Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Die Forderungen Gardners
1.1. Kontextbezogenes Lernen
1.2. Differenzierte Förderung
1.3. Lernen mit Experten
2. Die Institution Kindermuseum
3. Umsetzung der Forderungen Gardners in Kindermuseen
3.1 Kontextbezogenes Lernen
3.2 Differenzierte Förderung
3.3 Lernen mit Experten
4. Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
In seinem Buch „Der ungeschulte Kopf“ fordert der Entwicklungspsychologe Howard Gardner Bildungsverantwortliche dazu auf, Wege aus dem pädagogischen Dilemma des 21. Jahrhunderts zu finden. Im Zentrum seiner Kritik steht die Institution Schule, deren Lehrmethoden im Widerspruch zu dem Lern- und Denkgewohnheiten der Kinder stehen, so dass das von Gardner geforderte tiefe Verständnis ausbleibt. Es bedarf der Gestaltung einer Lernumgebung mit folgenden Eigenschaften:
1. Kontextbezogenes Lernen
2. Differenzierte Förderung
3. Lernen mit Experten
Im Zuge der fortschrittlichen Pädagogik stellt Gardner vielversprechende Ansätze wie das traditionelle Lehrlingsverhältnis oder Kindermuseen vor, die der Vision des tiefen, bleibenden Verständnisses gerecht werden. Im Folgenden wird aufgezeigt, wie die Institution Kindermuseum als außerschulische pädagogische Einrichtung diesen Forderungen Gardners Rechnung trägt und eine lebendige Brücke zwischen Schule und Kindermuseum schlägt. Kapitel 1 fasst die wesentlichen Forderungen Gardners mit ihren lerntheoretischen Begründungen zusammen, Kapitel 2 gibt einen kurzen Abriss über die Institution Kindermuseum. In Kapitel 3 wird die konkrete praktische Umsetzung der Forderungen in Kindermuseen mit Praxisbeispielen beschrieben. Abschließend wird die Frage aufgeworfen, ob Kindermuseen tat-sächlich wahres Verständnis vermitteln.
1.Die Forderungen Gardners
1.1. Kontextbezogenes Lernen
Lernen sollte in den Augen Gardners in einem Zusammenhang stattfinden, da auf diese Weise symbolische Wissensformen erster Ordnung (z.B. Sprache, Gesten, Zeichnungen) mit sensumotrischen Formen des Wissens verknüpft werden, und zwar in dem Zusammenhang, in dem sie erforderlich sind.[1] „Solange Leistungen in Zusammenhängen erreicht werden, in denen sie gewöhnlich erbracht werden, sollte sich Verständnis auf natürliche Art einstellen.“[2] Fehlt der Anwendungsbezug des Unterrichtsstoffs und sind Schüler nicht davon überzeugt, dass das erlernte Wissen und die erlernten Fähigkeiten einen konkreten Nutzen im Alltag haben, erscheint das Wissen nutzlos. „Die meisten Schüler können keine zwingenden Gründe für den Besuch einer Schule vorbringen... Es fehlt der Glaube, dass das Wissen, das in der Schule erworben wird, in Zukunft tatsächlich von Nutzen sein wird.“[3] Interesse und Motivation am Unterrichtsgegenstand – und damit auch tiefes Verständnis – bleiben aus.
1.2. Differenzierte Förderung
Idealerweise sollten Lerninhalte über mindestens fünf verschiedene Zugänge präsentiert werden: erzählerisch, logisch-quantitativ, grundsätzlich, ästhetisch sowie experimentell.
„Wir können uns das Thema als einen Raum mit mindestens fünf Eingängen oder Zugängen vorstellen. Für jeden Schüler ist ein anderer Eingang und eine andere Route am geeignetsten, wenn er erst den Zugang in den Raum erlangt hat.“[4]
Hintergrund dieser Forderung ist Gardners Modell der multiplen Intelligenzen, das das Vorhandensein von sieben unterschiedlich stark ausgeprägten Intelligenzen in jedem Individuum nachweist.[5] Es sagt aus, dass „Schüler verschiedene Typen von Intelligenzen besitzen und deshalb auf unterschiedliche Weise lernen.“[6] Einige Schüler nehmen beispielsweise Wissen über Sprache auf, andere hingegen bevorzugen einen räumlichen oder ästhetischen Lernansatz. Daher ist es notwendig, verschiedene Zugänge zu einem Thema zu schaffen, die in etwa mit den multiplen Intelligenzen übereinstimmen.
