Inhaltsverzeichnis
Volkspoesie (insbesondere in der Romantik)
A. Begriff, Definition und Kriterien der Volkspoesie
I. Zum Begriff „Volk“ und „Poesie“
II. Zum Begriff der Volkspoesie bei verschiedenen Autoren in der Romantik
III. Entstehung und Entdeckung der Volkspoesie
IV. Formale Kriterien der Volkspoesie
V. Inhaltliche Kriterien der Volkspoesie
B. Formen der Volkspoesie
I. Sprachformel und Sprachspiel
1.1. Die Funktionsformel
1.2. Spielformel
1.3. Redensart und Sprichwort
1.4. Spruch und Inschrift
1.5. Rätsel
1.6. Witz
II. Erzählformen
2.1. Schwank
2.2. Märchen
2.3. Sage
2.4. Legende
2.5. Beispiel
2.6. Anekdote
III. Szenische und musikalische Formen
3.1. Schauspiel
3.2. Lied
IV. Formen, die aufgrund geschichtlicher Veränderungen zur Volkspoesie gezählt werden können
C. Literaturverzeichnis
A. Begriff, Definition und Kriterien der Volkspoesie
I. Zum Begriff „Volk“ und „Poesie“
Am Ende des 18. Jahrhunderts war der Begriff „Volk“ mit verschiedenartigen Vorstellungen und Wertungen verbunden.
So stellte er oft eine Bezeichnung für die „Gesamtheit der Untertanen eines Herrschers oder die Gesamtheit der Bürger eines Staates“[1] dar.
In der Zeit der Romantik wurde die soziale Unterschicht, oft verächtlich, als „Volk“ bezeichnet (entgegen also der Oberschicht der Gebildeten und im Sinne von „Pöbel“).
Johann Gottfried Herder (1744-1803; von dem der Begriff der Volkspoesie stammt)[2] entdeckte „den Reiz der Naturnähe und der ungebrochenen Kräfte primitiver Völker und ihrer künstlerischen Schöpfungen, besonders im Volkslied, und sah auch die, meist Unterschicht genannte, Hauptschicht der sogenannten Kulturvölker in neuem Lichte als ‚den großen ehrwürdigen Teil des Publikums, der Volk heißt’, der kräftigere Sinne, reichere Phantasie und ursprünglicheres Empfinden habe als die gelehrte Oberschicht.“[3]
Nach Herder geht aus dem Volk u.a. der Volksglauben, Volkssagen, Volkslieder (in dem das Empfinden und die Phantasie am Ausgeprägtesten auftritt) und alle Kunst, die volksmäßig oder volksartig ist hervor.
Der Begriff „Poesie“ stammt vom griechischen Wort „Poiesis“ ab und bedeutet das Machen, das Verfertigen, insbesondere der Dichtkunst. Der Begriff besagt also hier: Dichtung, bzw. Dichtkunst.
Volkspoesie bedeutet in der Romantik ein Erstarken des Nationalbewusstseins. Dies zeigt sich u.a. an der Bezogenheit zur (nationalen, d.h. deutschen) Sprache, Dichtung, Heimat, Tradition und Geschichte des Volkes und der Identifikation mit dem gesamten Volk[4]. Volkspoesie „bezeichnete eine dem anonymen Kunstschöpfertum der einzelnen Völker zugeschriebene Weise der dichterischen Welterfassung und –vermittlung, die sich von der Gelehrten- und Individualpoesie unterschied.“[5].
Dem Begriff der „Volkspoesie“ stehen die Begriffe „Urpoesie“ (Betonung der vermuteten Altertümlichkeit; Volkspoesie wird hier als „Relikt sonst nicht überlieferten archaischen Dichtens“[6] verstanden), „Nationalpoesie“ (die ethnischen Besonderheiten der Volkspoesie werden ins Zentrum der Betrachtung und Wertung gerückt; Nationalpoesie „verkörpert den Geist der Nation und ist in Inhalt und Form national gültig und verbindlich“[7] ) und „Naturpoesie“ (hier wird der Volkspoesiebegriff „polemisch oder beschreibend gegen die Kunstpoesie verwandt“[8] ; Volkspoesie wurde hier „insgesamt die Qualität eines organisch gewachsenen, daher weithin nicht schriftlichen überlieferten Kulturguts zuerkannt“[9] ) nahe.
