Inhaltsverzeichnis
I. Wissenschaftliche Grundlagen Klimawandel
II. Kyoto im Rahmen der Umweltarbeit der Vereinten Nationen
III. Verpflichtungen durch das Protokoll
IV. Mechanismen des Protokolls
V. Anhang
„entschlossen, das Klimasystem für heutige und künftige Generationen zu schützen“1
Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen
I. Wissenschaftliche Grundlagen Klimawandel
Klima ist ein sehr komplexes System. Unzählbare Ursachen tragen zu schwer berechenbaren Wirkungen bei. Nur mit Hochleistungsrechnern können Klimaforscher ansatzweise reale Modelle erstellen und Simulationen durchführen über den Verlauf des Wetters. „Klima ist ein deterministisches System mit chaotischen Zügen, d. h. dass das Klima durchaus von bekannten Ursache-Wirkungs-Ketten gesteuert wird, wobei jedoch selbst minimale Änderungen in den steuernden Größen starke Wirkungen, also veränderte Klimazustände, hervorrufen können. Solche Klimaschwankungen infolge geringfügig veränderter Einflussgrößen lassen sich als stochastische, also zufallsbedingte Schwankungen verstehen. Es ist deshalb zwar möglich, das mittlere Klima und langjährige Klimatrends mit numerischen Modellen zutreffend zu simulieren, nicht jedoch, die tatsächlichen Klimazustände im Bereich von Wochen bis zu wenigen Jahren zu errechnen.“2 An der Berechnung der langfristigen Tendenzen arbeiten zwei Gruppen.
Paläoklimatologen versuchen etwa durch Bohrungen in Eiskernen an verschiedenen Orten wie der Antarktis oder dem Kilimandscharo-Gipfel einen Überblick über die klimatischen Bedingungen vergangener Epochen zu bekommen. Dabei greifen sie natürlich auch auf verbesserte Analyseinstrumente heutiger Forschung zurück. Neoklimatologen hingegen berechnen gegenwärtige und zukünftige Entwicklungen. Hierbei verwenden sie ihrerseits Daten ihrer Kollegen, um glaubwürdige Prognosen für die Zukunft entwickeln zu können. Die momentane Referenz in der Klimaforschung ist das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). „Established in 1988 by UNEP and WMO, the Panel was given a mandate to assess the state of existing knowledge about the climate system and climate change; the environmental, economic, and social impacts of climate change; and the possible response strategies.“3
Das IPCC erkannte, dass durch den massenhaften Ausstoß von Treibhausgasen, besonders CO2 (Kohlenstoffdioxid), N2O (Distickstoffoxid) und CH4 (Methan), das Erdklima langfristig verändert wird.
„Die jetzige Methankonzentration wurde in den vergangenen 420.000 Jahren nicht überschritten.“4 Die globale Oberflächentemperatur erhöhte sich (siehe Abbildung 1), im vergangenen Jahrhundert zuletzt um ca. 0,6 K plus/minus 0,2 K.5 „Es ist praktisch sicher, dass die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entstehenden CO2-Emissionen im 21. Jahrhundert den dominanten Einfluss auf die Entwicklung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre ausüben werden. […] Die vorhergesagte Erwärmungsrate ist sehr viel größer als die beobachteten Veränderungen während des 20. Jahrhunderts, und es ist - nach paläoklimatischen Daten zur urteilen - sehr wahrscheinlich, dass es im zurückliegenden Zeitraum von mindestens 10.000 Jahren keine Entsprechung für eine solche Erwärmungsrate gibt.“6
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die durchschnittliche Temperatur der Erde steigt weiter an und erreicht in den Szenarien des IPCC bis zum Jahr 2100 eine Steigerung zwischen 1,4 und 5,8 K, verglichen mit dem heutigen Zustand. Eine Erhöhung um 1,4 K, die in den Szenarien des IPCC als „best case“ errechnet wurde, ist praktisch unausweichlich. Diese Erhöhung wird schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Wetterextreme werden zunehmend auftreten, d.h. stärkere Stürme, ausgeprägtere
Dürren und gefährlichere Hochwasser sind zu erwarten. Doch die Projektionen des IPCC verheißen keine in der Ferne liegende Risiken, wie eine Regionalstudie für den Raum Sachsen aus dem Jahr 2000 belegt:
