Inhaltsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Zur Operationalisierung von Sozialer Herkunft
2. Auswirkungen der Sozialen Herkunft auf Lebenschancen
2.1 Auswirkungen auf den Schulabschluss
2.2 Auswirkungen sozialer Herkunft auf das Arbeitslosigkeitsrisiko
2.3 Effekte von sozialer Herkunft auf die Klassenlage
3. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang – Stata-Dofiles
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Tabelle 1: Veränderungen in den Wahrscheinlichkeiten, einen bestimmten Schulabschluss zu erreichen, nach dem ordinalen Logit-Modell
Tabelle 2: Odds Ratios der getrennten Analyse in binären Logitmodellen
Tabelle 3: Wirkungen von sozialer Herkunft und Schulbildung auf Arbeitslosigkeit (Odds Ratios)
Tabelle 4: Kreuztabelle der sozialen Herkunft und der aktuellen Arbeitslosigkeit; beobachtete und erwartete Häufigkeiten und Zeilenprozente sowie χ2-Statistik
Tabelle 5: Vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten, arbeitslos zu sein nach Schulabschluss, Geschlecht und Ost/West-Zugehörigkeit
Tabelle 6: Chancen, eine andere Klassenlage als „ungelernter Arbeiter“ aufzuweisen. (Odds Ratios bzw. „relative risk ratios“)
Abbildung 1: Die Odds Ratios in graphischer Darstellung
Tabelle 7: Vorhergesagte Wahrscheinlichkeit der Klassenlagen nach Schulabschluss
1. Einleitung
Das Beschreiben Sozialer Ungleichheit und das Erklären ihrer Ursachen und Wirkungen ist seit jeher eines der Hauptgebiete der Soziologie.
Schon beispielsweise bei Max Weber und Karl Marx wurde auf die unterschiedliche Verteilung von Lebenschancen zwischen den Klassen hingewiesen. Auch in der neueren Ungleichheitsforschung wird der unterschiedliche Zugang zu Bildung und Erwerbspositionen für Personen mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund dargestellt.
In der vorliegenden Arbeit sollen daher drei wesentliche Ungleichheitsdimensionen in das Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden. Grundlegendes Interesse besteht darin, herauszufinden, inwieweit die oft gehörte Behauptung, Menschen seien von Geburt an gleich, tatsächlich zutrifft, oder ob vielmehr die soziale Herkunft, d.h. die schichten- bzw. klassenmäßige Einbettung der Herkunftsfamilie, eine Auswirkung auf die Verteilung von Lebenschancen hat.
Dazu soll in einem ersten Schritt überprüft werden, inwieweit die soziale Herkunft von Personen deren Erfolg beim Erwerb von formalen Bildungsqualifikationen beeinflusst. Hier soll vorrangig überprüft werden, ob die Schule ihrer Rolle als primäre Statuszuweisungsinstitution, in der „den einzelnen der gesellschaftliche Status zugewiesen werden [soll], der ihnen gemäß ihrer individuellen Leistung zukommt“ (Hradil 2001: 150; kursiv nicht im Original) gerecht wird, oder ob es sich eher um status-erhaltende Mechanismen handelt.
In einem zweiten Schritt soll dann der Einfluss sozialer Herkunft auf das individuelle Arbeitslosigkeitsrisiko überprüft werden. Hier soll die verbreitete Alltagshypothese, dass Angehörige höherer Schichten seltener von Arbeitslosigkeit betroffen seien, überprüft werden.
Am Schluss des vorliegenden Textes soll schließlich überprüft werden, inwieweit Klassenlagen gleichsam vererbbar sind, dass heißt ob, und wenn ja wie sich die soziale Herkunft auf die spätere, eigene Klassenzugehörigkeit auswirkt.
Da in dieser Arbeit die (technische) Anwendung von logistischen, ordinalen und multinominalen Regressionsmodellen im Vordergrund steht und nicht die theoretische Behandlung von Themen der Ungleichheitssoziologie, wird vom Leser ein gewisses Grundwissen in diesem Themenbereich vorausgesetzt. Außerdem wird von einer ausgefeilten theoretischen Herleitung der zu testenden Hypothesen sowie einer weitführenden Interpretation der Ergebnisse hier abgesehen, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.
