Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Wie können Menschenrechte global gelten?
3 Ein Ausblick, doch wohin?
4 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die philosophische Auseinandersetzung mit dem Thema, ob Menschenrechte universell, also für jeden Menschen auf dieser Erde gelten, erscheint mir nach Beschäftigung mit diesem Themengebiet als sehr problematisch. Einerseits gibt es eine ganze Reihe von Begründungsansätzen dafür, dass Menschenrechte, wie wir sie heute kennen, keine bloße Errungenschaft der abendländisch-christlichen Kultur – in der der Menschenrechtsgedanke historisch seinen Ursprung hat – darstellen und für jeden Menschen auf dieser Welt über jede kulturelle Grenze hinweg gelten müssen. Das, was diese Ansätze begründen, ist einleuchtend, bedarf jedoch für mich als Westeuropäer ohnehin keiner Begründung. Andererseits blicke ich in die Welt hinaus und sehe, dass in vielen Staaten dieser Welt offensichtlich Menschenrechte verletzt werden und das, obwohl die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nation vom Großteil der Staatenwelt anerkannt wird. Dieses Spannungsfeld zwischen dem, was theoretisch begründbar ist und dem, was faktisch gilt, erscheint mir das größte Problem in der philosophischen Auseinandersetzung mit diesem Thema zu sein. Denn „[wie] keine andere Forderung sind die Menschenrechte auf ihre Praktizierung gerichtet“[1]. Daher möchte ich mich dem Thema auf einem anderen, einem pragmatischen Weg nähern.
Ich möchte in dieser Arbeit fragen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit Menschenrechte faktisch gelten können. Ich werde dafür argumentieren, dass die Geltungsmöglichkeit von Menschenrechten auf einem Weltbild basiert, welches den Menschen und dessen Interessen in den Mittelpunkt stellt und dadurch dessen Schutz durch bestimmte Rechte überhaupt erst für relevant erachtet. Ich nenne dies ein „homo-zentristisches Weltbild“. Ein solches Weltbild kann dann entstehen, wenn traditionelle Weltbilder, die zum Beispiel eine natürliche Ordnung der Welt oder den Willen Gottes in den Mittelpunkt stellen, wegfallen. Ich nenne diesen Prozess die „Emanzipation von der Tradition“. Sie ermöglicht die Entwicklung eines „Bewusstseins für Menschenrechte“. In diesem Zusammenhang werde ich auch auf die Rolle des Nationalstaates eingehen, die hinsichtlich der Geltungsmöglichkeit von Menschenrechten zu problematisieren ist. Zum Abschluss meiner Überlegungen werde ich versuchen, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die abendländisch-christliche Kultur für die Schaffung einer globalen Geltungsmöglichkeit von Menschenrechten sorgen kann. Die These, die ich grundlegend vertreten werde, ist jedoch die, dass es jeder Gesellschaft selber obliegt, in ihrem Staat für die Geltung von Menschenrechten zu sorgen.
Meine Argumentation wird ergänzt durch die Lektüre ausgewählter Sekundärliteratur. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass diese Arbeit zum größten Teil auf eigenen Gedanken beruht, die ich mir zu diesem Thema gemacht habe.
