Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Kurze fachwissenschaftliche Betrachtung der Ebstorfer Weltkarte
3. Analyse der ursprünglichen Absicht der Ebstorfer Weltkarte
4. Didaktische Überlegungen zum Einsatz der Ebstorfer Weltkarte im Schulunterricht an der Hauptschule
4.1. Mögliche Ziele des Einsatzes im Schulunterricht
4.2. Probleme des Einsatzes im Schulunterricht
5. Methodische Überlegungen zum Einsatz im Schulunterricht an der Hauptschule
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Ebstorfer Weltkarte ist die reichhaltigste und detaillierteste mittelalterliche Darstellung der Erde. Durch ihre Vielfalt an Eindrücken aus den verschiedenen Wissensgebieten ermöglicht sie dem heutigen Betrachter einen Einblick in die Welt des mittelalterlichen Menschen; sei es in sein religiös geprägtes Weltbild, in damalige Politik, in seine Mentalität oder aber in seine Lust an Neuem, Unbekanntem und Wundersamem. Somit scheint die Karte bestens dazu geeignet, dem heutigen Schüler das Mittelalter näher zu bringen. Jedoch findet sich die Karte nicht in den Lehrplänen wieder und in Schulbüchern wird sie nicht behandelt.
Dabei ist die Ebstorfer Weltkarte nicht nur für den Geschichtsunterricht interessant, sie umfaßt ebenso Aspekte aus der Geographie, der Biologie, der Religion und der Kunst und ist somit prädestiniert für den Einsatz im geforderten fächerverbindenden Unterricht[1].
2. Kurze fachwissenschaftliche Betrachtung der Ebstorfer Weltkarte
Die Ebstorfer Weltkarte wurde durch Zufall 1830 im Benediktinerkloster Ebstorf/ Lüneburger Heide entdeckt. Seit 1845 befand sie sich im Besitz des „Historischen Vereins für Niedersachsen“, wo sie 1888 von Ernst Sommerbroth fotografiert wurde. Anschließend kam sie zur Restaurierung nach Berlin. Der Heimathistoriker Spangenberg fotografierte die Karte ebenfalls im Jahre 1939. Außer diesen beiden schwarzweißen fotografischen Arbeiten sind keine weiteren Aufnahmen bekannt. 1943 wurde die Karte im Rahmen eines alliierten Bombenangriffes zerstört. Auf der Grundlage von Sommerbroths Fotografien konnten 1952 vier Nachbildungen angefertigt werden, eine davon befindet sich wieder im Kloster Ebstorf.
Angefertigt wurde die Karte zwischen 1231 und 1240, was sich aus heraldischen Gegebenheiten der Herrschaftszeichen Hannovers und Lüneburgs auf der Karte ergibt[2]. Es gibt jedoch verschiedene andere Datierungsversuche zwischen 1208[3] und 1371.
Geschaffen wurde die Karte wahrscheinlich durch Nonnen des Michaeliskloster in Lüneburg, das für seine Malereikünste berühmt war[4]. Ob die Karte jedoch im Kloster Lüneburg oder im Kloster Ebstorf enstanden ist, ist umstritten. Sicher ist jedoch, das der Produzent der englische Gelehrte und Rechtswissenschaftler Gervasius von Tilbury war. Dieser stand im Dienst des letzten welfischen Kaisers Otto IV. und fungierte als sein Ratgeber. Nach der Niederlage der welfisch-englischen Opposition gegen den mit Friedrich dem II. verbündeten Philipp II. in der Schlacht von Bouvines und dem Verlust der Kaiserwürde folgt Gervasius seinem Herrn in die welfischen Stammlande und wird für seine Verdienste mit dem Posten des Probstes des Kloster Ebstorf belohnt. Als Vorlage für die Ebstorfer Weltkarte diente ihm wahrscheinlich eine Weltkarte aus seinem Werk „Otia Imperialis“ (Kaiserliche Mußestunden“), einer Enzyklopädie der Geschichte, Geographie und der Mythologie. Diese Karte ist heute jedoch verschollen.
Die Ebstorfer Weltkarte stellt eine farbige Gesamtdarstellung der Erde dar. Sie ist eine Radkarte und gegliedert nach dem O-T-Schema des Isidoris von Sevilla, wenngleich Afrika mehr Platz als üblich zugestanden wird und der Nil mehr nach Osten gebogen ist und somit mehr die Form eines Y entsteht[5].
