Service for external Relations) gegründet wurde. Seit 2001 ist sie für den gesamten Projektzyklus von Projektfindung bis Evaluierung verantwortlich. In ihrem Vorstand sitzen die Kommissare für Entwicklungs und Außenbeziehungen sowie der drei ebenfalls betroffenen DGs Handel, Erweiterung und Wirtschafts- und Währungsfragen. Gleichzeitig wurde das Management der Entwicklungshilfeprojekte dezentralisiert und weitgehend in die Delegationen in den Partnerländern verlegt. Das soll ein besseres Feedback durch die unmittelbar Beteiligten ermöglichen und zu einer Beschleunigung der Zahlungen führen. Bis Mitte 2004 soll dieser Dezentralisierungsprozess abgeschlossen sein.
Eine weitere Umstrukturierung in der Komission war schon geplant, ist aber nun wieder unsicherer, nach der die DG Entwicklung in die DG Außenbeziehungen integriert werden sollte. Stattdessen plant man nun die Unterordnung eines (evtl. nicht entscheidungsberechtigten) Komissars für Entwicklung unter einen Superkommissar für Außenangelegenheiten. In beiden Fällen ginge damit die Gefahr einer Unterordnung der Entwicklungspolitik unter außen- und sicherheitspolitische Belange einher. Eine unabhängige und in sich schlüssige Entwicklungspolitik, die der Förderung der Entwicklungsländer und ihrer Interessen dient und eben nicht von den Interessen der EU geleitet wird, würde unter den Voraussetzungen ebenso wenig entstehen. Es bleibt also abzuwarten, welche institutionelle Struktur die Entwicklungspolitik der EU in Zukunft erhalten wird. EuropeAid als gesonderter Implementierungseinheit dürfte dabei erhalten bleiben, denn ihre Arbeit wird weitgehend als Verbesserung der Entwicklungspolitik der EU gewertet. Gleichzeitig verlangt man aber eine engere Zusammenarbeit zwischen DGs und EuropeAid.
Das Europäische Parlament hat, wie allgemein, auch in der Entwicklungspolitik im Laufe der Zeit mehr und mehr Mitwirkungsrechte erhalten. War es anfangs nur Beratungs- und Kontrollorgan, erhielt es erst eigene Haushaltsrechte für nicht-obligatorische Ausgaben, dann ein Zustimmungsrecht für weitgehende entwicklungspolitische Verträge (Bsp. Lomé-Verträge), um mit dem Maastrichter Vertrag schließlich endgültig zum vollwertigen Mitgestalter der europäischen Entwicklungspolitik zu werden. Der Maastrichter Vertrag sieht vor, dass das Parlament bei entwicklungspolitischen Fragen in der Regel nach dem Verfahren der Zustimmung einbezogen werden soll. Das Parlament hat sich durchweg als wichtiger Akteur in der europäischen Entwicklungspolitik gezeigt, indem es viele Missstände aufdeckte, einen hohen Sachverstand angesammelt und in enger Zusammenarbeit mit der Komission immer wieder Anstöße zu Reformen und Verbesserungen gegeben hat.
Dem Ministerrat kommt schließlich die eigentliche Entscheidungsbefugnis zu. Je nach anstehender Frage entscheiden verschiedene Fachministerräte, was die so oft beklagte Widersprüchlichkeit der europäischen Entwicklungspolitik begünstigt. Die im Zuge der allgemeinen Reformen der EU im Jahr 2002 vorgenommene Eingliederung des Rates der Entwicklungsminister (oder entsprechend Verantwortlichen) in den Rat für äußere Angelegenheiten verbessert die Voraussetzungen der EP nicht, sondern birgt vielmehr genauso die Gefahr der Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik zu Zwecken der EU-eigenen außenpolitischen Interessen, anstelle einer auf den Nutzen der Entwicklungsländer abzielenden Politikformulierung. Ebenfalls von der vorliegenden Frage hängt es ab, ob der Rat einstimmig oder mit qualifizierter Mehrheit entscheidet. Lange Zeit führte das allgemeine Einstimmigkeitserfordernis nur zu wenig weitreichenden Entschlüssen auf kleinstem gemeinsamen Nenner. Mit den Verträgen von Maastricht und Amsterdam wurde die Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit in Fragen entwicklungspolitscher Maßnahmen, die aus dem EU-Budget finanziert werden, eingeführt, was zu begrüßen ist.