1.3. Lernen mit Experten
Gardner befürwortet das traditionelle Lehrlingsverhältnis als eine wirksame Lehrmethode auf dem Weg zum wahren Verständnis und schlägt vor, „bestimmte Eigenschaften des Lehrlingswesens mit bestimmten Aspekten der Schule und anderer Einrichtungen wie Kindermuseen zusammenzubringen.“[7] Kernidee ist, dass Lernende für einen bestimmten Zeitraum in eine Art Lehrlingsverhältnis mit einem erfahrenen Lehrmeister treten. Zum einen wirkt sich die Nähe zu einem Experten höchst motivierend aus[8] und zum anderen haben Lehrende die Möglichkeit, bestehende Fehlauffassungen[9] der Lernenden aufzugreifen und auszuräumen, zumindest mit einer größeren Wahrscheinlichkeit als in der formalen Bildung.[10] Zur Erlangung von wahrem Verständnis ist die Zerstreuung von Fehlauffassungen von elementarer Bedeutung.
2. Die Institution Kindermuseum
Kindermuseen handeln nicht von Kindern, sondern sie sind vielmehr lebendige Spiel- und Erlebnislandschaften für Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 16 Jahren. Als außerschulische Bildungseinrichtungen zielen Kindermuseen darauf, einen Raum zu schaffen, in dem Kinder die Welt selbständig erschließen zu können. „Hands on!“ gilt als die zentrale Maxime der Kindermuseen und ist gleichzeitig die Aufforderung an junge Museumsbesucher, Ausstellungsobjekte anzufassen, sie zu „be-greifen“ und Wissen interaktiv, in eigener Regie zu erfahren.[11] Dieser Grundsatz wird dem kindlichen Entdeckungs- und Bewegungsdrang gerecht und setzt das vielzitierte chinesische Sprichwort, das dem Handeln eine zentrale Rolle einräumt, in die Praxis um: „Ich höre und ich vergesse, ich sehe und ich erinnere mich, ich mache und ich verstehe.“[12]
Die Ausstellungsinhalte beziehen sich auf Lebensbereiche, „die Kinder angehen, die sie interessieren, faszinieren, begeistern und unterhalten, aber auch irritieren und erschrecken.“[13] Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, naturwissenschaftliche, technische, geschichtliche, umweltrelevante oder kulturelle Themen spielerisch „an das Kind zu bringen.“[14]
Die Konzeption von Kindermuseen basiert auf den Erkenntnissen bekannter Wissenschaftler, unter ihnen der Erzieher und Sozialreformer Johann H. Pestalozzi, der Psychologe und Lernforscher Jean Piaget, die Ärztin und Pädagogin Maria Montessori, der Philosoph und Pädagoge John Dewey sowie zuletzt der Entwicklungspsychologe Howard Gardner.[15]
Die vor 100 Jahren von den USA, dem Mutterland der Kindermuseen, ausgehende Bewegung setzt sich seit Ende der 80er Jahre in Europa sowie anderen Teilen der Welt fort. Die Kindermuseumslandschaft wird durch zahlreiche Neugründungen zunehmend bereichert, vor allem auch in Deutschland und anderen Teilen Europas, wo regelrechte Konjunkturstimmung herrscht.
3.Umsetzung der Forderungen Gardners in Kindermuseen
Kontextbezogenes Lernen
Kindermuseen schaffen einen Anwendungsbezug zu der Lebenswelt der Kinder und ermöglichen Lernen in einem Zusammenhang. Die Wissensvermittlung findet nicht durch Schreiben, Lesen oder Zuhören im Klassenraum statt, sondern in einer ungezwungenen Atmosphäre, in der Anfassen und Ausprobieren erwünscht sind. Bedeutsam ist, dass in dieser Lernumgebung symbolische Formen des Wissens mit sensumotorischen Formen des Wissens verbunden werden. Einst spröde und langweilig geglaubte Themen aus dem Schulunterricht werden in Spielsituationen, Inszenierungen oder Forscherangeboten auf verblüffende und fesselnde Art präsentiert und aus einem völlig neuen Blickwinkel erfahren. Die Motivation kommt von alleine und Kinder lernen, ohne es eigentlich zu merken. Selbst Phänomene, die auf den ersten Blick nicht im geringsten etwas mit dem Alltag zu tun haben, stehen plötzlich in einem Sinnzusammenhang.