II. Zum Begriff der Volkspoesie bei verschiedenen Autoren in der Romantik
Johann Gottfried Herder sieht die Volkspoesie auch als „tiefes Einfühlungsvermögen, aus der Sprache und Dichtung der Völker, ihre Seele, ihr Wesen, ihre Nationalcharaktere zu erfassen.“[10] Herder verstand unter Volk „das Ursprüngliche als eine dauernde Möglichkeit, das er [Herder] in eine späte Zeit hinüberzuretten sucht“.[11] Volkspoesie ist somit für ihn „die Stufe der Vorbereitung der Kunstpoesie“[12]
Friedrich Schlegel sieht die Dichtung der Griechen, die sich mit den politischen, sozialen und kulturellen Verhältnissen des Volkes auseinandersetzt als „Ausdruck des Volkes“ an. Der Begriff der Volkspoesie sieht F. Schlegel allerdings nur in der „Dichtung der geringeren Stände im Gegensatz zur Poesie der höchsten Bildung einer Zeit“[13] (z.B. Homer). Allerdings so Schlegel „Alle wahrhaft schöpferische Poesie kann nur aus dem inneren Leben eines Volkes [...] hervorgehen.“
Ludwig Tieck (bekannt u.a. durch Nachdichtungen von Volksbüchern) und Clemens von Brentano (bekannt u.a. mit dem Sammeln von Volksliedern, Märchen, Schwänken usw.) beschäftigten sich zwar mit Volkspoesie und sehnten sich nach deren Ursprünglichkeit, jedoch blieben sie einer „Volkspoesie im ständischen Sinne“ treu, da sie sich nicht in der Unterschicht bewegten.
Die Volkspoesie, soweit sie nicht direkt aus dem Volk kommt, muss „aus dem Geist und der Phantasie des Volkes hervorgehen“, so Tieck. Ein Beispiel dafür wäre Shakespeare.
Jakob Grimm sieht in der Volkspoesie den „Volksgeist“ wirken. In der alten epischen Dichtung ist dem Volk „ein gemeinsames Gut gegeben, an dem jeder teilhabe“[14]. Grimm sieht die Volkspoesie v.a. als „künstlerisches Schaffen früherer Zeit, das unbewusst und kollektiv gewesen war.“[15]
Wilhelm Grimm nimmt Volkslieder und Volksgedichte als „von selbst entstanden und überall bekannt“ war. Die Volkspoesie „passt sich selbst an“[16]. Aber auch Dichter, wie etwa Goethe, die große „nationale Stoffe geformt“ oder alte Stoffe bearbeitet haben, gehören der Volkspoesie an, so Wilhelm Grimm.[17]
Achim von Arnim sieht Volkspoesie dagegen auch als ein Schaffen eines jeden einzelnen Dichters „aus dem Geist seines Volkes und dem Ganzen seiner Geschichte“ an. Volkspoesie bedeutet hier die „Seele seines Volkes“ wiederzugeben.[18]
Die Heidelberger Romantik (z.B. Görres) stellt in der Volkspoesie einen religiösen Grundcharakter (so z.B. eine schicksalhafte Notwendigkeit der Entwicklung, eine Annäherung der Geschichte an die Natur, in der Natur und Geist zwei Seiten der menschlichen Existenz sind) fest.
Für die Jenenser Romantik ist „Volkspoesie nicht so sehr Naturprodukt als historisches Zeugnis“[19]. An der Volkspoesie darf der Künstler seine Freiheit ausüben (z.B. Kunstmärchen schaffen, u.ä.).
III. Entstehung und Entdeckung der Volkspoesie
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden in England von James MacPherson (1736-1796; Die Ossiandichtung: „Fragments of Ancient Poetry, collected in the Highlands of Scotland and translated from the Gaelic or Erse Language“) und von Thomas Percy (1729-1811; Dreibändige Sammlung von 180 Balladen: „Reliques of Ancient English Poetry: Consisting of Old Heroic Ballads, Songs and other Pieces of our earlier Poets (chiefly of the lyric kind)“) alte Dichtungen herausgegeben. Die Herausgeber griffen in diesen Dichtungen alte, überlieferte Motive und Formen auf und bearbeiteten (ergänzten, erweiterten, veränderten) sie.
Johann Gottfried Herder nahm dieses Konzept auf und veröffentlichte selbst in einer Zeitung ein „estnisches Lied“[20]. Daneben forderte er auch auf, „alte Nationallieder“ zusammenzutragen. 1774 veröffentlichte Herder selbst eine Sammlung „Alte Volkslieder“ (die späteren Fassungen werden dann nur noch mit „Volkslieder“ betitelt). Das Volkslied wird nach Herder bestimmt durch „seine vom Gefühl getragene Unmittelbarkeit, seine `Sprünge und Würfe` und seine einfache Szene“[21].