„Mit Blick auf die zu erwartenden Niederschlagsverhältnisse zeigt sich, dass im Gegensatz zur deutlichen Abnahme der mittleren monatlichen Niederschlagssummen im Frühling und Sommer die extremen Ereignisse, also vor allem lokale Starkniederschläge, gegenüber den simulierten Niederschlagssummen für das gegenwärtige Klima offensichtlich zunehmen werden. Dies steht im Einklang mit Untersuchungsergebnissen zum Klima in historischer Zeit, wonach sich gerade in Phasen einer raschen Klimaänderung gehäuft extreme Situationen einstellen. Der sich abzeichnende Rückgang der mittleren Niederschlagshöhen für Frühling und Sommer signalisiert aber auch, dass ausgeprägte Trockenperioden häufiger auftreten werden.“7 Diese Prognose bewahrheitete sich zwei Jahre später, und die Elbflut richtete weitreichende Zerstörungen an. Im Unterschied zu ähnlichen Ereignissen in Entwicklungsländern blieb die Zahl ziviler Opfer dabei sehr gering. Zum Vergleich: Im Jahr 2000 starben bei schweren Überschwemmungen in Mosambik über 1.000 Menschen, der volkswirtschaftliche Schaden betrug etwa 660 Mio. US-Dollar, davon waren knapp 50 Mio. Dollar versichert. Die - gemessen an der Schadenssumme - größte Naturkatastrophe des selben Jahres zog im Alpenraum 8.500 Mio. US-Dollar an Schäden nach sich, die Versicherungssumme betrug 470 Mio. Dollar, und es starben nicht mehr als 38 Menschen.8
Die Menschheit steht vor der Aufgabe, in ihrem eigenen Interesse den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase zu reduzieren und besser zu kontrollieren. Die CO2- Emissionen tragen zu 50 % zu dem vom Menschen verursachten Treibhauseffekt bei. Der natürliche Effekt ist angesichts der historisch einzigartigen Geschwindigkeit der Veränderungen zu vernachlässigen.
Das Kyoto-Protokoll ist der erste Versuch, einige Gefahren des unkontrollierten Ressourcenverbrauchs einzudämmen. Es steht unter dem Druck, so rasch wie möglich eine spürbare Entspannung des Emissionshaushalts herbeiführen zu müssen, sollen nicht die Lebensgrundlagen von Milliarden Menschen gefährdet werden. Auch für die Interessen zukünftiger Generationen ist das Kyoto-Protokoll von entscheidender Bedeutung. Während der letzten Eiszeit lag die globale Durchschnittstemperatur um gerade einmal 4 K niedriger als heute. Eine Veränderung um bis zu 6 K nach oben kann noch nicht absehbare Folgen nach sich
ziehen. „Rund 30 Prozent der Gletscher-Fläche in Europa sind schon geschmolzen, ihr Volumen hat sich seit 1850 sogar um mehr als die Hälfte verringert“9 weiß ein Bericht von Greenpeace. Der bisherige Anstieg des Meeresspiegels um 15cm ist zu einem Drittel auf Schmelzwasser von Gletschern zurückzuführen. Das Greenpeace-Forschungsschiff „Arctic Sunrise“ fand auf Forschungsfahrten einen Schwund von arktischem Eis zwischen 1978 und 1996 um 34.000 Quadratkilometer vor.10 Der Deutsche Wetterdienst schreibt über die Luftdruckveränderungen beim Wintersturm „Lothar“ am 26. Dezember 1999: „Man erkennt deutlich den starken Druckfall von etwa 30 hPa [...]. Dies ist seit Beginn der Beobachtungen in Karlsruhe vor ca. 50 Jahren der stärkste Druckabfall, der bisher gemessen wurde. [...] Noch markanterer Druckfall und anschließender Anstieg wurden an der Station Caen an der französischen Kanalküste beobachtet [...] Solche Werte sind mit hoher Wahrscheinlichkeit noch nie in Kontinentaleuropa aufgetreten.“11
Unter dem Druck all dieser Ereignisse, Wahrscheinlichkeitsberechnungen und Prognosen stand 1997 die Weltgemeinschaft, über kurzsichtige Interessen hinweg Investitionen in langfristige – nachhaltige – Projekte zu beschließen und dabei möglicherweise ein gebremstes Wirtschaftswachstum zu riskieren. Das Ergebnis dieses Drucks ist das Kyoto-Protokoll, der bis dahin konkreteste Vertrag zur Eindämmung der Erderwärmung.