Im „Supermercado“ im Kindermuseum Papalote in Mexiko City lernen Kinder spielend zählen, rechnen und wiegen, indem sie in der Rolle von Verkäufern, Kassierern oder Käufern in einem kleinen nachgebauten Supermarkt das Einkaufen erproben. Mathematik wird nicht nur im Schulheft oder an der Tafel praktiziert, sondern erhält einen wahren Praxisbezug, der sich unmittelbar auf den Alltag der
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Der „Supermercado“ im Papalote, Mexiko Stadt[16]
Kinder bezieht. Zwar handelt es sich um eine inszenierte Lernsituation, die jedoch einen hohen pragmatischen Nutzen hat. Kinder haben die Möglichkeit, Rollen einzunehmen, die sie im Alltag kaum einnehmen könnten, z.B. Kassierer, Verkäufer.
Ein nicht minder lebhaftes Gesicht erhält die Mathematik, verschrieen als die sprödeste aller Wissenschaften, im Mathematikmuseum in Kassel, wo Besucher verblüfft feststellen, dass Mathematik im Alltag zum Greifen nah ist. Mathematische Phänomene werden hier verständlich in einem Zusammenhang gebracht. So können Besucher beispielsweise stetige oder unstetige, differenzierbare oder nicht differenzierbare Funktionen an verschiedenen Brückengeländern fühlen, indem sie ihre Hand darüber gleiten lassen. Das Geländer der unstetigen Funktionen besteht z.B. aus einzelnen Stücken, so dass man abrutscht und hängen bleibt, während das Geländer einer stetigen Funktion fortlaufend ist.[17]
Eine weitere Lernlandschaft stellt die „Dinosaur Expedition“ (Dinosaurier-Expedition) des Kindermuseums in Chicago, USA dar. Die Ausstellung stellt eine Expedition aus dem Jahre 1997 in die Sahara nach, als man erstmalig den fischfressenden „Suchomimus“ entdeckt hat. Als Mitglieder eines Expeditionsteams reisen Kinder 100 Millionen Jahre zurück in die Zeit der Dinsoaurier und graben auf eigene Faust Fossilien aus.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: „Dinosaur Expedition“ im Chicago Children’s Museum[18]
In der Ausstellung „Whodunit?“ (Questacon, Canberra, Australien) gehen Kinder in der Rolle von Detektiven einem Kriminalfall auf die Spur, der sich in einem Tierpark ereignet hat. Sie untersuchen einen Tatort, nehmen Fingerabdrücke, sammeln und analysieren Beweisstücke, ziehen Schlussfolgerungen und erhalten ganz nebenbei einen Einblick in die Kriminaltechnik.
Differenzierte Förderung
Kindermuseen werden im Gegensatz zu Schulen, die hauptsächlich sprachliche sowie logisch-quantitative Intelligenzen berücksichtigen und gleichzeitig andere Zugangsformen vernachlässigen, verschiedenen Intelligenzen gleichermaßen gerecht.[19] Hier werden neben den sprachlichen und logisch-quantitativen Intelligenzen durch „die Dinglichkeit der Lerngegenstände und die aktivitäts-orientierte Aneignung vor allem das bildliche und persönliche Wissen oder die räumlichen, körperlich-kinästhetischen und interpersonalen Intelligenzen“[20] gefördert. Dazu finden zum einen Methoden der Ausstellungs- und Präsentationsdidaktik (z.B. Installationen, Inszenierungen) und zum anderen museumspädagogische Methoden (z.B. Workshops, Quiz, fachliche Vermittlung, Rollenspiel) Anwendung. In den Lernlandschaften der Kindermuseen haben Kinder die Möglichkeit, an interaktiven Rauminstallationen oder Modellen „Hand anzulegen“ und Lerninhalte zu erleben, im wahrsten Sinne des Wortes zu „be-greifen“. „Nicht nur Betrachten, Hören und Lesen sind die Zugangsmöglichkeiten zu den Inhalten und Objekten, sondern auch Tasten, Riechen, Schmecken und Erfahren mit dem ganzen Körper ...“[21] Durch die Interaktion wird der Körper zur Problemlösung aktiv eingesetzt und somit die körperlich-kinästhetische Intelligenz angesprochen.