2 Wie können Menschenrechte global gelten?
Menschenrechte stellen einen Schutz des einzelnen Menschen dar und beschränken oder steuern Machtverhältnisse. Sie beschränken Macht, wenn sie verhindern, dass die Freiheit eines Menschen eingeschränkt, er verletzt, gefoltert oder getötet, an seiner freien Meinungsäußerung oder an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit gehindert oder auf Grund seines Geschlechts, seiner Herkunft oder seiner religiösen Überzeugung diskriminiert werden kann. Sie steuern Macht, indem sie bewirken, dass Ressourcen wie Geld, Bildung, Informationen oder Arbeitplätze so auf die Menschen verteilt werden, dass jeder Einzelne in den Genuss einer menschenwürdigen Existenz kommen kann. Eine Gesellschaft, in der Menschenrechte gelten, beschränkt und steuert die in ihr herrschenden Machtverhältnisse somit so, dass Strukturen entstehen, die dem einzelnen Menschen zu Gute kommen. Eine Gesellschaft, die so besteht, hat das verinnerlicht, was Rainer Forster als „die zwanglose Akzeptanz durch die Mitglieder der Kultur selbst“[2] bezeichnet: Ihre gesellschaftlichen Strukturen müssen so konstruiert sein, dass sie von jedem ihrer Mitglieder freiwillig anerkannt werden. Anders als traditionalistische oder stark religiös geprägte Gesellschaften, legitimieren Menschenrechte anerkennende Gesellschaften die in ihnen herrschenden Verhältnisse somit nicht dadurch, dass sie sich auf Traditionen – z.B. die Herrschaft durch Abstammung oder die Einteilung des Gesellschaft in Stände –, auf eine natürliche Ordnung – z.B. den Sklaven von Natur aus, wie ihn Aristoteles in seiner Politik beschreibt – oder auf Gott – z.B. das Gottesgnadentum – berufen. Gesellschaften, die Menschenrechte anerkennen, stellen den Menschen und seine Interessen in den Mittelpunkt. Der Einzelne wird zur Basis für die Legitimation gesellschaftlicher Strukturen. Die Anerkennung von Menschenrechten kann daher als „Bestandteil eines ‚posttraditionalen’ normativen Denkens“[3] bezeichnet werden. Fallen traditionalistische oder religiöse Legitimierungskonzepte weg, so wird der Mensch zur Basis jeder Legitimität, denn „sind die Individuen […] nicht die letzte Instanz der Legitimität, so müßten andere, überindividuelle Entitäten […] angeführt werden; und von woher sollen diese zu legitimieren sein?“[4]
Damit sich ein solcher Wandel im Weltbild einer Gesellschaft vollziehen kann, bedarf es natürlich eines breiten Teiles ihrer Bevölkerung, der die traditionellen Strukturen nicht mehr akzeptiert und diese verwerfen möchten, vor dem die gesellschaftlichen Strukturen also nicht mehr ausreichend gerechtfertigt werden können. Es kann also mit Recht behauptet werden, dass „Menschenrechte […] mithin eine ‚kulturkritische’ Komponente“[5] enthalten, welche „immer eine ‚Infragestellung bislang gültiger Selbstverständlichkeiten’“[6] darstellt. Erst ein solcher Wandel hin zu einem homo-zentristischen Weltbild macht es möglich, dass eine Gesellschaft den Menschen als etwas begreift, was vor schädigenden Strukturen mittels Menschenrechten geschützt werden muss. Immerhin macht ein „[…] konkretes Menschenrecht […] nur dann einen Sinn, wenn eine entsprechende Beeinträchtigung der Persönlichkeit überhaupt […] als solche empfunden werden kann.“[7] So würde zum Beispiel die Steinigung für Ehebruch nicht als menschenunwürdig angesehen werden, wenn sie von einer breiten Gesellschaftsschicht als von Gott gewollt und somit als gerecht empfunden wird. Dies bedeutet natürlich nicht – um einen möglichen Einwand gegen meine Argumentation zu entkräften – dass Menschen in einer solchen Gesellschaft die eigene Steinigung, da von Gott gewollt, furchtlos befürworten würden. So etwas zu behaupten wäre absurd. Doch es besteht ein Unterschied darin, ob ein Mensch Angst vor der Steinigung für den begangenen Ehebruch hat, weil er weiterleben möchte – was eine völlig normale Reaktion ist –, oder ob er sie als etwas Menschenunwürdiges ablehnt. Letzteres setzt voraus, dass sein Blick von Gott weg hin zum Menschen gerichtet wird, wenn vor ihm gesellschaftliche Strukturen gerechtfertigt werden sollen[8].
Ähnlich wie im angeführten Beispiel der Todesstrafe ließe sich auch bezüglich anderer, den einzelnen Menschen unter Umständen beeinträchtigenden gesellschaftlichen Strukturen – zum Beispiel die Verteilung von Ressourcen wie Geld oder Arbeitsplätze oder die Möglichkeiten von politischer Partizipation – argumentieren. Menschenrechtsforderungen entwickeln sich „als Reaktion auf konkrete Unrechtserfahrungen“[9] und stehen als „‚weltliches, säkulares Phänomen’“[10] für eine gesellschaftliche Abkehr von traditionellen und religiösen Legitimierungskonzepten gesellschaftlicher Strukturen.