Der Entstehung von Märchen, bzw. ihren Stoffen (bzw. und insbesondere der Volkspoesie selbst) liegen drei Theorien zu Grunde:
(1) „Märchen [Volkspoesie] als Erbe aus dem gemeinsamen geistigen Besitz eines ursprünglich einheitlichen ‚Volksstammes’“[22] ;
(2) Märchen [Volkspoesie] als Wandergut (d.h. die volkspoetischen Formen (Märchen, Erzählungen) werden von Völkern weitergegeben, auch an andere Völker);
(3) Märchen [Volkspoesie] als eine Gemeinsamkeit, die aus den übereinstimmenden Grundlagen und Eigenschaften menschlichen Lebens herauswächst (d.h. Volkspoesie als soziale, belehrende und moralische Funktion).
IV. Formale Kriterien der Volkspoesie
Seit Herder („Sprünge und Würfe“; 1773) sind formale Kriterien der Volkspoesie:
- „Gestaltungsweisen, die auf kausale Begründung, logische Richtigkeit, Erzählkontinuität, Informationsgenauigkeit und chronologische Abfolge der epischen Geschehniswiedergabe – zugunsten eines episodischen reihenden unverbundenen Erzählens – weitgehend verzichten.“[23]
- Die Abwesenheit des Erzählers im Text (da er in der mündlichen Vortragssituation als physisch präsent angenommen werden kann).
- Eine auf Individualisierung verzichtende Personentypik
- und das Fehlen von reflektierenden, abstrahierenden und moralisierenden Momenten.
V. Inhaltliche Kriterien der Volkspoesie
Inhaltliche Kriterien der Volkspoesie sind:
- Darstellungen archetypischer, allgemeinmenschlicher Daseins- und Verhaltensformen.
- Volkspoetische Themen können u.a. sein: Familie, Liebe, Kampf, mythologische Naturerfahrung, Tod und Jenseitsvorstellung.
Die Volkspoesie entspringt oft nationalen Traditionen, einem universalen Wandergut oder auch einem „sozialen nicht bestimmbaren allgemeinem Volksgeist“. Neueres Interesse sieht Volkspoesie auch als „Trivialisierung von elitärer Dichtung“ (als „gesunkenes Kulturgut“) an.
B. Formen der Volkspoesie
I. Sprachformel und Sprachspiel
1.1. Die Funktionsformel
1.1.1. Die Kontaktformel
Beispiel: Grußformeln wie „Grüß Gott“, „Mahlzeit“ (von: „Gott segne (Euch) die Mahlzeit“), „Pfiati“ (von: „Behüt dich Gott!“), „Servus“.
Die Funktion der Kontaktformel ist: Einen Kontakt herzustellen. Die leeren Formeln können mit persönlichem Gehalt aufgefüllt werden.
1.1.2. Wunschformel und Heischeformel
- Wunschformel
Beispiel: „Gott regiert mit seiner Hand / Nach seinem Willen dieses Jahr. / Er segne unser Vaterland, / Und was ich wünsch, das werde wahr.“.
Die Wunschformel wendet sich an Personen oder Personengruppen und drücken Wünsche („Guten Rutsch...“), Einladungen und Beileidsbekundungen aus.
- Heischeformel
Beispiel: „Eier raus, oder ich lass den Marder ins Hühnerhaus!“.
Bei der Heischeformel sind Wünsche mit nachdrücklichen Forderungen gekoppelt. Die Heischeformel unterscheidet sich vom Betteln durch einen Rechtsanspruch, „der in einer besonderen sozialen Stellung, in spezifischen Leistungen oder einfach in der indiskutierten Tradition begründet ist“[24]. Heischebräuche (und somit auch –formeln) finden sich an Fasnacht, dem Dreikönigstag, Ostern, Pfingsten, zur Zeit der Ernte, usw. Das Gesinde, Handwerker, u.a. gehen umher und fordern ein kleines Trinkgeld („Küchle raus, oder ich schlag ein Loch ins Haus“).
1.1.3. Kultformel
Beispiel: „Samen, Samen reg Dich, / Samen, Samen streck Dich!“ (diese Formel wurde früher beim Ausstreuen der Saat benutzt).