Zur Operationalisierung von Sozialer Herkunft
Wie in der Einleitung erwähnt wurde, soll im vorliegenden Text der Einfluss von sozialer Herkunft auf soziale Ungleichheitsstrukturen am Arbeitsmarkt und in der Bildung untersucht werden. Im hier verwendeten Datensatz, dem ALLBUS 2000[1], ist dabei vorrangig die Erfassung des Goldthorpe Klassenschemas des Vaters geeignet, die soziale Herkunft der Befragten zu bestimmen[2]. Aus der ursprünglich durch den ALLBUS erhobenen Variablen wurde drei Kategorien von Befragten konstruiert. Die Befragten, deren Vater einfacher Arbeiter, Facharbeiter oder Landarbeiter war, wurden der Kategorie „Arbeiterkind“ zugeordnet (Variable arbkind, 1.075 Befragte). Eine Kategorie „Oberschichtskind“ (Variable obskind, 459 Befragte) wurde aus denjenigen Befragten gebildet, deren Vater in die Goldthorpe Kategorien „obere Dienstklasse“ und „untere Dienstklasse“ eingeordnet wurde. Die dritte, implizite Kategorie schließlich enthält jene Befragten, die weder den Oberschichtskindern noch den Arbeiterschichtskindern zugeordnet worden sind (721 Befragte). Da dies jedoch eine sehr heterogene Kategorie darstellt – die Väter sind hier Angehörige der freien Berufe, Unternehmer, leitende Angestellte aber auch Personen aus der unteren Dienstklasse, Landwirte und andere – wurde diese Kategorie bei den hier vorliegenden Analysen nicht direkt verwendet, spielt aber dennoch implizit eine Rolle, da in vielen der im folgenden Text zu besprechenden Regressionsmodellen Vergleiche zwischen jeweils einer der beiden ersten Kategorien und den beiden jeweils anderen, also auch der dritten Kategorie, eine Rolle spielen werden.
2. Auswirkungen der Sozialen Herkunft auf Lebenschancen
2.1 Auswirkungen auf den Schulabschluss
Die Schule wird in der Ungleichheitsliteratur oft als Institution beschrieben, in der die Chancen für den späteren Lebensverlauf verteilt werden. So stellt zum Beispiel Stefan Hradil (2001: 152) fest, dass nur noch diejenigen Personen eine Aussicht auf „einträgliche und ansehnliche Stellungen“ hätten, die über ausreichend hohe formale Bildungsabschlüsse verfügen. Schulabschlüsse stellen somit eine grundlegende Einflussgröße auf spätere Ungleichheitsstrukturen dar.
Daher soll hier zunächst untersucht werden, wie der Umstand, ob man als Kind eines Arbeiters bzw. Oberschichtsangehörigen geboren wurde oder nicht, auf den Erwerb von Schulabschlüssen einwirkt. Böttcher (1991: 153; zit. nach Klemm 2000: 156) entnimmt beispielsweise den Daten des Mikrozensus’ des Jahres 1989, dass „von allen Arbeiterkindern […] 58% eine Hauptschule, 26% eine Realschule und nur 11% ein Gymnasium besuchten. Dem stehen […] bei Beamtenkindern gegenüber: Hauptschule 13%, Realschule 24% und Gymnasium 58%“.
In den bildungspolitischen Diskussionen der sechziger Jahre war oft vom „katholischen Arbeitermädchen vom Land“ die Rede, ein Bild, welches das Akkumulat der wesentlichen Ungleichheitsdimensionen, nämlich Klassenzugehörigkeit, Geschlecht, Konfession und regionale Herkunft, in Bezug auf Bildung darstellen sollte (Klemm 2000: 155).
Wenn also im Folgenden mit einem ordinalen Logitmodell überprüft, ob die Schichtzugehörigkeit der Eltern einen Einfluss darauf hat, einen bestimmten Schulabschluss zu erhalten, ist es sinnvoll, die Wirkungen von demographischen Variablen, denen auch ein potentieller Einfluss auf Schulabschlüsse unterstellt werden kann, auszuschalten. Daher wurden das Alter, das Geschlecht, die Nationalität sowie die Ost-/Westzugehörigkeit der Befragten bei der Regression kontrolliert.