Dass ein solcher Prozess einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen kann, sieht man an der Entwicklung des Menschenrechtsgedanken in der abendländisch-christlichen Kultur. Von der Magna Charta Libertatum (1215) über die Habeas Corpus Act (1679), die Virginia Bill Of Rights (1776) und die Déclaration des droits de l'homme et du citoyen (1779) dauerte es bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, bis Menschenrechte in weiten Teilen der westlichen Gesellschaften volle Anerkennung und Geltung genießen konnten. Meine bisherigen Überlegungen fasst Heiner Bielefeldt treffend zusammen, wenn er sagt:
„Menschenrechte mußten – und müssen – auch im Westen erkämpft werden, und zwar nicht nur gegen die privilegierten Stände und die Befürworter eines starken Staates, sondern vielfach auch gegen diejenigen, die traditionalistische Normen, Überzeugungen und Autoritätsverhältnisse durch den emanzipatorischen Anspruch moderner Menschenrechte gefährdet sahen bzw. sehen.“[11]
Den Verweis Siegfried Königs, das Konzept Menschenrechte könne „nicht losgelöst von seiner ideengeschichtlichen Entwicklung behandelt werden“[12], würde ich somit vordergründig als Hinweis darauf verstehen, dass die Entwicklung des Menschrechtsgedanken als Prozess und nicht als sich ad hoc-Ereignis gesehen werden muss. Ich möchte jedoch den Menschenrechtsgedanken nicht all zu stark an die Geschichte der abendländisch-christlichen Gesellschaften binden, auch wenn Georg Lohmann zu Recht anmerkt, die gängige Menschenrechtsauffassung könne verstanden werden als „von der metaphysischen oder theologischen Annahme eines absoluten Wertes […] des Menschen abhängig, die zu akzeptieren heute von vielen nicht nachvollzogen werden kann“[13]. Andererseits betonen jedoch John Kelsay und Summer B. Twiss: „[…] there are elements in vitually all religious traditions that support peace, tolerance, freedom of conscience, dignity and equality of persons, and social justice“[14]. Darüber hinaus halte ich die Entwicklung des Menschenrechtsgedanken für abhängig von dem, was Georg Lohmann als „metaphysische Annahme“ bezeichnet, was jedoch meines Erachtens nach im Moment des Wegfallens traditioneller beziehungsweise religiöser Legitimitätskonzepte zur unumgänglichen Rechtfertigungsgrundlage wird: Der Wert des Menschen im homo-zentristischen Weltbild. Wie abhängig der Menschenrechtsgedanke von diesem Wert des Menschen und von der Tatsache, dass menschliche Interessen die Basis für die Legitimierung gesellschaftlicher Strukturen bilden, ist, zeigt ein Blick in das Europa des frühen 20. Jahrhunderts. Gesellschaften, die zur Entwicklung des Menschenrechtsgedanken beigetragen hatten und in denen sich Menschenrechte immer mehr zu verankern schienen, verdrängten diese Errungenschaft in dem Moment, in dem nicht mehr der Mensch, sondern ein überindividuelles Ziel, eine Ideologie, in den Mittelpunkt des Weltbildes gestellt wurde. Durch die faschistische Ideologie der Nationalsozialisten und durch den Stalinismus verloren Millionen den Status des mit Menschenrechten ausgestatteten Menschen und grausamste Menschenrechtsverletzungen wurden akzeptiert, weil sie angeblich einem ideologischen Ziel dienten. Auch heute ist zu beobachten, dass ein großer Teil der weltweiten Menschenrechtsverletzungen dort begangen werden, wo sie durch eine über den einzelnen Menschen hinausgehende Ideologie gerechtfertigt werden, zum Beispiel im kommunistischen China oder im religiös-fundamentalistischen Iran bzw. in Afghanistan. Dies verdeutlicht erneut, wie unabdingbar es für die Geltungsmöglichkeit von Menschenrechten ist, dass der Mensch im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Weltbildes steht.
