1. Die Besonderheiten an einer Operette
Wo liegt der Unterschied zwischen den beiden Genres Oper und Operette ?
Häufig wird der Unterschied vereinfacht dahin gehend definiert, dass in einer Oper nur gesungen und in einer Operette gesungen und gesprochen wird. Selbst für den Musikunterricht ist diese Definition der Differenz zwischen diesen beiden Genres nicht ausreichend. Es gibt Opern, in welchen auch gesprochen wird, und es handelt sich dabei bekanntlich auch teilweise um Vorläufer der Operette. Der musikgeschichtliche Weg von diesen Opern zu der Operette soll allerdings nicht Inhalt meiner Arbeit werden.
Gewiss, die Musik einer Oper ist im Gegensatz zu den allermeisten Operetten und Musicals ganz oder größtenteils durchkomponiert. Allerdings, auch wenn sich ein Hörer als „Laie” bezeichnet, weil ihm die nötige musiktheoretische Vorbildung (Notenkenntnisse, Theorie, Fachbegriffe, Musikgeschichte usw.) fehlt, fallen ihm jedoch, wenn er ein differenziertes Gehör hat und sich mit Musiktheater beschäftigen will, schon einige weitere Verschiedenheiten zwischen diesen beiden Genres auf. Zwei wesentliche Unterschiede sind in der Melodik und in der Stilistik zu beachten. Gerade die Wiener Operette hat durch die Wiener Musik eine besondere Melodik, die man auch als „süddeutsche Melodik” bezeichnen kann. Viele Melodien besitzen die für den süddeutschen und österreichischen Musikraum typischen Sext- und Septimensprünge.
Besonders auffällig bei der Operette ist die Stilistik. Letzteres gilt für alle Operettenformen, nicht nur für die Wiener Operette. Die Stilistik zeichnet sich durch einen hohen Anteil an durchgehenden Begleitrhythmen aus. Die Musik wirkt dadurch entweder tänzerisch, oder es handelt sich schlichtweg um Tanzmusik.
Prof. Dieter Zimmerschied schrieb über die „Herrschaft der Tänze” im Genre Operette:
„Ob die Operette so etwas wie eine ‚Tanzoper’ ist, etwa im Wien des 19. Jahrhunderts, oder ein tanzbares Seelendrama wie bisweilen bei Lehár, vielleicht eine Komödie mit gesungenen Tänzen als Einlagen, in jedem Fall beherrscht der Tanz die Gattung vom ersten Entstehen bis zum Absterben. Er war und ist das eigentliche Geheimnis des Erfolges.”
In einer Oper findet man nur wenig Tanzmusik. In diesem Genre ist die Musik meistens dramatisch auf die Handlung bezogen und beschreibt das Handeln auf der Bühne sehr direkt mit melodischen, harmonischen und rhythmischen Mitteln. In der Entstehungszeit der ersten Operetten in Paris (fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts, erstes abendfüllendes Werk „Orpheus in der Unterwelt” von J. Offenbach 1858 uraufgeführt) arbeitete Richard Wagner bereits schon an der Musik zu „Der Ring des Nibelungen”. Wagner war mit seinen Opern, insbesondere mit seinen späteren Werken „Der Ring ...” und „Tristan und Isolde”, für seine Zeit harmonisch sehr weit voraus.
Dagegen wirken die Operetten von Jaques Offenbach musikalisch relativ einfach. Harmonisch befinden sich diese auf dem Niveau einer klassischen Oper des 18. Jahrhunderts. Stilistisch jedoch bieten die Offenbach-Operetten viele damals moderne Tanzmusiken an. Cancan, Walzer (Musette), Polka, böhmische Polka u.a. sind die aktuellen Modetänze der damaligen Zeit, welche in Offenbachs Operetten als dramatische Musik Verwendung finden, wobei man noch erwähnen muss, dass es sich bei diesen Bühnenstücken grundsätzlich um satirische Komödien, gedacht für ein breites Großstadtpublikum, handelt. Lustiges Musiktheater sollte eben auch lustige und einfache Musik beinhalten. Außerdem musste Offenbachs Theater mit anderen Vergnügungslokalen in Paris konkurrieren. So entstand die Kunst, populäre Tanzmusik im Musiktheater dramatisch einzusetzen und dieser im Gegensatz zur Oper noch eine höhere Bedeutung zuzuweisen. In der Oper dient die Tanzmusik zumeist lediglich nur als Pointe oder als Bildtonmusik. (Bestes Beispiel dafür ist die Bühnenmusik im letzten Akt der Oper „Don Giovanni” von W.A. Mozart.)
Seit ca. 1870 komponierte der Wiener Walzerkönig Johann Strauß Operetten, welche meist am „Theater an der Wien” uraufgeführt wurden. Auch in seiner Operettenmusik sind die Einflüsse seiner Tanzmusik klar zu erkennen.
Ursprünglich wollte Strauß niemals für das Musiktheater komponieren, sondern wurde dazu von seiner damaligen Ehefrau Henriette Strauß (geb. Treffz) überredet, mit welcher er seit dem 27. August 1862 bis zu ihrem Tod am 28. Mai 1878 verheiratet war. Henriette selber war eine ehemalige Schauspielerin.
Schon bereits vor 1870 wurden für die Wiener Bühnen Operetten komponiert, welche sich allerdings von ihrer Musik her an den Pariser Operetten des Komponisten Jaques Offenbach orientierten. Der erste Komponist, der die neuartigen Pariser Operetten nachahmte, war der in Wien beheimatete Italiener Franz von Suppé. Seine erste Operette „Die schöne Galathee” wurde am 09. September 1865 im Carltheater uraufgeführt.
Doch erst durch die musikalischen Elemente der Strauß-Operetten, welche sich stilistisch und in ihrer Melodik an die damals schon vorangegangene Tanzmusik von Johann Strauß orientierte, bekam die Wiener Operette ihre besonderen Erkennungsmerkmale, durch die man sie klar von den Pariser Operetten unterscheiden konnte. Zu diesen Merkmalen gehörten u.a. zum einem die damaligen Modetänze Wiener Walzer, Polka, langsame Polka usw. und gelegentlich auch mal ein Marsch und zum anderen die süddeutsch-österreichische Melodik mit ihren Sexten- und Septimensprüngen sowie den Sextparallelen.
Die erste Operette von Johann Strauß wurde am 10. Februar 1871 uraufgeführt. Es handelte sich dabei um das Werk „Indigo und die vierzig Räuber”. Es war zumindest die erste Operette dieses Komponisten, welche zur Aufführung gebracht wurde. Quellen aus dieser Zeit beweisen, welche Bedeutung vor allem die Tanzmusik, insbesondere der Walzer, für das Publikum damals hatte. So schrieb der Theaterkritiker Ludwig Speidel über die Premiere:
„Es war ein Theaterereignis von großer Bedeutung ... Rhythmisch wie melodisch hat ihm die Tanzmusik alle ihre Reize enthüllt ... Sollten aber alle diese Reize nicht verfangen, so hat der Zauber noch ein letztes Mittel, das unfehlbar wirkt - er hat seinen Walzer.”
Ohnehin reichten die Importe französischer Operetten nach Wien nicht mehr aus, so dass die Gattung Operette einfach „eingewienert” und weiterentwickelt wurde.
Der Wiener Musikschriftsteller Alexander Witeschnik schrieb über die Besonderheiten der Wiener Operette:
„Aus einem Stück internationaler Musikware wird ein Stück nationaler Kultur von europäischem Zuschnitt ... Grundzüge wienerischen Wesens strömten ein: die Volkstümlichkeit, die der entwurzelten großstädtischen Geste Offenbachs ein berückendes Maß naiver Bodenständigkeit entgegenstellte; ... Die tänzerische Gebärde, die der Gattung erst das Zeichen seiner Sinnhaftigkeit verlieh ...”
Ähnlich wie Offenbach in Paris konnten Strauß und seine Konkurrenten auch in Wien nicht auf die Tanzmusik in ihren Operetten verzichten, welche in Wien zu ihrer Zeit (goldene Operettenära, ca. 1860 bis 1900) in Mode war und überall gespielt wurde, sei es im Biergarten, im Prater oder bei Tanzveranstaltungen. Walzer- und Polkamusik standen in den damaligen Operetten musikalisch im Mittelpunkt und waren für diese eine Erfolgsgarantie.
Der Walzer war in Wien nicht nur (u.a. wegen seiner Einfachheit für die Tänzer) der populärste Tanz, sondern auch sehr früh ein Symbol für das aufstrebende Bürgertum. Er kam unter verschiedenen Bezeichnungen (wie Dreher oder Ländler) in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Süddeutschland (heutiges Gebiet von Baden-Württemberg, Bayern und Österreich) auf und war zunächst nur ein Volkstanz. In Kreisen des Hochadels galt dieser Tanz als ordinär und obszön und war deswegen auf Hofbällen zunächst verboten. Auf solchen Bällen waren Tänze angebracht, welche zwar von Volkstänzen abstammten, jedoch durch adelige Tanzmeister dem höfischen Bewegungsmuster angepasst wurden. Ein typischer Tanz im 17. und 18. Jahrhundert war zum Beispiel das Menuett, welches nach einer strengen mathematischen Geometrie getanzt wurde und einen festgelegten Anfang und einen genauso festgelegten Schluss hatte. Direkter Kontakt durch den ganzen Körper, wie es bei den unteren Schichten üblich war, galt am Hofe als verpönt. Man beschränkte sich auf Hofbällen auf Handkontakt. Die natürlichen Gefühle wurden unterdrückt. Ungestümte Tanzlust war den unteren Schichten vorbehalten. Die österreichischen Kaiser suchten jedoch in späterer Zeit den Kontakt zum Bürgertum. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Walzer auch bei kaiserlichen Hofbällen getanzt. Dies war auch ein Zeichen der zunehmenden Akzeptanz der Bürgerschichten in den Kreisen des Hochadels.
Eine ähnliche Vergangenheit wie der Walzer hatte die Polka. Ursprünglich auch als ein einfacher Volkstanz entstanden, entwickelte sie sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer Form des bürgerlichen Protestes gegen die Starrheit der höfischen Tanzordnung. Die Polka war ein Ausdruck jener Zeit, in welcher das Bürgertum zu Einfachheit und Idiomatik neigte, um sich von der steifen Hoftradition abzugrenzen. Im Gegensatz zu den Hoftänzen benötigte man beim Walzer und bei der Polka keinen Tanzführer. Bei beiden konnten sich die Tanzpaare frei im Raum bewegen. Bei der Polka konnte die Spontanität und die Freiheit noch größer sein als beim Walzer.
1.1 Bereicherung der Operette durch Tanzmusik aus Ungarn
In den auf „Indigo ...” folgenden Operetten, welche der sogenannten goldenen Operettenära bis ca. 1900 angehörten, änderte sich in der musikalischen Stilistik nicht mehr besonders viel, außer dass als Reaktion auf die größere Autonomie der österreichischen Kolonialvölker die ungarische Folklore seit der Operette „Der Zigeunerbaron” (uraufgeführt 1885) als Stil- und Ausdrucksmittel hinzukam. Dabei muss man natürlich erwähnen, dass es sich bei dieser Musik in Wirklichkeit nicht um richtig ungarische Musik, bzw. Zigeunermusik, handelte. In diesem Unterkapitel möchte ich auf die Funktion und den Einfluss der „Ungarnromantik” eingehen. Der Reiz des Fremden, d.h. ein Handlungsort weit weg von Wien, spielte nach Auffassung Zimmerschieds in der Romantik eine große Rolle, gerade in der Operette.
Die Operette „Der Zigeunerbaron” bekam durch das Einbeziehen eines damals noch relativ neuen Modetanzes aus Ungarn, den Csárdás, und durch den Einbezug der „Zigeunerromantik” eine gewisse Originalität.
Bereits schon in der „Fledermaus” (uraufgeführt 1874), die erste Operette von J. Strauß, welche weltbekannt wurde, verwendete dieser den Csárdás als Gesangseinlage für die Figur der Rosalinde, welche sich in der Handlung auf dem Fest des Prinzen Orlofsky als Ungarin ausgeben wollte.
Der Text lautet:
„Klänge der Heimat, ihr weckt mir das Sehnen, rufet die Tränen ins Auge mir!… O Heimat, so wunderbar, wie strahlet dort die Sonne so klar, wie grün deine Wälder, wie lachend die Felder, o Land, wo so glücklich ich war.”
Mit Beginn der Industrialisierung Mitteleuropas und der damit verbundenen wirtschaftlichen Modernisierung, welche große soziale Veränderungen und Verunsicherungen nach sich zog, setzte die kulturelle Schaffensperiode der Romantik in der Dichtkunst und in der Musik ein. Zu dieser Schaffensperiode zählt auch die sogenannte „Hungaromanie”. Diesen Begriff könnte man auch frei übersetzen in „Ungarnromantik”. Das agrarische Ungarn galt als heile, naturbelassene Welt, für viele Österreicher und Deutsche ein mythisches Land mit vielem Unbekannten und Dingen, die man noch neu entdecken könnte. Schon für den Komponisten Franz Liszt war die Musik, die man im 19. Jahrhundert für ungarische Folklore hielt, von ihrer Stilistik her eine Bereicherung für seine Werke, welche er zu einem großen Teil im ungarischen Stil komponierte. Er bezeichnete sich selber gerne als Ungarn, weil er in diesem Land geboren wurde. Liszt komponierte bereits in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts „ungarisch”. In dieser Periode, welche auch als „Vormärz” zur Revolution im März 1848 bezeichnet wird, beginnt im deutschen Sprachraum durch die oben genannte wirtschaftliche Modernisierung und durch die politische Unsicherheit die Zeit der „Hungaromanie”.
Der gesungene Csárdás der Rosalinde stellt also eine Verklärung der ungarischen Landschaft und ihrer Musik dar und beruht damit auf einer typischen Zeiterscheinung des 19. Jahrhunderts.
Für die damalige Unterhaltungsbranche, insbesondere für die Operette, benötigte man Stereotypen, die man aus teilweise erfundenen Traditionen der Ungarn und aus vereinfachten Bildern über die ungarischen Zigeuner herstellte. Die dadurch entstandenen Klischees gingen allerdings meist wohlwollend mit den beiden ethnischen Gruppen, den Ungarn und den Zigeunern, um oder idealisierte diese. Dabei wurden die kulturellen Zusammenhänge zwischen Ungarn und Zigeunern vereinfacht dargestellt. Die ungarische Musik wurde quasi mit der sogenannten „Zigeunermusik” gleichgesetzt. Die Wiener Operette verschloss sich dadurch der musikalischen Sprachenvielfalt Ungarns.
In der Operette „Der Zigeunerbaron” treffen zwei ethnische Gruppen innerhalb des österreichischen Kaiserreichs zusammen, wobei man zum Zeitpunkt der Handlung im 18. Jahrhundert sagen muss, innerhalb des Machtbereichs der Habsburger Monarchie. Es sind die Ungarn und die Zigeuner. Worum es sich im genauen für einen Zigeunerstamm handeln soll, wird nicht erwähnt. Die Zigeuner werden allerdings als tugendhaftes, treues und kriegsmutiges Volk dargestellt. Sie machen den Titelhelden, Sándor Bárinkay, zu ihrem Baron, obwohl er Ungar und kein Zigeuner ist.
In der Musik zu diesem Stück wird kein Unterschied zwischen Ungarn und den Zigeunern gemacht. Die Musikstilistik, welche sich auf die eine oder andere Gruppe beziehen soll, klingt ziemlich ähnlich. Das Werbelied des ungarischen Offiziers Homonay, ein Csárdás, könnte auch genauso gut ein Trinklied auf einer Zigeunerfeier sein. Der Csárdás steht im „Zigeunerbaron” gleichwertig mit dem Wiener Walzer, der in einer Strauß-Operette ja auch nicht fehlen darf.
Ansonsten stellt diese Operette einen Versuch des Komponisten dar, auch mal eine Oper zu schreiben. Die Musik ist für eine Operette recht stark dramatisch auf die Bühnenhandlung bezogen und weitgehend durchkomponiert. Jedoch verzichtete Strauß nicht auf die gängigen Modetänze und fügte die ungarischen Elemente hinzu. Somit kann man z.B. das Auftrittslied des Schweinezüchters Zsupán („Ja das Schreiben und das Lesen” unter Nr. 3), welches einen durchgängigen Begleitrhythmus hat, als Polka Française bezeichnen. Der Zigeunerchor „O habet acht” (unter Nr. 7) ist ein Csárdás mit langsamer Einleitung, ähnlich wie „Klänge der Heimat” aus der „Fledermaus” (s.o.). Das Werbelied des Homonay (Nr. 12½) klingt zunächst wie ein verlangsamter Csárdás, wird aber im letzten Teil (ab „Wir alle wollen lustig sein”) beschleunigt.
Um den Operneffekt zu verstärken, fügte Strauß einen Zigeunerchor („Ja, das Eisen wird gefüge”, Nr. 10) hinzu, welcher am Anfang eine Anspielung auf den Zigeunerchor aus der Oper „Der Troubadour” von Verdi darstellen sollte, wie im Vorbild mit Ambossschlägen auf den betonten Taktzeiten. Doch ab der Textzeile „Keine Bügel, keine Messer, keine Pflüge, keine Schlösser! ...” wird das Lied zur Schnellpolka, geeignet für einen Wiener Ballsaal. Die Zigeuner werden im „Zigeunerbaron” wie in der Oper „Der Troubadour” auch als Waffenschmiede dargestellt, was bei den ungarischen Zigeunern im 18. Jahrhundert auch durchaus der Fall war.
Obwohl historische Quellen des 18. Jahrhunderts wie zum Beispiel die „Statistik des Königreichs Ungern” von Martin Schwartner aus dem Jahre 1798 belegen, wie gut die Zigeuner die Kultur ihres „Gastlandes” übernehmen konnten, galten sie in den Klischeevorstellungen des 19. Jahrhunderts als naturbelassenes und von der Zivilisation unberührtes Volk. Dies passte auch zu den Stereotypen der bereits oben erwähnten „Hungaromanie”. In dieser „naturbelassenen” und „technikfreien” Klischeewelt wähnte man in dieser Zeit auch die meisten Ungarn.
Es gab über die Wiener Operettenszene hinaus auch die original ungarische Operette, welche aber im deutschsprachigen Raum nicht bekannt wurde. In der Wiener Unterhaltungskultur war eher die „heile” ungarische Klischeewelt gefragt, wie sie musikalisch von gefragten Komponisten wie Johann Strauß dargeboten wurde, nicht nur in der Form der Operette, sondern auch in der Form der Tanzmusik, wie z.B. der bereits 1869 uraufgeführten ungarischen Polka „Eljen a Magyjar” (op. 332). Doch man sollte diese Art von Ungarn- und Zigeunerklischees nicht nur in der Welt der Operette suchen. Auch die sogenannten „ernsten Komponisten” haben ihren Teil zu diesem eher falschen und konfusen Ungarnbild beigetragen. Franz Liszt ist bereits von mir erwähnt worden. Johannes Brahms komponierte eine Reihe von ungarischen Tänzen. Zwischen Liszt, Brahms und Strauß gab es persönliche Verbindungen. Liszt war ein pädagogischer Förderer des jungen Brahms, und Brahms selber freundete sich im gehobenen Alter mit Johann Strauß an. Diese drei Komponisten hatten eines gemeinsam: sie waren Deutsche, keine Ungarn. (Liszt wurde zwar im ungarischen Doborjan geboren, seine Eltern jedoch waren deutscher Herkunft.) Von der original ungarischen Musik von ungarischen Komponisten dagegen nahm man in Deutschland und Österreich damals kaum Notiz.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts stiegen allerdings auch einige ungarische Operettenkomponisten über Wien zum Weltruhm auf. Die beiden bekanntesten unter ihnen waren Franz Lehár und Emmerich Kálmán. Aber auch diese mussten sich dem Geschmack des Wiener Publikums anpassen und in ihrer Musik dem Bild entsprechen, welches das Wiener Publikum von den Ungarn hatte.
2. Der Übergang von der goldenen zur silbernen Operette
Die Geschichte der Operette zwischen 1855 bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts wird von den meisten Musikwissenschaftlern und Soziologen, die sich mit dieser Materie beschäftigt haben, in zwei Epochen eingeteilt: in die „goldene Ära” und in die „silberne Ära” der Operette, auch „Goldene Operette”, bzw. „Silberne Operette” genannt. Prof. Dieter Zimmerschied teilt die Ära der goldenen Operette weiter ein in die „Pariser Operette” und die „Goldene Ära der Wiener Operette”. Seiner Meinung nach begann letztere mit den ersten Erfolgen Suppés in Wien.
Die goldene Ära ging mit der Uraufführung der Operette „Der Vogelhändler” zu Ende. Mit diesem Werk begann diese Gattung, musikalisch und inhaltlich andere Wege zu gehen.
Ein typisches Merkmal der goldenen Wiener Operette war das Leitbild der Aristokratie. Das Bürgertum gehörte im 19. Jahrhundert ökonomisch gesehen zur stärksten Klasse. Es konnte aber nicht den Adel von seinen führenden Positionen verdrängen, so dass man versuchte, die Lebensweise der Adeligen nachzueifern und über die Bühne an dieser Lebensweise teilzunehmen. Dies könnte auch der Grund dafür gewesen sein, dass die Hauptpersonen in den meisten Theaterstücken aus dem 19. Jahrhundert aus einer aristokratischen Welt kamen, zu welcher der „normale” bürgerliche Zuschauer keinen Zugang hatte.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts brauchte das moderne Theater immer mehr Hauptfiguren, mit denen sich die meisten Zuschauer identifizieren konnten. Wichtige Indikatoren für diese Entwicklung findet man auch schon in der Operette, z.B. im „Vogelhändler” von Moritz West und Ludwig Held, Musik von Carl Zeller, uraufgeführt 1891 in Wien. Die Titelrolle in dieser Operette ist der einfache Vogelhändler Adam, der durch List und allerlei Verwicklungen zum Schluss des Stücks zum Forstbeamten aufsteigt und seine Verlobte Christl heiraten kann. Es geht in diesem Stück also um den sozialen Aufstieg durch eine bürgerliche Karriere.
Auch im „Zigeunerbaron” steigen die beiden Hauptpersonen Barinkay und Saffi gegen Ende der Operette in den Adelsstand auf.
Saffi entpuppt sich gegen Ende des zweiten Aktes als Tochter des letzten türkischen Paschas. Barinkay muss erst in den Adelsstand aufsteigen, um sie dann anschließend heiraten zu können, was ihm auch durch seinen Kriegseinsatz gelingt. (Die weibliche Hauptrolle ist bereits schon adelig, der Mann muss sich den Adelstitel erst erkämpfen.)
Der soziale Idealstatus in dieser Operette ist also der Adelsstand. In der Operette „Der Vogelhändler” dagegen stellt der Beamtenstatus ein Idealziel für den Titelhelden dar. Die Musik Carl Zellers hatte im Gegensatz zur Handlung wenig neues zu bieten. Er hielt sich an die konventionelle und kommerzielle Musikmode des 19. Jahrhunderts.
Die Librettisten und Komponisten mussten sich immer mehr einem neuen Publikum anpassen, um mit ihren Operetten überhaupt noch Erfolg haben zu können. Das Vorstadtpublikum näherte sich durch bessere Verkehrsanbindungen den Theatern der Großstädte. Die Menschen außerhalb der Großstädte hatten andere, eher bürgerliche und bodenständigere Ideale als die alteingesessenen Geld- und Adelsschichten in den Metropolen. Also mussten die Handlungen aller neuen Theaterstücke, ob Schauspiel oder Musiktheater, auf das neu entstandene Publikum eingestellt werden.