Die Kultformeln wenden sich an höhere Mächte (z.B. bei dem obigen Beispiel: „Samen...“® Beschwörung; Kultformeln können auch Segen, Gebete, Bitten, Zaubersprüche oder Flüche beinhalten).
1.1.4. Rhythmusformel
Beispiel: „Hoch op den Block! / Den Pohl op´n Kopp! / Hoch noch mol, / Schlank hendol! / Je heuger he geiht, Je beter he sleit.“.
Rhythmusformeln sind Arbeitsvorgängen zugeordnet. Die Arbeiten werden im Gleichtakt verrichtet (z.B. Lichten des Ankers, Aufziehen eines Schifftaues, u.ä.). Die Formeln beginnen meist mit einem unspezifischen (i.d.R. einsilbigen) Ruf: „Ho“, „Hopp“, „Rumm“. Aufbau und Thema der Rhythmusformel sind: oftmals zuerst der Kommandoruf, dann Hinweise auf die betreffende Arbeit, oder Assoziationen, die dabei geweckt werden (z.B. erotische Vergleiche, Aufzählung von Getränken, Ironische Verse, usw.). Ziel ist die Rhythmisierung und rhythmische Gliederung der Arbeit, der Ansporn der Arbeiter und/oder die Intensivierung des Arbeitsprozesses. Rhythmusformeln können allerdings auch eine lustige Sinnlosigkeit aufzeigen (also nur der Unterhaltung während der Arbeit dienen).
1.2. Spielformel
1.2.1. Nachahmungsformel
Beispiel: „Meine Mutter schickt mich her, / ob der Kaffee fertig wär. / Wenn er noch nicht fertig wär, / sollt er bleiben, wo er wär.“.
In der Nachahmungsformel werden Berufe, Tätigkeiten, Tiere, Gegenstände und/oder Berufsspott beschrieben, oftmals ist dies auch pantomimisch untermalt (z.B. „Hoppe-hoppe-Reiter“).
1.2.2. Phantasieformel
Beispiel: „Es war einmal ein Mann, / Der hatte einen Schwamm, / Der Schwamm war ihm zu nass, / Da ging er auf die Gass´, / Die Gass´ war ihm zu kalt, / Da ging er in den Wald, / Der Wald war ihm zu grün, / Da ging er nach Berlin...“.
Bei der Phantasieformel orientieren sich die Reime nicht an wirklichen Vorgängen, sondern schreiten fort, „indem sie sich weitgehend von den spielerischen Möglichkeiten der Sprache führen und verführen lassen.“[25]. Die Reime sind eine Abfolge sinnloser Feststellungen. Abgeschlossen werden solche Formen meist nicht. Es ist eine sinnlose Entwicklung und kein einleuchtender Schluss dabei auszumachen. Das Phantastisch-Spielerische überwiegt.
1.2.3. Lernformel
Beispiel: „Sechs mal sechs ist sechsunddreißig, / und die Kinder sind so fleißig, / und der Lehrer der ist so faul / wie ein alter Droschkengaul.“.
Die zentrale Funktion der Lernformel ist eine Belehrung und das Erlernen von Abläufen, der Umwelt, des Sprechens, u.a. Das pädagogische Element ist zentral. Schon die Fingerreime sind erste Bemühungen hierfür (Ziel hier: Unterscheidung und Bezeichnungen lernen). Daneben finden sich auch oftmals Abzähl- oder ABC-Reime, in denen spielerisch die Zahlen bzw. das ABC erlernt wird.
1.3. Redensart und Sprichwort
1.3.1. Redensart
Beispiel: Etwas auf „eigene Faust“ tun.
Die Redensart ist „eine formelhafte Wendung, die in die Rede [...] in den Satz eingebaut wird.“ Die Redensart ist auch „eine ausgeprägtere Form uneigentlichen, metaphorischen, bildlichen Sprechens, wobei das Bild allgemein bekannt und verbindlich, also eben formelhaft sein muss.“[26] (z.B. „einem die Hände schütteln“, „ins Gras beißen“, „Reiß dich am Riemen!“). Funktionen dabei sind Karikatur/verdeutlichende Übertreibung; Zusammenfassen komplizierter Sachverhalte; verhüllender Ausspruch/Euphemismus/beschönigende Umschreibung (z.B. „etwas mitgehen lassen...“, „geografische Untersuchungen in fremden Taschen machen“ für „stehlen/klauen“).
