Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zugang
3. Stadt – Großstadt
3.1 Großstadtbewegung & Film
3.2 Darstellung von Großstadt im Film
4. Gewalt und Kriminalität
4.1 Strukturierung des Gewaltbegriffes
4.2 Kriminalität
4.3 Gewalt & Kriminalität in der Großstadt
4.4 Darstellung von Gewalt & Kriminalität im Film
4.5 Darstellung von Männlichkeit und Gewalt
5. Der Film noir
5.1 Der klassische Film noir
5.2 Der moderne Film noir – neo Film noir
5.3 Großstadt und Gewalt im Film noir
5.4 Männliche Charaktere im Film noir
6. Forschungsfragen
7. Methode
8.‚Kiss Me Daddy Good Night’
9. Ergebnisse
10. Conclusio
Literatur
Anhang
1.Einleitung:
Wir haben den Film ‚Kiss Daddy Good Night’ von Peter Illy Huemer gewählt, der in das vorgegebene Feld Gewalt und Kriminalität fällt. Vor allem lenkten wir unser Interesse auf die Gewalt im Film, was sehr nahe liegt, denn dieser Streifen kann dem neo Film noir zugeschrieben werden, der inhaltlich mit der Thematik Gewalt und Großstadt spielt, so ist es auch in unserem gewählten Film. Wir entschieden uns vor allem die weiblichen, wie die männlichen Protagonisten und deren Gewalthandlungen näher zu betrachten, wobei meine Kollegin erstere Thematik gewählt hat und ich wende mich den männlichen Hauptfiguren zu.
Mein Erkenntnisinteressierte nun, was verbindet man mit Großstadt, wie wird diese im Film dargestellt? Was ist Gewalt, vor allem wie werden Männer mit Gewalt verbunden und welches Bild von NY zeichnet der Regisseur, wie geht er mit beiden Phänomenen um, wie stellt er sie da und präsentiert sie dem Publikum.
2. Zugang:
Film als Dispositiv für gesellschaftliche Visionen:
Ich nehme an, dass Film als Spiegel einer Gesellschaft fungieren kann. Zwar kann der Film immer nur einen artifiziellen Ausschnitt der Realität zeigen, dennoch kann man durch dieses Medium auf das Leben und Wirken der Menschen einer bestimmten Gesellschaft und Kultur rückschließen.
Der Film wirkt auch als abstraktes Produkt der Gesellschaft, er repräsentiert auf offenkundige Weise das „wirkliche Leben“ und nimmt eine abstrahierte, vom Leben getrennte Form an. Man kann weiters annehmen, dass private Probleme, wenn diese öffentliche Formen annehmen, in veränderter Form zu Tage treten, z. b. in Form eines Filmes mit Unterhaltungscharakter.
„Probleme die im Klatsch oder Alltagsgespräch erörtert werden, tauchen in vielen öffentlichen Formen auf, normalerweise jedoch in der Maske der >Unterhaltung<, zum Beispiel der Seifenoper [...]“[1]
Deshalb analysieren wir den Film nicht seiner selbst willen, sondern um durch seine Symbolik, Aussagekraft, usw. an die dahinterstehende Kultur heranzukommen und Einblick in diese zu erhalten.
Indem wir einen Text (Begriff nach Richard Johnson), auch ein Film kann als Text gelten, isolieren, können wir diesen in einem kulturellen Kontext untersuchen; wie er von den Rezipienten gelesen wird, inwieweit er Ausdruck einer gesellschaftlichen Norm oder Abnorm ist, oder grundsätzlicher wie und zu welchem Zweck er entstanden ist (zum Beispiel zu Schaffung eines Images eines Landes/Stadt/einer Gruppe).
„Der >Text< wird nicht mehr um seiner selbst willen und auch nicht wegen seiner möglichen gesellschaftlichen Auswirkungen analysiert, sondern wegen der subjektiven und kulturellen Formen, die er verwirklicht und zugänglich macht.“[2]
Film kann auch als Repräsentation eines Landes oder eben auch einer Großstadt gesehen werden. Da es dem Menschen zugrunde liegt sich einer Gemeinschaft zugehörig zu fühlen, kann Film auch ein Ausdrucksmittel dessen sein.