Die Karte war aus 30 Pergamentblättern zusammengesetzt und hatte eine Gesamtausdehnung von 3,58m x 3,56m und bedeckte somit eine Fläche von 12,74m2. Aufgrund ihrer Größe war sie vermutlich auf dem Boden des Chores im Kloster Ebstorf ausgelegt. Nach dem Wiederauffinden der Karte schnitt ein Unbekannter ein großes Stück des Asien-Teils heraus. Zudem war durch Lagerungsschäden ein Teil Norddeutschlands und des Kaukasus zerstört.
3. Analyse der ursprünglichen Absicht der Ebstorfer Weltkarte
Aus der Fülle an Informationen aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen kann man daraus schließen, daß Gervasius den Anspruch erhob, mit der Ebstorfer Weltkarte eine Gesamtdarstellung des Wissensstandes seiner Zeit zu schaffen und falsche Weltbilder zu korrigieren[6].
Betreffend die Geographie versucht Gervasius nicht, ein möglichst genaues Abbild der Welt nach wissenschaftlichen Kriterien zu geben. Jedoch versucht er eine universelle Darstellung der bekannten Welt, was besonders an der Anzahl von Gewässern (162) und Städten (534) auffällt. Durch die Darstellung der Welt als in eine Ebene projizierte Scheibe zeigt sich der Einfluß von Komas (eigentlich Konstantin v. Antiochien), der in seinem Buch „Topographia Christiana“ die Lehren Platons, Aristoteles und Ptolemäus und somit die Kugelgestalt der Erde ablehnt[7]. Auch bei der Einordnung der Völker (Ägypter, Inder, Skythen, etc.) wird dessen Einfluß deutlich, nicht jedoch bei der Darstellung der Fauna. Während Komas die Darstellung von Tieren und die sogenannte „Antipodenlehre“ ablehnt, zeigt sich an der Vielfalt von Tieren und Fabelwesen (ca. 40) der im 13. Jh. langsam verschwindende Einfluß des Gajus Julius Solinus. Gervasius ging es wie gesagt um eine Gesamtdarstellung, also konnte er auch die Antipoden nicht vernachlässigen, die sich besonders im südlichen Afrika zeigen (eventuell Affen?).
Seine Karte enthält zudem eine Darstellung der Weltgeschichte, angefangen bei der Erschaffung des Kosmos und der Welt, über die bildliche Schilderung der Vorgänge in der Bibel bis hin zur Darstellung der vier Weltreiche der Menschheitsgeschichte.
Ferner enthält die Ebstorfer Weltkarte eine Sammlung von Legenden, Sagen und Anekdoten wie zum Beispiel zeitgenössische Erzählungen des Herzogs v. Schwaben, Reinfried v. Braunschweig oder die Alexandersage. Nicht zuletzt durch Symbolik der Erde als Leib Christi soll der Mensch erkennen, daß Gott das Maß aller Dinge ist, daß er über unser irdisches Leben wacht, welches jedoch nach unserem Tode im Paradies eine Fortsetzung findet. Es gibt keine Leerräume, alles ist Teil eines übernatürlichen „Heilsplanes Gottes“[8].
Jedoch bleibt die Frage bestehen, für wen ließ Gervasius die Ebstorfer Weltkarte anfertigen und welche Absicht verfolgte er damit? Wahrscheinlich war die Karte als Ansporn für Otto I., das Kind gedacht sich doch noch um die Kaiserwürde zu bemühen (nach der (zweifachen) Bannung Friedrichs II. hatte Otto I. als Wunschkandidat von Papst Gregor IX. die Kaiserwürde abgelehnt). Dies wird klar durch die sich auf der Karte befindlichen Herrschaftsansprüche des welfischen Hauses auf die Kaiserkrone und die Königswürde von Jerusalem.
4. Didaktische Überlegungen zum Einsatz der Ebstorfer Weltkarte im Schulunterricht an der Hauptschule
4.1. Mögliche Ziele des Einsatzes im Schulunterricht
Durch die Beschäftigung mit der Ebstorfer Weltkarte erhalten die Schüler einen wesentlichen Einblick in die Mentalität und das biblisch orientierte Weltbild des mittelalterlichen Menschen, wozu Traditionsgebundenheit, die Wundersüchtigkeit, die Neugier an Unbekanntem und das Festhalten an bestehenden Dogmen gehören. Ebenfalls wird dadurch die gänzliche Erfassung aller Lebensbereiche durch die Kirche klar, die als letzte Instanz auch über allen Wissenschaften steht, welche sich unter die theologischen Richtlinien ordnen mußten.
Durch die Darstellung der Welt ohne nationale Grenzen erkennen Schüler die (wieder) aktuelle Bedeutung von global orientiertem Denken, dem Blick über eigene nationale Grenzen und die Einsicht, daß die Welt als ein Ganzes dasteht.