IV. Übergreifende Entwicklungslinien, Bilanz und Fazit
Die Entwicklungspolitik der EU hat sich im Laufe ihres etwa 50-jährigen Bestehens stark verändert. Sie hat sich nicht nur von den AKP-Staaten auf andere Regionen ausgedehnt, sondern auch die Inhalte und Vergabekriterien der Maßnahmen haben sich gerade in den letzten 15 Jahren sehr verändert. Die regionale Ausweitung folgte dabei weitgehend den sich verändernden Außeninteressen der EU: mit neuen Mitgliedsländern kamen neue traditionelle Bindungen und neue strategisch bedeutende Nachbarstaaten, mit Ende des Kalten Kriegs komplett neue Beziehungen zu Mittel- und Osteuropa und mit Globalisierung und Neoliberalisierung neue (Handels- und Macht-)Interessen dazu, die zur Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern weltweit geführt haben.
Das Ende des Kalten Kriegs brachte auch das Ende sytemkonfliktbedingt vergebener Entwicklungshilfe mit sich. Stattdessen wurde die Konditionalisierung der vorher weitgehend unabhängig vom Regierungsgebaren vergebenen Hilfe eingeführt; good governance, Demokratie und Menschrechte wurden dadurch zu bedeutenden Maßstäben der Vergabe entwicklungspolitischer Mittel. In den 50 Jahren gesamteuropäischer Entwicklungspolitik entwickelten sich die entwicklungspolitischen Maßnahmen von anfangs klassischen Maßnahmen der aufholenden Entwicklung hin zu Maßnahmen in Spezialgebieten wie regionale Integrationsförderung, Umweltschutz und Menschenrechte. In den 90er Jahren fand dann erneut eine Rückbesinnung auf die eigentliche Aufgabe von Entwicklungspolitik statt, die Schaffung und Erhöhung von Wohlstand in den Entwicklungsländern. Da durch die verschiedenen WTO-Runden mit ihrer Maxime der Ausdehnung des Freihandels aber zumindest das handelspolitische Instrumentarium der Entwicklungspolitik eingeschränkt wurde, bleiben Maßnahmen zur unmittelbaren Bekämpfung von Armut logisch als Hauptziel der Entwicklungspolitik übrig. So wurde die Armutsbekämpfung mit der Erklärung des Rates und der Kommission „The EC’s Development Policy“ von 2000 als erste Priorität der Entwicklungspolitik der EU festgelegt und auch vom EU-Verfassungskonvent als Hauptziel der gesamteuropäischen Entwicklungspolitik in die zukünftige Verfassung aufgenommen.
Dennoch haben die genannten Änderungen eine Orientierung der EU-Entwicklungspolitik weg von den AKP-Ländern hin zu anderen Regionen mit sich gebracht, während gerade unter den AKP-Ländern der Großteil der LDCs zu finden ist. Anstatt sich an den Notwendigkeiten der eigentlichen entwicklungspolitischen Ziele, also der Armutsbekämpfung vornehmlich in den ärmsten Ländern, zu orientieren, richtet sich die Entwicklungspolitik der EU damit vermehrt an den EU-eigenen Interessen aus, seien sie handels- oder sicherheitspolitischer Natur.
Diese Tendenz zeigt sich auch in der Reorganisierung der institutionellen Voraussetzungen der Entwicklungspolitik, die der allgemeinen Außenpolitik weitgehend untergeordnet wird. Nicht nur die Eingliederung des Rates der Entwicklungsminister in den Rat für Außenangelegenheiten, sondern auch die Pläne zur Restrukturierung der Komission, die erst eine Eingliederung der DG Entwicklung in die DG Außenbeziehungen und nun eine Unterordnung eines Kommissars für Entwicklung unter einen Superkommissar für alle Außenangelegenheiten vorsehen, sowie die von der zukünftigen Verfassung ermöglichte Verwendung entwicklungspolitischer Mittel für andere außen- und sicherheitspolitische Maßnahmen, deuten darauf hin. Gleiches würde durch die diskutierte Integrierung des EEF in den EU-Haushalt ermöglicht, wenn nicht gleichzeitig die Trennung der Haushaltsmittel für allgemeine äußere Angelegenheiten und Entwicklungspolitik beibehalten wird. Ganz deutlich und unverhohlen wird diese Prioritätensetzung sogar im Verfassungsentwurf festgelegt (s.u.).
