„Ich möchte vorausschicken, daß ich das Problemfeld noch nicht ausführlich und tiefgehend genug untersucht habe. Ich möchte an dieser Stelle nur einige oberflächliche Meinungen äußern, die möglicherweise falsch sind. Für Unzulänglichkeiten und Fehler in meinen Äußerungen bitte ich um Kritik und Verbesserungsvorschläge.“1
Das Zitat soll nicht als entschuldigender Beginn dieser Arbeit verstanden werden, schließlich sind bei einer wissenschaftlichen Hausarbeit längere Recherchen und abgewogene Äußerungen gefragt. Doch auch als Einstieg in einen öffentlichen Vortrag, zum Beispiel bei einem Referat, scheinen die obigen Sätze nicht geeignet. Sie müßten in einer derartigen Situation entweder als leicht durchschaubares fishing for compliments und daher als nicht angemessen erscheinen, oder, die nicht minder bessere Alternative, sie treffen tatsächlich zu. Dann aber ist dem Referenten vorzuwerfen, daß er seine ihm gestellte Aufgabe nicht adäquat lösen konnte, denn wer öffentlich etwas von sich gibt, hat gut vorbereitet zu sein und seine Äußerungen müssen korrekt sein.
Die oben zitierte Einleitung ist in China allerdings der übliche Beginn eines öffentlichen Vortrags. In Deutschland hingegen würde durch diesen Beginn das Anspruchsniveau der Zuhörer stark nach unten getrieben, da, wer sich schon im Vorhinein für das entschuldigt, was er sagen wird, es besser ganz bleiben läßt, sich öffentlich zu äußern. Nun haben Chinesen, wenn sie obige Eröffnung wählen, sicherlich kein Interesse daran, ihre Zuhörer gleich zu Beginn der Rede zu enttäuschen und es ist überhaupt fraglich, ob sie wirklich so schlecht vorbereitet sind, wie sie es scheinbar zum Ausdruck bringen. Ihre (chinesischen) Zuhörer indes werden an dieser Redeeröffnung keinen Anstoß nehmen, ganz im Gegenteil: Wählte man einen bei uns üblichen Einstieg, würde dieser „bei chinesischen Zuhörern dagegen häufig den Eindruck des unhöflichen, schlecht erzogenen sozialen Barbaren“2 hinterlassen.
Als über das Thema der interkulturellen Kommunikation im Seminar zu referieren war, wurde, als kleines Experiment, die „chinesische Vortragseröffnung“ gewählt. Wie erwartet reagierten die Zuhörer überrascht. Es wurde gesagt, der Referent solle doch einfach beginnen, man werde dann schon sehen. Andere äußerten ihre Verwunderung über diesen „gehemmten“ Beginn.
Die Reaktionen zeigen die Schwierigkeit von Kommunikation beim Vorliegen unterschiedlicher Voraussetzungen [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Interkulturelle Kommunikation - was ist das?
- Kommunikation
- Kultur
- Interkulturelle Kommunikation
- Kulturstandards — ein Modell
- Kultur
- Standard
- Kulturstandard
- Wie entstehen Kulturstandards?
- Wie lernt man Kulturstandards?
- Schlußbetrachtung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit „Interkulturelle Kommunikation und Kulturstandards" befasst sich mit dem Modell der Kulturstandards als Werkzeug zur Reflexion kultureller Handlungsmuster in interkulturellen Kommunikationssituationen. Ziel ist es, die Entstehung und Funktionsweise von Kulturstandards zu erläutern und ihre Bedeutung für die Vermeidung von Missverständnissen und Konflikten aufzuzeigen.
- Interkulturelle Kommunikation und ihre Herausforderungen
- Das Modell der Kulturstandards als Instrument der interkulturellen Analyse
- Entstehung und Lernprozesse von Kulturstandards
- Anwendungen und Bedeutung von Kulturstandards in verschiedenen Bereichen
- Die Rolle von Kulturstandards im interreligiösen Dialog
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema interkulturelle Kommunikation ein und stellt die Problematik unterschiedlicher kultureller Prägungen in Kommunikationssituationen dar. Am Beispiel einer „chinesischen Vor-tragseröfiung" wird die Schwierigkeit des Verstehens und der Interpretation fremder Verhaltensweisen deutlich.
Das zweite Kapitel beleuchtet den Begriff der interkulturellen Kommunikation und erläutert die Bedeutung von Kommunikation, Kultur und deren Zusammenspiel. Das Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun wird als ein Instrument zur Analyse von Kommunikationsprozessen vorgestellt.
Kapitel drei widmet sich dem Modell der Kulturstandards. Es werden die Begriffe „Kultur" und „Standard" definiert und der Kulturstandard als ein geteiltes Orientierungssystem innerhalb einer bestimmten Gruppe vorgestellt. Die Entstehung und der Lernprozess von Kulturstandards werden anhand von Beispielen erläutert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen interkulturelle Kommunikation, Kulturstandards, interkulturelles Lernen, Missverständnisse, Konflikte, Handlungsmuster, soziale Harmonie, Gesicht wahren, Identität, Fremdheit, interreligiöser Dialog, Toleranz, Empathie, Rassismus.
- Arbeit zitieren
- Ralf Strauss (Autor:in), 2000, Interkulturelle Kommunikation und Kulturstandards, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10993
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