Abgesehen davon benötigte die Operette neue musikalische Einfälle, um stilistisch über Strauß und Millöcker hinauszuwachsen.
Einen wesentlichen Beitrag zu der Entwicklung der modernen Operette des 20. Jahrhunderts leistete der Komponist Franz Lehár mit seinen beiden erfolgreichsten Stücken aus der Zeit zwischen 1900 und dem ersten Weltkrieg. Dies waren die Operetten „Die lustige Witwe” (uraufgeführt im „Theater an der Wien”, 1905), die man eigentlich noch als reaktionär bezeichnen kann, und „Der Graf von Luxemburg” (uraufgeführt im „Theater an der Wien”, 1909). Letztere stellt die progressivste Vorkriegsoperette Lehárs dar. Sie trägt auf der einen Seite musikalisch an einigen Stellen impressionistische Züge. Dadurch kommt bei Lehár auch eine gewisse musikalische Verwandtschaft mit Puccini das erste Mal zum Vorschein.
Auf der anderen Seite nehmen die Librettisten Willner und Bodanzky den Adelstand aufs Korn. In der Handlung lässt sich der verschwenderische Graf Réne von Luxemburg gegen Bezahlung mit einer Opernsängerin verheiraten, welche er bei der Trauung nicht sehen darf. Dadurch wird die Sängerin in den Adelsstand erhoben. Auf diese Weise kann sie mit dem russischen Fürsten Basilowitsch, der Initiator dieser Heiratsaktion, verheiratet werden. Doch die Pläne des Fürsten gehen im weiteren Verlauf der Handlung nicht auf. Die Liebe zwischen Réne und der Sängerin besiegt die Macht des Geldes und des Adels.
Die Tanzmusik spielt auch in dieser Operette, die ich nicht näher behandeln möchte, eine wichtige Rolle. Zwei Walzer bekommen durch ihre hintergründigen Texte eine wichtige Bedeutung für den weiteren Verlauf der Handlung: „Sie geht links, er geht rechts” und „Bist Du's, lachendes Glück”. Im Gegensatz zur alten goldenen Operette werden solche Walzermelodien in einer Lehár-Operette eher bedächtig langsam und mit häufigen Tempowechsel interpretiert.
Der Walzer „Sie geht links, er geht rechts” wird von Soziologen als Befreiungsgesang gegen die Fesseln der Ehe gesehen. In diesem Fall hat die Eheschließung nur einen formellen Charakter. Die beiden Ehepartner gehen (zunächst) ihre eigenen Wege.
3. Tanzmusik in Kálmáns „Die Csárdásfürstin”
Die Operette „Die Csárdásfürstin” von Leo Stein und Bela Jenbach, Musik von Emmerich Kálmán, stellt den ersten großen Bühnenerfolg Kálmáns dar. Sie wurde während des ersten Weltkrieges im November 1915 uraufgeführt.
Ihre Handlung könnte man als Operettenabwandlung des Romans „Die Kameliendame” von Alexandre Dumas (erschienen 1848) beschreiben. Eine Operette hatte allerdings bis zu diesem Zeitpunkt lustig zu sein. Das Publikum wollte gerade im Krieg abgelenkt werden. Dementsprechend sind die Dialoge witzreich und humorvoll gestaltet worden, die Musik ist überwiegend heiter, und die Handlung nimmt für alle Beteiligten ein glückliches Ende. Ist aber deswegen diese Operette als unrealistisch, oberflächlich und trivial anzusehen?
Dazu muss man als erstes erwähnen, dass durch den Aufstieg der bürgerlichen Schichten sich die Gesellschaftsstruktur und die Moralvorstellungen in dem Zeitraum zwischen Dumas Roman 1848 und der Uraufführung der Operette 1915 grundlegend verändert haben. Neben der Schicht der Adeligen stiegen durch die Industrialisierung und die Liberalisierung des Handels auch Industrielle und Händler in vergleichbare Positionen auf. Nicht selten wurden verdiente Industrielle in den Adelsstand erhoben, und es war am Anfang des 20. Jahrhunderts nicht mehr unbedingt notwendig, adelig zu sein oder zu werden, um eine Adelige oder einen Adeligen zu heiraten. Dass Fürsten, Grafen und Barone sich mit Künstlerinnen verheirateten, war um diese Zeit auch keine Seltenheit mehr. Dementsprechend kann man die Handlung der Operette nicht als unrealistisch bezeichnen.
Jedoch spielt in diesem Stück eine Kurtisane die Hauptrolle, ähnlich wie bei der „Kameliendame”. Es ist die Titelheldin Sylva Varescu, eine Budapester Nachtclubsängerin, die „Csárdásfürstin”. Der erste Akt handelt im Budapester Orpheum, dem sogenannten „Chantant”. Das Lied des alternden Lebemanns Feri „Die Mädis, die Mädis, die Mädis vom Chantant, sie nehmen die Liebe nicht so tragisch” beschreibt bereits schon zweideutig die Aufgabe, welche die weiblichen Angestellten des Orpheums zu erfüllen haben.
„ ... sie machen nicht viel sich aus der Treue! So oft sich ändert das Programm, verändert man sein Herz auch stramm und nimmt sich, nimmt sich, nimmt sich eine Neue!” Der Begleitrhythmus wird ab dem Refrain als Marsch angegeben, allerdings an einigen Stellen mit Tempoänderungen. Der Marsch steht hier nicht für das militärische, sondern ist eher als Symbol für die derbe Moral der Figuren des Herrenchores zu sehen, welche fein gekleidet im Frack und Zylinder auftreten. Dieser Herrenchor stellt eine Gruppe von Besuchern des „Chantants” dar, welche aus gehobenen oder adeligen Verhältnissen stammen. Die Situation ähnelt der ersten Szene der Oper „La Traviata” (uraufgeführt 1854 in Venedig), welche nach dem Roman „Die Kameliendame” geschrieben wurde. Auch hier hört man am Anfang flotte Festmusik. Der Ort ist das Pariser Haus der Kurtisane Violetta, in welchem es Gelage und Tanz gibt. Also eine vergleichbare Situation wie im Orpheum in Budapest.
Es gibt weitere Parallelen zwischen den beiden Musiktheaterwerken. Violetta ist in den reichen Bürgerssohn Alfred Germont verliebt. Die Hauptfigur der Operette, die „Csárdásfürstin” Sylva Varescu, liebt den adeligen Edwin Ronald von und zu Lippert-Weylersheim aus Wien. Für ihn verzichtet sie auf ein Engagement nach Amerika.
Der weitere Verlauf der Handlung von „La Traviata” ist tragisch, während die Liebe der „Csárdásfürstin” ein glückliches Ende nimmt. Edwin muss sich zwar als Offizier bei der Kommandantur in Wien melden, er gibt jedoch vor seiner Abreise Sylva ein von einem Notar beglaubigtes schriftliches Heiratsversprechen. Nachdem Edwin abgereist ist, fällt Sylva eine Verlobungsanzeige aus einer Zeitung in die Hände, in welcher die Verlobung Edwins mit der Komtesse Anastasia von Eggenberg angekündigt wird. Nach einigen Wochen reist sie Edwin nach Wien nach. Sie weiß nicht, dass diese Anzeige von Fürst Leopold von und zu Lippert-Weylersheim, dem Vater Edwins, ohne Wissen seines Sohnes, aufgegeben wurde. Leopold ist nicht mit der Verbindung Edwins mit Sylva einverstanden und möchte seinen Sohn vor vollendete Tatsachen stellen.
Auch die Kurtisane Violetta will für ihren Geliebten Alfred ihr bisheriges Leben aufgeben. Wie bei der „Csárdásfürstin” steht der Vater des Geliebten, Georg Germont, der Beziehung des Liebespaares im Wege. Die Gründe Georgs liegen in den bürgerlichen Ehrbegriffen der damaligen Zeit. Er unterhält sich persönlich darüber mit Violetta und kann sie davon überzeugen, dass es für die Ehre der Familie Germont am besten ist, wenn sie ihre Liebschaft mit Alfred beendet.
Im weiteren Verlauf nimmt die Handlung von „La Traviata” (zu Deutsch „Die vom rechten Wege Abgewichene") ein trauriges Ende. Alfred ist über das plötzlich abweisende Verhalten Violettas ihm gegenüber erbost, und er beleidigt sie auf einem Ball im Hause Floras, einer Freundin Violettas. Im dritten und letzten Akt stirbt sie schließlich an Schwindsucht in den Armen ihres Geliebten.
Duma's Roman und die dazugehörige Opernversion von Verdi kann man als künstlerische Form des Protestes gegen die bürgerlichen Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts bewerten. Das Thema „Liebschaft zwischen Bürger und Halbweltdame” ist im Grunde genommen bis in die heutige Zeit aktuell geblieben. Ob es sich bei der „Csárdásfürstin” in der gleichnamigen Operette auch direkt um eine „Halbweltdame” handelt, wird in dem Bühnenwerk eher offen gelassen und nur indirekt durch das Lied „Die Mädis vom Chantant” angedeutet.
Doch Sylva ist im Gegensatz zu Violetta eine selbstbewusstere Frau, die sich von den bürgerlichen Moralvorstellungen nicht allzu schnell einschüchtern lässt. Nach einigen Wochen reist sie nach Wien, um Edwin auf einer kleinen Gesellschaft seines Vaters wiederzusehen. Sie gibt sich als Gattin des Grafen Boni aus, der ebenfalls mit Sylva auf dem Fest erscheint und als alter Freund der Familie eingeladen ist. Edwin glaubt diesem Schwindel und schlägt Sylva vor, sich von Boni scheiden zu lassen, um als geschiedene Gräfin die Zustimmung seines Vaters als Schwiegertochter zu bekommen. Doch Sylva deckt den Schwindel vor der ganzen Gesellschaft auf und wirft Edwin sein schriftliches Heiratsversprechen zu Füßen.
Nachdem durch den alten Nachtbummler Feri die Mutter Edwins als ehemalige Nachtclubsängerin enttarnt worden ist, die sich über verschiedene Stufen zur Fürstin „emporgeheiratet” hatte, muss Fürst Leopold der Heirat seines Sohnes mit Sylva zustimmen. Den Idealstatus einer Adeligen muss Sylva nicht mehr vor der Hochzeit erreichen. Der Wert des Adelsstandes wird in dieser Operette durch die eigentümliche Karriere der Fürstin in Frage gestellt.
Hier bemerkt man einen weiteren Unterschied zwischen einer guten Oper und einer typischen Operette, bzw. zwischen einem ernsthaftem und einem unterhaltenden Bühnenstück. Die ernste Literatur und die ernste Bühnenkunst möchte auf die Missstände unserer Gesellschaft aufmerksam machen. Die bessere Unterhaltungsliteratur und der Bühnenschwank deutet auch auf die gleichen Probleme, findet für diese jedoch, zumindestens in der Handlung, eine Lösung, um am Ende für alle Beteiligten zum Idealzustand zu gelangen, zu dem sogenannten „Happyend”, in der Wiener Operette meist im Walzer-, in der Pariser im Cancan- und in der deutschen Operette im Marschrhythmus.
Dazu schrieb der Musiksoziologe Moritz Csáky:
„Vielleicht noch mehr als die Oper war die Operette als typische Kunstgattung eines mittleren städtischen Bürgertums zugleich so etwas wie ein Repräsentant einer kulturellen und politischen Mentalität und das Sprachrohr von Ansichten und Sehnsüchten ganz bestimmter sozialer Schichten.”
Eine wichtige Funktion übernimmt dabei die Musik eines Musiktheaterstücks, was bei der Operette im wesentlichen die Tanzmusik ist.
Im Gegensatz zur „Csárdásfürstin” setzt Verdi bei seiner Oper „La Traviata” eher auf die leisen Töne. Die heiteren Musikstücke, wie z.B. das bekannte Trinklied Alfreds im Walzerrhythmus „Libiamo, libiamone' lieti calici”, beschränken sich auf den ersten Akt der Oper. In diesem Akt gibt es noch keine Probleme mit den bürgerlichen Ehrbegriffen, die Welt ist für die beiden Liebenden noch in Ordnung. Man würde heutzutage sagen: „Partystimmung ist angesagt.” Das trübe Erwachen kommt für die Hauptperson Violetta erst im 2. Akt.
„Die Csárdásfürstin” dagegen ist eine typische Wiener Operette, komponiert von einem ungarischen Komponisten. Trotz der ungarischen Herkunft Kálmáns dominiert der Walzer mit zehn Nummern über den Csárdás, welcher nur mit vier Nummern vertreten ist. Dies reichte übrigens für Kálmán aus, um aus den Walzermelodien und dem Lied Nr. 5 als Introduktion einen bekannten Konzertwalzer unter dem Namen „Tanzen möcht' ich” zusammenzufügen. Es war damals auch bei der Wiener Operette üblich gewesen, dass ihre Komponisten aus den zahlreichen Walzermelodien ihrer abendfüllenden Operetten einen Potpourriwalzer zusammenstellten. Seit Johann Strauß zählte der Walzer zum unumgänglichen Bestandteil einer Operette, und Strauß selber führte auch die Sitte des Potpourriwalzers ein, damit seine Theatermusik noch populärer wurde. (Z.B. ist der Konzertwalzer „Rosen aus dem Süden” nach Melodien und Motiven aus der Strauß-Operette „Das Spitzentuch der Königin” zusammengestellt worden.)
Dabei stellt sich die Frage, welche Aufgabe der Walzer in einer Operette hat. Dient er nur der weiteren Popularisierung eines ohnehin schon heiteren Genres?
3.1 Wo liegt der dramaturgische Sinn der in der „Csárdásfürstin” verwendeten Tanzmusik?
Der Walzer ist ein Tanz der Bürger und des bürgerlichen Ideals. Er wird in den Operetten häufig an den Textstellen verwendet, wo diese Ideale beschrieben werden. Oft sind die einschmeichelnden Walzermelodien in den Operetten auf Liebesdinge bezogen. Im Gegensatz zu den höfischen Tänzen, welche bis ins 18. Jahrhundert vom Hochadel getanzt wurden, unterdrückt der Walzer nicht die natürlichen Gefühle der Tanzpartner zueinander, welche sich beim Tanz mit dem ganzen Körper berühren. Er stellt somit das bürgerliche Ideal der natürlichen Beziehung zueinander dar.
Der erste Walzer in der Operette „Die Csárdásfürstin” ist der Refrain von Nr. 3, „Mädchen gibt es wunderfeine” (Duett mit Sylva und Edwin). Die musikalische Einleitung des Duetts ist instrumental im Hintergrund zu hören, während sich Sylva und Edwin über ihre Beziehungsprobleme unterhalten. Sylva hat ein Engagement nach Amerika angenommen, was Edwin nicht davon abhält, ihr zu sagen: „Bleib! Ein Leben ohne dich _ das kann ich mir nicht mehr denken!” Die instrumentale Hintergrundmusik, von Kálmán als Melodram bezeichnet, ist nichts anderes als das Thema aus Nr. 1, Lied der Sylva, (Takt 8 nach „Maestoso”) mit dem Text: „Heia, Heia, in den Bergen ist mein Heimatland! ... dort wo scheu blüht das Edelweiß, dort wo ringsum glitzern Schnee und Eis.” Bei diesem Maestoso handelt es sich um den langsameren ersten Teil eines Csárdás, dem ersten in dieser Operette. Der Text entspricht dem damals bereits schon alten Ungarnklischee von der unberührten Natur und der Abgeschiedenheit der dortigen Kultur (s.o.), obwohl es sich bei dem im Text erwähnten Siebenbürgen um einen rumänischen Landstrich handelt, indem allerdings auch sehr viele Ungarn und Zigeuner leben. (Das Ungarnklischee wurde auch sehr häufig auf Rumänien übertragen.)
Der Allegro-Teil des Csárdás klingt zwar sehr „rassig”, beschreibt andererseits textlich auch die konsequente Haltung eines Siebenbürger Mädels, als was sich Sylva in ihrem Lied auch ausgeben möchte, gegenüber der Liebe: „Wenn ein Siebenbürger Mädel sich in dich verliebt, nicht zum spielen, nicht zum scherzen sie ihr Herz dir gibt. Willst du dir die Zeit vertreiben such'ein and'res Schätzelein. Bist du mein, mußt mein du bleiben, mußt mir deine Seel verschreiben, muß ich Himmel dir und Hölle sein!”
Der schnelle und feurige Csárdás steht im Gegensatz zu der zärtlichen Walzermelodie von Nr. 3. Inhaltlich singt Sylva wahrscheinlich über ihre eigene Herkunft: ein Mädchen vom Lande, welches als Nachtclubsängerin ihr Glück in der Metropole sucht und von ihren Verehrern bedingungslose Treue fordert. Es bleibt jedoch das kühne Verlangen einer Chansonniere nach Treue und Geborgenheit, welchem üble Späße von neureichen und adeligen Nachtlokalkavalieren gegenüberstehen. Die Atmosphäre des „Chantant” entspricht der typischen Dekadenz der sogenannten „besseren Gesellschaft” kurz vor dem ersten Weltkrieg. Der Csárdás steht auch in dieser Operette für das Zigeunertum, d.h. für die Wanderschaft und die Suche nach Glück, Freiheit, aber auch Geborgenheit, ein typisches Klischee über die Lebensweise und die Mentalität der Zigeuner, damals wie heute. Sylva ist zwar nicht unbedingt eine Zigeunerin, aber sie ist zumindest eine Ungarin oder Rumänin vom Lande, was in einer Operette fast das selbe ist. Ihr „anständiger” Freier kommt aus Wien. Die Lebemänner Boni und Feri sind dagegen flotte Ungarn. Boni ist musikalisch auch nur in einem Walzer vertreten (Nr. 10), in diesem singt er dementsprechend auch nur im Ensemble. Der Walzer ist also in diesem Werk ein Symbol für den bürgerlichen und ehrlichen Wiener. Boni und Feri sind dagegen zwei lustige Typen, welche Polkas und Märsche zugesprochen bekommen haben.
Die melodramatische Hintergrundmusik am Anfang der Nummer 3 soll also an die innere Sehnsucht der Sylva erinnern. Doch Edwin beteuert in dem darauf folgenden tänzerischen Allegretto grazioso, einer Mischung aus Csárdás und langsamer Polka im 2/4-Takt, seine aufrichtige Liebe zu Sylva: „Sich verlieben kann man öfters. Lieben kann man einmal nur!” Dann geht es bei Ziffer 4, wo die Taktart in ¾-Takt geändert wird, allmählich ins Walzertempo. Hier berührt sich das Paar im Walzerrausch, zumindest musikalisch. Diese Symbolik war für den walzerliebenden Zuschauer von 1915 noch leichter verständlich als es für den modernen Theaterbesucher von heute ist, auf dem im Laufe der letzten Jahrzehnte noch ganz andere, „heißere” Tanzrhythmen zugekommen sind.
Nachdem Edwin die Befehle seines Vaters entgegen genommen hat, zum einen, dass er sich beim Militär in Wien melden, zum anderen, dass er sich mit der Kontesse Anastasia verloben soll, steht dieser nun in einem Dilemma, denn er ist Sylva verfangen. Die nächste Walzermelodie (Anfang von Nr. 5) ist ein langsamer Walzer: „O jag' dem Glück nicht nach auf meilenfernen Wegen, hold lächelnd tritt es dir von selber schon entgegen. Im eigenen Herzen such's, nicht in der Welt Getriebe, das Glück wohnt überall, denn überall wohnt Liebe!” Dieses anschmiegsame Lied geht über in den Csárdás „Heissa, so verliebt zu sein, kann's was Schönres geben!”. Das Tempo wechselt vom Andante ins Allegro, die Tonart von E-Dur zu e-Moll. Diesmal ist der Csárdás ein Ausdrucksmittel für die Verfänglichkeit der Liebe.
Sylva singt halb erfreut, halb verbittert durch ihre eigenen Erfahrungen, von Freud und Leid der Liebe: „Heissa, so verliebt zu sein, kann's was Schönres geben! Her mit dem Champagner Wein, Liebe, du sollst leben! Liebe, aller Freuden Preis, aller Leiden Quelle, bist ein bitt'res Himmelreich, eine süße Hölle... Ja so ein Teufelsweib fängt dich mit Seel' und Leib, fliehst du ans End der Welt, sie dich in Banden hält, ...!” Der Csárdás steht für den Zauber, den die geheimnisvolle Siebenbürgerin auf Edwin ausübt. Er kann ihr nicht entfliehen, selbst wenn er für immer nach Wien zurückgehen würde. Nach dem Csárdás kehrt das langsame Walzerthema vom Anfang der Nummer zurück. Sylva singt nun über ihre persönlichen Sehnsüchte: „Das schönste was es gibt für eine Frau auf Erden, das ist zu lieben nicht, das ist geliebt zu werden!” Sie möchte, dass ihre Liebe ernst genommen wird.
Die Angabe „Marschtempo” ist lediglich nur als Tempo-Angabe zu verstehen. Es handelt sich eindeutig um einen Csárdás, was man an den harmonischen, melodischen und rhythmischen Elementen erkennen kann.
Eine musikalisch genauere Analyse des Finales zum ersten Akt würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und außerdem nicht unbedingt zum Thema passen. Es tauchen die musikalischen Themen aus Nr. 5 (der langsame Walzer als Einleitung), Nr. 2 und anschließend wieder der langsame Walzer (aus Nr. 5) auf und werden weiter verarbeitet. Edwin möchte Sylva ein rechtliches Heiratsversprechen geben. Sylva möchte Edwin zunächst davon abhalten. Die Mädchen des „Chantant” aber fordern Sylva mit einer Abwandlung des Motivs aus Nr. 2 („Die Mädis vom Chantant”) auf, die Chance zu nutzen: „O nütze, o nütze du Mädi vom Chantant den Augenblick! Nicht jede, nicht jede vom Chantant macht so ein Glück!” Der herbeigerufene Notar Kiss soll das Eheversprechen beglaubigen. Er und der alte Ferri spielen eine Art Priesterrolle. Die Musik geht vier Takte vor Ziffer 11 wieder in einen langsamen Walzerhythmus über. Nachdem Ferri die Worte gesungen hat „Da Ihr es gut und ehrlich meint, so nehmt Euch hin und seid vereint!” erscheint wieder das langsame Walzerthema aus Nr. 5 „O jag' dem Glück nicht nach auf meilenfernen Wegen”. Dieser langsame Walzer ist die Vereinigungsmusik von Edwin und Sylva. Danach folgt auf Ziffer 17 der Hochzeitstanz. Es handelt sich dabei um das bekannte Thema aus dem Hochzeitsmarsch aus der Musik zu Shakespeares „Ein Sommernachtstraum” von Felix Mendelssohn-Bartholdy als Csárdás, gespielt von der hauseigenen Zigeunerkapelle des „Chantant”. Zum einen ist diese Bearbeitung eine Übertragung einer bürgerlichen Hochzeitsmusik in das Milieu des Budapester Nachtlebens. Man kann so eine Bearbeitung nicht ernst nehmen. Abgesehen davon sind Sylva und Edwin am Ende des Aktes noch gar nicht verheiratet, sondern es existiert lediglich nur ein beglaubigtes Heiratsversprechen Edwins.
Zum anderen heißt das zum Hochzeitsmarsch gehörige Theaterstück „Ein Sommernachtstraum”. Die noch kurz vorher traumschöne Situation entpuppt sich am Ende des Aktes als tiefe Enttäuschung. Kálmán hat sich also auch bei dieser Csárdás-Version vom Hochzeitsmarsch etwas dramaturgisches gedacht. Er hatte seine ganz eigene tänzerische „Operettenphilosophie”.