1.3.2. Sprichwort
Beispiel: „Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“.
Sprichwörter sind „Erfahrungssätze, [...eine Art] Katechismus volkstümlicher Lebens- und Sittenlehre [...] mit einem didaktischen Ton“[27]. Funktionen des Sprichwortes sind vielfach und breit gefächert, z.B. schließt es eine Erfahrung ab, ist Kommentar eines Geschehens, will Lehrhaft sein oder stellt eine bäuerliche Moral dar.
1.3.3. Sonderformen
- Rechtssprichwort
Beispiel: „Wo kein Kläger, da ist auch kein Richter.“
Rechtssprichwörter sind Sprichwörter aus dem Rechtswesen.
- Bauernregel
Beispiel: „Lieber sein Weib auf der Bahr, / Als Lichtmess hell und klar.“
Bei den Bauernregeln ist noch zu unterscheiden zwischen Arbeitsregeln (haben, obwohl meist in kommentierender Form gehalten, einen Vorschriftscharakter: z.B. „Dreimal ackern ist einmal misten“, „Was der Bauer zertritt, wächst doppelt wieder“) und Wetterregeln (sind keine absolute und systematische Lehre, sondern zeigen nur eine Wahrscheinlichkeit auf).
- Wellerismus (auch: Sagwort/Sagsprichwort, Beispielsprichwort, u.ä.)
Beispiel: „Das Nötigste zuerst, sagte der Mann, prügelte sein Weib und holte dann das Kind aus dem Feuer.“.
Bei dem Wellerismus wird ein Sprichwort/eine Redensart „einem imaginären Subjekt in den Mund gelegt, und die Situation wird angedeutet, in der das Sprichwort angeblich gebraucht wurde.“[28] Das Sprichwort wird relativiert und umgebogen. Die absolute Gültigkeit des Sprichwortes wird bestritten. Das Sprichwort wird so ironisiert.
1.4. Spruch und Inschrift
1.4.1. Inschriften an Haus, Möbel, Gerät
Beispiel: „Wer guter Meinung kommt herein, / Der soll uns lieb und willkommen sein. / Wer aber anders kommt herfür, / Der bleibe lieber vor der Tür.“.
Die Inschriften haben vielerlei Funktionen: Abwehr und Schutz, Aufzeigen des eigenen Besitzes oder Anzeigen einer bestimmten Berufsgruppe/eines Berufes/eines Standes. Oftmals werden religiöse Themen aufgegriffen (z.B. Vergänglichkeit). Aber auch moralische und scherzhafte und religiöse Sprüche finden bei den Inschriften ihre Anwendung.
1.4.2. Sprüche und Inschriften im Brauch
Beispiel: „O guter Hansel hör mein Klagen / Ich hätte dir noch viel zu sagen, / Aber es muss jetzt anders sein, / Sonst wird das Papier mit Tränen beweint.“.
Hier sind Sprüche gemeint, die mit einem Brauch verbunden sind, z.B. der Richtspruch des Handwerkers beim Richtfest, Sprüche in Briefen (v.a. in Liebesbriefen), in Glückwunschkarten, gestickte Sprüche oder Sprüche an Möbeln und Gebrauchsgegenständen die nahezu ausschließlich zum Schenken benutzt wurden (Gläsern, Spinnrädern) und das Geschenk mit einem Spruch untermauern sollten, sowie Album- (Poesiealben-) Sprüche und Grabinschriften.
1.5. Rätsel
Beispiel: „Zwei Väter und zwei Söhne, / Die schossen drei Hasen schöne - / Ein jeder trug einen ganzen / In seinem Ranzen...“ (Antwort: Es handelt sich um Großvater, Vater und Sohn).
1.6. Witz
Im Witz ist das Epische auf nur einen Punkt ausgerichtet: Auf die Pointe.
II. Erzählformen
2.1. Schwank
Beispiel: Die Streiche Eulenspiegels oder die Schildbürgergeschichten.
Im Schwank (indem oft Wortverwechslungen auftreten) wird ein (lustiges) Geschehen entfaltet. Er besteht aus anschaulichen Szenen und Bildern.
2.2. Märchen
Beispiel: Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm.
Märchen gehören zum häuslichen Umkreis. Das Märchen unterscheidet Gut und Böse. Am Ende gewinnt immer das Gute. Die übersinnliche Welt ist das Märchen. Innenwelt und Umwelt spielen keine Rolle, die Zeit ist größtenteils ausgeschaltet.