Die Beispiele aus der Praxis der Kindermuseen sind schier grenzenlos. Ob im „Freien Fall“ die Schwerkraft erlebt wird (Questacon, Canberra, Australien), im „Erdbebencafé“ die Gewalt eines Erdbebens am eigenen Leib erfahren wird (Te Papa Museum, Wellington, Neuseeland) oder die Funktion des Wassers in der Wasserlandschaft „Water Ways“ mit Pumpen, Rädern und Dämmen vermittelt wird (Chicago Children’s Museum, USA), alle Exponate beziehen vor allem räumliche, körperlich-kinästhetisch und interpersonale Intelligenzen ein und machen Lernen zu einem „unvergesslichen“ Erlebnis. Wenn auch nicht jedes einzelne Exponat an sich mehrere Zugänge zu einem Thema bietet, so geben Kindermuseen jedoch in der Gesamtheit vor allem ästhetische und experimentelle Zugangsmöglichkeiten, die in der Schule in der Regel vernachlässigt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Water Ways im Chicago Children’s Museum[22]
Ein Beispiel par Excellenze ist das „Begehbare Herz“ der Kinder-Akademie Fulda, das konsequent mehrere Zugänge zu einem Thema schafft (erzählerisch, logisch-quantitativ, grundsätzlich, ästhetisch und experimentell). Kinder reisen als rotes Blutkörperchen durch ein Modell des menschlichen Herzens und erleben hautnah den Blutkreislauf. Begleitend findet eine Führung statt, in der Kinder mit Stethoskopen den eigenen Herzschlag abhören können und Wissen rund um das Thema Herz (Anatomie, Funktionsweise, Größe etc.) spielerisch vermittelt wird.[23]
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Abb. 4: Das begehbare Herz in der Kinder-Akademie Fulda[24]
Die Umsetzung der fünf Zugänge zum Thema Herz verdeutlicht folgende Übersicht:
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Lernen mit Experten
Kindermuseen bieten eine Reihe von schulischen sowie außerschulischen Museumsprogrammen an, in denen Kinder für einen gewissen Zeitraum in eine Art Lehrlingsverhältnis mit Spezialisten (z.B. Künstler, Handwerker) treten. Als museumsdidaktische Methoden werden hierzu Workshops, Kurse sowie Führungen eingesetzt. Neben außerschulischen Ferien-, Wochenend- und Nachmittags-programmen bieten Kindermuseen spezielle Schulprogramme an. Da ein einmaliger Museumsbesuch nicht ausreicht, um der Vision des wahren Verständnisses gerecht zu werden, ist eine dauerhafte Zusammenarbeit mit den Experten des Kindermuseums sinnvoll. Mitgliedschaften haben sich als geeignetes Mittel der Besucherbindung bewährt und gewähren Mitgliedern eine Reihe von Vorteilen, z.B. freier Eintritt, ermäßigte Kursgebühren oder Events für Mitglieder.
Ein besonders gelungenes Beispiel ist das Atelier des ZOOM Kindermuseums in Wien – „KünstlerInnen begegnen Kids, Kids begegnen KünstlerInnen“, so das Motto. Gemeinsam nähern sich KünstlerInnen und Kinder spielerisch einer künstlerischen Idee, die in einer kreativen Atmosphäre umgesetzt wird. „Die starke Motivation zur Ideenfindung und der völlig freie Umgang mit der Fantasie lassen im ZOOM Atelier eine ganz besondere Atmosphäre entstehen: niemand hält sie in Schranken, im Gegenteil, die Kinder werden dazu ermutigt ihre Ideen und Träume auf ihre Weise umzusetzen.“[25] Im aktuellem Workshop "Papier & Co." verleihen Kinder unter Leitung einer Künstlerin dem Material Papier ein neues Gesicht und lassen wunderliche Figuren und Wesen entstehen.