Die Ergebnisse der Analyse sind in Tabelle 1 dargestellt. In der vierten Spalte der Tabelle befindet sich der „average absolute discrete change“-Wert (AADC)[3]. Der Blick in diese Spalte be-
Tabelle 1: Veränderungen in den Wahrscheinlichkeiten, einen bestimmten Schulabschluss zu erreichen, nach dem ordinalen Logit-Modell
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
legt für das Alter den höchsten Effekt auf die Art des erreichten Schulabschlusses: Ältere Befragte des ALLBUS 2000 haben etwas häufiger keinen Abschluss als jüngere und sehr viel häufiger einen Hauptschulabschluss[6]. Dies ist mit Blick auf die Bildungsexpansion der 1960er Jahre in der Bundesrepublik sehr leicht zu erklären (Hradil 2001: 157). Diese theoretische Erklärung lässt sich auch empirisch bestätigen, denn wenn man nur Befragte in die Analyse einbezieht, die 40 Jahre oder jünger sind (also die Personen, die vor der Bildungsexpansion die Schule durchlaufen hatten), dann verringert sich der Alterseffekt enorm. Das AADC bei der Veränderung des Alters um eine Einheit um den Mittelwert sinkt von 0,4% auf 0,1%. Da jedoch durch die Einschränkung der Stichprobe auf Personen bis 40 Jahre auch der Mittelwert sich stark verschoben hat, ist dieser Wert als Vergleich eher ungeeignet. Um eine Vergleichbarkeit herzustellen, wurde der Wert berechnet für die vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten, einen bestimmten Schulabschluss zu erreichen bei einer Veränderung des Alters vom Minimum 18 Jahre auf 40 Jahre. Der Wert ist für das ordinale Logitmodell, das für die gesamte Stichprobe geschätzt wurde, ungefähr 8,7% und für das der Teilstichprobe der Jüngeren nur noch 3,9%. Es gibt also gewisse Hinweise darauf, dass der Alterseffekt tatsächlich hauptsächlich über die Bildungsexpansion zurückzuführen ist; von weiteren Tests wurde an dieser Stelle abgesehen, da das Hauptaugenmerk dieser Arbeit auf den Effekten sozialer Herkunft liegt.
Wenn man nun genau diese Effekte genauer untersucht, ergeben sich relativ starke Effekte aus der Schichtzugehörigkeit. Der Effekt ist für die Kinder von Oberschichtsangehörigen allerdings stärker als der der Unterschichtsangehörigen; der AADC Wert ist beinahe doppelt so groß. Auch die Odds Ratios ergeben einen stärkeren Effekt für Oberschichtskinder: Die Chancen, dass ein Oberschichtskind die Schule mit der Fachhochschul- oder Hochschulreife verlässt und nicht mit einem niedrigeren oder keinem Abschluss, liegen viereinhalb mal höher als bei Kindern, deren Eltern der Oberschicht nicht angehörten (wenn man alle anderen Variablen im Modell konstant hält).
Der Effekt, den die Zugehörigkeit der Eltern zur Arbeiterschicht auf den Schulabschluss hat, ist vergleichsweise geringer: Die Chance, einen höheren statt eines niedrigeren Abschlusses zu erzielen, ist nur ca. zwei Fünftel (44%) so groß wie bei Angehörigen anderer Schichten. Anders ausgedrückt ist das Risiko dieser Personen, mit einem niedrigeren statt höheren Abschluss die Schule zu verlassen etwas mehr als doppelt (2,3x) so hoch wie bei den anderen (unter Konstanthaltung aller anderen Variablen).