Nachdem Boni Sylva gegenüber eröffnet hat, dass in der Zeitung eine Verlobungsanzeige bezüglich Edwin und Anastasia erschienen ist, beginnt das Melodram, welches den ersten Akt abschließt. Auch in diesem Teil werden noch mal einige Themen des ersten Aktes verwendet. Bei „Die Mädis vom Chantant” wird der Text etwas verändert. Sylva singt: „Wir Mädis ... vom Chantant! Wir nehmen die Liebe nicht so tragisch.” Die Melodie erklingt nicht mehr als Marsch, sondern als leises nachdenkliches Lied. Auch der musikalische Charakter des Walzermotivs „Mädchen gibt es wunderfeine” wird durch die Änderung der Notationsweise (Viertel werden zu Achtel, Notenwerte werden halbiert) vom ¾- zum 6/8-Takt verändert. Sylva singt über dieses Motiv: „Ja Herr von Kiss, ja Herr von Kiss, ihr Eh'kontrakt war nur ein Wisch! ...” Ihr Abgangslied ist der Csárdás „Heißa so verliebt zu sein / Ja so ein Teufelsweib”. Schon wieder hat Sylva eine Enttäuschung erlebt. Dadurch bekommt der finster wirkende Zigeunercsárdás eine erneute Bedeutung und einen der Situation entsprechenden leicht veränderten Text: „Heißa so verliebt zu sein! Kann's was Schönres geben? Kaum vermählt und schon allein! Liebe du sollst leben! Liebe aller Freuden Preis! Aller Leiden Quelle! Bist ein bitt'res Himmelreich! Eine süße Hölle!”
Der nächste Walzer ist der Tanzwalzer (Nr. 7) im Wiener Palais des Fürsten von und zu Lippert-Weylersheim, die erste Nummer im zweiten Akt. Er wird im strikten Wiener Walzer-Tempo gespielt. Taktwechsel oder Tempowechsel sind hier nicht angebracht. Es handelt sich hier zwar um Bildtonmusik, doch trotzdem nicht ohne eine dramaturgische Bedeutung. Dieser Walzer bildet den bürgerlichen und adeligen Kontrast zu der Nachtclub-Musik des ersten Aktes. Der ab Ziffer 5 über die Walzermelodie vom Chor gesungene Text bezieht sich auf die Situation und Perspektive der jungen Damen der sogenannten „besseren Gesellschaft”: „Es strahlen die Lichter im hellen Glanz, dann fliegen wir Mädchen zum Tanz! Im Wogen des Balles vergißt man auf alles, da lebt man das Leben erst ganz! Für jeden hab’ üb’rig ich eine Tour und denke an einen doch nur! An den, mit dem einst ich durch’s Leben tanze, denke ich, denke ich nur!” Die jungen unverheirateten Damen dieser Gesellschaft haben jeweils schon den einen Mann fürs Leben gefunden oder glauben es zumindest. Der Text steht im Gegensatz zu dem letzten Lied, welches Sylva im ersten Akt gesungen hat. Es wird durch den Tanzwalzer indirekt angedeutet, dass Sylva in dieser Gesellschaft erstmal nichts zu suchen hat.
Unterdessen glauben die Eltern Edwins, dass ihr Sohn durch die für ihn vorgesehene Braut ganz gut über sein Verhältnis mit Sylva hinweg gekommen sei.
(Fürst: „Ich hab’s ja gewusst, Anhilte. Ein echter Lippert-Weilersheim tröstet sich immer!”)
Edwin versteht sich tatsächlich ganz gut mit Anastasia von Eggenberg, die er liebevoll Stasi nennt. Sylva dagegen hat in der Zwischenzeit auf keinen seiner Briefe geantwortet, so dass er sie schon ganz vergessen hat.
Stasi und Edwin stellen sich im Schwalben-Duett (Nr. 8) ihr „wohltemperiertes” Eheleben vor. Wieder sind wie bei Nr. 3 die Strophen im langsamen Polkarhythmus und der Refrain im Walzerrhythmus gehalten. Die Tonart ist F-Dur.
Der Grund dafür, dass Kálmán die Strophen im Polkarhythmus komponiert hat, sind u.a. auch im Text zu suchen. Die drei Silben „tra-la-la” passen sehr gut auf die ersten drei Achtel des 2/4-Taktes. (In den Noten ist ab dem Beginn der ersten Strophe sogar 4/8-Takt angegeben.) Ansonsten hat der Komponist „Langsam (Allegretto grazioso)” als Tempo angegeben.
Bei dem Duett handelt es sich um die Vertonung eines Zwiegesprächs zwischen den Verlobten.
Stasi mimt zunächst die naive Braut: „Ich warte auf das große Wunder tralala, von dem man soviel spricht.”
Edwin, noch etwas frustriert durch das abrupte Ende seiner Beziehung mit Sylva, entgegnet: „In Wirklichkeit ist alles anders tralala, die Wunder kommen nicht.”
Stasi träumt vom Ideal der Ehe: „Ich denke mir die Ehe himmlisch tralala, so immerfort zu zwei’n.”
Doch Edwin bleibt Realist: „Das ist gewöhnlich nur im Anfang tralala, dann ist man gern allein!”
Es fällt bei den ersten acht Takten des Gesangsparts der Stasi in der Begleitung auf, dass in den jeweiligen Takten ein Orgelpunkt auf dem Ton F im Bass vorhanden ist. (Der Bass liegt auf der ersten und dritten Achtel im Takt). Dies gibt der Polka einen gewissen pastoralen Charakter.
Hinter dem Text des Refrains, den zunächst Stasi alleine singt, steckt ein gewisses Selbstbewusstsein ihrerseits gegenüber dem zukünftigen Ehemann: „... bist du lieb und bist du brav halt’ zu dir ich fest! Bist du falsch o Schwalberich fliegt die Schwälbin fort!”
In der zweiten Strophe werden die Rollen der beiden vertauscht. Nun nimmt Edwin den naiven Part des Duetts ein. Er gibt eine recht konservative Einstellung zur Ehe vor, in welcher der Mann nicht immer nur bei seinem „Weibchen” girren kann, die Frau aber ihren Gatten als guter Kamerad folgen soll. Stasi dagegen deutet an, dass es auch nach der Eheschließung andere Männer für sie geben wird und dass die Treue zum Ehemann auf Dauer fad sei.
In diesen Aussichten der beiden auf ihr zukünftiges Zusammenleben wird der Sinn und Zweck der Institution „Ehe” in Frage gestellt. Warum soll man ein Leben lang mit nur einem Partner zusammenleben. Das Duett ist gleichzeitig ein Seitenhieb auf das unterentwickelte Scheidungsrecht des damaligen Österreichs und ein kleiner Vorbote der Frauenemanzipation der zwanziger Jahre.
Ähnlich frech geht das Lied Nr. 11 (Duett Stasi, Boni) mit dieser Thematik um. Boni singt den Refrain: „Das ist die Liebe, die dumme Liebe, die macht das Männchen wie den Auerhahn so blind! Erst in der Ehe, so in der Nähe, da merkt man, dass die and’ren Weiber hübscher sind!” Im letzten Refrain tauscht Stasi den letzten Nebensatz aus: „... da merkt man, dass die Männer alle Schwindler sind!” Solche Zweideutigkeiten wurden um 1915 von der Zensur gerade noch geduldet. Der Begleitrhythmus ist eine Mischung aus Marsch und Csárdás mit wechselndem Tempo. Stasi und Boni entwickeln sich seit ihrem Zusammentreffen in dieser Operette zum komischen Paar. Gerade in der silbernen Operettenära wird dem Hauptpaar noch ein komisches Paar als Gegenstück gegenüber gestellt. Dabei ist Boni der Tenorbuffo, für den die meisten flotten Lieder von Kálmán dieses Stücks komponiert wurden. Dieses Schema wurde bei den meisten Operetten, die nach dem ersten Weltkrieg komponiert wurden, fortgeführt. Es gab in der Handlung fast immer ein ernsthafteres Hauptpaar und (mindestens) ein komisches Nebenpaar. Letztere sangen in den Operetten der zwanziger und dreißiger Jahre die Lieder, welche den neuen und schnellen Tanzrhythmen dieser Zeit entsprachen.
4. Der Übergang von der Operette zum Musical
Eine Unterscheidung zwischen den Genres Operette und Musical zu machen ist im Grunde genommen schwerer als eine zwischen den Genres Operette und Oper.
In der Sachliteratur, z.B. in Musiktheaterführern, wurde bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts zumeist kein Unterschied zwischen den Genres Operette und Musical gemacht. Das Musical galt als eine besonders amerikanische Form der Operette. Beide Genres, Operette wie Musical, gehören im Grunde genommen in einen Bereich, den man grob als „Unterhaltendes kommerzielles Musiktheater” bezeichnen könnte.
Dagegen wurden neue Opern seit ca. 1900 überwiegend für öffentlich-subventionierte Theaterhäuser komponiert. Das moderne Opernpublikum hatte seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts eine avantgardistische Auffassung über den Begriff „modern”. Die Musik einer zeitgemäßen Oper sollte nach Auffassung der Avantgarde harmonisch, rhythmisch und in anderen Bestandteilen progressiv sein, was in der Regel Atonalität bedeutete.
Das Operettenpublikum dagegen hielt alles für modern, was dem populären Musikgeschmack der jeweiligen Zeit entsprach. Dieses Publikum gehöre nach Auffassung Adornos zu den Hörertyp des Unterhaltungsmusikhörers (Unterhaltungstypus), während das avantgardistische Publikum der Gruppe der Experten zuzurechnen sei.
Auch das Musical passte sich im Laufe der Jahrzehnte bis heute den jeweiligen populären Musikmoden an. Es verdrängte dadurch auch die Operette, welche als unfähig galt, die Fortentwicklung der unterhaltenden Musik über den Jazz hinaus mitzumachen. Allerdings muss man dazu erwähnen, dass das erste sogenannte Book-Musical, „Showboat” von 1927, noch sehr der Operette ähnelte und sich von dieser im wesentlichen nur durch die neue amerikanische Popularmusik unterschied, welche neben Walzer, Marsch und Polka noch zusätzlich im Musical Verwendung fand. In dieser Zeit wurden auch in Europa Musicals komponiert, die von ihren Autoren und Produzenten als Revuen bezeichnet wurden. Sie beinhalteten sehr viel Jazzmusik, und das einfache und bürgerliche Publikum konnte sich mit den handelnden Personen gut identifizieren. Damit war die Nähe zum amerikanischen Musical durchaus vorhanden. Gute Beispiele für deutsche Musicals aus dieser Zeit sind die beiden Revuen „Es liegt in der Luft” von Marcellus Schiffer (uraufgeführt 1928, Komödie am Kurfürstendamm, Berlin) und „Zwei Krawatten” von Georg Kaiser (uraufgeführt 1929, Berliner Theater, Berlin). Die Musik zu den beiden Stücken komponierte der gebürtige Pole Mischa Spoliansky.
Der Begriff Musical ist eine Abkürzung der allgemeinen Bezeichnung „musical comedy”, seit Ende des 19. Jahrhunderts im englischen Sprachraum gebräuchlich für alle komischen Theaterstücke mit Musik, wozu auch Operetten und Revuen gehörten. Zu den überwiegend nordamerikanischen Vorläufern des Musicals gehörten u.a. die Extravaganza (riesige Ausstattungsshows, eine Mischung aus Großzirkus und Revue), die Burleske (im Milieu des Kleinbürgertums handelnde Singspiele mit vielen Einlagen), die Minstrel Show (musikalisches Kabarett mit schwarz gefärbten und als „Neger” verkleideten Schauspielern), die Vaudeville-Theater (provinzielles Varieté mit eingebauten Einaktern), die Operette und die Revue. Die Revue bestand aus Einaktern und Musikeinlagen und hatte einen Handlungsfaden und/oder einen thematischen Zusammenhang.
Eins hatten die Vorläufer des Musicals auf jeden Fall gemeinsam: sie bestanden musikalisch überwiegend aus Tanzmusik.
Um ein möglichst großes Publikum zu erreichen, war es für die Künstlertruppen dieser Musical-Vorläufer notwendig, in den Weiten Nordamerikas auf Tournee zu gehen. Um 1900 gab es z.B. über 500 Vaudeville-Tournee-Truppen, welche von Stadt zu Stadt zogen. Sie prägten das freizügige Kulturverständnis der amerikanischen Bevölkerung.
In den Großstädten wie New York dagegen dominierte die europäische Musik und die damit verbundene Operette. Es wurden Operetten europäischer Komponisten importiert, später kamen noch deren Nachahmer als Immigranten aus Europa, wie der in Wien zum Komponisten ausgebildete Ire Victor Herbert und der Böhme Rudolf Friml, hinzu.
Als Gegner der europäischen Musik bezeichnete sich George M. Cohen, ein musikalischer Dilettant, aber hervorragender Bühnendarsteller. Er setzte sich für die Vaudeville-Tradition Amerikas am Broadway ein. Die festen Theaterhäuser in New York waren bis zu der Erfolgszeit Cohens zumeist nur für das europäisch geprägte Theater aufgeschlossen. Ein amerikanisches Selbstbewusstsein war in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg noch nicht so ausgeprägt, dass sich die etablierten Musiktheater mit dem typisch amerikanischen Unterhaltungstheater auseinandersetzten.
Dies änderte 1917 sich mit dem erfolgreichen Eintritt der USA in den Weltkrieg. Die Vereinigten Staaten wurden politisch und wirtschaftlich zur führenden Weltmacht. Dadurch stieg das nationale Selbstbewusstsein der Amerikaner, und sie überwanden die kulturelle Hegemonie der alten Staaten Europas. Dies hatte auch einschneidende Folgen im Musikgeschäft.
Die US-Amerikaner suchten in der Nachkriegszeit ihre eigene musikalische Sprache. Sie fanden sie im Jazz, ursprünglich eine Mischung aus afrikanischer Rhythmik und europäischer Harmonik, entstanden in den Vergnügungsvierteln von New Orleans.
Ein wichtiger direkter Vorläufer des Jazz ist der Ragtime. Der Ragtime war in seinem Ursprung Klaviermusik. Die farbigen Pianisten, die in den zahlreichen Saloons und Bordellen der amerikanischen Pionierzeit spielten, kreierten diese Mischung aus afrikanischen Synkopen und europäischer Unterhaltungsmusik á la Marsch und Polka. Der Ragtime diente in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts als musikalische Stütze für unterschiedliche amerikanische Modetänze wie Cakewalk, Two Step, Slow Drag, Onestep, Turkey Trot und Grizzly Bear. Im wesentlichen wurde der Ragtime mit dem Cakewalk in Verbindung gebracht, das heißt, der Cakewalk war eigentlich der zum Ragtime gehörige Tanz. Über gastierende Show-Truppen und Blaskapellen aus den USA, Noten und den frühen Grammophonplatten und Phongraphenwalzen kam die neue Tanzmusik sowie der Ragtime Ende des 19. Jahrhunderts auch nach Europa und war vor allem bei der Jugend sehr beliebt.
Auch in den Vergnügungsvierteln von New Orleans wurde die neue Tanzmusik von den dortigen schwarzen und weißen Bands verarbeitet. Die Notenkenntnisse waren bei vielen der dort musizierenden schwarzen Musiker eher mangelhaft, so dass durch die Loslösung von den Notenarrangements mehr Freiraum für die Entwicklung von Improvisation, Glissando und die Verstärkung eines eigenen Off-Beat-Feelings vorhanden war. Beeinflusst wurde die Jazzmusik auch durch Blues-Elemente wie die Blue Note (eine zeitweise Vertiefung der dritten, fünften und siebten Stufe der Dur-Skala) und das zwölftaktige Bluesschema, welches im Jazz wie in sämtlichen vom Jazz beeinflussten Musikrichtungen immer wieder verwendet wurde.
Die ersten Jazzaufnahmen wurden von der weißen „The Original Dixieland Jassband” 1917 in Chicago gemacht. Es handelte sich dabei um eine Jazzcombo aus Klarinette, Trompete, Posaune, Klavier und Schlagzeug. Nach der erfolgreichen Veröffentlichung der ersten Jazzplatte und einer Europatournee dieser Band war der Siegeszug der Jazzmusik nicht mehr aufzuhalten.
Die zwanziger Jahre waren ein goldenes Zeitalter für die amerikanische Wirtschaft. Die USA erhielten in dieser Zeit auch eine kulturelle Vormachtstellung in den Bereichen Musik und Film. Im eigenen Land löste man in der Bildenden Kunst, in der Architektur und in der Literatur die klassischen europäischen Strukturen durch einen eigenen, als amerikanisch empfundenen künstlerischen Ausdruck ab.
Das Interesse des Publikums richtete sich immer mehr auf die eigenen musikalischen Errungenschaften wie dem Jazz und den in der Großstadt New York verwachsenen „Songwritern”, welche aus der Song-Plugger-Szene der sogenannten „Tin Pan Alley” stammten. In der „Tin Pan Alley”, ein Teilstück der 28th Street, waren die wichtigsten Unterhaltungsmusikverlage angesiedelt. Die Song-Plugger hatten die Aufgabe, Künstlern und Theaterproduzenten sowie Managern die Songs vorzuspielen, die von Komponisten und Textdichtern für die jeweiligen Verlage komponiert wurden. Dabei musste ein Komponist keine Noten lesen oder ein Instrument spielen können, sondern sich lediglich die Melodie ausdenken. Ein zweiter schrieb die Melodie auf und arrangierte sie für Klavier und eventuell für andere Instrumente, ein dritter kreierte dazu den passenden Text.
Einer der bekanntesten amerikanischen Songwriter z.B., Irving Berlin, konnte Liedtexte schreiben und sich Melodien ausdenken, er beherrschte auf dem Klavier aber nur Fis-Dur und konnte keine Noten lesen. Er ließ sich seine Kompositionen von seinen Mitarbeitern arrangieren. Berlin fing als singender Kellner an und stieg nach seinen ersten großen Hits wie „Alexanders Ragtime Band” (1911) zu einem der weltweit erfolgreichsten Liedkomponisten auf; ein amerikanischer Traum.
4.1 Jazz- und Blueselemente bei zwei frühen Songs von Gershwin
Die Karriere von George Gershwin begann im Gegensatz zu der von Berlin etwas solider. Er hatte eine sehr gute pianistische Ausbildung erhalten. Nachdem er als Song-Plugger angefangen hatte, bekam er bei einem Verlag einen Vertrag als Lohnkomponist und komponierte 1920 Songs für die Revue des Produzenten George White „Scandals of 1920” im New Yorker „Globe-Theater”. Auf Grund des durchschlagenden Erfolges durfte Gershwin auch in den folgenden vier Jahren für die „Scandals”-Revuen komponieren. Für „Scandals” schrieb Gershwin 44 überwiegend mittelmäßige Lieder. Die beiden einzigen bis heute bekannt gebliebenen Titel sind „Somebody loves me” von 1924 und „I’ll build a stairway to paradies” von 1922. Beide Songs sind sehr stark vom Jazz beeinflusst.
Gershwin war überaus begeistert vom Jazz und von den Gesängen der Schwarzen: „Ich sehe den Jazz als amerikanische Volksmusik an, nicht als die einzige, aber als eine sehr einflussreiche, die wahrscheinlich mehr als jede andere Richtung der Volksmusik dem Temperament und dem Gefühl des amerikanischen Volkes entspricht.”
Schon sehr früh begriff Gershwin, dass Jazz vor allen Dingen auch eine besondere Form von Protest und Klage darstellt. So komponierte er für die Revue „Scandals of 1922” einen Operneinakter, den er „Blue Monday” nannte und im Negermilieu New Yorks spielen ließ. Die Resonanz zu dieser Kurzoper fiel mager aus, und so wurde sie nach der Premiere wieder aus dem Programm genommen.
Doch Gershwin schrieb für die selbe Revue noch eine andere „Bluesnummer”: „I’ll build a stairway to paradies”. Der Text zu diesem Lied stammte von B. G. DeSylva und von Gershwins Bruder Ira.
Unter einem Blues verstand man in den zwanziger Jahren in der kommerziellen Musikszene einen Tanzschlager im langsamen 4/4-Takt und durchgehend stampfenden Begleitrhythmus, sehr häufig noch melodisch und harmonisch mit Bluenotes versehen. Mit der ursprünglichen Bluesmusik der schwarzen Afroamerikaner, welche sich parallel zur Jazzmusik sogar noch weiter entwickelte, hatte diese Auffassung über Blues natürlich nicht mehr viel gemeinsam. Die Musiker der weißen Tanzmusikszene der zwanziger Jahre, allen voran der „Erfinder” des „Modernen Salonorchesters” und der „King of Jazz” Paul Whiteman, fassten den Jazz und den Blues als ungehobelte Folklore auf, die man als gut ausgebildeter Musiker zu bändigen und zu kultivieren hatte. Die zum Blues passenden Tänze waren in der Regel der Slow Fox und der Blues als Gesellschaftstanz.
In dem Lied „I’ll build a stairway ...” möchte sich der Akteur nach und nach eine Treppe ins Paradies bauen: „I’ll build a stairway to Paradies with a new step ev’ry day!”
In der Originalinterpretation in der Revue sah der Regisseur George White eine große weiße Treppe vor, auf der sich elegant in schwarz gekleidete Tänzer auf und ab bewegten. Ein ähnliches Remake dieser Revueszene gab es 29 Jahre später in dem Gene Kelly-Film „Ein Amerikaner in Paris”, ein Filmmusical. Der französische Schauspieler und Sänger Georges Guetary spielt in diesem Film den Pariser Revuestar Henri, der kurz bevor er dieses Lied singt ein lukratives Angebot aus den USA bekommen hat. Er ist in diesem Film der Typ des erfolgreichen Künstlers und Sunnyboys, der seinen beiden Freunden, den Kunstmaler Jerry Mulligan (Gene Kelly) und den Pianisten Adam Cook (Oscar Levant), die am Anfang der Filmhandlung von der Hand in den Mund leben, in seiner beruflichen Kariere weit voraus ist. Zusätzlich ist Henri in die junge Verkäuferin Lise verliebt, deren Familie er im Krieg das Leben gerettet hat. Lise liebt aber Jerry, doch davon weiß Henri noch nichts. Voller Optimismus singt er in einer Pariser Revue das Lied vom „Stairway to Paradies”, welches allerdings im Film symbolisch auch für den kommenden künstlerischen Aufstieg seines Rivalen Jerry steht. Henri steigt dabei auf einer halbrunden Treppe die Stufen hinauf. Jede Stufe, die er auf dem Weg nach oben berührt, wird von innen erleuchtet. In dem Moment, wo plötzlich alle restlichen Stufenlichter angeschaltet werden, steigen von oben junge Damen in Revuekostümen die Treppe hinab.
Diese filmische Interpretation des Liedes hätte auch gut auf eine Revuebühne der zwanziger Jahre gepasst, symbolisieren Lied und Interpretation doch auch Optimismus, sozialen Aufstieg, Genuss und Sex. Diese vier Elemente bestimmten das Lebensgefühl der „Golden Twenties”.
In der Klavierausgabe wird als Tempoangabe Animato angegeben, was im Deutschen normalerweise mit lebhaft oder beseelt übersetzt wird. Die Tonart ist C-Dur.