„Representation of the nation are themselves articularly important since they both produce and reproduce the dominant points of view [...]
[...] the various representations will enjoy a different status and will have different meanings. In effect, they will construct a different nation.“[3]
3. Stadt – Großstadt:
Ist ein selbstverständlicher Begriff, mit dem jedermann/frau in der Alltagssprache natürlich, ohne viel nachzudenken operiert. Auch Bewohnern ländlicher Gegenden wird es kaum schwer fallen, Stadt bzw. Großstadt mit einfachen Worten zu definieren, wie z. B. große Bevölkerungszahl, ausgebaute Infrastruktur, zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten, Theater, Museen, Bildungsstätten,... . Doch dieser Begriff von Stadt ist sehr allgemein gehalten und eine genaue Definition schwer zu erlangen.
Viele Wissenschafter und Wissenschaften haben sich über verschiedenste Epochen darum bemüht auf einen grünen Zweig in diesem Anliegen zu kommen, doch scheint es schwierig bis unmöglich, durch die variierenden Auffassungen innerhalb der verschiedenen Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsräumen der Erde und der unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Sogar bei den, nur von Geographen formulierten Begriffen von Stadt gab und gibt es enorme Unterschiede.
Der interessierte Leser begebe sich wegen Begriffsdefinitionen ins Internet[4]:
Fest steht, dass sich in allen Gebieten der Erde unter verschiedensten Siedlungen einige durch ihren besonderen Charakter und ihre Bedeutung hervortaten, ebendiese die wir als Städte bezeichnen. Sie haben die jeweilige Gesellschaftsordnung und ein wirtschaftliches System seit jeher wiedergespiegelt und gelten somit als Mittelpunkte menschlicher Aktivität und sind die Protagonisten der gesellschaftlichen Entwicklung.
Diese Ausführungen sollten uns soweit reichen, um ein besseres Verständnis über die Darstellung von Städten im Film zu erlangen.
3.1. Großstadtbewegung & Film:
Weiterführend ist hier nun von Interesse, wie es dazu kam, dass großen Städte entstanden sind und welche Rolle der Film in ihnen und sie im Film spielen.
Ausgangspunkt dieser Geschichte ist die Industrialisierung und Technisierung der Gesellschaft um 1900, eine Parallele zwischen dem Kino und dem entstehen eben dieser großen Menschenansiedlungen. Durch die Entstehung der Fabriken, bildeten sich schnell Ballungsräume um diese, die mit Arbeit und höheren Lebensstandard lockten. Menschen wurden als Produzenten benötigt, diese wiederum verließen ihr gewohntes Lebensumfeld, die Landarbeiter mutierten zu Fabrikarbeitern und trieben die rasche Expansion der Großstädte voran. Diese Menschen fanden sich nun eingepfercht in enge Lebensverhältnissen, oft entgegengesetzt zu ihren Erwartungen, kleine Wohnverhältnisse sowie schlechte Arbeits– und Lebensverhältnisse.
„Zur physischen Ausschöpfung kommt eine neue psychische Belastung, deren Kennzeichen die erzwungene Einpassung in die lineare Zeit der Industrieproduktion und der Großstadtbewegung zu sein scheint.“[5]
Die adäquate Entlastung dieser Zeit, heißt Film und Kino mit seiner Wegwendung von Wort zu Bild verspricht dies eine Flucht aus dem Alltag ohne sich noch mehr belasten oder anstrengen zu müssen. Das Kino mit seinen bewegten und bewegenden Bildern wurde ein Synonym für Modernisierung, Dynamik und schnelle Veränderung die dieser Zeit innewohnte und spiegelte somit den Zeitgeist wieder.