Der theoretisch antizipierte Effekt der Schichtzugehörigkeit der Eltern auf den Schulerfolg ihrer Kinder ist also durch dieses Modell vorerst bestätigt worden. Allerdings setzt die Verwendung des ordinalen Logitmodells voraus, dass die theoretisch aus dem ordinalen Fall ableitbaren binären logistischen Regressionsmodelle (die als Ergebnis jeweils die beiden Ausgänge „je ein bestimmter Schulabschluss sowie alle niedrigeren“ oder „alle höheren“ haben; in unserem Fall also vier binäre Modelle) parallel verlaufen. Nur bei Aufrechterhaltung dieser Annahme sind die Ergebnisse der ordinalen logistischen Regressionsanalyse (insbesondere die Odds Ratios) sinnvoll zu interpretieren (Long 1997: 140).
Im vorliegenden Fall haben die beiden Tests, die von Long zur Überprüfung dieser Annahme vorgeschlagen werden (der Wald Test und der Score (bzw. Likelihood-Ratio oder Lagrange Multiplier) Test) übereinstimmend zu dem Ergebnis geführt, dass die Annahme paralleler Regression verworfen werden muss.
Aus diesem Grunde wurde das ordinale Logitmodell in vier einzelne binäre Logitmodelle „zerlegt“, die getrennt gerechnet wurden. Tabelle 2 enthält die Odds Ratios der vier einzelnen Modelle. In den Modellen gibt es jeweils die 2 Antwortkategorien „einen niedrigeren Schulabschluss als k haben“ (mit 0 kodiert) und „mindestens den Schulabschluss k haben“ (mit 1 kodiert).
[...]
[1] Die in diesem Text verwendeten Daten entstammen der "Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften" (ALLBUS 2000). Das ALLBUS-Programm wurde 1980-86, 1991 von der DFG finanziert. Seit 1987 tragen es im übrigen Bund und Länder über die GESIS (Gesellschaft sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen). ALLBUS wird von ZUMA (Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen e.V., Mannheim) und Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung (Köln) in Zusammenarbeit mit dem ALLBUS-Ausschuss realisiert. Die Daten sind beim Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung (Köln) erhältlich. Die vorgenannten Institutionen und Personen tragen keine Verantwortung für die Verwendung der Daten in diesem Beitrag.
[2] Wenn im Folgenden also von sozialer Herkunft oder Schicht die Rede ist, so ist immer die Klassenlage des Vaters des Befragten gemeint. Die Verwendung dieser Begrifflichkeiten entspricht oft nicht exakt dem Stand der Theoriediskussionen in diesem Bereich; das ist aber im Hinblick auf das Anliegen dieses Textes als nachrangig zu betrachten.
[3] Nach J. Scott Long (1997: 137) ist das „average absolute discrete change“ (AADC) eine brauchbare Messziffer, um die Stärke der Effekte einzelner Variablen in einem ordinalen Logitmodell festzustellen. Diese Messziffer berechnet sich wobei J die Anzahl der Kategorien (hier: 5) ist.
Der AADC Wert bezeichnet somit die Summe der absoluten Veränderungen der Wahrscheinlichkeiten der einzelnen Antwortkategorien, die eintritt, wenn man die betrachtete Variable in der bezeichneten Weise verändert, die anderen jedoch konstant hält. Der Absolutbetrag der Veränderungen muss genommen werden, da sonst der Summenterm zwangsläufig Null ergeben würde.
[4] Der Übersichtlichkeit wegen werden in diesem Text für die Schulabschlusskategorien Bezeichnungen verwendet, die etwas von den im ALLBUS verwendeten abweichen: „Hauptschule“=„Volks- und Hauptschulabschluss“; „Realschule“=„Mittlere Reife, Realschulabschluss“; „FH-Reife“=„Fachhochschulreife“; „Abitur“=„Abitur; Hochschulreife“
[5] Hier wurden für alle Variablen ihre Mittelwerte in das geschätzte Modell eingesetzt.
[6] Wenn man alle anderen Variablen des Modells auf ihren Mittelwert setzt, so sagt das Modell für 18-Jährige eine Wahrscheinlichkeit von ca. 16% voraus, einen Volks- oder Hauptschulabschluss zu erzielen; bei den Ältesten Befragten des ALLBUS 2000 (95 Jahre) immerhin 78%.
- Quote paper
- B.A., M.Phil. Christian Holz (Author), 2004, Auswirkungen Sozialer Herkunft - Eine Untersuchung am ALLBUS 2000, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109227
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