Die Strophe richtet sich in einer frech-ironischen Weise an die Moralprediger, die in der damaligen Zeit gegen die neuen Modetänze gewettert haben: „All you Preachers Who delight in panning the dancing teachers ...” Dabei geht die Tendenz der Melodie nach oben. „All you Preachers ...” wird auf dem Ton g gesungen, „... dancing teachers ...” auf dem Ton as. Die ersten beiden Takte der Strophe stellen das Motiv dar, welches alle zwei Takte einen halben Ton höher sequenziert wird. Alle vier Viertel werden gleich mit einem Akkord betont, wodurch der gleichmäßig schreitende Blueseffekt entsteht. Der höchste Zielton dieses achttaktigen Abschnitts ist das b im siebten Takt. Das Wort, welches auf diesem Ton gesungen wird, lautet „through”. Der dazugehörige Satz lautet: „... Let me tell you there are a lot of features Of the dance that carry you through The gates of Heaven ...”, wobei es bei „The gates of Heaven” chromatisch in der Melodie und den Akkorden wieder abwärts geht. Man könnte dies als kleine Verschnaufpause oder als Rückschlag auf dem Weg nach oben deuten. Doch im nächsten Abschnitt, welcher melodisch eine Realsequenz (um eine kleine Terz erhöht) der ersten acht Takte der Strophe darstellt, fängt die Melodie wieder auf dem Ton b an. In diesem Abschnitt richtet sich der Gesangstext nicht nur an die Prediger, sondern vor allen Dingen auch an alle anderen Zuhörer: „It’s madness To be always sitting around in sadness When you could be learning the steps of gladness You’ll be happy when you can do just six or seven.” Der Zuschauer wird aufgefordert, aus seiner Traurigkeit herauszukommen. Er soll selber die ersten Schritte zur Fröhlichkeit machen.
„The gates of heaven” kann und soll hier natürlich auch schon das irdische Glück sein. In dieser Strophe wird der Zuhörer also dazu aufgefordert, die Chancen der Zeit zu nutzen und seinen Weg nach oben zu gehen. Der Bluesrhythmus symbolisiert die neue Zeit in einem selbstbewussten Nordamerika. Gleichmäßig schreitet man im Bluestempo nach oben. Man kann natürlich auch durchaus von einem Protestsong gegen das traurige und unnütze Herumsitzen („To be always sitting around in sadness”) sowie gegen die altmodischen sowie inovationsfeindlichen Prediger der prüden puritanischen, bzw. methodistischen Sekten reden.
Blues ist in seinem Ursprung eine Protest- und Klagemusik, und diesem Bluesphänomen werden Gershwin und seine beiden Textdichter auf ihre ganz eigene Art und Weise gerecht. Im Refrain verzichtet der Komponist auch nicht auf die Bluenote. Sie erscheint meistens als Septe zum dazugehörigen Akkord (b im C-Dur-Akkord, es im F-Dur Akkord) oder als None in einer verkürzten Doppeldominante mit erniedrigter Quinte (das es im Takt 11 und 12 vom Refrain). Der Begriff Blues stand bereits damals schon für Traurigkeit. Im Refrain heißt es: „I’ve got the blues And up above it’s so fair. Shoes! Go on and carry me there!” Dies könnte man übersetzen in: „Ich bin traurig und da oben ist es heiter (fair heißt aber auch gerecht). Schuhe! Geht los und tragt mich dahin!” Das ganze Lied steht als Metapher für den sozialen Aufstieg, aber es ist auch eine Aufforderung, selber etwas für die eigene Karriere zu tun und sich von seinen alten Fesseln zu lösen.
Das Orchester der Scandals- Revue war die Band von Paul Whiteman. Er war einer der ersten erfolgreichen Bandleader, der mit der neuartigen Tanzorchesterbesetzung arbeitete. Die Instrumentation des Begleitorchesters bei der „Csárdásfürstin” sah noch ein klassisches Orchester vor, in welchem die Streicher dominierten.
Bei Whiteman dagegen dominierten die Bläser, die Streicher waren lediglich eine Beigabe. Paul Whiteman stand in der Anfangszeit seines Orchesters (um 1920 herum) noch selber als geigespielender Kapellmeister vor seinen Musikern. Im Verlauf der Entwicklung dieser Besetzungsart verschwanden die Streicher völlig aus der Standardbesetzung, welche man seit den dreißiger Jahren in ihrer erneuerten Form als Big-Band bezeichnete.
Paul Whitemans Orchester bestand aus vier Saxophonisten (welche auch mindestens ein zweites Holzblasinstrument beherrschen mussten), drei Trompetern, drei Posaunisten, einem Banjospieler, einem Tubisten und Kontrabassisten, einem Schlagzeuger und einem Pianisten. Als Beigabe kamen noch drei bis fünf Geiger und Bratscher hinzu. Diese Besetzungsart wurde nun auch meistens bei den neuen Revuen und Musicals verwendet.
Ganz neu bei diesen Tanzorchestern waren der vierstimmige Saxophonsatz, das kombinierte Schlagzeug (Drumset) und das aus der ländlichen Folklore stammende Banjo. Das Banjo hatte einen relativ harten Klang und löste im Salonorchester quasi die zweite Violine und die Viola ab, die bis in die zwanziger Jahre eigentlich im wesentlichen für die Nachschläge und Akkorde bei der Tanzmusik zuständig gewesen waren. In der europäischen Tanzmusik fielen die Nachschläge (welche bei Polka und Märschen auf und (Töne zwischen den Zählzeiten), bei Walzer auf der zweiten und dritten Taktzeit gespielt werden) eher breit und weich aus. In der neuen amerikanischen Tanzmusik mussten diese Nachschläge nun härter und kürzer sein. Außerdem konnte ein einzelner Banjospieler viel besser noch seinen Part frei variieren, was mit mehreren Spielern nicht möglich gewesen wäre. Viele Leute hielten das Banjo für ein „Negerinstrument”, weil es sehr häufig in den echten Jazzbands aus New Orleans und in den schwarzen Bluesbands Verwendung fand.
Auch der Bassist durfte seinen Part variieren. Hinzu kamen noch die zusätzlichen Improvisationen der Instrumentalisten, ganz besonders der Bläser. Die neue „Fetenmusik” der neureichen amerikanischen Gesellschaft war geboren. Die Zeit zwischen dem ersten Weltkrieg und dem Börsenkrach von 1929 wird deswegen auch häufig als Jazzage bezeichnet.
Aus dem Jahre 1922 existiert auch eine rein instrumentale Aufnahme des Liedes „I’ll build a Stairway to Paradies”, gespielt von dem Orchester Paul Whiteman. Eine triolische Jazzrhythmisierung ist in dem Spiel seiner Musiker noch nicht zu hören. Das ist in der Interpretation des Liedes von Georges Guetary in dem Film „Ein Amerikaner in Paris” schon ganz anders. Zwischen Guetary und Whiteman liegt die Swing-Ära, welche einen ternären swingenden Achtelrhythmus vorschrieb. Die Whiteman-Version wirkt dagegen etwas hölzern, weil dieser die Achtel nicht ternär spielen lässt, sondern eher punktiert. Um dem ganzen eine gewisse Jazzwirkung zu geben, bauten Whiteman’s Arrangeure Posaunenglissandi und zwei zwölftaktige Blueschorusse ein. Letztere werden durch eine Trompete, ein Klavier und ein Banjo dargebracht. Whiteman musste Kenntnisse von dem Originalsound der schwarzen Bluesmusik gehabt haben. Allerdings ging bei seinen Jazz- und Bluesinterpretationen meistens das nötige Feeling für diese Musik zu Gunsten seiner kommerziellen Interessen als Tanz- und Unterhaltungsmusiker unter. Trotzdem hielt das Publikum diese Art von Tanzmusik für Jazz, weil sie sehr viele neue musikalische Elemente aus dem Jazz enthielt.
Die zwanziger Jahre waren auch das Zeitalter vieler anderer neuer Modetänze. Dazu gehörten neben den von mir erwähnten Slow-Fox und Blues auch die ursprünglich als Schiebe- und Wackeltänze bezeichneten Foxtrott und Onestep sowie die afroamerikanischen Tänze Shimmy, Charleston und Black Bottom.
Eines der erfolgreichsten Jahre George Gershwins war das Jahr 1924. Im Februar wurde seine legendäre „Rhapsody in Blue” uraufgeführt. Sie wurde innerhalb eines Konzerts des Paul Whiteman-Orchesters in der Aeolin-Hall in New York dargebracht. Whiteman wollte einen Überblick über die beste amerikanische Popular Music geben.
Im Dezember des selben Jahres wurde sein Musical „Lady, be good” im Liberty Theater am Broadway uraufgeführt. Es war das erste richtig typische George Gershwin & Ira Gershwin-Musical. Es enthielt drei der bekanntesten Lieder der Gebrüder Gershwin: das Titellied „Lady, be good”, „Fascinating Rhythm” und „The man I love”. Letzteres wurde wieder aus dem Musical gestrichen. Die Hauptrollen übernahmen das Geschwisterpaar Adele & Fred Astaire. Wie im richtigen Leben waren sie auch in dem Stück ein singendes und tanzendes Geschwisterpaar.
Während „Scandals” die Skandale des vergangenen Jahres noch mal Revue passieren ließ, war dieses Musical trotz seiner wesentlich originelleren Musik oberflächlich und passte nach Auffassung von Schmidt-Joos in diese Zeit: „Die Oberflächlichkeit dieser Stücke entsprach der Oberflächlichkeit des Jahrzehnts.”
Dem Geschwisterpaar Susie und Dick wird in der Handlung die Wohnung gekündigt. Doch solange es Jazz, Parties, Alkoholschmuggler und Charleston gibt, kann die Obdachlosigkeit die Stimmung der beiden nicht trüben. Wie bei fast jeder Komödie gibt es auch bei diesem Musical ein Happyend. Das Lebensgefühl der Epoche wurde durch das rasante Tempo der Handlung, dem beiläufigen, respektlosen Witz in Dialogen und Liedtexten sowie dem Verzicht auf Pathos und Sentimentalität wiedergegeben. In ein solches Musical passte natürlich kein sentimentales und nachdenkliches Lied wie „The man I love”. Dementsprechend wurde es auch, wie oben erwähnt, aus dem Stück gestrichen.
Stellvertretend für den Witz und das Tempo dieses Musicals steht das Lied „Fascinating Rhythm”. Es wurde von dem Geschwisterpaar Astaire gemeinsam unisono gesungen.
Der Text beschreibt die Aufdringlichkeit, mit welcher der Rhythmus der Zeit die beiden den ganzen Tag verfolgt, verbunden mit der Bitte an diesen Rhythmus, sich zu entfernen.
Die einzelnen Phrasen der ersten beiden viertaktigen Abschnitte des Refrains sind zusammengeschoben, so dass die Formstruktur bis zum Beginn des neuen Abschnitts unklar zu sein scheint. Um die vermeintliche Ernsthaftigkeit der Situation zu unterstreichen, hat Gershwin die vorangehende Strophe in Moll komponiert.
Die älteste mir bekannte Aufnahme dieses Liedes stammt aus dem Jahre 1926 und wurde mit den Akteuren Adele und Fred Astaire sowie George Gershwin am Klavier in London aufgenommen. Die erfolgreicheren Musicals und Revuen vom Broadway wurden häufig noch mal in London gezeigt.
Gershwin begleitet nicht nur sein Lied, sondern er improvisiert auch während des Gesangs darüber. Sein Spiel ist eine Mischung aus Swing und Ragtime und hat viel von der Jukebox-Musik (sogenanntes elektrisches Klavier mit Papierwalze) und dem Jazzvirtuosentum eines Fats Wallers. Wie Whiteman baut auch er einen Blueschorus in das Lied ein.
5. Nostalgisches Musical mit Stilmitteln der Operette:
„Show Boat” von Jerome Kern und Oscar Hammerstein
Bei dem Musical „Showboat” handelt es sich um einen Meilenstein in der Geschichte des US-amerikanischen Musiktheaters. Das erste mal adaptierte man in den zwanziger Jahren eine literarische Vorlage für ein Broadway-Musical. Bis dahin wurden in der 42th Street fast nur heitere Musicals, Revuen und Operetten aufgeführt. Der Broadway diente, zumindest was Musiktheater anbetraf, alleine dem Vergnügen; hier war normalerweise kein Platz für leisere Töne.
Als Vorlage für dieses Musical diente der Roman „Show Boat” von Edna Ferber, welcher 1926 erschien. Der Roman griff ernste Themen wie die Entfremdung von Ehepartnern, Alkohol und Spielsucht auf und prangerte die Rassentrennung in den Südstaaten der USA an. Die Handlung des Romans erstreckt sich von 1890 bis 1926 und wurde für die Musicaladaption geändert.
Auffällig bei diesem Musical ist auch die Nähe zur europäischen Operette. Es ist eine gut durchgearbeitete Ouvertüre vorhanden. Beim Begleitorchester wählte Kern eine klassische Instrumentierung mit einem dominierenden Streichersatz. Modernere Modetänze wie der Foxtrott und der Shimmy werden „abgeglättet” und entschärft. Die Musik ist teilweise durchkomponiert, es gibt einige musikalisch-dramatische Übergänge zwischen den Nummern. Auch der Walzer kommt vor, allerdings überwiegend in langsamer Form. An die Stelle von der Polka tritt der Shimmy und der Cakewalk. Durch die Operetten- bis Opernhaftigkeit seiner Musik zu „Showboat” wollte Kern dieser einen musikalisch tieferen Sinn geben und sich damit von den sonst üblichen Broadway-Shows distanzieren und abheben.
Das Werk wurde am 27.12.1927 im Ziegfeld Theatre uraufgeführt.
Das Musical handelt von dem Show Boat „Cotton Blossom”, eines von den vielen schwimmenden Vaudeville-Theatern, wie es sie bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts auf dem Mississippi und auf anderen Flüssen zahlreich gegeben hat. Der Captain des Schiffs heißt Andy Hawks. Dessen Tochter Magnolia hat sich in den Charmeur und Spieler Gaylord Ravenal verliebt, der als gewerbsmäßiger Spieler die Stadt Natchez, wo das Boot gerade anlegt, auf Anordnung des dortigen Sheriffs zu verlassen hat. Magnolia und Gaylord springen als Darsteller für die Mulattin Julie Laverne und ihrem Mann Steve Baker ein, welche wegen ihrer verbotenen Mischehe denunziert worden und vor der Polizei geflüchtet sind. Julie war bisher der Star des Showboats.
Magnolia und Gaylord heiraten und ziehen mit ihrer gemeinsamen Tochter Kim nach Chicago. Drei Jahre später, zur Zeit der Weltausstellung, verfällt Gaylord wieder seiner Spielsucht, verliert all sein Geld, und verlässt aus Scham darüber seine Familie. Um sich und ihre Tochter zu ernähren, bewirbt sich Magnolia auf Anraten Ellies und Franks, ihrer ehemaligen Kollegen vom Showboat, als Sängerin beim Trocadero, einem Vergnügungslokal. Julie, welche bis dahin als Sängerin in diesem Lokal gearbeitet hat, verzichtet zu Gunsten von Magnolia auf ihr Engagement. Julie ist außerdem in der Zwischenzeit dem Alkohol verfallen, weil sie vom charakterschwachen Steve verlassen wurde. Magnolia wird bei ihrem ersten dortigen Gesangsauftritt von ihrem Vater Andy ermutigt, welcher sich im Publikum befindet.
1927 treffen sich fast alle beteiligten Personen auf dem Showboat wieder. Kim ist inzwischen ein Musicalstar am Broadway geworden. Andy hat in der Zwischenzeit Gaylord gefunden und ihn überreden können, ein neues Leben anzufangen. Ravenal besucht zur Zeit Andy auf dem Showboat. Magnolia ist auch eingeladen. Das Paar findet dadurch wieder zueinander.
Zur näheren Betrachtung habe ich einige tänzerische Nummern mit besonders markanten Merkmalen herausgesucht.
Die bekanntesten Lieder aus dem Musical sind das Duett Nr. 2 (Magnolia, Gaylord) mit dem Titel „Make-Believe” und das (noch bekanntere) Lied Nr. 3 des schwarzen Heizers Joe, „Ol’ Man River”.
Kurz bevor Magnolia und Gaylord das Lied „Make-Believe” singen, begegnen sie sich auf dem Showboat. Sie kommen ins Gespräch, doch die recht schüchterne und erst achtzehnjährige Magnolia möchte sich wieder vorschnell verabschieden, weil sie, wie sie sagt, den jungen Herrn Ravenal ja noch gar nicht richtig kennt. Sie hat zuvor aber angedeutet, dass man sich in seiner Phantasie so viele schöne Dinge vorstellen kann. Sie stellt sich z.B. gerne vor, eine Schauspielerin zu sein. (Für die deutschen Begriffe „vorstellen” oder „sich in der eigenen Phantasie vorstellen” steht hier das englische Doppelwort „make believe”.) Doch Gaylord sagt, es sei dementsprechend ja gar nicht schlimm, wenn er und sie ins Gespräch kommen. Man könnte sich ja vorstellen, man würde sich kennen. Daraufhin singt er das Lied „Make-Believe”: „Only make believe I love you, Only make believe that yoe love me. Others find peace of mind in pretending; Couldn’t you? Couldn’t I? Couldn’t we?”
Der Begleitrhythmus ist ein langsamer Foxtrott, auch Slowfox genannt. Es werden aber nicht wie bei „I’ll build a stairway ...” (s.o.) alle vier Viertel (des 4/4-, bzw alla-breve-Taktes) durch Akkorde gleichbetont, sondern es ist weitgehend eine Trennung zwischen Vorschlag (Wechselbass auf der ersten und dritten Viertel) und Nachschlag (Akkorde durch Gitarre, zweite Geigen und Bratschen auf der zweiten und vierten Viertel).
Beim standarisierten Slowfox wird normalerweise viel Platz für das Tanzpaar benötigt. Die Tänzer brauchen für den Slowfox sehr viel Rhythmus-, Takt- und Körpergefühl.
Der Slowfox ist ein „gezähmter” und standarisierter Tanz und stammt vom Foxtrott ab. Eine Differenzierung der beiden Tänze voneinander und eine darauf folgende Zähmung durch Tanzlehrerverbände in den USA, England und Deutschland fand erst ab ca. 1920 statt.
Der Foxtrott tauchte das erste mal 1914 in England auf und kam durch die US-Truppen, welche in England stationiert waren, in deren Heimat USA. Von den Grundschritten her stammte er allerdings von dem amerikanischen Tänzen Ragtime, Cakewalk und Onestep ab. In seiner ursprünglichen Form war er ein reiner Fortbewegungstanz und kannte noch keine allgemein gültigen Normen. Der Foxtrott verkörperte bis zu seiner Zähmung und Standarisierung alles, was die konservativen Tanzlehrer ablehnten und verhindern wollten: tiefe Kniebeugen, Sprünge, bei denen die Beine hoch in die Luft geworfen wurden, Spreizschritte u.a..”
So zu tanzen galt als „Niedergang des guten Geschmacks” und als „brutale ungezügelte Körperlichkeit”. Doch nach der Stutzung des Foxtrotts wurde er nach Dieselhorst das, was ihn zum „ersten klassischen Tanz der englischen Bewegungslehre” machte.
Dementsprechend drückt der Foxtrott im Musiktheater der zwanziger und dreißiger Jahre oft eine abgekühlte sexuelle Annäherung zwischen Frau und Mann aus. So ist es, man sieht es recht deutlich am Text, bei „Make-Believe” der Fall. Gaylord gibt vor, dass seine Annäherungsversuche nur als „Make-Believe” gemeint seien. Magnolia soll sich im ersten Refrain vorstellen, sie und Gaylord wären ein Liebespärchen. Gleichzeitig bekennt er im 3/4-Takt-Zwischenteil (nach dem ersten Refrain, Magnolia ist ängstlich zurückgewichen), dass er etwas geheimes aus seinem Herzen offenbart hat: „Your pardon I pray, ‘Twas too much to say the words that betray my heart.”
Die Strophe des Liedes ist im 2/4-Takt im Allegretto komponiert. Sie tröstet ihren heimlichen Verehrer damit, dass das „Spiel der Vorstellung” das süßeste Spiel ist, was sie kennt. („The game of just supposing is the sweetest game I know;...”) Der Teil klingt süßlich und naiv. Dieser Effekt wird vor allem durch den simplen Akkordaufbau erreicht. Doch die Naivität täuscht. Denn weiter heißt es im Text: „... Our dreams are more romantic than the world we see.” Die Träume sind also nach Magnolias Auffassung schöner als die Welt, die man sieht, also schöner als die Realität. Und somit nimmt dieser Foxtrott bereits die Handlung voraus. Aus dem Spiel der beiden, welches sie auch auf der Bühne des Theaters vom Showboat fortsetzen müssen, wird ernst. Sie heiraten, und die Beziehung bricht wegen der Unfähigkeit und Labilität Gaylords (gegenüber Glücksspielen) auseinander. (Die beiden wären vielleicht besser beim kühlen Foxtrott „Make-Believe” und ihren Träumen geblieben.)
Dieses Lied ist von seiner Intention und seinem Stellenwert innerhalb des gesamten Musicals vergleichbar mit dem Lied „Machen wir’s den Schwalben nach” aus der „Csárdasfürstin”. Auch in dem Lied „Make-Believe” geht es um den Gegensatz zwischen Phantasie und Realität in puncto „Liebe und Ehe”.
Direkt nach „Make-Believe” folgt der zweite große „Hit” des Werkes: „Ol’ Man River”, die Nr. 3 des Musicals.
Gesungen wird das Lied von dem schwarzen Heizer Joe. Er hat die „gespielte Liebesszene” zwischen Magnolia und Gaylord beobachtet. Er ahnt wohl, was kommen wird.
Doch der alte Fluss Mississippi hat schon ganz andere Dinge beobachtet. Und so klagt er über das Schicksal der Rassentrennung und darüber, dass der „Ol’ Man River” schon soviel Unrecht gesehen hat, sich trotzdem nicht darum kümmern muss und einfach weiter fließt. Der Fluss steht symbolisch für das Schicksal aller, die mit ihm zusammen leben müssen.
Die Stimmlage von Joe ist der Bass. Der Bass ist zum einen ein Symbol für den abgehärteten Menschen, den Joe durch langjährige harte Arbeit geworden ist. Zum anderen steht diese Stimmlage für die naturverbundene und lebenserfahrene Weisheit des Heizers. Als Tonart wurde C-Dur gewählt und bezieht sich auf die Einfachheit der Herkunft von Joe.
Die Stilistik ist ab Con sentimento eine Mischung aus kommerzieller Blues und Gospelmusik. Im Gegensatz zu „I’ll build a stairway ...” kommen die Akkorde nicht auf allen vier Taktzeiten (des 4/4-Taktes), sondern nur als ausgehaltene Halbe auf der ersten und dritten Taktzeit, verbunden mit einem schnellen Harfen-Arpeggio. Dieses arpeggio symbolisiert die Strömung und die Tiefen des Flusses, während die halben Notenwerte (auf eins und drei) für das gleichmäßige Fließen des Wassers stehen. Der Blueseffekt entsteht im wesentlichen durch die Mischung des Begleitrhythmus (aus Halben) mit dem synkopenhaften Melodienrhythmus. Der Refrain ab Con sentimento hat die Formstruktur AA’BA’’.
Es fehlen allerdings die sogenannten Bluenotes in der Melodie. Stattdessen verwendet Kern die Pentatonik für die A-Teile, was rein stilistisch den Pseudogospel-Anteil des Liedes ausmacht.
Spätestens seit Stephen Foster (1826-1864) wurde die Pentatonik gerne als „Negerklischee” verwendet. Foster’s Lieder fanden vor allen Dingen Verwendung bei den Negroe Minstrel Shows (s.o.). Da die Gospels und Spirituales der Schwarzen häufig eine rein pentatonische Melodik besaßen, hielten viele Weiße die Songs von Foster wie „Swanee River” für „Negerlieder”.
Auch Jerome Kern konnte sich trotz seiner antirassistischen Ambitionen diesen Klischees nicht entziehen. Das Projekt „Showboat” war ohnehin schon ein Wagnis, und so hat man zu Gunsten des kommerziellen Erfolges den Schluss des Romans für die Musicalversion geändert und musikalisch auf alte und neue „Negerklischees” gesetzt.