Es ist jedoch klar, dass die Geltungsmöglichkeit von Menschenrechten eine weitere Bedingung voraussetzt. Wenn Menschenrechte gelten sollen, dann gilt zum einen für jeden Einzelnen die Verpflichtung, die Menschenrechte anderer nicht zu verletzen – die Grundlage für die Einhaltung dieser Verpflichtung ist durch ein gesellschaftlich weit verbreitetes homo-zentristisches Weltbild gegeben. Zum anderen gilt jedoch auch die Verpflichtung „die Rechtsinhaber vor Rechtsbrüchen […] zu schützen; diese wird üblicherweise nicht universell auf alle übertragen“[15]. Es bedarf also einer Institution, die die Mitglieder einer Gesellschaft vor Menschenrechtsbrüchen schützt beziehungsweise Menschenrechtsbrüche ahndet. Da die „Völkergemeinschaft […] noch immer von Zersplitterung gekennzeichnet“ ist und von „einem Weltstaat […] keine Reden sein [kann]“[16], muss in der modernen Welt nach wie vor der Nationalstaat diese Rolle übernehmen. Denn Menschenrechte können „nicht viel bringen, wenn sie nicht auch durch die staatliche Gewalt wirksam gewährleistet werden“[17]. Diese Bedingung für die Geltungsmöglichkeit von Menschenrechten wirft jedoch ein Problem auf. Denn damit sich ein Staat der Sicherung der Menschenrechte verschreibt, müssen seine Machthaber den Menschenrechtsgedanken teilen und bereit sein, sich in den Dienst der Wahrung von Menschenrechten zu stellen. Dass in vielen Staaten diese Erde Menschenrechtsforderungen genau an dieser Bedingung scheitern, liegt auf der Hand. Insofern ist Matthias Rath Recht zu geben, wenn er sagt:
„Die an konkreter Menschenrechtsrealisierung interessierte philosophische Diskussion setzt bei den faktischen Machthabern die zumindest formale Bereitschaft zum Diskurs […] voraus.“[18]
Hinsichtlich dieses Sachverhaltes kann meine bisherige Argumentation missverstanden und ihr ein gewisser Zynismus unterstellt werden. Versteht man meine bisherigen Überlegungen so, als wolle ich behaupten, dass bloße Bewusstsein für Menschenrechte innerhalb einer Gesellschaft würde ausreichen, um Menschenrechten in einem Staat zur Geltung zur verhelfen, wäre dieser Vorwurf berechtigt. Umgekehrt würde dies nämlich bedeuten, dass in einem Staat, in dem Menschenrechte keine Geltung genießen, kein gesellschaftliches Menschenrechtsbewusstsein besteht, was natürlich falsch ist. In etlichen Staaten, in denen Menschrechte von staatlicher Seite nicht geachtet werden, existieren Menschenrechtsbewe-gungen und ist ein Bewusstsein für Menschenrechte in gewissem Umfang durchaus vorhanden. Dies bestreite ich nicht. Was ich behaupte ist, dass ein homo-zentristisches Weltbild, welches die Grundlage für die Entwicklung eines Bewusstsein für Menschenrechte bildet, innerhalb einer Gesellschaft so weit verbreitet sein muss, dass diese mehrheitlich die herrschenden Strukturen als menschenunwürdig ablehnt und von sich aus bereit dazu ist, sich gegen diese Strukturen und die sie verteidigenden Machthaber zu erheben. Und zwar im äußersten Fall auch mit Gewalt, so wie es im Europa des 18. und 19. Jahrhunderts geschah. Es besteht berechtigter Zweifel daran, „ob sich noch so hehre Absichten [zum Beispiel die Schaffung der Geltungsmöglichkeit von Menschenrechten, M.V.] wirklich gegen den Willen eines großen Teils der einheimischen Bevölkerung von außen umsetzen lassen“[19]. Von daher bezweifle auch mit Blick auf die momentane Situation zum Beispiel in Afghanistan oder dem Irak, wo dies von außen versucht wurde, dass dort ein homo-zentristisches Weltbild und ein Menschenrechtsbewusstsein in ausreichendem Maße verbreitet waren.