Eine weitere deutliche Veränderung der Entwicklungspolitik dürfte die Osterweiterung mit sich bringen. Nicht nur sind mit der Lobbymacht der zehn neuen Länder neue regionale Akzente zu erwarten. Sie wird zumindest kurzfristig zum Bedeutungsverlust der Entwicklungspolitik beitragen, denn die neuen Mitgliedsländer haben meist keine originär entwicklungspolitische Tradition (Entwicklungspolitik diente hier weitgehend der Gewinnung strategischer Partner im Kalten Krieg) und entsprechend oft nur eine schlecht besetzte Abteilung für Entwicklungspolitik innerhalb des Außenministeriums. Auch neue, zusätzliche Mittel für die Entwicklungspolitik sind von den neuen Mitgliedsländern nur langfristig zu erwarten. Vielmehr wird anfangs die Förderung der neuen Länder selbst Vorrang vor der Zusammenarbeit mit anderen Ländern haben.
Zur Frage, was durch die entwicklungspolitischen Maßnahmen der EU erreicht wurde, sei auf die fortgesetzte Armut vieler Entwicklungsländer, insbesondere der einfachen Bevölkerung bei gleichzeitig wachsendem Reichtum der Industrieländer hingewiesen. Der Anteil der EU an der weltweiten Entwicklungshilfe ist dabei mit etwa 12% der Entwicklungshilfe aller OECD-Staaten zwar nicht so groß, dass die Wirksamkeit der Entwicklungshilfemaßnahmen der EU anhand des weltweiten Entwicklungsstands der Entwicklungsländer gemessen werden könnte. Dennoch sollte es zum Nachdenken anregen, dass gerade viele Staaten des Herzstücks der gesamteuropäischen Entwicklungspolitik, der AKP-Kooperation, zu den LDCs gehören. Sicher ist aber, dass die Entwicklungspolitik der EU deutlich mehr hätte erreichen können, wenn nicht Maßnahmen der EU im Rahmen anderer Politikfelder die positiven Wirkungen der Entwicklungspolitik zunichte gemacht hätten. Dieses Inkohärenzproblem ist seit langem Hauptkritikpunkt der EU-Entwicklungspolitik. Am besten lässt es sich am Beispiel der EU-Agrarsubventionen verdeutlichen: Durch entsprechende Subventionen konnten die EU-Bauern ihre überschüssig produzierten Lebensmittel zu Spottpreisen auf dem Weltmarkt anbieten, womit die eben weitgehend landwirtschaftlich strukturierten Entwicklungsländer ihre im Vergleich nun teureren Agrarprodukte nicht verkaufen konnten. Nicht nur sind die den Entwicklungsländern auf diese Weise entgangenen Einnahmen höher als die von der EU geleistete Entwicklungshilfe. Noch wichtiger hatten die Entwicklungsländer damit kaum eine Möglichkeit zur unabhängigen Entwicklung.
Auch einzelne entwicklungspolitische Maßnahmen führten oft zu widersprüchlichen Effekten; hier sei nur noch einmal auf die den Absatzmarkt für lokale Produkte zerstörende Nahrungsmittelhilfe und die eine Diversifizierung der Wirtschaft verhindernden Exportsubventionsinstrumente STABEX und SYSMIN innerhalb der AKP-Kooperation hingewiesen. Während in diesem Bereich schon einiges zur Verbesserung der Maßnahmen unternommen wurde, kam man, was die kohärentere Gestaltung der EU-Politik gegenüber den Entwicklungsländern betrifft, kaum voran. Zwar wurde verschiedentlich die Notwendigkeit zur Kohärenz betont und so hochrangig wie im Vertrag von Maastricht und dem Entwurf für die EU-Verfassung verankert. Eine Prüfung der entwicklungspolitischen Verträglichkeit wichtiger Maßnahmen anderer Politikbereiche der EU, wie insbesondere der Agrarsubventionen, existiert jedoch nicht; auch das Lebensmitteldumping findet nach wie vor statt. Vielmehr hat der Verfassungsentwurf das Kohärenzgebot umgedreht, und anstelle einer „entwicklungspolitischen Verträglichkeitsprüfung“ für Maßnahmen anderer Politikbereiche der EU nun eine „außenpolitische Verträglichkeitsprüfung“ der entwicklungspolitischen Maßnahmen eingeführt, ja sogar eine vollständige Instrumentalisierung der Entwicklungspolitik für Anliegen der Außenpolitik festgeschrieben.