Das Lied „Ol’ Man River” ist ansonsten sehr kontrastreich gestaltet und arrangiert. Im B-Teil wechselt die Tonart zu e-Moll, um der Textpassage „You and me we sweat and strain” einen ernsthafteren und tragischeren Ausdruck zu geben. Das Tempo wird hier etwas beschleunigt.
Der zweite Refrain wird von einem Chor gesungen. Die Begleitung geht an dieser Stelle über in das Prinzip Wechselbassvorschlag (auf der ersten und dritten Viertel) und Nachschlag, wie beim Slowfox. Das Tempo bleibt ab diesem Refrain gleichmäßig. Dadurch wird (in der Handlung) der Chor der Schwarzen zum Mitsingen animiert. Eine emotionale Steigerung erfährt der letzte A’’-Teil durch die allmähliche Erweiterung der Instrumentation durch die Blechbläser und den Swing-Beat im einsetzendem Drumset.
Das andere „schwarze” Lied innerhalb des Musicals ist „Can’t Lovin’ Dat Man” (Nr. 5). Es wird von Julie als ein Song vorgestellt, welches die „Coloured Folks” oft singen.
Julie singt dieses Lied mit dem dafür notwendigen schwarzen Feeling. Sie verrät dadurch indirekt ihre Herkunft als sogenannte „Mulattin".
Die angewandten schwarzen Klischees sind wie bei „I'll build a stairway ..." die Bluenotes und die gleiche Betonung aller vier Viertel bei der Strophe und teilweise im Refrain („Fish got to swim”). Die Form der Strophen („Oh, listen sister”) entspricht dem zwölftaktigem Bluesschema. Die Achtel wurden seiner Zeit von der Erstinterpretin Helen Morgan teilweise ternär gesungen.
Die Steigerung am Ende des Liedes wird mit den gleichen Mitteln erreicht wie am Schluss von „Ol’ Man River”: Erweiterung der Instrumentation und Swing-Beat durch das Schlagzeug.
Den Erwartungen an einen Blues wird dieses Lied durchaus gerecht. Es beschreibt die seelische Abhängigkeit einer Frau von ihrem Mann, obwohl er offensichtlich charakterschwach ist und wenig Hilfsbereitschaft zeigt, was vor allem die zweite Strophe offenbart („Mah man is shiftless ...”).
Zu einer Operette gehört normalerweise auch ein komisches Paar. Um diesem Phänomen in ihrem Musical gerecht zu werden, wurde dieser Part von Kern und Hammerstein auf das Figurenpaar Ellie und Frank übertragen, beide Tänzer und Darsteller auf dem Showboat. Doch auch die beiden sind keine Personen, die sich glücklich schätzen können. Frank trinkt gerne mal „einen über den Durst”, und Ellie hält ihre Stellung als Akteurin an einem schlechten Theater nicht für erstrebenswert. Frustriert singt sie in dem Lied Nr. 7 von dem „Life On The Wicked Stage”. Es handelt sich bei der Nummer um eine Mischung aus Shimmy und Foxtrott. Die Musik klingt derber als bei „Make Believe” und beschreibt mit dem Text die entsprechende Atmosphäre hinter den Kulissen eines provinziellen Tourneetheaters wie das Showboat. Die Melodie klingt zwar durch ihren Viertel- und punktierten Achtelrhythmus recht zierlich, doch ihre Tendenz geht in den ersten beiden viertaktigen Abschnitten nach unten und verbündet sich durch Oktavparallelen mit den Bassinstrumenten (Kontrabass, Cello und Fagott).
Ellie möchte die jungen Mädchen vor den Tiefen des Showgeschäfts warnen. Es kämen keine besonderen Kavaliere auf einen zu; entweder seien diese arm [„When you let a feller hold your hand, (which means an extra beer or sandwich)”] oder schon besonders alt. Ellie lebt in einer vergleichbaren Situation wie Sylva, die „Csárdásfürstin”, und somit ist die etwas derbe Tanzmusik zu Ellies Song vergleichbar mit der derben Musik aus dem „Chantant”. Ganz so fein wie bei Sylva ist Ellies Männergesellschaft allerdings nicht. Der Shimmy steht hier für die Unsittlichkeit ihrer Umgebung, genauso wie dieser Tanz ursprünglich ein unsittlicher „Anmach”-Tanz war, den man nichtmal als einen richtigen Paartanz bezeichnen konnte. Nach seiner Zähmung durch die Tanzlehrer geriet er ziemlich schnell aus der Mode.
Im Musical der zwanziger Jahre ist der Wiener Walzer, wie er noch bei den amerikanischen Operetten vor dem ersten Weltkrieg üblich war, durch den langsamen Walzer, dem sogenannten Boston, verdrängt worden. Beim Boston dreht man sich nicht mehr auf der Stelle im Kreis, sondern schreitet sanft nach vorne.
Somit ist der Boston als Stilistik nicht willkürlich für das Lied „You are Love” (Nr. 16) gewählt worden. Er ist vielmehr eine Metapher für das sanfte Gleiten Gaylords in den Hafen der Ehe. Er möchte sich von seinem alten Dasein als Berufsspieler trennen und ein solides Leben als Ehemann mit der einzigen Frau verbringen, die er liebt und für die er seine Freiheit aufgeben würde. Das Tempo des Refrains („You are Love, ...”) ist etwas langsamer als das Tempo des Einleitungsteils („Once a wand’ring ne’erdowell, ...”), wobei der Refrain mit dem Ausdruck Molto espressivo vorgetragen werden soll.
Im Einleitungsteil erzählt Gaylord von seinem bisherigen Leben als, wie er selber sagt, „ne’erdowell”, zu Deutsch „Tunichtgut”. Dann beschreibt er in einem Überleitungsteil (Poco agitato) seine Gefühle, seit er Magnolia begegnet ist. Dieser Teil klingt marcialisch (schnelles 6/8-Tempo mit Betonung auf der ersten und vierten Achtel, quasi 6/8-Takt auf zwei Takthälften gezählt). Gaylord suggeriert Magnolia und den Zuschauern dadurch eine gewisse Aufbruchsstimmung. Vier Takte vor dem Refrain (Tempo di Valse), bei den Worten („... wrapped up in you”), geht die Musik in den langsamen Boston über. Er ist von ihrer Liebe wirklich abhängig, der Boston symbolisiert aber auch den Wechsel seiner Lebensweise. Er möchte in diesem Moment im Leben voranschreiten, zusammen mit Magnolia (bildlich gesehen genauso, wie es der Boston als Gesellschaftstanz vorschreibt).
Die Songs aus dem Musical „Showboat” wurden auch bekannte Tanzschlager. Das war im Show- und später im Tonfilmgeschäft nichts ungewöhnliches, denn man konnte ja dadurch als Musicalkomponist an seinen Liedern noch weitere Tantiemen verdienen. Gerade die Lieder des Musicals, die im 4/4-Takt geschrieben waren, wurden zu wichtigen Standards bei sämtlichen Tanzkapellen und dadurch auch später unvergängliche Jazzstandards.
Dazu mussten die Lieder erstmal tanzbar gemacht werden. Es wurden die Tempiwechsel gestrichen und die Begleitrhythmen den Anforderungen der Standardtänze angepasst.
Von den „Highlights” von Showboat und anderen Musicals aus dieser Zeit gibt es unzählige Bearbeitungen für Tanzorchester und Big Bands. Es wurden in den zwanziger Jahren weit über das Musiktheater hinaus Tanzschlager komponiert. In Deutschland stammten sogar die meisten Schlager aus dieser Zeit nicht aus größeren Musiktheaterwerken. Wenn man sich jedoch heutzutage Song- oder Realbooks mit Liedern aus den zwanziger und dreißiger Jahren anschaut, kommt man sehr schnell zu der Erkenntnis, dass die meisten Standards in diesen Liedersammlungen überwiegend aus dem Musiktheater oder aus einem Tonfilm stammen. Die meisten anderen Songs, abgesehen von den reinen Big Band-Standards der bekannteren Bandleader, sind über die Jahrzehnte in Vergessenheit geraten.
Ein schönes Beispiel für eine typische Tanzmusikversion eines Standards aus „Showboat” ist die schnelle Foxtrott-Version des Titels „Why Do I Love You?” von dem Orchester Lou Raderman, garniert mit Jazzimprovisationen von Bix Beiderbecke und einem unbekannten Klarinettisten am Ende der Aufnahme, die vermutlich aus dem Entstehungsjahr des Musicals (1927) stammt. Die Besetzung ist ein damals modernes Tanzorchester wie bei Paul Whiteman (s.o.). Das Tempo ist wesentlich schneller als in der Musicalversion. Vom Text wird nur der Refrain gesungen. Mit der Dauer der Aufnahme nimmt auch die Lautstärke des Banjos zu, welches auch mit einem kleinen Solo hervortreten darf. Der Abwechslung zuliebe wird nach dem Refraingesang die Tonart gewechselt.
Dieses Beispiel zeigt, wie vielseitig verwendbar die Musik aus einem frühen Broadway-Musical sein kann. Ohne die Tanzmusik jedoch hätte Kerns Musical seinerzeit nicht bestanden. Es war von seiner Harmonik zwar längst nicht so fortschrittlich wie die Musik der europäischen Impressionisten und Expressionisten. Kerns Modernität liegt im populären Bereich, vor allem durch die Verwendung von Jazzakkorden und amerikanischer Melodik sowie moderner Tanzmusik. Diese Stilmittel wären in einem Musiktheaterwerk noch vor dem ersten Weltkrieg undenkbar gewesen.
6. Ein Kind mehrerer Väter und Zwitterwesen zwischen Operette und Musical: „Im weißen Rössl”
Nach dem Musicalboom in den zwanziger Jahren hielten sich neuere Operettenexporte aus dem alten Europa in die kulturell selbstbewusster gewordenen Vereinigten Staaten in Grenzen. Der Strom von Unterhaltungsmusik war nun eher gegenläufig geworden. Die USA bestimmten immer mehr das kulturelle Weltgeschehen, weil ihr Ansehen als Großmacht, aber auch als gesellschaftliches Leitbild, seit dem ersten Weltkrieg gestiegen war. Die Vereinigten Staaten standen als Sinnbild für Freiheit, wirtschaftliche Prosperität, Wohlstand und für ein positives Kultur- und Lebensgefühl.
Somit kam auch die amerikanische Musikkultur und die entsprechende Tanzmusik in Deutschland in Mode. Tanzmusikplatten hatten einen steigenden Umsatz.
Die Operettenkomponisten konnten sich diesem Phänomen nicht entziehen und mussten, wenn sie erfolgreich sein wollten, die neue Tanzmusik in ihren Werken mehr oder weniger dramaturgisch integrieren. Allerdings gelang es trotz solcher Modernisierungen nur noch wenigen Komponisten, wie z.B. Franz Lehár mit „Land des Lächelns”, größere Welterfolge zu schaffen.
Einer dieser Welterfolge ist die von ihren Urhebern als Singspiel ausgegebene Operette „Im weißen Rössl”, uraufgeführt am 08.11.1930 im „Großen Schauspielhaus” in Berlin. Die Operette geht auf einen noch älteren Schwank gleichen Namens von Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg zurück, welcher Ende des 19. Jahrhunderts im Berliner Lessingtheater uraufgeführt wurde. Die Musik wurde trotz der Handlungszeit notgedrungen teilweise dem populären Tanzstil von 1930 angepasst. Darin liegt erstmal scheinbar das Paradox dieses Singspiels.
Der Schwank handelt von dem Oberkellner Leopold, der beim Hotel „Im weißen Rössl” in St. Wolfgang am Wolfgangsee angestellt ist. Er ist in seine, ihm gegenüber recht grantige Wirtin Josepha verliebt. Josepha ist aber hinter ihrem alljährlichen Stammgast Dr. Erich Siedler her, ein erfolgreicher und charmanter Patentanwalt. Dieser verliebt sich allerdings während seines Urlaubs im „Weissen Rössl” in Ottilie Giesecke, die Tochter seines Prozessgegners Wilhelm Giesecke. Der Berliner Giesecke ist Besitzer einer Trikotagenfabrik, und sein vermeintlicher Erzfeind Siedler vertritt die Patentrechte der Konkurrenz, die Trikotagenfabrik Sülzheimer.
Siedler versucht Giesecke für sich zu gewinnen, in dem er vorgibt, den Juniorchef der Konkurrenz, Sigismund Sülzheimer, nach St. Wolfgang zu locken, damit die selbstbewusste und etwas widerspenstige Ottilie sich endlich verloben könnte (wobei er als geschickter Rechtsanwalt natürlich nicht erwähnt, mit wem sich Ottilie verloben soll). Doch Sigismund hat im Personenzug nach St. Wolfgang Klärchen, die Tochter des armen Privatgelehrten Dr. Hinzelmann, kennen gelernt und sich in sie verliebt. Klärchen, Hinzelmann und Sigismund steigen gemeinsam im „Weißen Rössl” ab.
Josepha entlässt ihren Oberkellner Leopold, weil dieser einen Brief des Dr. Siedlers an sie unterschlagen und gelesen hat. In der Operettenversion wird Leopold entlassen, weil er sich weigert, einen von Josepha gestifteten Fresskorb zu Dr. Siedler aufs Zimmer zu bringen.
Doch die Handlung wendet sich schnell zum Guten. Josepha merkt, dass sie auf Leopold als Arbeitskraft angewiesen ist, weil das alljährliche Schützenfest im Garten und Hof ihres Hotels gefeiert wird. Sie denkt auch realistisch genug um einzusehen, dass Dr. Siedler sich für sie als Ehefrau nicht interessiert. Sie macht Leopold durch das Entlassungszeugnis einen Heiratsantrag. Er ist nunmal der geeignetere Mann für sie und das Hotel. Auch die anderen beiden Paare (Ottilie mit Dr. Siedler, Klärchen und Sigismund) finden sich.
Um die Operettenversion noch etwas überdrehter zu gestalten, bauten der Librettist Hans Müller und der Produzent Erik Charell den Besuch des österreichischen Kaisers Franz Joseph im „Weißen Rössl” ein. Mit ihm und durch ihm wendet sich die Handlung zum Guten.
Die Musik wurde von dem österreichischen Operetten- und Chansonkomponisten Ralph Benatzky geschrieben. Das Werk musste allerdings in sehr kurzer Zeit fertiggestellt werden, und so ergänzte man das Stück durch vier Einlagen von Robert Stolz (Nr. 7 und Nr. 11), Bruno Granichstaedten (Nr. 10 )und Robert Gilbert (Nr.15). Robert Gilbert war eigentlich hauptberuflich Textdichter und schrieb auch sämtliche Liedtexte der Operette. Sein Vater war der bekannte Berliner Operettenkomponist Jean Gilbert.
Robert Gilbert schrieb eigentlich die meisten Texte für Werner Richard Heymann. Gilbert musste wegen seiner jüdischen Abstammung Deutschland in der Nazizeit verlassen und kreierte bis 1938 in Wien noch einige Texte für Robert Stolz. Nach dem zweiten Weltkrieg kehrte er wieder nach Berlin zurück und schrieb viele deutsche Texte zu amerikanischen Musicals, darunter auch „My fair Lady”.
Die Operette „Im weißen Rössl” nach ihrem Tanzmusikgehalt zu untersuchen, scheint einem auf den ersten Blick in den Klavierauszug gar nicht schwer zu fallen. Über den meisten Nummern steht eine Angabe über die Art des Tanzes (Slowfox, Wiener Walzer, Marsch usw.). Solche klaren Angaben fehlen dagegen bei den Klavierauszügen zur Operette „Die Csárdásfürstin” und dem Musical „Showboat”. Bisher habe ich aus Vergleichen mit Tanzmusikaufnahmen von vergleichbaren Musiktiteln erschlossen, um welche Tänze es sich wohl jeweils gehandelt hat.
1927, im Uraufführungsjahr von „Showboat”, waren die Standardtänze noch nicht richtig festgelegt worden. Dies geschah erst 1929 auf der großen Tanzlehrerkonferenz in London. Die damals festgelegten Tänze und Tanzanleitungen besitzen bis heute ihre Gültigkeit.
Nach dieser Konferenz hatten die Autoren vom „Weißen Rössl” leichtes Spiel. Sie mussten nur noch nachschauen, welche Tänze in den Schulen des (in den zwanziger Jahren entstandenen) Allgemeinen Deutschen Tanzlehrer-Verbandes (ADTV) gerade gefragt waren.
Zusätzlich statteten sie die Operette mit österreichischer Volksmusik aus, die sie entweder parodierten („Im Salzkammergut, da ka’mer gut lustig sein”), oder einige originale Volksweisen und Militärmärsche aus Österreich einbauten. Das Ergebnis war eine Mischung aus aktueller Tanzmusik und bodenständiger Folklore sowie Wiener Walzermusik, letztere damals immer noch ein Muss für jede Operette. Dadurch sprach das Werk musikalisch die Fans von moderner Popularmusik genauso an wie die Liebhaber der bodenständigen Folklore. Und in den USA erwartete man von einer europäischen Operette weiterhin eine gewisse Traditionsgebundenheit, welche deren Originalität gegenüber einem Broadway-Musical ausmachten. Somit wurde das Stück auch zu einem Erfolg in New York.
Die Handlung entsprach dem neuen Zeitgeist, nicht nur im deutschen Sprachraum. Der Börsenkrach von 1929 hatte viele optimistische Träume von Reichtum und sozialem Aufstieg zerstört. Nun hieß die Devise nicht mehr „I’ll build a stairway to paradise”, sondern eher „S’ist einmal im Leben so, allen geht es ebenso” (Nr. 20, Lied des Kaisers).
Die Probleme bei der Analyse der Tanzmusik liegt darin, dass man diese Operette immer wieder modernisiert und überarbeitet hat. Der mir vorliegende Klavierauszug vom Bühnen- und Filmverlag „Felix Bloch Erben” stimmt mit den beiden EMI-Gesamtaufnahmen, eine vom Bayerischen Rundfunk unter der Leitung von Willy Mattes von 1978 und eine französische Aufnahme von 1962 (Leitung Félix Nuvolone), nur teilweise überein. Im Gegensatz zur „Csárdasfürstin” (ZDF-Produktion aus den siebziger Jahren) und „Showboat” (MGM-Musical von 1951) gibt es von dieser Operette leider auch keine Verfilmung, die sich vergleichsweise an der Operettenvorlage gehalten hätte.
Wenn man sich an das Original vom „Weißen Rössl” in Form des Klavierauszuges hält, so muss man aufgrund der klassisch-wienerischen Kompositionsweise Benatzkys und der reichhaltigen Anzahl an durchkomponierten Szenen das Werk für eine Operette halten.
Das Werk ist jedoch offen für Neubearbeitungen und Modernisierungen, und bei den meisten Inszenierungen werden einige durchkomponierte Passagen einfach weggelassen. Was übrig bleibt, ist oft ein „musical play” im amerikanischen Sinne. Manche Lieder aus dem Werk haben sich als Tanzstandards und Schlager selbstständig gemacht, und nicht selten wurden und werden „werkfremde” Lieder von Benatzky, Stolz, Granichstaeden und/oder Gilbert in Neuinszenierungen oder bei Neuaufnahmen eingebaut. Die Autoren selber haben das Werk dementsprechend auch schon 1930 als Singspiel bezeichnet, also als Theaterstück mit Liedeinlagen, welche je nach Interpretation beliebig austauschbar sind. Was aber auf jedenfall bleibt ist die Vielfalt der unterschiedlichen Tänze in dieser Operette (oder Singspiel, oder vielleicht doch eher Musical).
6.1 Die Handlung des Singspiels „Im weißen Rössl” als Zweiklassensystem mit der entsprechenden Tanzmusik
In der Handlung der Operette treffen zwei unterschiedliche Länder, soziologische Gruppen und Gesellschaftsklassen aufeinander. Jede Gruppe oder Klasse hat ihre eigene Musikrichtung zugesprochen bekommen.
Im Gegensatz zu dem Musical „West Side Story” bekämpfen die beiden Gruppen sich nicht, weil sie auf einander angewiesen sind.
Die Gruppen lernen auch voneinander: der Berliner Giesecke tanzt Schuhplattler und die Dorfbewohner wissen, wie sie sich bei den Touristen zu verkaufen haben („Das ist der Zauber der Saison”).
Da sind zum einen die bodenständigen Österreicher mit ihren meist einfachen Liedern und Texten. Man muss dabei bedenken, dass es sich durch die Autoren des Schwanks (Blumenthal und Kadelburg), der Bearbeitung (Müller und Charell) und der Liedtexte (Gilbert) im Grunde genommen um ein Berliner Stück handelt. Die Österreicher werden eigentlich ein bisschen auf den Arm genommen. Trotzdem war das Singspiel dank der österreichischen Herkunft der drei Komponisten Benatzky, Stolz und Granichstaedten seiner Zeit auch in Österreich ein großer Erfolg.
Die Tanzmusik der österreichischen Dorfbewohner ist volkstümlich, meist deftig wie bei dem Lied und Ländler „Im Salzkammergut”, aber auch mal im diskreten Klang der Heurigenmusik wie bei den Liedern „Zuschau’n kann i net” und „Erst wann’s aus wird sein” (eine Einlage von Hans Frankowski). Die Standardtänze wie der Foxtrott, welche um 1930 herum modern waren, bleiben den betuchten Berliner Touristen vorbehalten.
Die modernere Tanzmusik in der Operette „Im weißen Rössl” hat allerdings auch teilweise eine persiflierende Funktion. Damit beziehe ich mich im Wesentlichen auf die beiden Duette des komischen Paares Klärchen und Sigismund.
Das erste Duett mit dem Refraintext „Was kann der Sigismund dafür, daß er so schön ist” (Nr. 15) ist von dem Komponisten Robert Gilbert als Foxtrott im Allegro-Tempo bezeichnet worden. Es ist eher ein Solo-Couplét, mit dem sich Sigismund dem Publikum vorstellt.
Klärchen singt lediglich den letzten Teil des Refrains mit.
Ein Foxtrott in einem solch schnellen Tempo wirkt auf den Hörer erheiternd. Dazu kommt, dass Sigismund durch diesen Text offenbart, dass er von seiner Person sehr überzeugt ist und sich für einen sehr attraktiven Mann hält. Er kommt aus der sogenannten besseren Gesellschaft und ist Sohn eines reichen Fabrikanten, also jemand, der sich seinen Wohlstand nicht selber erarbeiten musste. In dieser Nummer ist der Foxtrott also nicht der Tanz der besseren Gesellschaft im allgemeinen, sondern, durch sein plumpes und schnelles Tempo der Tanz ihrer vertrottelten und verwöhnten Nachkommen.
Einen ursprünglicherweise noch höheren Status als der Foxtrott hatte in Europa der Tango. Er war vor dem ersten Weltkrieg der sozialen Oberschicht vorbehalten. Beheimatet in den Bordellen und Bars der Vorstädte von Argentinien, kam er durch reisende Musiker, welche wegen Schallplattenaufnahmen nach Europa fahren mussten, in Paris an und entfachte dort eine regelrechte Mode in den feinen Kreisen der Pariser Jugend. Nach dem ersten Weltkrieg gehörte der Tango zu den neuen Modetänzen und war auch, wie z.B. der Foxtrott, den mittleren bürgerlichen Schichten zugänglich geworden.
Beim Tango schien - nach Auffassung einiger Rezipienten und Tanzautoren wie Astrid Eichstedt und Bernd Polster - neben den sogenannten „Schiebe- und Wackeltänzen” die Symbolisierung des Geschlechtsaktes ein wichtiger Gehalt der Tanzaussage zu sein.