Die filmische Darstellung lässt die Menschen das ungewohnt Schnelllebige und Rastlose genussvoll erleben, ohne selber direkt davon betroffen zu sein, wobei es schwer genug sein musste sicher in der Bewegung der neu entstandenen Metropolen zurecht- und einzufinden, um dem Alltags(über)leben die Stirn bieten zu können. Vielleicht war der Film dabei sogar das geeignete Medium um den Menschen diesen Prozess zu erleichtern und wegweisend zur Seite zu stehen.
Diesen Ausführungen zu Folge sollte es nun niemanden mehr wirklich verwunderlich erscheinen warum sich der Film immer wieder der Großstadt als Thema und Motiv annimmt, wo doch Kino und Großstadt von Anbeginn an sich die Hand reichten und in eine Zukunft der bewegten Bilder blickten.
3.2. Darstellung von Großstadt im Film:
Hier lassen sich nun zwei Blickwinkel der filmischen Erfassung von Stadt unterscheiden, gleichsam des Vergleiches, der Heiligen und der Hure.
Als Vorderseite der Medaille ist sie Ausdruck des Großen und Neuen, der phantastischen Welt der Vielfalt und der unendlichen Möglichkeiten, der Dynamik von Zeit und Raum. Vor allem aber der modernen Lebensart, der Moderne an sich, fast als Repräsentantin der Moderne und der Modernisierung.
Als Rückseite der Medaille aber präsentiert sie sich von ihrer Schattenseite, als die Bedrohliche, zur Schau-Stellerin der Disfunktionalität einer menschlichen Gesellschaft bis hin zu Endzeitvisionen.
„Großstadt bedeutet das Anonyme, Unbekannte, sie ist das, was ‚draußen’ ist, was Angst macht [...]“[6]
Dabei wurde die Großstadt im Film bis in die 20er groß inszeniert, danach immer weiter reduziert, jedoch nicht in der psychischen Bewegung der Figuren, dennoch verkürzt „[...] weil die Stereotypen von Stadt und Verkehr in den Köpfen der Zuschauer präsent sind und dort nur noch abgerufen werden müssen.“[7]
Daraus folgt, dass in späteren Darstellungen von Großstadt, markante Merkmale dieser genügen um den Eindruck und damit das Brain Skript[8] von Stadt im Zuseher zu erwecken.
Unterschiedlicher als diese beiden Sichtweisen könnten sie nicht sein. Ich werde mich in späterer Ausführung vor allem dieser dunklen, angsteinflößenden, paranoiden Seite widmen, die dem film noir unter anderem seinen unverwechselbaren Charakter gibt.
4. Gewalt und Kriminalität:
Der erste Stolperstein der hier im Wege liegt ist ähnlich wie der, der uns schon bei der Definition Stadt begegnete. Es ist fast unmöglich eine allgemeine Definition von Gewalt zu geben.
Wie die meisten Definitionen, gerade in den Sozialwissenschaften, ist auch die von Gewalt kontextabhängig. Entsprechend viele Ansätze gibt es, die einen weiten Spielraum dessen tangieren, womit Gewalt in Verbindung gebracht werden kann.
Um aber den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, bleibe ich bei einer einfacheren Definition die allgemein verstanden werden soll.
Der Gewaltbegriff beinhaltet komplexe soziale Verhaltens- und Handlungszusammenhänge; Gewalt tritt in den unterschiedlichsten Ausprägungen auf, die von bestimmten Orten, Opfergruppen, Eigenschaften und Motivationen der Täter und einer Vielzahl weiterer Kriterien abgeleitet werden; als Beispiele seien hier Missbrauch (u.a. in Familien), schulische Gewalt, fremdenfeindliches Verhalten, Jugendgewalt genannt.
4.1. Strukturierung des Gewaltbegriffs nach Merten
Klaus Merten stellt sieben dichotomische Begriffskonstruktionen vor, die den Gewaltbegriff in seiner Vielseitigkeit strukturieren sollen:[9]
- personale versus strukturelle Gewalt: geht von einer konkreten Person aus, ihre Folgen sind sichtbar. Strukturelle Gewalt ist systemimmanent, die sich in ungleichen Machtverhältnissen und Lebenschancen, ungleicher Ressourcenverteilung und Entscheidungsgewalt äußert.