II. Kyoto im Rahmen der Umweltarbeit der Vereinten Nationen
Verträge über die gemeinsame nachhaltige Nutzung von Naturgütern sind eine junge völkerrechtliche Tradition, beispielsweise das Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung von 197912, das die Einführung unverbleiten Autokraftstoffs (Artikel 3) regelt oder das Montrealer Protokoll13, das die Produktion von FCKW, FKW und weiteren die Ozonschicht schädigenden Gasen zum Teil vollständig untersagt und weithin als bestes Beispiel für zielgerichtetes Handeln in der Umwelschutzarbeit gesehen wird. Damit wurde die Ozonschicht wirksam geschützt. Bei ihr wie auch bei „der Artenvielfalt oder dem Weltklima handelt es sich um klassische globale öffentliche Güter (global public goods), die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie nicht aufgeteilt werden
[...]
1 Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, 09.05.1992, BGBl 1993 II S. 1784.
2 Klimaänderungen in Bayern und ihre Auswirkungen, Abschlußbericht des Bayerischen Klimaforschungs- verbundes, November 1999.
3 UNEP und UNFCCC, Climate Change Information Kit, Frankreich, September 2002.
4 IPCC Work Group I - 3rd Assessment Report, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, Klimawandel 2001: Die wissenschaftliche Basis, Shanghai, Februar 2001, übersetzt durch Greenpeace. Nachfolgend angegeben als „IPCC“.
5 IPCC. Siehe 4. In klimawissenschaftlichen Studien werden für gewöhnlich absolute Temperaturen in Grad Celsius, relative Veränderungen aber in Kelvin angegeben. Das IPCC indes hält sich hieran nicht.
6 IPCC. Siehe 4. Die angegebenen Wahrscheinlichkeiten werden im Anhang erläutert.
7 Dr. Wolfgang Enke, Freie Universität Berlin, Dipl. Met. Wilfried Küchler, Sächsisches Landesamt für Umwelt und Geologie, Werner Sommer, Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft, Klimaprognose für Sachsen - Zusammenfassender Bericht, Berlin 2000.
8 Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft, Die 10 größten Naturkatastrophen im Jahr 2000, NatCatSERVICE, München 2000.
9 Greenpeace Deutschland / Karsten Smid, Klimakollaps und Wetterextreme, Hamburg 2001.
10 Ebenda..
11 Deutscher Wetterdienst, Klimastatusbericht 1999, Offenbach, März 2000, S. 13.
12 Übereinkommen über weiträumige grenzüberschreitende Luftverunreinigung, 13.11.1979, BGBl 1982 II S. 372.
13 Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, 19.09.1987, BGBl. 1988 II S. 1015 und weitere.
- Citation du texte
- Nils Harder (Auteur), 2003, Das Kyoto-Protokoll - Ein völkerrechtlicher Vertrag unter Druck, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108628
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