Somit gebe ich Bernd Ladwig Recht, wenn er sagt:
„Am Anfang einer Verwirklichung von Menschenrechten […] steht nicht der Wille auswärtiger Mächte, sondern ein Aufbegehren im Inneren der jeweiligen Gesellschaft. […] Eben deshalb kann [sie] von außen allenfalls unterstützt, keinesfalls aber entschieden werden.“[20]
3 Ein Ausblick, doch wohin?
Ich möchte meine bisherige Argumentation nun kurz zusammenfassen. Damit in einer Gesellschaft Menschenrechte gelten können, muss
1. eine große Mehrheit der Bevölkerung dieser Gesellschaft die herrschenden gesellschaftlichen Strukturen auf Grund persönlicher Unrechtserfahrungen als nicht mehr akzeptabel empfinden.
2. das bis zu diesem Augenblick in dieser Gesellschaft akzeptierte traditionelle oder religiöse Legitimierungskonzept für gesellschaftliche Strukturen in Frage gestellt werden.
3. sich dadurch ein homo-zentristisches Weltbild in breiten Teilen der Bevölkerung herausbilden.
4. darauf aufbauend ein Bewusstsein für die Schutzbedürftigkeit menschlicher Interessen und damit ein Bewusstsein für die Notwendigkeit festgeschriebener Menschenrechte entstehen.
5. die Mehrheit der Bevölkerung dieser Gesellschaft bereit dazu sein, die in dieser Gesellschaft herrschenden Strukturen gegen den Widerstand der Machthaber zur Not mit Gewalt zu verändern.
6. eine staatliche Struktur eingerichtet werden, die sich dem Schutz der Menschenrechte verschreibt und bereit ist, Menschenrechtsverstöße zu ahnden.
Was folgt nun daraus? Dass jede Gesellschaft im Kampf um Menschenrechte sich selbst überlassen ist? Dass zum Beispiel die abendländisch-christliche Gesellschaft den weltweit stattfindenden Menschenrechtsverletzungen tatenlos zu sehen muss? Nein, das folgt nicht zwangsläufig daraus. Es ist mit Sicherheit eine Verantwortung der Gesellschaften, in denen Menschenrechte gelten, die weltweite Entstehung von Strukturen, die die Geltungsmöglichkeit von Menschenrechten gewährleisten, zu unterstützen. Doch durch meine Argumentation sollte klar geworden sein, dass dabei einiges berücksichtigt werden muss.
Zum einen muss darauf geachtet werden, ob eine Gesellschaft bereit dafür ist, den Menschenrechtsgedanken zu verinnerlichen. Sollten zu große Bevölkerungsteile noch an traditionalistischen oder religiösen Legitimierungskonzepten festhalten, kann ein zu forsches Einbringen der Menschenrechtsgedanken von dieser Gesellschaft unter Umständen als Missionierung oder Bevormundung empfunden werden. Dies scheint meiner Meinung nach ein Grund dafür zu sein, dass überhaupt über die universelle Geltungsmöglichkeit von Menschenrechten diskutiert wird. Kontinuierliche, langfristig angelegte Arbeit zur Verbreitung der Menschenrechtsidee, zum Beispiel über spezielle Bildungsprogramme, ist meiner Meinung nach ein Mittel, das größeren Erfolg bei der Schaffung einer globaler Geltungsmöglichkeit von Menschenrechten verspricht, als zum Beispiel militärische Interventionen im Namen der Menschenrechte.