- physische versus psychische Gewalt: meint alle Formen von Verletzung, Zerstörung oder Einschränkung, die Menschen körperlich angetan werden.
- legitime versus illegitime Gewalt: Legitime Gewalt kann sich auf gesetzliche bzw. soziale Billigung oder Rechtfertigung berufen während Illegitime Gewalt sich dadurch auszeichnet, dass sie nicht durch Gesetze, Normen etc. gebilligt ist.
- individuelle versus kollektive Gewalt
- expressive versus instrumentelle Gewalt: unter instrumenteller Aggression werden die Verhaltensweisen gefasst, die als Problemlösungsmittel oder als Mittel zum Erreichen bestimmter Ziele fungieren, expressiver Art hingegen versteht man durch starke Affekte hervorgerufene Gewalt; diese soll, teils bewusst, teils unbewusst eingesetzt, aktuelle Spannungen entladen.
- intentionale versus nicht-intentionale Gewalt: Hierbei geht es um die Beurteilung von Gewalt nicht nur nach faktischem Ergebnis, sondern in erster Linie nach unterstellten, interpretierten zugrundeliegenden Absichten.
- manifeste versus latente Gewalt. Manifeste Gewalt ist schlicht sicht-, wahrnehmbar; der Begriff meint sprachliches oder körperliches aggressives Verhalten. Der Terminus der latenten Gewalt hingegen umfasst Kognitionen, Affekte, Emotionen – und ist folglich erst einmal nicht sichtbar.
4.2. Kriminalität
Da nun Gewalt ein Teil von Kriminalität ist, ist sie also eine Gewalt die verfolgt und sanktioniert wird. Kriminalität[10] wird gemäß gesellschaftlicher Normvorstellungen unterschiedlich definiert, da sie ein soziales Phänomen ist. Somit sind auch die Ursachen der Kriminalität im sozialen Bereich zu suchen und nicht im individuellen Bewusstsein oder in körperlichen Störungen. Sie hängt mit Moralität zusammen (Milieu, Erziehung, Ethik, etc.). Außerdem ist sie überall verbreitet und entsteht, wenn man ein abweichendes Verhalten aufweist, d.h., wenn die Regeln verletzt werden, die zuvor von der Gesellschaft aufgestellt wurden. Kriminalität beinhaltet also die amtlich bekannt gewordenen ,,Rechtsbrüche" durch abweichendes Verhalten. Ob ein Verhalten abweichend ist, hängt individuell von der Zeit, des Ortes und der Situation ab. Kriminalität spiegelt die soziale Empfindlichkeit einer spezifischen Gesellschaft wieder. Wird zum Beispiel dem ,,Privateigentum" in der Gesellschaft ein hoher Wert zugeschrieben, so werden vermehrt Handlungstaten auftreten, die dieses Rechtsgut verletzen.
4.3. Gewalt und Kriminalität in Großstädten:
Aus dem Alltagswissen heraus vermutet man schon, dass vor allem im städtischen Bereich eine Häufung von Gewalt, Aggression und somit auch Kriminalität zu beobachten ist. „Lorenz zu folge sind die Aggressions- und Tötungsmechanismen durch enges Zusammenleben, einer ständigen Vergrößerung der Städte und der Erfindung von Waffen deformiert worden.“[11]
Dies ist eine von vielen Theorien, warum gerade im städtischen Kontext eine Ballung an Gewalt vorherrscht, oder auch nicht auffällig hoch ist, hier scheiden sich die Geister. In diesem Abschnitt nun soll die Grundtheorie, anhand anderer hervorgingen dargestellt werden.[12]
Gegen Ende der 70er Jahre wurde der Grundstein der delinquenzsoziologischen Theorienansätze gelegt von der US-amerikanischen Soziologin Ruth Kornhauser, die drei Grundmodelle entwickelte, auf die sich alle danach folgenden Theorien stützen. Diese drei Modelle benennt sie als – Spannungstheorie, - Kontrolltheorie, und – Subkontrollentheorie.