In der Operette „Im Weißen Rössl” kommt mit Gesang nur ein Tango vor: „Und als der Herrgott Mai gemacht”, das zweite Duett Klärchen - Sigismund (Nr. 22). Soeben hat Sigismund mit drei s-freien Sätzen (Ich bin Dir gut, ich hab’ Dich gern, ich liebe dich) dem lispelnden und schüchternen Klärchen „Sprachunterricht” erteilt. Sigismund möchte durch diesen primitiven Trick Klärchen für sich gewinnen, was ihm auch gelingt. Der darauf folgende Tango „Und als der Herrgott Mai gemacht, da hab’ ich es ihr beigebracht” hat nicht nur diesen doppeldeutigen Refraintext, sondern kündigt auch als erotischer Tanz der sozialen Oberschicht, welcher Sigismund als Fabrikantensohn angehört, das anstehende Liebesleben der beiden Originale an.
Die St. Wolfganger sprechen da musikalisch eine andere Sprache.
Der vermutlich aus Wien stammende Oberkellner Leopold versucht z.B. gleich am Anfang die nervöse Touristengruppe im ruhigen Marschtempo charmant zu beschwichtigen (Nr.2 „Aber meine Herrschaften, nur hübsch gemütlich, mit der Ruhe kommt man noch einmal so weit!”). Die letzten 16 Takte des Refrains (ab „Schau’ns an, den Sonnenschein, ...” (acht Takte nach Ziffer 14) bis „Na als dann, meine Herrschaften, das muß nicht sein!” (zwei Takte vor Ziffer 21)) werden noch mal in dem Ländler „Im Salzkammergut” (Nr. 13) verarbeitet (letzte 16 Takte des Refrains), wo sie im 3/4-Takt erklingen. Dieser Ländler („Im Salzkammergut”) beschreibt die naive und naturverbundene Lebensfreude der Dorfbewohner von St. Wolfgang. Die Wirtin Josepha möchte mit diesem Lied den ewig missgelaunten Berliner Fabrikanten Giesecke aufheitern. Giesecke hat sich inzwischen zwecks Anpassung an die Umgebung eine oberösterreichische Tracht samt kurzer Lederhose und Knieschonern angezogen. Als Berliner Original wirkt er recht skurril in diesem Aufzug. Er versucht auf dem Ländler Schuhplattler zu tanzen, um sich der urigen Mentalität der Dorfbewohner anzupassen, doch seine diesbezüglich preußisch-steife Unbeholfenheit lässt diese Szene noch komischer werden. Dem Zuschauer soll durch diese Szene (einmal mehr) deutlich gemacht werden, dass Giesecke in einer etwas anderen Gesellschaft lebt und von seiner Mentalität her erstmal nicht die „Ureinwohner” von St. Wolfgang versteht. Aber sein Schuhplattler ist zumindest schon mal ein Annäherungsversuch.
Die Oberösterreicher haben ihre eigenen Volkstänze, die sich im Gegensatz zu den Tänzen der Touristen aus der Großstadt (wie Giesecke oder Siedler) nie in den besseren Tanzlokalen und Tanzschulen als internationale Standardtänze etabliert haben. Die Intention dieser Volkstänze ist sehr direkt, zumindest symbolisch, auf das sexuelle Werben des Mannes gegenüber der Frau bezogen. So war der Schuhplattler ursprünglich ein freier Werbetanz, in welchem der junge Mann das Mädchen losließ, umtanzte und mit den Schlägen auf Schenkel und Sohlen seine Liebe und Freude, seine Kraft und seine Geschicklichkeit ausdrückte.
Zwar galten die zwanziger Jahre durch die Loslösung von den feudalen Zwängen und durch die Frauenemanzipation als Zeitalter der sexuellen Befreiung und Frivolität, doch drückte sich dies tänzerisch eher in den neuen amerikanischen Tänzen aus als in den althergebrachten Volkstänzen der Bauern, mit welchen sich die bürgerliche Mittelschicht nicht identifizieren wollte.
Diese Volkstänze wurden von den Dorfbewohnern untereinander von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Ein Tourist, wie z.B. Giesecke, welcher der österreichischen Kultur unaufgeschlossen ist, kann diese Tänze nicht verstehen. So versucht er beim „Watschentanz” (Nr. 16, Ziffer 8), ein reiner Männertanz mit integrierten Austeilen von Backpfeifen, mitzumachen. Er hat allerdings vorher die Festigkeit der beim Tanz auszuteilenden Backenschläge unterschätzt.
Die Verhältnisse in St. Wolfgang sind eher hinterweltlich. Doch die Einwohner sind durchaus geschäftstüchtig und haben eine neue Einnahmequelle entdeckt, für die sie sich organisieren und deren ungeschriebenen Gesetzen sie versuchen, zu gehorchen: der Tourismus.
Kaum taucht der Dampfer auf, der die Touristen nach St. Wolfgang bringt, marschiert die gesamte St. Wolfganger Touristenbranche, bestehend u.a. aus Hotelgewerbe (repräsentiert durch vier Stubenmädchen), Bergführern (vier Tenöre), „Blumenkindern” (Kinder, die zu Werbezwecke selbstgepflückte Blümchen verschenken, dargestellt durch einen Kinderchor) und noch mal Hotelgewerbe (diesmal repräsentiert durch vier Portiere, die Bass singen). Musikalisch wird das ganze in Nr. 4 dargestellt. Das Tempo bleibt während der gesamten Nummer unverändert.
Jede der vier Gruppen stellt sich mit einem eigenen musikalischen Thema vor. Die Stubenmädchen kommen als erstes mit einem graziösen Thema im Allegretto scherzando-Tempo. Die graziöse Wirkung kommt durch die Verwendung von Staccato-Achteln im 2/4-Takt zustande.
Danach wird es marcialisch. Vier Bergführer stellen sich vor: „Wir steigen in die Höh’, wir steigen in die Höh’, bei uns seid Ihr in Sicherheit wie in der Wieg das Baby, und wenn Ihr erst mal oben seid, dann geht’s auch wieder abi!” (Ziffer 2)
Das Thema erinnert an ein deutsches Studentenlied des 19. Jahrhunderts im 2/4-Takt („Ein Schneider fing ne’ Maus”). Durch den Rhythmus und durch die Wahl der Stimmlagen (vier Tenöre) wirkt es als ein männlicher Kontrast zum ersten Thema der Stubenmädchen. Die Melodie steigt zunächst vom f aus nach oben, womit das Bergsteigen symbolisiert werden soll. (Die Stimmlage „Tenor” symbolisiert hier auch durch ihre Höhe den Drang zum Berggipfel.)
Der anschließende Kinderchor (ein Takt vor Ziffer 3) hat eine einfache zweistimmige Melodie zu singen. Auch die Kinder des Dorfes werden für den Tourismusbetrieb herangezogen. Mit ihren selbstgepflückten Blumen, die sie den Touristen schenken sollen, strahlen sie die notwendige Unschuld aus, um die Gäste in den Ort und somit in die Hotels zu locken. Die Tonart des Kinderchores ist Ges-Dur. Ein Takt vor Ziffer 4 wird harmonisch zu den Solipart der vier Portiere (Bässe) übergeleitet, welche sechs St. Wolfganger Hotels anpreisen. Die Tonart der Portiere ist es-Moll, also die Mollparallele der Tonart des Kinderchores. Der Kinderchor hat also die Gäste harmonisch zu den Hotels geführt, bzw. gelockt.
Nach dem Soli der Portiers, welche wegen ihrer Kraft in der Basslage singen, setzen die Bergführer, Stubenmädchen und der Kinderchor bei Ziffer 5 wieder polyphon mit ihrem Motiv ein, um sich beim Auftakt zu Ziffer 6 zu vereinigen und gemeinsam den Marsch „Das ist der Zauber der Saison” zu singen. In diesem schnellen Marsch wird die finanzielle Einträglichkeit des Tourismusgeschäftes gepriesen. Vier Gruppen vereinigen sich also zum gemeinsamen Triumphmarsch des Fremdenverkehrs. Das gleichmäßige Tempo der ersten drei Teile führt unmittelbar in diesen gemeinsamen Marsch. Der Marsch symbolisiert die hektische Betriebsamkeit des Fremdenverkehrs und die gemeinsame Motivation der Dorfbewohner für den Tourismus. Er ist in diesem Sinne entsprechend kein schwerfälliger oder altmodischer Militärmarsch, sondern er wirkt eher schwungvoll und ist zeitgemäß an einigen Stellen mit Jazzakkorden harmonisiert worden. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Tourismus eine moderne und neuartige Einnahmequelle ist. Die St. Wolfganger marschieren quasi in die moderne Dienstleistungsgesellschaft. Auch der Text spricht für die Geschäftstüchtigkeit der Dorfbewohner: „Das ist der Zauber der Saison, da trägt die Landschaft Zinsen, da rollt das Geld in jeder Facon wie Erbsen oder Linsen!”
Dagegen wirken die alten österreichischen Märsche, die in diese Operette eingebaut worden sind, als ein Relikt aus der alten feudalen Zeit, in welcher dieses Stück eigentlich auch handelt. Da wird z.B. am Anfang von Nr. 18 (Finale des II. Aktes) u.a. der „Erzherzog-Albrecht-Marsch” von Karl Komzak verwendet, versehen mit einem völlig naiven Text: „Rechtes Bein und linkes Bein, die Männerbrust heraus! So seh’n wir aus! ... Nur immer langsam, damit man pusten kann! Und komm’n wir heut’ nicht an, so komm’n wir morgen an! ...”
Hier wird also marschiert, aber man kommt dem Text nach nicht allzu schnell von der Stelle. Für diese Rückständigkeit steht auch die historische Persönlichkeit, dem Komzak 1887 diesen Marsch widmete. Erzherzog Albrecht ließ als Wiener Stadtkommandant am 03.03.1848 auf revoltierende Studenten schießen. Er siegte aber auch als Feldherr im Krieg von 1866 gegen Italien. Dementsprechend hat dieser Marsch auch eine patriotische Bedeutung.
Die Bevölkerung des Dorfes marschiert nach dieser Musik zum Dampfersteg, um den alten Kaiser Franz Joseph abzuholen, und sie zeigt durch diesen Marsch gleichzeitig Kaisertreue und Patriotismus.
Nach dem etwas euphorischen „Tourismusmarsch” („Das ist der Zauber der Saison”) kommt (in Nr. 5) Dr. Siedler mit einem eleganten und gemütlich schlendernden Foxtrott in St. Wolfgang an.
(„Wenn das Barometer wieder Sommer macht, ...”)
Er ist ein moderner und sportlicher Typ, stammt zwar aus der Großstadt, ist aber trotzdem durchaus naturverbunden. Deswegen fährt er den letzten Teil der Strecke mit dem Fahrrad.
Die beiden Strophen des Liedes „Im weißen Rössl” sind als Slowfox komponiert worden. Doch zum Refrain hin wandelt sich das Lied zum volkstümlichen Walzer. Nach zwei Strophen und zwei Refrainteilen ist Siedler endgültig musikalisch im 3/4-Takt und geistig in seinem idyllischen Urlaubsort angekommen. Die Musik bleibt ab Ziffer 5 im Ländlerrhythmus, und der Chor setzt mit dem Refrain ein. Ab Ziffer 9 wird der Refrain als Marsch dargebracht. Die Strophen des Liedes im Slowfox-Stil werden in dieser Operette nicht mehr verwendet.
Siedler hat sich zwischen Nr. 5 und Nr. 6 in Ottilie verliebt, die Tochter von Giesecke. Dem eifersüchtigen Leopold passt das ganz gut, und so arrangiert er ein Rendezvous im Kuhstall, angeblich nach Auffassung der ländlichen Bevölkerung Österreichs der beste Ort für ein „Techtelmechtel”. Für die „feinen Leute” aus der Großstadt ist so eine Lokalität für ein Liebesabenteuer normalerweise zu vulgär. Wie gut, dass man es in diesem Fall mit einem elitären Kuhstall zu tun hat, wo nur die schönsten und preisgekrönten Kühe ihren Platz haben. (Schönheitswettbewerbe für Kühe finden im süddeutschen und österreichischen Raum alljährlich bis in die heutige Zeit statt.)
Um der Szene im Kuhstall (Nr. 6) noch ein wenig Eleganz zu geben, komponierte Benatzky für die Landbevölkerung den Ländler „Eine Kuh so wie du”, verbunden mit der Spielanweisung rustikal, derb. Das Herrenquartett singt nach der Einleitung die Strophe mit dem folgenden Text: „Schön ist dein Fell und noch schöner dein G’stell und zum Anbeißen sauber stehst da, ...” Die Eleganz der Musik steigert sich allmählich zum Ende der Nummer. Nach zweifachem Refrain folgt das Thema der Strophe als Rumba (Ziffer 7, Holzschuhtanz). Danach erklingt noch mal der Refrain als eleganterer Wiener Walzer. Jetzt hat der Innenraum des Kuhstalls das nötige Flair für das Rendezvous von Ottilie und Erich Siedler erhalten. Ob die beiden sich die Rumba und den Wiener Walzer nur eingebildet haben, weil sie ineinander verliebt sind, bleibt letztlich der Auffassung des Zuschauers überlassen.
Auf jedenfall folgt auf die Nummer „Im Kuhstall” direkt der Slowfox „Die ganze Welt ist himmelblau” (Nr. 7), welcher von Ottilie und Siedler am selben Ort gesungen und getanzt wird.
Der Slowfox ist der Tanz der feineren und weltoffeneren Gesellschaft aus der Großstadt. Gerade die soziale Mittelschicht und die neue Oberschicht der Großstädte fassten die USA als neues kulturelles Leitbild auf und übernahmen ihre Moden und die dazugehörigen Modetänze, teilweise auch schon vor dem ersten Weltkrieg. Das Problem dieser Operette jedoch ist, wie oben bereits erwähnt, der Widerspruch zwischen der Zeit der Handlung (um 1900) und den modernen Tänzen der zwanziger Jahre. In der ländlichen Provinz passte sich die kleinbürgerliche und bäuerliche Gesellschaft dem neuen Zeitgeist der „Golden Twenties” meistens nicht an. Dort hing man weiterhin an den alten Traditionen und an dem feudalen Leitbild. Dadurch ergibt der oben erwähnte Widerspruch einen gewissen Sinn.
Abgesehen davon sind der Foxtrott und der Slowfox Tänze des gesellschaftlichen Fortschritts, weil man sich beim Tanzen vorwärts bewegt.
Beim Walzer dagegen ist das nicht der Fall; man dreht sich lediglich nur im Kreis und tritt auf der Stelle.
Ganz besonders bieder klingen die sogenannten Heurigenwalzer. Ein solcher ist Leopolds Lied (Nr. 10) „Zuschaun kann I net”.
Der biedere Effekt kommt durch die in der Musikgattung der Heurigenmusik üblichen kleinen Instrumentation zu Stande. Es sind die kleinen Kapellen der volkstümlichen Weinschenken, bestehend aus zwei Holzblasinstrumenten, Akkordeon, Zither, Gitarre und Streichergruppe. Gemütlich zieht der Bürger sich in seine Gastwirtschaft zurück. Eine lautere oder gar größere Kapelle hätte hier keinen Platz. Bei dem Verzehr von Wein kann man über seine Sorgen sprechen, um sie anschließend im Alkoholrausch zu vergessen.
Auch Leopold drückt mit diesem Lied seine Resignation aus, zunächst in der ersten Strophe darüber, dass Josepha für einen anderen Mann schwärmt, dann in der zweiten Strophe über den Argwohn der Menschen untereinander. Leopold glaubt, dass er seinen Kampf um Josepha endgültig verloren hat. Er will sich mit diesem Heurigenwalzer zurückziehen und wegschauen:
„Zuschaun kann i net! Zuschaun kann i net! Wenn ich nicht selber bin dabei, bricht mir das Herz entzwei!”
Es muss von mir natürlich noch erwähnt werden, dass das zweite Hauptpaar, Ottilie Giesecke und Erich Siedler, auch einen Walzer zu singen und zu tanzen hat. Es ist die Nr. 11, „Mein Liebeslied muß ein Walzer sein”. Doch es handelt sich hier eher, wie ab Ziffer 8 auch offiziell angegeben, um einen eleganteren Wiener Walzer, der nicht so rustikal klingt wie der Ländler „Im Salzkammergut” (Nr. 13).
6.2 „Im Weißen Rössl” in der Schule
Das Singspiel „Im weißen Rössl” gehört weiterhin zu den meistgespielten Operetten im deutschen Sprachraum. Als Bühnenstück erlebte es 1994 ein besonderes Comeback durch eine Kammerinszenierung durch die Geschwister Pfister in der „Bar jeder Vernunft” in Berlin. Überall, wo diese Operette aufgeführt wird, sorgt sie für volle Theaterhäuser. Das Stück hat durch seine Schlager, seine Tanzmusik und durch die witzigen Dialoge nichts an Frische eingebüßt. Der Gegensatz zwischen den unterschiedlichen sozialen Klassen, zwischen den Großstadtbewohnern und den vermeintlichen Hinterweltlern sowie zwischen den drei Paaren der Handlung hat bis heute an Aktualität nichts eingebüßt.
Denn es gibt sie immer noch: die ländlichen Volksfeste mit Marschmusik und abendlichem Tanz, wobei man auch hier die Tanzschulausbildung nicht nur bei den meisten Leuten vermisst, sondern sie auch bei dem, was als Tanzmusik geboten wird, getrost vergessen kann.
Und da sind auf der anderen Seite die großen Bälle, wo man zur späten Stunde heutzutage zwar auch lieber frei und ohne Regeln tanzen möchte, wo zu Beginn aber die „feinen” Standardtänze getanzt werden, wie sie auch auf den internationalen Meisterschaften üblich sind.
Es gibt auch noch immer die Pflege der Volksmusik und der Volkstänze im süddeutschen und österreichischen Raum. Der Ländler hat dort zumindest die Walzer-, Operetten- und Musicalära überdauert.
Ich halte es deswegen für angebracht, diese Operette im Musikunterricht zu besprechen. Dabei würde ich die Tanzmusik und ihre Funktion in dem Stück zunächst theoretisch in Form des Frontalunterrichts und anschließend handlungsorientiert erarbeiten.
Ich führte diesbezüglich an der St. Franziskusschule in Olpe eine Unterrichtsreihe, bezogen auf die Erkenntnisse meiner Staatsarbeit, in zwei sechsten Klassen durch. Mir standen in jeder Klasse nur drei Unterrichtsstunden zur Verfügung, was für eine umfassendere Besprechung dieser Operette und ihrer Tanzmusik nicht ausreichte. Somit habe ich mich auf die bekanntesten Tanzmusikschlager beschränkt. Es handelte sich dabei in erster Linie um den Ländler „Im Salzkammergut”, den Foxtrott „Die ganze Welt ist himmelblau”, den schnellen Foxtrott, bzw. Onestep, „Was kann der Sigismund dafür” und den Wiener Walzer „Mein Liebeslied muß ein Walzer sein”. Als Audiomaterial verwendete ich ein Instrumental-Potpourri aus Melodien dieser Operette, gespielt von dem Orchester André Rieu, eine Foxtrott-Version der Melodie „Die ganze Welt ...” von dem Palast-Orchester, „Was kann der Sigismund dafür ...” aus einer Querschnittproduktion des FFB-Orchesters aus den frühen sechziger Jahren und einen Zusammenschnitt des Ländlers „Im Salzkammergut ...” (FFB-Orchester).
Ich hatte die Unterrichtsreihe in zwei Phasen unterteilt.
In der ersten Phase, welche die ersten beiden Unterrichtsstunden umfasste, ging es um die Handlung und die Musik der Operette, wobei ich mich in der Vorbereitung, wie bereits oben erwähnt, musikalisch auf drei bis vier Tanzschlager aus diesem Bühnenwerk beschränkt hatte. In einer längeren Unterrichtsreihe würde ich auf fast alle der von mir in 6.1 („Die Handlung des Singspiels „Im weißen Rössl” als Zweiklassensystem ...”) erwähnten Musikstücke eingehen. Dabei würde ich auch reine Instrumentalaufnahmen im Unterricht einsetzen. Viele Schülerinnen und Schüler haben nämlich Vorbehalte gegen Belcanto-Gesang (wobei es natürlich auch auf die Aufgeschlossenheit der jeweiligen Klasse ankommen würde).
Bei meiner ersten Stunde in der Unterrichtsreihe am St. Franziskus Gymnasium Olpe stellte ich der Klasse als Einstieg die Fragen:
1. „Wer von euch kann etwas mit dem Begriff ,Musiktheater’ anfangen?”
2. „Woraus besteht Musiktheater?”
Die Vorraussetzung über die Kenntnis des Begriffs „Musiktheater” muss bei einer fünften oder sechsten Klasse erst geschaffen werden. Es kann sein, dass dies bei einem älteren Schuljahrgang nicht mehr nötig ist.
Den Inhalt der Operette stellte ich in einer graphischen Darstellung der Personenkonstellation dar (s.u.). Anhand dieser Darstellung sollte auch die Einteilung in zwei Personengruppen innerhalb der Handlung verdeutlicht werden.
Bei diesen beiden Gruppen handelt es sich um
1. die Einheimischen aus dem oberösterreichischen St. Wolfgang und
2. die Touristen.
In meiner Unterrichtsreihe beschränkte ich mich allerdings auf die Hauptpersonen: Josepha und Leopold, Ottilie und Dr. Siedler, Klärchen und Sigismund sowie Giesecke und Hinzelmann. Für die Chorpartien und den weiteren Nebenrollen fehlte die Zeit.
Die einheimischen Oberösterreicher leben im wesentlichen von der Landwirtschaft, vom Handwerk und vom Tourismus. Dies ist zumindestens in dieser Operette der Fall, in welcher von den Dorfbewohnern gemeinsam das Loblied auf den Tourismus angestimmt („Das ist der Zauber der Saison”) oder die Schönheit der landwirtschaftlichen Nutztiere angepriesen wird („Eine Kuh, so wie du”).
Die Touristen dagegen haben „modernere” Berufe: Fabrikant, Rechtsanwalt, Playboy und Fabrikantensohn (Sigismund) ...
Tatsächlich war um 1900 die Industrialisierung in vielen Landstrichen Bayerns und Österreichs kaum vorangeschritten. Produktion und modernes Dienstleistungsgewerbe gab es im wesentlichen in den Großstädten Mittel- und Norddeutschlands. Der Tourismus war allerdings in einer Zeit, wo es noch keinen Urlaub für den einfachen Arbeitnehmer gab, ein eher kleiner Nebenverdienst für die Menschen in den ländlichen Regionen Österreichs. Und wer sich Urlaub leisten konnte, gehörte zu den betuchteren und gebildeteren Schichten, in unserem Fall ein Fabrikant und ein Rechtsanwalt.
In der zweiten Stunde ging ich dann konkret auf die Tanzmusik der Operette ein. Zuerst besprach ich die Taktarten, wobei ich als Einstieg die Schüler zwei Volkslieder in den Taktarten der drei „Highlights” aus der Operette singen ließ. Daraufhin sollte es den Schülern leichter fallen, die Taktarten der Lieder „Im Salzkammergut”, „Die ganze Welt ist himmelblau” und „Was kann der Sigismund dafür” herauszufinden.
Mir kam es im wesentlichen darauf an, dass die Schüler die beiden Lieder, den Ländler „Im Salzkammergut” und den Foxtrott „Die ganze Welt ...” den beiden Gruppen der handelnden Personen der Operette zuordnen können. Dabei ist die ländliche Provinzialität des Ländlers und die Weltoffenheit des Foxtrotts bei den von mir vorgestellten Aufnahmen ziemlich offensichtlich. Über die Reaktion der Schüler auf diese Musik werde ich unter 6.4 noch weiter berichten.