Zum anderen sollten die Gesellschaften, in denen Menschenrechte gelten, darüber nachdenken, ob sie das, für was die Menschenrechte stehen, wirklich ausleben, wenn sie mit anderen Gesellschaften in Kontakt kommen: Den Schutz des Einzelnen und seiner Interessen mit dem Ziel, jedem Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. In Anbetracht der Tatsache, dass 1.) dieser Tage die Grenzzäune zwischen der EU und Marokko an den Stadtgrenzen der beiden spanischen Exklaven Ceuta und Melilla von drei auf sechs Meter erhöht werden sollen, um den Ansturm verzweifelter Afrikaner auf europäisches Gebiet besser kontrollieren zu können und dass 2.) Jahr für Jahr Tausende von Arbeitsplätzen aus Europa in die dritte Welt verlagert werden, mit dem klaren Ziel, Kosten einzusparen und Menschen für Löhne arbeiten zu lassen, die hier als völlig unwürdig angesehen würden – nur um zwei Beispiele zu nennen –, bezweifle ich stark, dass man das globale Verhalten europäischer Gesellschaften als wirklich menschenrechtskonform ansehen kann. Ich denke, diesbezüglich könnten westliche Gesellschaften einen großen Beitrag zur Schaffung von globalen Strukturen, die Menschenrechten zur Geltung verhelfen, leisten.
„Wie im westlichen Kulturkreis jahrhundertelang um Konzept und Realisierung der Menschenrechte gerungen werden musste […], so mag auch auf globaler Ebene das Suchen nach der freiheitsschützenden Menschenrechtsidee und das Ringen um die universale Anerkennung dieses liberalisierenden Ideals erst begonnen haben.“[21]
4 Literaturverzeichnis
Bielefeldt, Heiner: Philosophie der Menschenrechte. Grundlage eines weltweiten
Freiheitsethos, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1998.
Ermacora, Felix: Rechtspluralismus und universelle Menschenrechte, in: Die universale
Geltung der Menschenrechte [= Zweimonatszeitschrift für Politik und Zeitgeschehen. Politische Studien, Sonderheft 1/1995, hg. von der Hanns Seidel Stiftung e.V.], München: Alber 1995, S. 14 – 19.
Forster, Rainer: Das grundlegende Recht auf Rechtfertigung. Zu einer konstruktivistischen
Konzeption von Menschenrechten, in: Brunkhorst, Hauke/Köhler, Wolfgang R./Lutz-Bachmann, Matthias [Hrsg.]: Recht auf Menschenrechte. Menschenrechte, Demokratie und internationale Politik, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1999, S. 66 – 105.
König, Siegfried: Zur Begründung der Menschenrechte: Hobbes – Locke – Kant, Freiburg (Breisgau); München: Alber 1994.
Koller, Peter: Der Geltungsbereich der Menschenrechte, in: Gosepath, Stefan/Lohmann,
Georg [Hrsg.]: Philosophie der Menschenrechte, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998, S. 96 – 123.
Kühnhardt, Ludger: Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur ideengeschichtlichen
Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs, München: Günter Olzog 1987.
Ladwig, Bernd: Die Verwirklichung der Menschenrechte als Feld kreativen Handelns, in: Bluhm, Harald/Gebhardt, Jürgen [Hrsg.]: Konzepte politischen Handelns. Kreativität – Innovation – Praxen [= Schriftenreihe der Sektion Politische Theorie und Ideengeschichte in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, 1. Bd., hg. von Rainer Schmalz-Bruns und Harald Bluhm], Baden Baden: Nomos 2001, S. 289 – 314.
Lohmann, Georg: Menschenrechte zwischen Moral und Recht, in: Gosepath, Stefan/Lohmann, Georg [Hrsg.]: Philosophie der Menschenrechte, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998, S. 62 – 95.
Rath, Matthias: Menschenrecht zwischen Individuum und Gesellschaft, in: Fornet- Betancourt, Raúl [Hrsg.]: Concordia 9. Internationale Zeitschrift für Philosophie, Frankfurt am Main: Materialis 1986, S. 2 – 18.
Shue, Henry: Menschenrechte und kulturelle Differenz, in: Gosepath, Stefan/Lohmann, Georg [Hrsg.]: Philosophie der Menschenrechte, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998, S. 343 – 377.
Tugendhat, Ernst: Die Kontroverse um die Menschenrechte, in: Gosepath, Stefan/Lohmann, Georg [Hrsg.]: Philosophie der Menschenrechte, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998, S. 48 – 61.
[...]
[1] Rath, Matthias: Menschenrecht zwischen Individuum und Gesellschaft, in Fornet-Betancourt, Raúl [Hrsg.]: Concordia 9. Internationale Zeitschrift für Philosophie, Frankfurt am Main: Materialis 1986, S. 2 – 18, hier: S. 6.