Vor allem aber kommen die Schüler von dem Vorurteil eines rückständigen, „finsteren“ Mittelalters ab. Durch die Sicht der Ebstorfer Weltkarte als Enzyklopädie des damals aktuellen Wissenstandes wird klar, daß sich der mittelalterliche Mensch nicht nur mit Ritterturnieren und den Kampf gegen alles Fortschrittliche beschäftigte, sondern es auch die Freude am Umgang mit der Wissenschaft und der Suche nach neuen Erkenntnissen und Entdeckungen gab.
4.2. Probleme des Einsatzes im Schulunterricht
Durch den Anspruch Gervasius, eine Gesamtdarstellung zu schaffen stehen wir heute nun vor dem Problem der Reduktion der großen Menge an Informationen und Details. Was kann weggelassen werden, was ist immanent wichtig? Die bislang bestehenden Versuche sind für den sinnvollen Umgang mit der Karte nur unzureichend. Entweder sind die Darstellungen zu klein oder zu reduziert. Bis auf eine Reproduktion in der Größe 70 x 70cm gibt es keine zweckmäßigen Nachbildungen, schon gar keine als Wandkarte im Maßstab 1:1, was natürlich wünschenswert wäre.
Des weiteren erscheint die Lehrplaneinheiten „Königtum, Adel und Kirche im Kampf um die Macht“ und „Macht und Herrschaft der Stauferkaiser“ schon in Klasse 7. Es ist zu überlegen, ob der Einsatz und die Beschäftigung mit der Ebstorfer Weltkarte zu diesem Zeitpunkt nicht zu verfrüht sind.
Zudem erfordert die Auseinandersetzung mit der Karte und der dafür notwendige Einblick in zeitgenössische Politik und Mentalität viel Zeit. Somit erscheint nur eine oberflächliche Gesamtbetrachtung oder die Bearbeitung von Ausschnitten möglich.
5. Methodische Überlegungen zum Einsatz im Schulunterricht an der Hauptschule
Aufgrund der Multiperspektivität der Ebstorfer Weltkarte und dem benötigten Aufwand an Zeit kommt zur Auseinandersetzung mit der Karte nur ein Projekt im Rahmen des fächerverbindenden Unterrichts in Frage.
In Arbeitsgruppen, unter Anweisung des jeweiligen Fachlehrers und unter Unterstützung durch andere Quellen, besteht so die Möglichkeit der Erarbeiten der Karte aus verschiedenen Blickwinkeln heraus. Möglich wären beispielsweise Erschließungen nach folgenden Ansätzen:
Geschichtlich:
Durch die Lehrplaneinheiten „Königtum, Adel und Kirche im Kampf um die Macht“ und „Macht und Herrschaft der Stauferkaiser“ haben die Schüler bereits einen Einblick in zeitgenössischen politischen Vorgänge bekommen. Diese kann durch weiter Informationen zum Gegensatz Welfen – Staufer an der Karte verdeutlicht werden. Nach der Bannung Friedrichs II. durch Gregor IX. liegt die Wiedererlangung der Kaiserwürde den Welfen in Otto I., das Kind als Neffe des letzten Kaisers und Enkel von Heinrich des Löwen greifbar nahe. Der Anspruch der Welfen läßt sich nun auf der Karte verdeutlichen durch den welfischen Löwen als Wappentier der Stadt Rom (was sonst die Wölfin ist). Ebenfalls läßt sich der welfische Anspruch auf das weltliche Königtum Jerusalem durch die Schmückung von Lüneburg und Jerusalem aufzeigen.
Religiös:
Durch paralleles Arbeiten mit der Bibel läßt sich der Einfluß der Religion in allen Bereichen des mittelalterlichen Lebens darstellen. Auf der Karte lassen sich an Gegebenheiten aus der Bibel unter anderem das Paradies, die auf dem Arrarat gestrandete Arche Noah und die Taube mit dem Ölzweig, Turmbau zu Babel, Sodom und Gommorah, der Berg Sinai, die Mauern von Jericho, und die Lebensgeschichte Jesu (Leere Weinkrüge für Hochzeit in Kanaa, Grab Jesu, Gräber der Apostel) finden. Auch durch die Darstellung der Welt als Leib Christi erkennen die Schüler die totale Durchdringung des Lebens durch die Religion.
