Die Frage nach der Zahl, die ein Grenzgebiet zwischen Mathematik und Philosophie erschließt, scheint nicht nur zu Zeiten Freges eine typisch philosophische zu sein. Denn sie stellt nach wie vor die unvoreingenommene Leserschaft vor einen Gegenstand größter Bedeutung für den Alltag, eine Selbstverständlichkeit, die außerhalb des philosophischen Diskurses nicht erklärungsbedürftig scheint; man ist hier, wie Heidegger wohl gemeint hätte, oft nicht einmal soweit, in Verlegenheit geraten zu sein, nicht zu wissen, was dieser Gegenstand ist.
Die Frage nach der Zahl und ihrer Definition, d.h. nach dem, was allgemein unter dem Ausdruck Zahl zu verstehen ist, kann allerdings auf vielfache Weise gestellt werden. Wir können beispielsweise fragen, was eine Zahl ist, und beabsichtigen damit eine ontologische Erklärung: Ist sie ein Ding wie etwa ein Stuhl? Oder ist sie eine Eigenschaft wie etwa die Eigenschaft grün zu sein? Substanz oder Akzidens? Wenn sie ein Ding ist, welches Ding ist sie? Wenn sie aber ein Begriff, ein allgemeiner Terminus ist, welcher Begriff ist es und wie wollen wir sein Dasein erklären?
Wir können auch fragen, wie oder als was eine Zahl erkannt wird und rücken damit ein erkenntnistheoretisches Interesse in den Vordergrund. Ist die Zahl ein "äußeres" Ding, das z.B. in Raum und Zeit angeschaut wird, oder gehört die Zahl eher zu den Abstrakta, zu nicht-räumlichen und nicht-zeitlichen Vorstellungen; zu dem, was nur gedacht, nicht angeschaut werden kann? Oder ist sie gar eine bloß subjektive Vorstellung?
Frege stellt in seinen Grundlagen der Arithmetik diese Frage letztlich aus einer anderen, wegweisenden Perspektive, die als sprachphilosophische oder genauer: logische zu charakterisieren ist. Diesen oft vielleicht zu pauschal als linguistic turn bezeichneten Schritt vollzieht Frege nicht erst in der Auslegung seiner eigenen Erklärungsweise wie etwa in §62, sondern - obgleich weniger explizit und unauffällig - schon mit der aller ersten Kritik an anderen Auffassungen. Dies scheint der Hinweis auf §21 zu belegen, wo Frege in Form einer Forderung sein allgemeines Interesse bezüglich der Zahl anspricht:
"Versuchen wir wenigstens der Anzahl ihre Stelle unter unseren Begriffen anzuweisen!"
Es geht folglich um eine Zuweisung der Zahl an eine bestimmte Stelle unter unseren Begriffen, bzw. in unser Begriffssystem [...]
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort: Die Frage nach der Zahl
- Freges Kritik anderer Versuche, die Zahl zu erklären
- Die Zahl als Eigenschaft äusserer Dinge
- Die Frage nach der Objektivität der Zahl
- Die Zahl als Menge
- Die Einheit als Eigenschaft und die Antinomie der Idenlitül von Einheiten
- Versuche, die Anlinomie der Identität von Einheiten zu lösen
- Fazit aus der dritten These zur Zihl
- Freges eigene Definition der Zahl
- Erster Definitionsversuch der Zahl aus der Zahlangabe
- Vorgreifender Exkurs: Begriffe und Klassen
- Die Zahl aus der Zahlenangabe
- Zweiter Definitionsversuch der Zahl aus der Zahlangabe
- Der linguistic turn
- Zweiter Definitionsversuch
- Das Scheitern der zweiten Definition: die drei Bedenken
- Die Definition der Zahl
- Die Zuhl ist eine Klasse von
- Übersicht: Implikationen für die Bestimmung einzelner Zahlen
- Erster Definitionsversuch der Zahl aus der Zahlangabe
- Zusammenfassung und Ausblick
- Bibliographie
- Literatur
- Lexika und
- Endnoten
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit beabsichtigt eine kommentierende Rekonstruktion von Gottlob Freges Versuch in den Grundlagen der Arithmetik, eine allgemeine Definition der natürlichen Zahl einschliesslich der O zu geben. Dabei wird ausgehend von einer zusammenfassenden, textnahen Beurteilung der wichtigsten Kritiken anderer Meinungen eine systematische Darlegung von Freges eigener Zahldefinition vorbereitet.
- Kritik anderer Versuche, die Zahl zu erklären
- Freges eigene Definition der Zahl
- Die Zahl als Klasse von Begriffen
- Logizismus und die Definition einzelner Zahlen
- Die Bedeutung der Grundlagen der Arithmetik für die moderne Philosophie der Mathematik
Zusammenfassung der Kapitel
In den ersten Kapiteln der Arbeit werden verschiedene Versuche anderer Mathematiker und Philosophen, die Zahl zu erklären, kritisch beleuchtet. Frege zeigt, dass die Zahl keine Eigenschaft äusserer Dinge sein kann, weil den gleichen Dingen je nach Auffassungsweise verschiedene Zahlen zugesprochen werden können und weil ihre Stellung in der logischen Auslegung eines Satzes nicht die einer gewöhnlichen Eigenschaft entspricht. Auch die Auffassung, die Zahl sei eine Menge von Einheiten, wird als unbrauchbar verworfen, da der Begriff der Einheit zu unbestimmt und widersprüchlich ist.
Im zweiten Teil der Arbeit stellt Frege seine eigene Definition der Zahl vor. Er argumentiert, dass die Zahl ein Gegenstand ist, der durch einen Eigennamen bezeichnet wird und dass die Zahlenangabe eine Aussage von einem Begriff enthält. Frege entwickelt zwei Definitionsversuche, die zwar scheitern, aber wichtige Vorarbeiten für die endgültige Definition liefern. In seiner dritten und letzten Definition definiert Frege die Zahl als die Klasse aller Begriffe, die in der Relation der Gleichzahligkeit zu einem bestimmten Begriff stehen. Diese Definition ermöglicht es, zwei Zahlen als gleich zu identifizieren, wenn die entsprechenden Begriffe in der Relation der Gleichzahligkeit zueinander stehen.
Im letzten Kapitel der Arbeit wird Freges logizistisches Projekt, die gesamte Arithmetik auf die Gesetze der Logik zurückzuführen, zusammengefasst. Frege zeigt, wie die einzelnen Zahlen, insbesondere die 0 und die 1, durch logische Definitionen gewonnen werden können. Die Arbeit schliesst mit einer Reflexion über die Bedeutung der Grundlagen der Arithmetik für die moderne Philosophie der Mathematik.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Definition der Zahl, Gottlob Frege, Grundlagen der Arithmetik, Logizismus, Zahlangabe, Begriff, Klasse, Gleichzahligkeit, umkehrbar eindeutige Zuordnung, Objektivität, Subjektivität, Einheit, Antinomie, linguistic turn, Kontextprinzip, Identitätsbedingungen, Kennzeichen, Hume-Prinzip, Abstraktion, Julius Cäsar Problem.
- Quote paper
- Andrea Anderheggen (Author), 2001, Gottlob Freges Definition der Zahl in den Grundlagen der Arithmetik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10966
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