[2] Forster, Rainer: Das grundlegende Recht auf Rechtfertigung. Zu einer konstruktivistischen Konzeption von Menschenrechten, in: Brunkhorst, Hauke/Köhler, Wolfgang R./Lutz-Bachmann, Matthias [Hrsg.]: Recht auf Menschenrechte. Menschenrechte, Demokratie und internationale Politik, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1999, S. 66 – 105, hier: S. 72.
[3] Bielefeldt, Heiner: Philosophie der Menschenrechte. Grundlage eines weltweiten Freiheitsethos, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1998, S. 125.
[4] Tugendhat, Ernst: Die Kontroverse um die Menschenrechte, in: Gosepath, Stefan/Lohmann, Georg [Hrsg.]: Philosophie der Menschenrechte, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998, S. 48 – 61, hier: S. 53.
[5] Bielefeldt: Philosophie der Menschenrechte, S. 146.
[6] Rath: Menschenrecht zwischen Individuum und Gesellschaft, S. 5.
[7] König, Siegfried: Zur Begründung der Menschenrechte: Hobbes – Locke – Kant, Freiburg (Breisgau); München: Alber 1994, S. 56.
[8] Dies bedeutet nicht, dass sich eine Gesellschaft, die über ein homo-zentristisches Weltbild verfügt, zwangsläufig die Todesstrafe als eine in ihr praktizierte Strafe ablehnt. Am Beispiel der USA sieht man aber ziemlich genau, wie umstritten diese dann jedoch ist und wie sie immer wieder gerechtfertigt werden muss.
[9] König: Zur Begründung der Menschenrechte, S. 50.
[10] Rath: Menschenrecht zwischen Individuum und Gesellschaft, S. 4.
[11] Bielefeldt: Philosophie der Menschenrechte, S. 124.
[12] König: Begründung der Menschenrechte, S. 50.
[13] Lohmann, Georg: Menschenrechte zwischen Moral und Rechte, in: Gosepath /Lohmann [Hrsg.]: Philosophie der Menschenrechte, S. 62 – 95, hier: S. 77.
[14] Kelsay, John/Twiss, Summer B., zitiert nach Bielefeldt, Heiner: Philosophie der Menschenrechte, S. 148.
[15] Shue, Henry: Menschenrechte und kulturelle Differenzen, in: Gosepath /Lohmann [Hrsg.]: Philosophie der Menschenrechte, S. 343 – 377, hier: S. 360.
[16] Ermacora, Felix: Rechtspluralismus und universelle Menschenrechte, in: Die universale Geltung der Menschenrechte [= Zweimonatszeitschrift für Politik und Zeitgeschehen. Politische Studien, Sonderheft 1/1995, hg. von der Hanns Seidel Stiftung e.V.], München: Alber 1995, S. 14 – 19, hier: S. 18.
[17] Koller, Peter: Der Geltungsbereich der Menschenrechte, in: Gosepath /Lohmann [Hrsg.]: Philosophie der Menschenrechte, S. 96 – 123, hier: S. 103.
[18] Rath: Menschenrecht zwischen Individuum und Gesellschaft, S. 13.
[19] Ladwig, Bernd: Die Verwirklichung der Menschenrechte als Feld kreativen Handelns, in: Bluhm, Harald/Gebhardt, Jürgen [Hrsg.]: Konzepte politischen Handelns. Kreativität – Innovation – Praxen [= Schriftenreihe der Sektion Politische Theorie und Ideengeschichte in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, 1. Bd., hg. von Rainer Schmalz-Bruns und Harald Bluhm], Baden Baden: Nomos 2001, S. 289 – 314, hier: S. 294.
[20] Ladwig: Die Verwirklichung der Menschenrechte, S. 294f.
[21] Kühnhardt, Ludger: Die Universalität der Menschenrechte. Studie zur idengeschichtlichen Bestimmung eines politischen Schlüsselbegriffs, München: Günter Olzog 1987, S. 40.
- Quote paper
- Manuel Vesely Fernandez (Author), 2005, Bedingungen für dieGeltungsmöglichkeit von Menschenrechten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109748
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