2.3. Sage
Beispiel: Die „Deutschen Sagen“ der Brüder Grimm, „Die Nibelungen“.
Die Sage haftet „an etwas Bekanntem und Bewusstem, an einem Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten Namen“[29]
2.4. Legende
Die „Legende ist die Erzählung vom Leben und Wirken eines Heiligen“[30], meist mit einem, in dessen Leben geschehenes, Wunder.
2.5. Beispiel
„Handlung und Belehrung sind im Beispiel so miteinander verwoben, dass das Herauslösen des didaktischen, moralisierenden Fadens das ganze Gewebe zerstört.“[31] Formen des Beispiels sind:
- die Fabel
Fabeln sind Geschichten, in denen Tiere als Darsteller (für Menschen) dienen, wobei die Tiere auch sprechen können. Fabeln sind mit einem moralisierendem Moment (am Anfang, Ende oder in der Mitte) versehen.
- Parabel
Die Parabel stellt einen Vergleich mit einem Vergleichspunkt dar, z.B. das Gleichnis vom verlorenen Sohn.
2.6. Anekdote
In der Anekdote tritt der moralische Anspruch der Erzählung zurück. Stattdessen tritt die Beschreibung „einer exemplarischen Persönlichkeit und eines bestimmten Zeitbilds“[32] in den Vordergrund.
III. Szenische und musikalische Formen
3.1. Schauspiel
(in der Romantik, z.B. v.a.[33] Puppen- und Marionettenspiele)
3.1.1. Liturgie
Beispiel: geistliche Osterspiele, Krippenspiele, Sternsingen.
3.1.2. Brauch
Beispiel: Fastnachtsspiele, Nikolausspiele.
3.1.3. Theater
Beispiel: Johann Wolfgang von Goethe: Götz von Berlichingen, Friedrich von Schiller: Die Räuber.
3.2. Lied
Beispiel: Volkslied, Schunkellieder[34]
IV. Formen, die aufgrund geschichtlicher Veränderungen zur Volkspoesie gezählt werden können
- Früher galten auch mittelalterliche Epik, Minnesang und Meistersang[35] als volkspoetische Formen.
- Heute gelten auch Evergreen-Schlager und „unbürgerliche“ Sprachwendungen (z.B. Teenager-Sprache)[36] als volkspoetische Formen.
C. Literaturverzeichnis
BAUSINGER, Hermann: Formen der „Volkspoesie“, Berlin 1968
KLUCKHOHN, Paul: Das Ideengut der deutschen Romantik, Tübingen 19533
SCHWEIKLE, Günther / SCHWEIKLE, Irmgard (Hg.): Metzler Literatur Lexikon. Begriffe und Definitionen, Stuttgart 19902
[...]
[1] KLUCKHOHN, S. 98
[2] Vgl. SCHWEIKLE: S. 493
[3] KLUCKHOHN, S. 102
[4] KLUCKHOHN, S. 102ff
[5] SCHWEIKLE, S. 493
[6] SCHWEIKLE, S. 493
[7] BAUSINGER, S. 20
[8] SCHWEIKLE, S. 493
[9] SCHWEIKLE, S. 493
[10] KLUCKHOHN, S. 102
[11] BAUSINGER, S. 13
[12] BAUSINGER, S.20
[13] KLUCKHOHN, S. 103
[14] KLUCKHOHN, S. 114
[15] KLUCKHOHN, S. 114
[16] BAUSINGER, S. 19
[17] BAUSINGER, S. 21
[18] KLUCKHOHN, S. 115
[19] BAUSINGER, S. 26
[20] BAUSINGER, S. 12
[21] BAUSINGER, S. 12
[22] BAUSINGER, S. 29
[23] SCHWEIKLE, S. 493
[24] BAUSINGER, S. 72
[25] BAUSINGER, S. 84
[26] BAUSINGER, S. 93
[27] BAUSINGER, S. 95
[28] BAUSINGER, S. 104
[29] BAUSINGER, S. 170f
[30] BAUSINGER, S. 186
[31] BAUSINGER, S. 201
[32] BAUSINGER, S. 207
[33] Näheres: siehe BAUSINGER, S. 209ff
[34] SCHWEIKLE, S. 493
[35] BAUSINGER, S. 9
[36] SCHWEIKLE, S. 493
- Citation du texte
- Patrick Christmann (Auteur), 2004, Volkspoesie (insbesondere in der Romantik), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108931
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