In der zweiten Phase sollte es ernst werden. Ich ging in der dritten Stunde mit den Schülern in einen freien Klassenraum des Gymnasiums, um dort auf zwei Liedern aus der Operette zu tanzen. Es sollte letztlich kein Tanzkurs werden, sondern lediglich eine körperliche Umsetzung der Musik, was durchaus das Taktgefühl der Schüler förderte. Man könnte so eine Schüleraktion auch in eine szenische Interpretation einbauen.
Für eine ausführlichere Interpretation der Schüler bietet sich ein inhaltlich anspruchsvolleres Stück wie „Showboat” natürlich eher an, doch man sollte die Musik der Operette „Im weißen Rössl” nicht verkennen. Letztere hat stilistisch sehr viel für den Musikunterricht anzubieten.
6.3 Unterrichtsentwürfe für drei Stunden
Thema: Tanzmusik in der Operette „Im weißen Rössl”
1. Stunde
UnterrichtsphaseLehrinhaltSozialformMedien EinstiegSchüler werden über die Gattungen des Musiktheaters grob informiert. Frage an die Schüler über ihre Kenntnisse des Musiktheaters.UnterrichtsgesprächTafel, ProjektorErarbeitungInhalt der Operette „Im weißen...” anhand einer graphischen PersonenkonstellationUnterrichtsgesprächTafel, ProjektorSicherungWelche sozialen Gruppen kommen in dieser Operette vor? (Touristen, „einfache” österr. DorfUnterrichtsgesprächTafel, Projektor
2. Stunde
UnterrichtsphaseLehrinhaltSozialformMedien EinstiegSingen von zwei Liedern im ¾- und alla breve-Takt. Wiederholung der wichtigsten Inhalte der 1. Stunde. Klassensingen UnterrichtsgesprächKlavier Tafel, ProjektorErarbeitung 1Die bekanntesten „Schlager” aus dieser Operette und ihre Funktion (größtenteils anhand von Instrumentalaufnahmen).Unterrichtsgespräch Besonderer Augenmerk auf TaktartCD-Spieler, Einspielungen einzelner Musiktitel aus dem Werk aus verschiedenen ProduktionenErarbeitung 2Praktische Erarbeitung der Taktarten, z.B. durch Einsatz von Körperinstrumenten. Die Tanzmusik und ihre Funktion innerhalb der Operette. Erläuterung und Erklärung der Taktarten bei den einzelnen Tänzen. Unterrichtsgespräch, Rhythmische ÜbungenCD-Spieler, Tafel, KlavierSicherungWelcher Tanz ist mit den jeweiligen Musikstücken verbunden? Um welche Art von Tanzmusik handelt es sich?Unterrichtsgespräch, Rhythmische ÜbungenCD-Spieler, evtl. Klavier
3. Stunde
UnterrichtsphaseLehrinhaltSozialformMedien EinstiegWiederholung der letzten StundeUnterrichtsgesprächEvtl. Projektor, CD-SpielerErarbeitung 1Einüben von Grundschritten zu Volkstanz, Wiener Walzer, Foxtrott und OnestepPartnerarbeit Gruppenarbeit mit Anleitung vom LehrerCD-SpielerErarbeitung 2Bilden mehrerer Gruppen für die einzelnen oben genannten Tänze (Fox., Walzer usw.). TanzenPartnerarbeit GruppenarbeitCD-Spieler KlavierSicherungWelche sozialen Gruppen werden mit diesen Tänzen dargestellt, bzw. durch diese Tänze vertreten? UnterrichtsgesprächTafel Projektor evtl. Kopien
6.4 Bericht über den Ablauf der Unterrichtsreihe „Tanzmusik in der Operette ,Im weißen Rössl’”
Wie schon erwähnt, führte ich diese Unterrichtsreihe in zwei sechsten Klassen des St. Franziskusgymnasiums in Olpe durch. Ich wurde dabei von Herrn Dartsch betreut, der ansonsten der Musiklehrer dieser Klassen war. Die beiden Klassen hatten nacheinander Dienstags in der zweiten und dritten Stunde und danach je eine Klasse Donnerstags und Freitags Musikunterricht. Jede Klasse hatte also jeweils zwei Stunden Musik pro Woche. Die Stunden fanden am 23., 25., 26. und 30. September 2003 statt.
Diese beiden Klassen, 6a und 6c, waren von der Mentalität und den Eigenschaften ihrer Schüler her recht unterschiedlich. In beiden waren die Mädchen in der Mehrheit. In der 6a lernten 25 Mädchen und 4 Jungen, in der 6c waren es 22 Mädchen und 10 Jungen. (Es handelt sich bei dieser Schule um ein ehemaliges Mädchengymnasium.) Das Verhalten der beiden Klassen im Frontalunterricht unterschied sich im wesentlichen dadurch, dass die 6a disziplinierter war als die 6c. Die 6c hatte außerdem noch einige vorlaute Jungen in der Klasse.
Am Anfang der 1. Stunde stellte ich die Frage, was man unter dem Begriff Musiktheater zu verstehen habe. Die Ergebnisse aus den Antworten der Schüler wurden gesammelt und in einem Tafelbild zusammengestellt. Es ging im wesentlichen darum, was zu einem Musiktheater dazu gehört. Für eine genauere Definition des Begriffs „Musiktheater” oder gar einer Differenzierung in Oper, Operette und Musical fehlte die Zeit. Die meisten Schüler konnten sich aber etwas unter diesem Begriff vorstellen.
Tafelbild 1
Was gehört zum Musiktheater dazu?
Handlung
Darsteller
Musik
Gesang
Tanz, bzw. Ballett
Bühne
Orchester
Welche Gattungen des Musiktheaters
gibt es?
Oper
Operette
Musical
Die meisten Begriffe waren den Schülern im Grunde genommen bekannt. Das Tafelbild konnte ich dadurch schnell zusammenstellen. Der einzige unbekannte Begriff für eine Musiktheatergattung war „Operette”. Dieser fiel einigen Schülern erst ein, als ich von „kleiner Oper” sprach.
Die Handlung stellte ich, wie bereits schon unter 6.2 erwähnt, in einer Personenkonstellation dar.
Tafelbild 2
Mit dieser Konstellation konnte ich nun die beiden Personengruppen gegenüber stellen (Einheimische und Touristen). Im weiteren Verlauf des Unterrichtsgesprächs wurden die sozialen Gründe für die Gegensätze zwischen diesen beiden Gruppen vertieft (kein Urlaub und keine Fernreisen für ärmere Schichten, Abhängigkeit der Einheimischen vom Tourismus usw.).
In der 2. Stunde meiner Reihe ging es dann konkret um die Tanzmusik aus dieser Operette. Zuerst wurde am Donnerstag (25.09.) die Stunde in der 6c abgehalten. Herr Dartsch hatte bereits schon mal im fünften Schuljahr mit der Klasse die Taktarten durchgenommen. Ich musste dies aber noch mal mit den Schülern wiederholen. Deshalb ließ ich als Einstieg die Schüler jeweils ein Lied im 3/4-Takt („Kein schöner Land”) und ein Lied im alla breve-Takt („Weißt du wie der Sommer riecht”) singen. Die Lieder wurden dem Musikbuch „Die Musikstunde” entnommen.
Durch Taktübungen (wie z.B. das Treten auf der ersten Zeit und das klatschen auf der zweiten und dritten Zeit beim 3/4-Takt) wurden das Wissen über die Taktarten und das Gefühl für diese vertieft. Erst danach fasste ich mit ihnen die wichtigsten Inhalte der letzten Stunde zusammen, wobei es mir mehr auf die Differenzierung der handelnden Personen in zwei Gruppen (Touristen, Einheimische) ankam als auf den genauen Ablauf der Handlung. (In einer längeren Unterrichtsreihe wäre die Vorführung einer Aufzeichnung der Version von den Geschwister Pfister (1994, „Bar jeder Vernunft” in Berlin) angebracht gewesen.)
Danach spielte ich den Schülern eine Aufnahme einer Instrumentalversion des Liedes und Ländlers „Im Salzkammergut” vor. Es sollte die Taktart herausgefunden werden. Danach fragte ich nach der Gruppe, welche die Schüler in dem Stück dieses Lied zuordnen würden. Die Instrumentalversion stammte von dem Orchester des Niederländers André Rieu. Den Klang dieses Orchesters kann man durch die Dominanz der Streicher eher als weich, bzw. elegant bezeichnen. Dadurch vermuteten einige Schüler, dass es sich dabei um die Musik der Touristen gehandelt hätte. Ich hatte von dem Lied allerdings noch eine zweite Instrumentalversion. Es handelte sich dabei um einen Ausschnitt aus einem Querschnitt mit dem FFB-Orchester unter Werner Schmidt-Boelcke. In dieser Version wird der Ländler etwas rustikaler dargeboten. Dieser Effekt kommt besonders durch die Dominanz der Bläser zustande. Durch diese Aufnahme war für die Schüler die Zugehörigkeit des Ländlers zu der Gruppe der Einheimischen klarer geworden.
Durch die Instrumentation und Interpretation kann man die Wirkung eines Musikstückes entscheidend verändern. Bei der Auswahl einer Einspielung sollte man als Lehrer auf diese Effekte achten, um den Sinn eines Musikstücks besser vermitteln zu können. Auf meiner beigelegten CD sind beide Versionen zu hören. Dabei entspricht die Schmidt-Boelcke-Version eher der Originalfassung (siehe Notenbeispiel).
Für das Lied „Die ganze Welt ist himmelblau” wählte ich eine Tanzmusikversion des „Palast-Orchesters” mit seinem Sänger Max Raabe. Diese Band entspricht in ihrer Besetzung [zwei Alt-, ein Tenor- und ein Baritonsaxophon, zwei Trompeten, eine Posaune, Bassinstrument (Kontrabass im Wechsel mit Tuba), Schlagzeug, Gitarre, Klavier und eine Violine] der Standardbesetzung der größeren Tanzorchester der zwanziger und dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Abgesehen davon verwendet diese (in den achtziger Jahren gegründete) Band authentisches und nach Gehör nachgeschriebenes Notenmaterial der bekanntesten Tanzorchester aus dieser Ära. Es handelt sich bei diesem Arrangement um eine Foxtrott-Fassung für Tanzband, wie sie damals in unzähligen Weisen geschrieben und in den Tanzlokalen sowie auf Schallplatten dargebracht wurden. Mit der Originalversion aus der Operette ist diese Aufnahme allerdings nicht identisch. In der Operette ist dieses Lied ein Duett mit Ottilie und Erich Siedler, in der Tanzmusikversion des „Palast-Orchesters” ein Foxtrott-Arrangement mit Refraingesang. Das Operettenduett hat zwei gesungene Strophen. Das „Palast-Orchester” spielt in der Aufnahme einmal die Melodie der Strophe ohne Gesang, ansonsten aber nur den Refrain in mehreren Varianten. „Die ganze Welt ist himmelblau” wird im Klavierauszug zum Singspiel als Slowfox bezeichnet (Tempo 31 Takte pro Minute), das „Palast-Orchester” spielt das Lied aber im Foxtrott-Tempo (50 Takte pro Minute).
Trotzdem halte ich die Raabe-Version geeigneter für den Musikunterricht, weil hier die Instrumentalversion und der Tanzrhythmus viel stärker im Vordergrund steht als in der Operettenfassung des Liedes. Genauso wie bei dem Ländler „Im Salzkammergut” hängt es auch bei diesem Foxtrott von der Instrumentation ab, ob die Schüler den Stellenwert der Musik in der Operette erkennen.
Ich spielte den Schülern also die Aufnahme des Liedes „Die ganze Welt ...” des Palastorchesters vor. Der Gesang Max Raabes erzeugte in der Klasse allgemeine Heiterkeit.
Danach sollten die Kinder zunächst die Taktart herausfinden. Dann fragte ich danach, um was für eine Musik es sich wohl handeln würde. In beiden Klassen hielten einige Schülerinnen und Schüler den Foxtrott für Jazz, als sie die Fassung vom Palast-Orchester gehört hatten. Ich wies darum auf den Einfluss des Jazzes auf diese Art von Tanzmusik hin, aber auch darauf, dass es sich bei dieser Aufnahme nicht gerade um richtigen Jazz gehandelt hatte.
Ich stellte dann die Frage: „Woher kommt denn die Jazzmusik?”
Die korrekte Antwort, dass Jazzmusik aus Amerika kommen würde, wurde schnell gegeben. Nun ging es nur noch darum, welche Gruppe der amerikanischen Kultur aufgeschlossener entgegenkam. So stellte ich die Frage: „Waren es die Großstädter aus dem industriell geprägten Berlin oder die Einheimischen des ländlich-bäuerlichen St. Wolfgang, die sich so eine Musik angehört hätten?”
Es meldeten sich in beiden Klassen viele Schüler auf diese Frage, und es wurde auf Anhieb auch die korrekte Antwort gegeben. Damit war die 2. Stunde meiner Reihe allerdings auch schon beendet gewesen.
In beiden Klassen musste ich in dieser 2. Stunde viel Zeit in die Wiederholung der Taktarten (praktisch durch Übungen und theoretisch durch Notationslehre) investieren, wodurch hinterher nur noch relativ wenig Zeit für die beiden Tanzschlager aus der Operette übrig blieb.
Als Musiklehrer an einer Schule müsste ich also vorher mit den Schülern Takt- und Rhythmusgefühl erarbeiten, bevor ich überhaupt Tanzmusik durchnehmen könnte. Das Erarbeiten solcher musikalischer Grundlagen kommt im Musikunterricht oft zu kurz. Stattdessen werden andere Schwerpunkte gesetzt. Es wird z.B. viel über klassische Komponisten und deren Werke gesprochen. Ich berufe mich dabei auf meine Erfahrungen aus mehreren Praktika in öffentlichen Schulen, insbesondere aus drei Praktika an der St. Franziskus Schule.
Was schreiben die Lehrpläne dazu vor? Soll man als Lehrer mehr Musikpraxis sowie die dazu nötige Musiktheorie vermitteln, oder soll man sich im Unterricht eher an den großen klassischen Komponisten orientieren und ihnen zuliebe die Musikpraxis zeitlich auf ein Minimum kürzen? Ich werde dazu im 7. Kapitel die Lehrpläne von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz vergleichen.
In der 3. Stunde , welche bei beiden Klassen jeweils wieder hintereinander abgehalten wurde, wollte ich ursprünglich mit den Klassen zum Tanzen in die Aula des Gymnasiums gehen, weil die beiden Musikräume für diesen Zweck ungeeignet gewesen wären. (Der eine Musikraum war viel zu klein, der andere hatte als ehemaliger Hörsaal keinen ebenen Fußboden.) Doch am folgenden Mittwoch war eine wichtige Veranstaltung in der Aula, welche sich direkt neben den Musikräumen befand, geplant. Herr Dartsch wies mir einen Klassenraum zu, welcher sich ein Stockwerk tiefer befand. Dort mussten zunächst die Tische und Stühle beiseite geräumt werden.
Zuerst unterrichtete ich die 6a in der zweiten Stunde. Die 6c war danach in der dritten Stunde an der Reihe.
Als erstes musste ich die Klassen in Mädchen und Jungen aufteilen. Das zahlenmäßige Verhältnis der beiden Geschlechter ging allerdings nicht auf, weil, wie bereits oben erwähnt, beide Klassen einen höheren Mädchen-Anteil hatten (6a: 25 Mädchen, 4 Jungen, 6c: 22 M., 10 J.). Somit mussten einige Mädchen die Tanzpositionen der Jungen übernehmen. Letzteres erwies sich weniger als Problem als die Tatsache, dass die vier Jungen in der 6a sich zunächst davor scheuten, mit einem Mädchen zu tanzen.
45 Minuten sind zu wenig, um mit einer Schulklasse zwei Tänze, bzw. deren Grundschritte, einzustudieren. Deswegen machte ich mit der 6a den Ländler „Im Salzkammergut” und mit der 6c den Foxtrott „Die ganze Welt ist himmelblau”.
Ich wies in der zweiten Stunde die 6a an, sich getrennt in Mädchen- und Jungengruppe aufzustellen. Die Tanzschritte des Ländlers entsprachen eher einer Eigenkreation, zusammengestellt aus verschiedenen österreichischen Volkstänzen.
Beide Tanzpartner wippen taktweise von einem Fuß auf den anderen. Das Mädchen dreht sich zwischendurch um ihre eigene Achse und schreitet dabei im Tempo der Viertel. Der Junge bildet mit seinem rechten Arm ein Tor, unter dem das Mädchen sich dreht. Sie fassen sich dabei locker an der rechten Hand.
Auch für diese Übung ist es am zweckmäßigsten, die Aufnahme des FFB-Orchesters zu verwenden. Die Taktart wird klarer betont, und das Tempo ist langsamer.
Für die 6c habe ich den Foxtrott vorbereitet. Zum Tanzen verwendete ich die Version des Palast-Orchesters. Die Schüler sollten Paare bilden, nach Möglichkeit jeweils aus einem Mädchen und einem Jungen. Beim Foxtrott bewegen sich die Paare schrittweise nach links, weswegen sich diese in einer Reihe auf einer Seite des Klassenraums aufstellen sollten. Dies habe ich in einem Tafelbild verdeutlicht (siehe Abbildung).
Die Tafel stellt quasi das Format des Klassenraums dar. Die Tanzpaare bewegen sich (im Kreis) links herum am äußeren Rand des Klassenraums.
Die Schrittfolge des Foxtrotts lautet (Jungen beginnen mit dem linken Fuß nach vorne, Mädchen mit dem rechten nach hinten): Schritt, Schritt (beide lang), Seitenschritt (schnell vom Jungen aus nach links, rechter Fuß schließt sofort zum linken).
Danach setzten die Mädchen den rechten Fuß nach vorne, die Jungen den linken nach hinten (Seitenschritt wieder vom Jungen aus nach links). Auf diese Art und Weise bewegen sich die Tanzpaare allmählich nach links.
Man könnte natürlich auch in einer längeren Unterrichtsreihe mit den Schülern den Slowfox probieren. Die Schrittfolge des Foxtrotts ist allerdings wesentlich einfacher als die des Slowfoxes. Man sollte sich aus didaktischen Gründen also nicht so genau an die Regeln und Gesetze des ADTV halten.
Einige Schüler der 6c erzählten mir, dass zur Zeit auch im Sportunterricht Standardtänze durchgenommen wurden. Diese Tatsache kam für meine Unterrichtsreihe sehr gelegen. Es bietet sich zu diesem Thema also ein fächerübergreifender Unterricht (Sport und Musik) an.
Technisch sollte ein Lehrer auf die ausreichende Lautstärke der Musik achten, was in diesen von mir gegebenen „Tanzstunden” in den Klassen 6a und 6c nicht der Fall war. Mir stand lediglich nur ein kleiner Radiorecorder mit integriertem CD-Spieler zur Verfügung. Man kann aber diese Geräte über den Kopfhöreranschluss an einen größeren und lauteren Verstärker, z.B. einen Kofferverstärker mit integriertem Lautsprecher (Keyboard oder Bassverstärker) anschließen. Auch eine Klavierbegleitung oder Keyboardbegleitung des Lehrers könnte förderlich sein, weil auf diese Art und Weise dass Tempo reguliert werden kann. Dazu müsste die Lehrperson natürlich über die notwendige Versiertheit an diesen Instrumenten verfügen. Im Anhang habe ich selbsterstellte Keyboardnoten (Melodie und Akkorde) beigefügt.
Es bietet sich auch der Einsatz von Midi-Files an, die man sich selber erstellen müsste. Ich habe auf der beigefügten CD zwei Midi-Files von dem Lied „Die ganze Welt ist himmelblau” überspielt. Das erste Midi-File ist im Slowfox-, das zweite im Foxtrott-Tempo.
7. Welchen didaktischen Wert hat die Tanzmusik aus Operetten und Musicals für den Unterricht der
Sekundarstufe I?
Die Tanzmusik aus Operetten und Musicals kann man in mehreren Bereichen der Musikdidaktik verwenden.
Zu diesen Bereichen, bzw. Methoden, zählen u.a.
1. Musik und Bewegung
2. Rhythmisch-musikalische Erziehung
3. Szenische Interpretation des Musiktheaters
4. Notation (auf Rhythmus bezogen)
5. Orientierung am Kunstwerk
Materialien für die Schule und/oder wissenschaftlich-musikdidaktische Literatur, welche sich direkt auf mein Thema beziehen, gibt es nicht. Man müsste sich für eine Arbeit zu diesem Thema etwas aus den oberen Bereichen zusammenstellen.
Dabei käme es mir als Lehrer vor allem auf die Vermittlung musikalischer Fähigkeiten an. Zusätzlich sollten die Schüler sich auch ein besseres Grundverständnis für die verschiedenen Intentionen der musikalischen Werke aneignen.
7.1 Was schreiben die Lehrpläne im Zusammenhang zu meinem Thema vor?
Ich habe mich in zwei Lehrplänen über die Richtlinien zum Musikunterricht erkundigt und dabei besonders auf die Punkte konzentriert, welche mit meinem Thema „Tanzmusik in Operette und Musical ...” zusammenhängen. Es handelt sich dabei um die Lehrpläne zum Fach „Musik” für die Sekundarstufe I aus Rheinland-Pfalz und für das Gymnasium, Sekundarstufe I, aus Nordrhein-Westfalen. Die Lehrpläne für die nordrhein-westfälischen Gesamtschulen, Realschulen und Hauptschulen sind dem Lehrplan für die Gymnasien in NRW ähnlich. Der Lehrplan fürs Gymnasium legt allerdings sehr großen Wert darauf, dass die Schüler sich durch den Musikunterricht die Kompetenz erwerben, absolute Musik (im klassischen Sinne) zu verstehen. Einen konkreten Wegweiser dazu, wie sich die Schüler die dafür notwendige Musikalität aneignen könnten, gibt es im Gegensatz zum Lehrplan aus Rheinland-Pfalz im nordrhein-westfälischen Lehrplan für das Gymnasium nicht. Der Lehrplan für die Realschulen in NRW dagegen hat einige Wegweiser für die Musikpraxis zu bieten.
7.1.1 Allgemeine Zusammenhänge in den Lehrplänen zum Thema „Tanzmusik aus Musical und Operette”
Im rheinland-pfälzischen Lehrplan werden unter dem Punkt „Aufgaben und Ziele des Musikunterrichts” u.a. folgende konkrete Ansatzpunkte für den Musikunterricht gegeben:
- die eigene Reproduktion und Produktion von Musik
- die Transformation von Musik in andere Ausdrucks- und Darstellungsbereiche
- die Auseinandersetzung mit Musik unter historischen Gesichtspunkten.
Der Zusammenhang zu dem Punkt „eigene Reproduktion und Produktion von Musik” zu meinem Thema ist eher indirekt dadurch, dass Tanzen die Musikalität fördert. Das Gefühl für Musik und die Kenntnisse von Takt und Rhythmus sind u.a. Voraussetzungen für die eigene Reproduktion und Produktion von Musik.
Das Tanzen und das Musiktheater sind Transformationen von Musik in andere Ausdrucks- und Darstellungsbereiche.
Und auch die Geschichte der beiden Genres Operette und Musical muss man unter historischen Gesichtspunkten sehen. Beispiele für historische und musiksoziologische Hintergründe zu drei Operetten und einem Musical habe ich bereits schon unter dem Schwerpunkt „Tanzmusik” in den Kapiteln 1. - 6. gegeben.
Die Aufgaben und Ziele des Musikunterrichts (insgesamt acht) werden in dem rheinland-pfälzischen Lehrplan konkret aufgeführt und später erläutert. Im nordrhein-westfälischen Lehrplan werden diese Aufgaben in sechs Punkten eher umständlich formuliert. Dabei geht es vor allem um die Förderung des wissenschaftlichen Denkens über Musik. Der Punkt „Transformation von Musik in andere Ausdrucks- und Darstellungsbereiche” kommt in diesem Lehrplan von NRW nicht vor. Allerdings erwähnt der Lehrplan den fächerübergreifenden Unterricht.