Geographisch:
Durch Vergleiche mit heutigen Weltkarten und der Renaissance können die Schüler wesentliche Unterschiede erkennen. Ebenfalls wird der Einfluß der Bibel aus die Geographie verdeutlicht; das Verhältnis Land zu Wasser, die Winde. Die Aufteilung der Welt nach den O-T-Schema kann an der Karte Isidors von Sevilla verdeutlicht werden, nach dem die Söhne Noahs die Welt unter sich aufteilten; Asien ging an Sem, Europa an Japhet und Afrika an Ham. Angeordnet werden die Kontinente durch die Flüsse Don und Nil und das Mittelmeer.
Auch die Einteilung der Völker hat ihre Grundlagen in der Bibel, aber auch in Reiseberichten und Sagen. An der detaillierten Darstellung Norddeutschlands und der fehlerhaften Wiedergabe Restdeutschland kann man erkennen, daß der Verfasser für weiter entfernte Gebiete auf Erzählungen angewiesen war und keine getreuen Abbildungen fertigen konnte. Ebenfalls lassen die vergrößerte Darstellung Afrikas und Arabiens Rückschlüsse auf die Fortschritt in der Geographie durch die Kreuzzüge zu.
Biologisch:
Die Vielfalt an Tieren und Fabelwesen fordert eine Unterteilung in dem Verfasser bekannte Tierarten , aus Reiseberichten bekannte Arten (Kamel, Elefant) und aus Erzählungen und Märchen bekannte Fabelwesen (Greif, Gog und Magog). Sind die Details der Tiere wiedergegeben? Sind die Vorkommen der Tiere geographisch wiedergegeben? Was könnten die Ursachen für die Einzeichnung von Antipoden sein (Affen als menschliche Mißgeburten) ?
Sagen und Legenden:
Anhand von Darstellungen von verschiedenen Sagen und Erzählungen kann man die Beleibtheit derselben erkennen, aber auch daß oft an die Märchen und Wunder geglaubt wurde (Gog und Magog, Amazonen).
Dies sollen nur einige Beispiel für Möglichkeiten zur Annäherung an die Ebstorfer Weltkarte sein. Durch die anschließende Präsentation der Arbeitsgruppenergebnisse wird erst die gesamte Dimension der Zusammenfassung des Wissens klar indem die Verflechtungen zwischen den einzelnen Wissenschaften aufgezeigt werden.
6. Zusammenfassung
Der Einsatz der Ebstorfer Weltkarte im Schulunterricht ist prinzipiell möglich. Es erfordert jedoch eine organisatorischen Aufwand, angefangen bei der Ausarbeitung eines didaktischen Konzeptes über Absprachen der einzelnen Fachlehrer bis hin zur Auswahl oder Herstellung geeigneten Reproduktionen. Jedoch würde sich der Aufwand hinsichtlich des zu erwartenden Ergebnisses lohnen; einen wirksamen Einblick in die Weltvorstellungen des mittelalterliche Menschen zu gewinnen.
7. Literaturverzeichnis
Harn-Woernle, Die Ebstorfer Weltkarte, Stuttgart 1993
Kliege, Weltbild und Darstellungspraxis hochmittelalterlicher Weltkarten, Münster 1991
Kugler (Hrsg.), Ein Weltbild vor Columbus – Die Ebstorfer Weltkarte; interdisziplinäres Colloquium 1988, Weinheim 1991
Leithäuser, Mappae Mundi, Berlin 1958
Meier, Die Ebstorfer Weltkarte als Aufgabe für die Geschichtsdidaktik
Rosien, Die Ebstorfer Weltkarte, Hannover 1952
[...]
[1] Bildungsplan für die Hauptschule, Lehrplanheft 2/ 1994
[2] vergl. Hahn-Woernle, Die Ebstorfer Weltkarte, Stuttgart 1993, S. 87f
[3] Hucker, Zur Datierung der Ebstorfer Weltkarte, Deutsches Archiv 44, 1988, S. 510-538
[4] Leithäuser, Mappae Mundi, Berlin 1958, S. 90
[5] Rosien, Die Ebstorfer Weltkarte, Hannover 1952, S. 37f
[6] Kluger (Hrsg.), Ein Weltbild vor Kolumbus. Die Ebstorfer Weltkarte; interdisziplinäres Colloquium 1988, Weinheim 1991, S. 72
[7] Leithäuser, Mappae Mundi, Berlin 1958, S. 56f
[8] vergl. Kliege, Weltbild und Darstellungspraxis hochmittelalterlicher Weltkarten, Münster 1991, S. 41ff
- Citar trabajo
- Jan Kowalski (Autor), 2000, Möglichkeiten des Einsatzes der Ebstorfer Weltkarte im Unterricht der Sekundarstufe, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108979
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