- Spannungstheorie: erklären Kriminalität als Folge der Unterschiede zwischen ungleicher Verteilung von Ressourcen und den Erwartungshorizonten gesellschaftlicher Mitglieder.
- Kontrolltheoretische Ansätze: Kriminalität ist die Folge mangelnder sozialer Kontrolle über das Verhalten und die fehlende Bindung der Mitglieder der Gesellschaft.
- Kulturtheoretische Ansätze: interpretieren Kriminalität als Folge des Konfliktes zwischen unterschiedlichen kulturell vermittelten Handlungsnormen.
Diese Modelle scheinen mir für die Sichtweise mit der ich an das später folgende Filmbeispiel „Kiss Daddy Good Night“ herangehen möchte besonders geeignet, da sich vor allem die ersten beiden dafür besonders gut eignen.
4.4. Darstellung von Gewalt und Kriminalität im Film:
Warum die Darstellung und Darbietung von Gewalt im Film sich im Laufe der Jahre verändert hat, geht vor allem von der sozialwissenschaftlichen Debatte des gesellschaftlichen Wertewandels aus. Dieser postuliert, dass die verschiedenen Normen und Werte, die ihren Zeiten angepasst war, nur eine entsprechende Darstellung in den Medien zuließen. „Die Erkenntnisse der ‚Wertewandel’-Debatte sind in Bezug auf die Tabubereiche ‚Sexualität und Gewalt’ zentral, denn hier geht es um die gesellschaftliche Akzeptanz des Darstellbaren.“[13]
Das heißt das infrage kommende Darstellungsspektrum ergibt sich gezwungener weise aus der Vermutbarkeit, was die Gesellschaft zu akzeptieren vermag in einer bestimmten Zeit, damit liegt es nicht nur an den Regisseuren oder Drehbuchautoren, was sie zeigen möchten, sondern vor allem an den Rezipienten, was diese vertragen.
Erste Untersuchungen zu Gewaltdarstellungen haben zwischen personaler Gewalt und struktureller Gewalt unterschieden. Wobei man bei ersterem alle Formen von physischer und psychischer Gewalthandlungen, die zwischen Personen oder Personen und Gegenständen stattfinden können versteht; bei zweiterem versteht man alle Formen, die in den gesellschaftlichen Strukturen die aus ungleichen Herrschafts- und Machtverhältnissen entstehen.[14]
Von Rezipientenseite her und ihrer Wahrnehmung eröffnen sich ebenfalls interessante Sichtweisen von Unterscheidungen der Gewaltdarstellung die mir bei der Analyse des Beispielfilm von Hilfe sein werden. Nämlich die Unterscheidung zwischen Reale und fiktionale Gewalt und gerechtfertigte vs. ungerechtfertigte Gewalt.
- Reale und fiktionale Gewalt: fiktionale Gewalt zeichnet sich durch Realitätsferne aus, z. B. die Gewaltdarstellung in Zeichentrickfilmen oder unrealistischer Vorgehensweisen des Täters.
- Gerechtfertigte vs. ungerechtfertigte Gewalt: gerechtfertigt wird ein Gewaltakt dann wahrgenommen, wenn der filmische Aggressor aus subjektiver Sicht des Zuschauers mit seinen Handlungen das moralische Gleichgewicht wiederherstellt.[15]
Obwohl ich im weiteren Verlauf dieser Arbeit nicht näher auf die rezipientenorientierte Analyse eingehen werde, erscheint es mir doch als sinnvoll diese Ausführung gegeben zu haben, denn damit wird im Verlauf, der Beschreibung der Charakteren der männlichen Protagonisten, wie mir scheint einiges klar werden
4.5. Darstellung von Männlichkeit und Gewalt:
Die allzu oft wiedergekäuten Stereotype von Männlichkeit kennt jeder aus der Alltags- wie aus der Medienerfahrung, sie sind das vermeintlich starke Geschlecht, die Aktiven, die Kräftigen, die ‚Abräumer’, usw. dies kann durch eine Vielzahl von Theorien und Modellen widerlegt werden oder nicht, sei es ein Konstrukt oder biologischer Ursache, dass Männer die Oberhand haben oder nicht, das tut hier nichts zur Sache. Es ist so wie es ist, wir leben in einer stark patriarchal ausgerichteten Welt und wenn man nun die Medien, denen auch der Film angehört als Spiegel der Gesellschaft sieht, ist es kaum verwunderlich, dass wir den immer gleichen ‚Helden’ oder besser ‚Musterknaben der Männlichkeit’ begegnen. Dabei wollen wir unser Augenmerk auf die Stereotypen der gewalttätigen Männer legen.