Im rheinland-pfälzischen Lehrplan werden sechs didaktische Grundsätze aufgeführt. Dazu gehört auch der Grundsatz, dass das Lernen im Musikunterricht handlungsorientiert erfolgt. Darüber hinaus soll sich das Lernen im Musikunterricht auf gesellschaftliche Kontexte beziehen: „Lebensweltlich orientierter Musikunterricht berücksichtigt Fragestellungen zu Entwicklungen, Veränderungen oder aktuellen Gegebenheiten in der Gesellschaft.” Hier besteht auch ein Zusammenhang zu der Bedeutung der Tanzmusik im Musiktheater, aber auch zu ihrer Bedeutung in der Gesellschaft, welche sich in den Operetten und Musicals wieder finden soll. Ein weiterer didaktischer Grundsatz fordert den fächerübergreifenden Unterricht („Lernen im Musikunterricht stellt fachübergreifende und fächerverbindende Sinnzusammenhänge her”).
Der Musikunterricht ist in Rheinland-Pfalz in sieben Themenbereiche strukturiert:
- Funktionale Musik
- Musik aus verschiedenen Zeiten
- Musik der Jugendszene
- Musik und Bewegung
- Musik und Sprache
- Musik und Theater
- Musik verschiedener Kulturen.
Davon könnte man vier Themenbereiche mit „Tanzmusik aus Operette und Musical” in Verbindung bringen.
1. Funktionale Musik
Funktionale Musik steht nicht für sich selber, sondern erfüllt nur bestimmte Funktionen, wie z.B. die Untermalung von Filmen (Filmmusik), Beschallung der Kaufhäuser und Begleitung von Paraden (Marschmusik). (Marschmusik wird nicht direkt als Beispiel der funktionalen Musik im Lehrplan erwähnt.) Teilweise kann man die Tanzmusik innerhalb der Musiktheaterwerke als funktionale Musik bezeichnen. Sie erfüllt zumindest innerhalb der Handlung für die dort handelnden Personen diese Funktion, wenn sie als Bildtonmusik auftaucht. Beste Beispiele dafür sind der Tanzwalzer Nr. 7 aus dem 2. Akt der „Csárdásfürstin” und die Verwendung österreichischer Militärmärsche im Finale des 2. Aktes der Operette „Im weißen Rössl”.
Der Themenbereich Funktionale Musik soll die Schüler allerdings eher auf die Verwendung von Funktionsmusik in der realen Welt, in der sie leben, aufmerksam machen. Dementsprechend hat dieser Bereich nur indirekt was mit meinem Thema zu tun.
2. Musik aus verschiedenen Zeiten
Tanzmusik aus vergangenen Zeiten hat meistens auch eine historische Bedeutung. Die historischen und soziologischen Zusammenhänge sind von mir bereits schon erwähnt worden. Über die Tanzmusik aus Operette und Musical können die Schüler die musikästethischen Zusammenhänge besser begreifen. Dazu heißt es im Lehrplan:
„Wird Musik in einen lebendigen sozialgeschichtlichen Zusammenhang integriert, lassen sich von Schülerseite individuelle Bezüge zu einem historischen Gegenstand herstellen und persönliche Interessen entwickeln.”
Gerade ein Musiktheaterwerk kann einen sozialgeschichtlichen Zusammenhang besonders gut verdeutlichen.
3. Musik und Bewegung
Aus dem Lehrplan: „Sich zur Musik zu bewegen und zu tanzen gibt dabei die Möglichkeit, neue Selbsterfahrung und Ausdrucksformen zu gewinnen. Wird Musik über Bewegung erfahren, ändert sich auch der Zugang zu analytischen Fragestellungen. Diese werden nicht primär kognitiv gelöst, denn musikalische Formen, einzelne Parameter, Besonderheiten der Instrumentation etc. werden über Bewegungsabläufe verdeutlicht.”
Tanzmusik würde also zum Training der Musikalität dienen. Um die körperliche Erfahrung zu erweitern, sollte man über die Normen des ADTV hinaus gehen. Die Kreativität der Musik- und Sportlehrer ist dabei besonders gefragt.
4. Musik und Theater
Hier besteht bereits ein direkter Zusammenhang zu meinem Thema. Es wird unter diesem Punkt im Lehrplan erwähnt, dass Jugendliche gerne auf der Bühne stehen. Sie befürchten allerdings auch eine Bloßstellung auf der Bühne. Frühe Theatererfahrung könnte dieser Entwicklung begegnen. Eine erfahrensbezogene Auseinandersetzung könnte auch die Einstellung zum Musiktheater verbessern, welches auf viele Jugendliche eher gekünstelt wirken würde. „Oper, Operette, Musical und Tanztheater werden somit zu Spiegelbildern des Lebens - nunmehr auf der Bühne sichtbar, hörbar und erlebbar.”
Im Lehrplan Musik, Sekundarstufe I Gymnasium, von Nordrhein-Westfalen gibt es diese Einteilung in verschiedene konkrete Themenbereiche nicht. Die Bezeichnung und die Definition der einzelnen Themenbereiche wirkt auf den Leser geschwollen:
- Bereich I: Musik beruht auf Ordnung
- Bereich II: Musik gewinnt Form und Ausdruck
- Bereich III: Musik ist geschichtlich und kulturell gebunden
- Bereich IV: Musik wird gebraucht, Musik bewirkt etwas.
Allerdings lassen sich in den einzelnen Bereichen ebenfalls allgemeine Zusammenhänge zu meinem Thema finden.
So liest man z.B. unter dem Punkt „Bereich II: Musik gewinnt Form und Ausdruck”: „Als Ausgangspunkt für das Verständnis von absoluter Musik - jenseits der rein formalen Strukturen - können möglicherweise sogenannte musikalische Ausdrucksmodelle dienen, die einige Grundtypen menschlicher Verhaltensweisen - wie Imponiergehabe und Zärtlichkeitsbekundung ... - im mehrdimensionalen Bezugsfeld spiegeln. Imponiergehabe und Marschmusik, Zärtlichkeitsbekundung und Wiegenlied, Passivität und Trauermusik (Adagio-Typ), Aktivität und Musik des „Presto-Typs” stehen in einem ursächlichen Zusammenhang. Jede bzw. jeder Musikhörende hat Zugang zu diesen Ausdrucksmodellen, da er die ihnen zugrunde liegenden Verhaltensweisen und deren Äußerungsformen kennt. Für die Ausbildung des Musikhörens und die Vertiefung des Musikverstehens im Musikunterricht ergibt sich ..., daß musikalische Zusammenhänge und musikalischer Ausdruck sowohl durch strukturelles Hören als auch durch motorische Aktivität ... angemessen erfaßt werden können.”
Für das Thema „Tanzmusik in Operette und Musical” könnte man letzteres so deuten, dass diese Tanzmusik und dessen motorische Umsetzung durch ihren dramaturgischen Zusammenhang, insbesondere durch die Stimmung, welche durch sie ausgedrückt wird, als musikalisches Ausdrucksmodell Mittel zum Zweck sein könnte, die Schüler an die absolute Musik heranzuführen.
Der Lehrplan für die Realschulen in NRW berücksichtigt dagegen die Tanzmusik in stärkerem Maße. Die Gliederung in die einzelnen Themenbereiche ähnelt dem rheinland-pfälzischen Lehrplan. Hier wird im Themenbereich „Musik aus verschiedenen Zeiten” die Umgangsform „Darstellung in Bewegung, Tänze verschiedener Epochen, Kulturkreise und Stilrichtungen” erwähnt.
7.1.2 Direktere Zusammenhänge in dem Lehrplan Musik für die Klassen 5 - 10 in Rheinland-Pfalz zum Thema „Tanzmusik aus Musical und Operette”
Nach direkten Zusammenhängen in dem nordrhein-westfälischen Lehrplan für das Gymnasium zu suchen wäre sinnlos, weil dieser zu wenig konkrete Schwerpunkte in den Bereichen „Musikpraxis” und „populäre Musik” setzt. Der Lehrplan Musik für die Realschulen in NRW ist dagegen dem Lehrplan Musik aus Rheinland-Pfalz sehr ähnlich.
Abgesehen davon sollen die Lehrpläne unter den Kultusministern angeglichen werden. Dementsprechend kann man eigentlich als Westfale auch nach einem rheinland-pfälzischen Lehrplan unterrichten. Eine genaue Analyse aller Lehrpläne aus Nordrhein-Westfalen für Musik würde außerdem über den Rahmen meiner Arbeit hinausgehen.
In Rheinland-Pfalz gibt es über die vierjährige Grundschule hinaus eine zwei Jahre dauernde Orientierungsstufe (fünftes und sechstes Schuljahr). Die Themenbereiche bestehen jeweils noch aus verschiedenen Bausteinen. Einen direkten Bezug zu meinem Thema findet man nur noch unter den Themenbereichen
- Musik und Bewegung und
- Musik und Theater.
In dem Themenbereich „Musik und Bewegung” wird auch auf Tanzen wert gelegt. So steht in dem Baustein „ Baustein: Tänze I - Grundschritte” unter dem Abschnitt „ Mögliche Umgangsweisen”:
„° Tänze mit einfachen Grundschritten tanzen (z.B. Kolo, Jugo, Troika, Polonaise, Polka, Round)”.
Man könnte hier noch einige Standardtänze einbauen. Es ist allerdings bereits schon die Polka vertreten, ein Tanz, welcher in den Operetten sehr oft auftaucht.
In dem Themenbereich „Musik und Theater” gibt es keinen direkteren Bezug zur Tanzmusik im Musiktheater.
Nach der Orientierungsstufe folgt in Rheinland-Pfalz die Aufteilung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Die Lehrpläne für diese drei Schulen, welche alle in einem Einband „Lehrplan Musik” stehen, ähneln sich weitgehend. Die Gliederung und die Bezeichnung der einzelnen Kapitel und Bausteine ist sogar identisch.
Im siebten und achten Schuljahr wird im Themenbereich „Musik und Bewegung” das Einüben von Grundschritten und das Umsetzen von Tanzanleitungen fortgesetzt, wobei die Schüler auch eigene Tanzanleitungen entwerfen sollen.
Im Themenbereich „Musik und Theater” kann man die Tanzmusik in Operette und Musical in dem Baustein „Werk und Rolle” unter den Punkt
„° unterschiedliche musikalische Formen und ihre Funktion im Musiktheater differenzieren” einordnen.
In dem letzten Abschnitt der Lehrpläne, dem neunten und zehnten Schuljahr, nähern sich die beiden Themenbereiche „Musik und Bewegung” und „Musik und Theater” an. Ihre beiden Unterkapitel folgen unmittelbar aufeinander.
In dem Baustein „ Tänze III - Choreographie” wird das erste Mal unter dem Themenbereich „Musik und Bewegung” das Musiktheater erwähnt. Als „ Mögliche Unterrichtsgegenstände” wird der Punkt „ Tänze verschiedener anderer Stilbereiche” aufgeführt, unter welchen als Beispiel auch das Tanztheater und Volkstänze Erwähnung finden. (In der Operette „Im weißen Rössl” finden sich einige Volkstänze.)
Unter „Mögliche Umgangsweisen” sind die Punkte
- Ausschnitte einer Ballett- oder Musicalhandlung choreographieren und tanzen und
- Ballett- und Musicalszenen kennenlernen zu lesen.
In dem Lehrplan für die Realschulen in NRW findet sich als Ansatz dazu ein vergleichbarer Punkt unter „Musik und Theater”, in welchen als Beispiel das Choreographieren und tänzerische Darstellen von „Dance at the Gym” aus dem Musical „West Side Story” vorgeschlagen wird.
Dazu wären natürlich bei dem Musiklehrer, bzw. der Musiklehrerin, Kenntnisse und Kompetenz über das Ballett erforderlich. Ansonsten bietet sich ein fächerübergreifender Unterricht mit einer kompetenten Sportlehrerin oder einem kompetenten Sportlehrer an. Als Musiklehrer müsste man weitere Verbindungen zum Themenbereich „Musik und Theater” schaffen. Einige Anregungen dafür sind mit den beiden zuletzt genannten Punkten unter „ Mögliche Umgangsweisen” bereits schon gegeben. Es bietet sich darüber hinaus der Einbau von Ballett oder Standardtänzen in der Umgangsweise „Handlungsausschnitte >szenisch interpretieren” an.
7.2 Didaktische Methoden des Musikunterrichts im Zusammenhang zur Tanzmusik aus Operette und Musical
Würde man sich nach dem rheinland-pfälzischen Lehrplan oder vergleichbaren Lehrplänen (wie beispielsweise den hessischen Lehrplänen) richten, gehört das Thema „Tanzmusik in Operette und Musical” im wesentlichen also zu den Lernbereichen „Musik und Bewegung” und „Musik und Theater”. Man könnte darüber hinaus die Operetten und Musicals mit ihrer Tanzmusik als Kunstwerk betrachten und sie in den Themenbereich „Musik aus verschiedenen Zeiten” einordnen.
Für mich spielt auch der Aspekt der Tanzmusik und der dazugehörigen Bewegung als rhythmische Übung innerhalb der Musikpraxis eine besondere Rolle. Musik sollte der Schüler in Bewegung umsetzen und dadurch die Musik und den jeweils dazugehörigen Rhythmus erfahren. Für Irmgard Benzing-Vogt ist letzteres ein wichtiger Bestandteil der elementaren Musikerziehung. So schreibt sie in ihrem Buch „Methodik der elementaren Musikerziehung: „Dazu gehört auch die Bewegung... Das bedeutet, daß nicht nur musikalische Vorgänge durch die Körperbewegung nachgezeichnet werden, sondern daß auch in der Verbindung mit dem musischen Geschehen eine weitgehende Schulung der menschlichen Werte geschieht; ... eine Förderung der Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit - Eigenschaften, die der Gesamtentwicklung des Kindes dienen und die gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für ein fruchtbares gemeinsames Musizieren bilden.”
Freilich bezieht sich die elementare Musikpädagogik auf die musikalische Früherziehung der Kinder. Viele Schüler kommen allerdings nicht in den Genuss irgendeiner musikalischen Erziehung, sei es im Elternhaus oder in der musikalischen Früherziehung, welche von den meisten Musikschulen angeboten wird. Somit hat die Schule auch in den Jahrgängen der Sekundarstufe I die Aufgabe, sich um die musikalische Erziehung der Schüler zu kümmern.
Deswegen halte ich es für angebracht, Tanzmusik auch in die szenische Interpretation des Musiktheaters einzubauen. Ein interessanter Ansatz dafür bietet das Konzept „Szenische Interpretation von Musiktheater” der beiden Autoren Markus Kosuch und Wolfgang Martin Stroh. In ihrem Buch „West Side Story - Begründung und Unterrichtsmaterialien” (Oldershausen 1997) gehen die Autoren auch auf die gruppendynamischen Aspekte dieses Musicals ein. In diesem Stück gibt es beispielsweise die Jets, eine Straßengang aus Söhnen europäischer Einwanderer und die Sharks, eine entsprechende Gang der puertoricanischen Jugendlichen. Die beiden Banden bekämpfen sich. Die Schulklasse soll sich in diese beiden Gangs aufteilen, und jeder Schüler soll sich in seine Rolle spielerisch einfühlen. Es gibt darüber hinaus noch die Rollen der Personen, welche in der Handlung außerhalb dieser beiden Straßengangs stehen (Krupke, Doc, Gladhand).
Die Tanzmusik in diesem Musical spricht beide Gangs gleichermaßen an. So gibt es z.B. das Tanzduell in der Szene „Dance at the Gym” (1. Akt), in welcher aus jeder Gang jeweils ein Tanzpaar nach dem Mambo tanzt und von ihrer jeweiligen Gang dazu angefeuert werden. Dazu sehen die Autoren Kosuch und Stroh vor, dass die Schüler diese Szene nachspielen und auch zu der Musik (Jitterbug, Promenade, Mambo) tanzen sollen. Diese Szene soll von ihnen auch choreographiert werden.
In einer vergleichbaren szenischen Interpretation der Operette „Im weißen Rössl” würde die Tanzmusik ein größeres Gewicht bekommen. Das Musical „West Side Story” hat textlich mehr zu bieten als die Benatzky-Operette, deren Inhalt im wesentlichen von der Pointierung der Gegensätze zwischen Einheimischen und Touristen lebt, was besonders durch die Auswahl der Musikstilistik (Ländler gegen Slowfox, Militärmarsch gegen Foxtrott) zum Ausdruck kommt.
Ansätze für die szenische Interpretation gibt es auch im Bezug zur Operette. In einem Artikel von Armin Diedrichsen in der Fachzeitschrift „Musik und Unterricht” berichtet der Autor von dem Versuch, die Operette „Eine Nacht in Venedig” von Johann Strauß in Form eines Planspiels im Musikunterricht umzusetzen. Die Schüler sollten die Handlung neu gestalten und dazu drei Bühnenbilder entwerfen. Auf der letzten Seite seiner Erläuterung der Unterrichtsreihe geht der Autor auf die Verwendung des Lagunenwalzers „Ach wie so herrlich zu schauen” aus dieser Operette ein. Es wird ein Klassenorchester gebildet, welches diesen Walzer spielt, wobei nach Meinung des Autors auch ein Klavierspieler ausreichen könnte. Der Rest der Klasse kann dann zu der Musik tanzen. Als Unterrichtsmaterialien bietet der Autor eine Audio-CD mit der Ouvertüre und dem Lagunenwalzer (Konzertwalzer nach Motiven) aus der Operette und eine CD-ROM mit einem Video, welches die grundlegenden Schritte zeigt, einem Midi-File und einer PDF-Datei an. Aus dem Midi-File zum Lagunenwalzer lässt sich bequem ein Satz zum Klassenmusizieren herstellen.
Der Autor möchte durch die Verwendung des Walzers auf die Frivolität dieses Tanzes aufmerksam machen und veranschaulichen, dass es schon immer „Party-Musik” gegeben hat.
Fazit
Die Art der Behandlung des Bereichs „Operette und Musical” durch szenische Interpretation und Planspiel, wie ich es in den letzten beiden Beispielen „West Side Story” und „Eine Nacht in Venedig” gezeigt habe, ist eine sinnvolle Methode, die Themenbereiche „Musik und Bewegung” und „Musik und Theater” miteinander zu kombinieren. Der Musikunterricht verläuft dabei im wesentlichen handlungs- und praxisorientiert. Die Schüler spielen und bewegen sich zu der Musik, und im Beispiel von Armin Diedrichsen wird sogar das Klassenmusizieren mit einbezogen.
Wenn man die soziologischen und historischen Hintergründe der Tanzmusik in den Operetten und Musicals versteht, kann man daraus einen Leitfaden für die Interpretation dieser Musiktheaterwerke entwickeln.
Es wäre gut, wenn die Tanzmusik im Musiktheater aufgrund ihrer vielseitigen Verwendungsmöglichkeit einen größeren Stellenwert innerhalb der Musikpädagogik bekommen würde, auch in den jeweiligen Fachbereichen der Hochschulen.
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Armin Diedrichsen, Eine Nacht in Venedig oder die Operette als Party, in der Zeitschrift „Musik und Unterricht”, Velber 2002
Beilage
Inhalt der CD
Interpreten: Ensemble der Mörbischer Seefestspiele
Aus der Operette „Der Zigeunerbaron” (Komp.: Johann Strauß jun.)
1. Ja, das Schreiben und das Lesen
2. Her die Hand, es muß ja sein (Werbelied des Homonay)
3. Ja, das Eisen wird gefüge
Interpreten: Sari Barabas, Rudolf Schock, Berliner Symphoniker
Aus der Operette „Die Csárdásfürstin” (Komp.: Emmerich Kálmán)
4. Heia, heia, in den Bergen ist mein Heimatland
5. Sich verlieben kann man öfters
Komponist: George Gershwin
Aus der Revue „Scandals”
Interpret: Paul Whiteman
6. I’ ll build a stairway to paradise
Interpret: George Gershwin (Klavier), Adele und Fred Astaire (Gesang)
7. Fascinating Rhythm’
Aus dem Musical „Showboat” (Komp.: Jerome Kern)
Interpretin: Helen Morgan
8. Can’t Help Lovin’ Dat Man
Interpreten: Lou Raderman Orchestra
9. Why Do I Love You (Foxtrott-Version mit Refraingesang)
Aus der Operette „Im weißen Rössl”
Interpret: André Rieu
10. Im weißen Rössl (Potpourri) (Komp.: Ralph Benatzky, Robert Stolz)
Interpret: FFB-Orchester unter der Leitung von Werner Schmidt-Boelcke
11. Im Salzkammergut (Zusammenschnitt des Refrain zur Kehrschleife) (Komp.: Benatzky)
12. Was kann der Sigismund dafür (Komp.: Robert Gilbert) (gesungen von Herta Staal und Harry Friedauer)
Interpret: Münchner Rundfunkorchester, Grit van Jüten (Sopran), Norbert Orth (Tenor), Leitung: Willy Mattes
13. Die ganze Welt ist himmelblau (Komp.: Robert Stolz, Text: R. Gilbert)
Interpret: Palast Orchester, Gesang Max Raabe
14. Die ganze Welt ist himmelblau (Komp.: Robert Stolz, Text: R. Gilbert)
Midi-Files (Eigenproduktion)
15. Die ganze Welt ist himmelblau (als Slowfox)
16. Die ganze Welt ist himmelblau (als Foxtrott)
Beilagenverzeichnis:
Keyboardnoten
Die ganze Welt ist himmelblau.
Im Salzkammergut emmerich kálmán, Leo Stein, Bela Jenbach, Die Csárdásfürstin, Klavierauszug mit Text, Wien / Franfurt a.M. 1988
Nr. 1 Lied der Sylva (erste Seite)
Nr. 3 Duett (Sylva, Edwin)
Nr. 5 Lied (Sylva, Edwin, Boni, Feri)
Nr. 6, Ausschnitte aus dem Finale I
Nr. 7 Tanzwalzer
Nr. 8 Schwalben-Duett (Stasi, Edwin)
B.G. DeSylva, George & Ira Gershwin, I’ll build a stairway to paradies, New York 1922, in: Highlights of the 20’s and 30’s, Ojai, California
Jerome Kern, Oscar Hammerstein II, Showboat, Klavierauszug mit Text, New York 1927
No. 2, Make Believe
No. 3, Ol’ man River
No. 5, Can´t Help Lovin Dat Man .Seite 120 f. No. 7, Live On The Wicked Stage
No. 16, You Are Love . Seite 139 f. Ralph Benatzky, Robert Gilbert, Im weißen Rössl, Klavierauszug mit Text, Berlin 1931 . Seite 146 f. Aus Nr. 2, „Aber meine Herrschaften”
Nr. 4, Ankunft des Dampfers
Nr. 5, Auftritt Siedlers, „Im weißen Rössl”
Nr. 10, Lied Leopold .Seite 165 f. Nr. 13, Im Salzkammergut
Nr. 14a Duett Klärchen - Sigismund
Nr. 22 Duett Klärchen - Sigismund .Seite 176 f. Watschentanz aus Nr. 16
Nr. 17b Verwandlungsmusik
Nr. 18 Finale II
Hinweis: Anstatt der Abkürzung „No.” bei der Musik aus „Showboat” habe ich die Abkürzung „Nr.” angegeben
Keyboardnoten:
Die ganze Welt ist himmelblau
Im Salzkammergut
Ausschnitte aus den Klavierauszügen
- Arbeit zitieren
- Jochen Harnischmacher (Autor:in), 2003, Tanzmusik in Operette und Musical im Unterricht der Sekundarstufe I, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108831
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