Ein ähnliches Konzept hat die Kunstschule der Kinderakademie Fulda, deren Kurse von Künstlern fachkundig geleitet werden, so beispielsweise der Workshop „Punkt, Punkt, Komma, Strich“ von dem russischen Künstler und Architekten Vladislav Kirpichev im Jahre 1995.[26] Einzigartig in Fulda ist die Verknüpfung der Werkstatträume und der Ausstellungsräume. Oftmals entstehen hier Objekte, die als Exponat einen Platz in den Ausstellungsräumen finden.
4.Fazit
Abschließend stellt sich die berechtigte Frage, ob und in welchem Maß Kindermuseen tatsächlich tiefes Verständnis schaffen. Bis dato gibt es im deutschsprachigen Raum keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit Erhebungen bzw. Evaluationen über den Erfolg von Kindermuseum. Vereinzelt berichten Museumspädagogen von individuellen Rückmeldungen ehemaliger Museumsbesucher, die Ausstellungen nach vielen Jahren noch wiedergeben können. Es wird die Aufgabe der Kindermuseen sein, einen Beleg für das Verständnis ihrer Besucher zu erbringen.
Mögen die pädagogischen Voraussetzungen soweit erfüllt sein, so hängt die Wirksamkeit von Kindermuseen von zwei weiteren Erfolgsfaktoren ab, die sich in der Praxis oftmals als problematisch erweisen: der Häufigkeit eines Museums-besuches sowie der Qualität der personalen Betreuung.
Sicherlich reicht der einmalige Besuch eines Kindermuseums nicht aus, um der Vision des tiefen Verständnisses gerecht zu werden. Es bedarf vielmehr einer dauerhaften Bindung an ein Kindermuseum. Die Besucherhäufigkeit unterliegt jedoch geographischen, finanziellen und zeitlichen Einschränkungen. Im Vergleich zu den USA und Kanada ist es hierzulande nicht üblich, dass jeder Ort ein Kindermuseum hat, das problemlos im Rahmen des Schulunterrichts besucht werden kann. Kindermuseen befinden sich hauptsächlich in Großstädten, so dass abgelegenere Orte oftmals keine Möglichkeit zu einem Besuch haben. Zwar begegnen Kindermuseen diesem Problem mit innovativen Modellen wie z.B. mobilen Ausstellungen,[27] allerdings ist der finanzielle Aufwand häufig nicht unerheblich und in den meisten Fällen bleibt der Besuch trotz allem eine einmalige Angelegenheit.
Mag zwar eine erhöhte Besucherhäufigkeit aus wirtschaftlichen und pädagogischen Gesichtspunkten unverzichtbar sein, doch zieht sie auf der anderen Seite Qualitätseinbußen in der Besucherbetreuung nach sich: ein Mehr an Besuchern erfordert ein Mehr an Betreuungspersonal, das oftmals nicht finanzierbar ist. Allerdings ist die Nachhaltigkeit eines Museumsbesuchs nur durch eine intensive personale Betreuung zu gewährleisten. Die Praxis zeigt, dass Besucher Ausstellungsgegenstände nur oberflächlich betrachten und sich alleine gelassen fühlen, wenn ein Ansprechpartner nicht auf Fragen eingehen kann. Das Wundermittel „Edutainment“[28], das Lernen und Spielen miteinander verbindet, droht somit mancherorts in ein reines „Entertainment“ zu verfallen. Kindermuseen laufen Gefahr, den Charakter eines Erlebnisspielplatzes anzunehmen, auf dem sich Besucher orientierungslos von Knopfdruck zu Knopfdruck, von Modell zu Modell bewegen.
Die Leiter von Kindermuseen stehen vor der großen Herausforderung, die Qualität der Betreuung bei steigenden Besucherzahlen sicher zu stellen und gleichzeitig der Vision des wahren Verständnisses nach zu kommen, das in letzter Konsequenz zu belegen ist.
Literaturverzeichnis
Gardner, Howard. Der ungeschulte Kopf. Wie Kinder denken. Stuttgart: Klett-Cotta, 1996.