Wenn die regionale Ausweitung und die Verbesserung mancher Maßnahmen, sowie die Fokussierung auf Armutsbekämpfung auch positive Entwicklungen sind, ist der sich abzeichnende Bedeutungsverlust der Entwicklungspolitik gerade gegenüber den ärmsten Ländern des Südens und insbesondere durch ihre Instrumentalisierung zu Zwecken der kurzfristigen, allgemeinen außenpolitischen Interessen der EU bedenklich. Eine wirkungsvolle Entwicklungspolitik, die als erstes Ziel die Verringerung des Wohlstandsgefälles in der Welt, und damit gerade die Interessen der Entwicklungsländer verfolgt, ist dringend nötig. Nicht nur aus ethischen Gründen, sie entspricht ironischerweise sogar wieder den langfristigen Eigeninteressen der EU, denn lange wird sie sich als die vielbeschworene Insel des Wohlstands in einem sie umgebenden Meer aus Armut nicht existieren können, ohne von diesem überschwemmt zu werden.
Literaturauswahl
- Bäcker, Gabriele (1994): Kompetenzverteilung und Entscheidungsverfahren in der europäischen Entwicklungszusammenarbeit nach Maastricht, Bochum.
- Benedikt, Clemens (2002): Die Veränderung von EU-Entwicklungspolitik im europäischen Integrationsprozess. Versuch einer theoretisch-konzeptionellen Annäherung, in: Journal für Entwicklungspolitik, 18(2), S.119-134.
- BMZ (1999): Journalistenhandbuch, Berlin.
- BMZ-Internetseite: http://www.bmz.de/themen/Handlungsfelder/eu/index.html
- Cox, Aidan /Chapman, Jenny (1999): The European Community External Cooperation Programmes. Policies, Management and Distribution, ODI London. Im Internet unter: http://europa.eu.int/comm/europeaid/evaluation/odi_report_en/chap1.pdf
- Jünemann, Annette: Die EU und der Barcelona Prozess – Bewertung und Perspektiven, in: Integration, Heft 1/2001, S.42-57.
- House of Lords European Union Committee (2004): EU Development Aid in Transition. Im Internet unter: http://www.publications.parliament.uk/pa/ld200304/ldselect/ldeucom/75/75.pdf
- Kappel, Robert (1999): Die entwicklungspolitischen Fehlleistungen des Kooperationsmodells von Lomé, in: Journal für Entwicklungspolitik XV/2, 1999, S.247-256.
- Maxwell, Simon / Engel, Paul (2003): EU Development Cooperation to 2010, ODI London. Im Internet unter: http://www.odi.org.uk/publications/working_papers/wp219.pdf
- Menck, Karl Wolfgang (1999): Europa und die Dritte Welt, in: Weidenfeld, Werner (Hg.): Europa-Handbuch, Bonn, S.762-775.
- Nuscheler, Franz / Schmuck, Otto (1992) (Hg.): Die Süd-Politik der EG: Europas entwicklungspolitische Verantwortung in der veränderten Weltordnung, Bonn.
- Reisen, Mirjam van (1999): Global Player EU. Die Nord-Süd-Politik der Europäischen Union, Analyse - Kritik - Reformansätze, terre des hommes Bonn.
- Schilder, Klaus: EU-Entwicklungspolitik: Unter dem Kuratel der Sicherheitspolitik?, in: W&E 02/2004, S.2f.
- Schmidt, Siegmar (2002): Aktuelle Aspekte der EU-Entwicklungspolitik – Aufbruch zu neuen Ufern?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (B 19-20/2002).
- VENRO-Stellungnahme zur Entwicklungspolitik der EU für den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung des Deutschen Bundestages (2004).
- Wolf, Susanna (1996): Begrenzter Erfolg der Lomé-Abkommen: eine empirische Untersuchung der Wirkungen der EU-Zollpräferenzen auf den Handel der AKP-Staaten, Frankfurt a.M.
[...]
[1] Vgl. Schilder: Entwicklungsbehörde EuropeAid: Neue Bürokratie oder neue Politik?, in: W&E.
- Citar trabajo
- Elisa Stute (Autor), 2004, Die Entwicklungspolitik der EU, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110037
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