- Der Rambo-Typ: er vermeint nur schlechtes und böses in dieser Welt, setzt präventiv zum Angriff an aus purer Bedrohung heraus. Er vermittelt das Bild des Jägers nach dem Motto: ‚will Mann nicht untergehen, so muss er den Gefahren trotzen, sich zur Wehr und durchsetzen.’ Das einzige Konfliktlösungsmuster scheint für ihn Gewalt zu sein, es ist das Mittel, das die Welt wieder ins Lot bringt.
- Der einsame Wolf: nicht genug, dass der Mann sich in einer Welt befindet, die voller Gefahren steckt und zum Kampf herausfordert, nein dieses heroische (Über-) Leben kann nur gewährleistet werden durch alleiniges und einsames Bestehen der Gefahren.
- Der Einsame der geliebt werden will: doch jede, auch die härteste Nuss hat einen weichen Kern, so auch die starken, einsamen Männer die nach Liebe streben, die Liebe der Gesellschaft oder vorzüglich einer Frau, so kommt es vor, dass sie sich für kurze Momente erweichen lassen und die Gewalt für einen Augenblick zur Seite schieben.[16]
Nach dieser trivial anmutenden Ausführung wie sich die gewalttätigen ‚Helden’ vor allem in Filmen des großen Hollywood-Kinos zeigen, wird man doch mit Schmunzeln feststellen können aus eigener Erfahrung, dass so lustig es klingen mag, sehr wohl der Realität entspricht. Diese einseitige Darstellung von Männlichkeit im Film ist zum Glück jedoch nicht die einzige.
5. Der film noir
Nacht, Dunkle Gassen, schäbige Bars, zwielichtige, gebrochene Figuren – ein Dschungel der Abgründe und Amoral. Das sind die Stichworte die den film noir so unverwechselbar machen. Die Diskussion kreist um das Problem der Definition, was ist ein film noir, ist er Genre, Gattung, eine art „period“ oder „movement“?[17] Die Kritiker werden sich darüber nur seht schwer einig werden können, denn vor allem im modernen film noir, dem neo noir, stehen viele Filme und Richtungen unter dem noir-Stern. „Film noir ist also Ausdruck, nicht Inhalt. Seine Wahrheit geht von den Bildern aus, niemals von der Geschichte – geschweige denn von einem intendierten Sinn, der sich über die Geschichten stellt.“[18] Damit kann man davon ausgehen, dass nicht wirklich die Geschichte an sich einen Film noir ausmacht sondern die Ästhetik die davon ausgeht, die typische Schwarz-Weiß-Malerei, auch wenn es in Farbe gedreht wurde, wie bei den neuen noirs, die gebrochenen Helden die triste Welt, die ein Überleben fordert die alle Kraft erfordert und die keine Schwäche duldet. „Film noir ist pure Oberfläche, die Dschungel geworden ist für Gedanken und Gefühle, und Tummelplatz für Schicksal und Gewalt und Tod.“[19] Diese Filme stehen meist in enger Beziehung zu der soziokulturellen Geschichte der USA. So werden wir die Stadt und seine Bewohner noch in den nachfolgenden Kapiteln kennen lernen.