Kinder-Akademie Fulda. Das begehbare Herz. 16.02.2003 <http://www.kaf.de/ content/2/2f.htm>
Mathematikmuseum Gießen. Exponat des Monats Januar 2002: Funktionen fühlen. 16.02.2003 < http://www.math.de/>
Neue Musikzeitung, Bayrischer Musikrat. 12/ 2002. Außerschulisches Lernen ist gefordert. 16.02.2003 <http://www.nmz.de/nmz/nmz2002/nmz12/bay-kura.shtml>
Schreiber, Ursula. Kindermuseen in Deutschland. Unna: LKD-Verlag, 1998.
ZOOM Kindermuseum. Kids und KünstlerInnen. 16.02.2003
<http://www. kindermuseum.at>
[...]
[1] Howard Gardner, Der ungeschulte Kopf. Wie Kinder denken (Stuttgart: Klett-Cotta, 1996), S. 160
[2] Gardner, S. 185
[3] Gardner, S. 251
[4] Gardner, S. 304
[5] Die sieben Intelligenzen: linguistisch, logisch-mathematisch, räumlich, musikalisch, körperlich-kinästhetisch, interpersonal, intrapersonal. vgl. Gardner, S. 29
[6] Gardner, S. 25
[7] Gardner, S. 161
[8] Gardner, S. 159
[9] Um sich die Welt zu erklären, entwickeln Kinder intuitiv ihre eigenen, „selbstgestrickten“ Theorien über die Materie, das Leben und das Denken, die häufig im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen stehen. Diese Fehlauffassungen bleiben oft hartnäckig bestehen, selbst dann, wenn eine wissenschaftliche Erklärung klar auf der Hand liegt. vgl. Gardner, S. 111-113
[10] Gardner, S. 160
[11] Zum neuen Jahrtausend bewegt sich die Museumspädagogik in die neue Generation des „Minds on!“, das Kinder auffordert, durch (Hinter)Fragen eigenständig Antworten auf relevante Fragestellungen zu finden.
[12] Ursula Schreiber, Kindermuseen in Deutschland (Unna: LKD-Verlag, 1998), S. 40
[13] Schreiber, S. 34
[14] Science Center als eigenständige Institutionen widmen sich hauptsächlich naturwissen-schaftlichen und technischen Inhalten, während sich Kindermuseen außerdem geschicht-lichen, umweltrelevanten oder kulturellen Themen öffnen.
[15] Bayrischer Musikrat, „Außerschulisches Lernen ist gefordert,“Neue Musikzeitung 12/ 2002, 16.02.2003 <http://www.nmz.de/nmz/nmz2002/nmz12/bay-kura.shtml>
[16] Susanne Thanheiser
[17] Exponat des Monats Januar 2002: Funktionen fühlen, Mathematikmuseum Gießen, 16.02.2003 <http://www.math.de/>
[18] Susanne Thanheiser
[19] Gardner, S. 108
[20] Bayrischer Musikrat, „Außerschulisches Lernen ist gefordert,“Neue Musikzeitung 12/ 2002, 16.02.2003 <http://www.nmz.de/nmz/nmz2002/nmz12/bay-kura.shtml>
[21] Schreiber, S. 40
[22] Susanne Thanheiser
[23] Das begehbare Herz, Kinder-Akademie Fulda,16.02.2003 <http://www.kaf.de/content/2/2f.htm>
[24] Enno Kapitza, „Kindermuseen. Die schönsten Erlebnisparadiese,“Stern 20.03.2003, S. 142
[25] Kids und KünstlerInnen, ZOOM Kindermuseum, 16.02.2003 < http://www.kindermuseum.at>
[26] Schreiber, S. 106
[27] Das Kindermuseum „Papalote“ in Mexiko Stadt praktiziert ein Sponsoring-Modell, das Schulklassen einen Besuch des Kindermuseums ermöglicht. Dabei kommt jeden Monat ein Unternehmen für die entstehenden Kosten auf.
[28] Education + Entertainment = Edutainment
- Quote paper
- Susanne Thanheiser (Author), 2003, Kindermuseen - eine Antwort auf die Forderungen Howard Gardners, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109726