5.1. Der klassische Film noir – gesellschaftliche Hintergründe:
Interessant erscheint, dass die Wurzeln des Film noir im deutschen expressionistischen Stummfilm liegen, die bereits sehr früh mit Licht-Schattenexperimenten spielten, obwohl die Inhalte als typisch amerikanisch gelten, sind viele Filmemacher aus Europa gekommen, meist aus Deutschland und Österreich. Erkannt wurde die Besonderheit der Ästhetik jedoch in Frankreich, deren Kritiker dem Film noir auch seinen Namen gaben.[20]
Diese Epoche begann in den 40ern und erreichte ihren Zenit in den 50er Jahren. Eine Zeit in der zu Beginn, kurz nach dem Krieg Sparsamkeit, Bescheidenheit und Enthaltsamkeit funktional für die Bewältigung des Alltagslebens waren. Als der Film noir jedoch seinen Höhepunkt erreichte, in den 50ern war die gesamte westliche Welt schon auf die Konsumwelle aufgesprungen, verstärktes Konsumverhalten und die Betonung der materialistischen Aspekte, führte zu veränderten Lebensbedingungen. Arbeitsteilung, Rationalisierung, Bürokratisierung und in der Folge zunehmende Entpersönlichung und Anonymität, sind als Stichworte zu erwähnen.[21] Zwei Phänomene haben das soziale Klima dieser Zeit und somit auch den Film noir beeinflusst, die popularisierte Psychoanalyse und die Jagd auf Kommunisten und Liberale. „Film noir reflektierte das moralische Chaos der Zeit, irrational und ohne Ordnung, mit Gewalt als einzig möglich erscheinende Antwort, Waffen die mehr als Argumente zählen, korrupten Politikern und Kriminellen an der Spitze [...]“[22]. Somit gilt der Film noir als Gegenpart zum American Dream, indem die Schattenseiten nicht wertend aber sehr wohl darauf hinweisend dargestellt werden. „Der film noir handelt immer von einer Krisensituation [...] die Krisen sind psychologisch motiviert und verweisen auf eine tiefere allgemeine Krise gesellschaftlicher oder existentieller Art.“[23]
5.2. Der moderne Film noir, Neo noir – gesellschaftliche Hintergründe:
Die technische Entwicklung brachte in den 60er -70ern mit sich, dass Filmemacher auch in Farbe ausdrücken konnten, so übernahmen sie die Charakteristika des klassischen Film noirs in die Zeit des Farbfilmes. Es ließen sich sogar noch bessere Effekte des Licht-Schattenspiels in Farbe erzielen und somit die klassische noir-Beleuchtung fortsetzen. Der europäische Einfluss ist ähnlich wie im klassischen Film noir auch hier nicht wegzuleugnen, denn in diesem Zusammenhang kann man von einer wechselseitigen Beeinflussung zwischen der amerikanischen und den europäischen Filmemachern sprechen, da der europäische Film nun auch dem amerikanischen Publikum verstärkt zugänglich wurde.
Diese Periode war stark beeinflusst durch das politische Klima der USA, das seit den 60er – 70er Jahren von Rassenkonflikten, politischen Attentaten, Regierungsskandalen und Kriegen gekennzeichnet war. Die amerikanische Gesellschaft rückte stark nach rechts und eine Rebellion gegen konservative Autoritäten brach vom Zaun; das Establishment wurde als überholt empfunden, somit auch die patriachalen Familienstrukturen die als Herd der Unterdrückung der Frau gesehen wurde, die Exekutive wurde mehr als Feind als, als Freund gesehen und Drogenerfahrungen und offen wie freigelebte Sexualität standen im Zeichen der Veränderungen und im Mittelpunkt der Rebellion.[24] Die große noir – Welle schien vorbei, doch der Schein trügt, denn in Wirklichkeit starb er nie aus bis in die 80er 90er, wo er sich in seiner vollen Blüte wieder präsentiert.
5.3. Großstadt und Gewalt im Film noir:
„Hauptdarsteller ist die Großstadt in Hollywoods Schwarzer Serie.“[25] Sie spielt in den Filmen einen eigenen Charakter, der den anderen Protagonisten gleichwertig ist. Die Stadt wird als große Hure beschrieben, wie ich weiter oben schon erwähnte, sie ist die Verlockung und Vernichtung zugleich, undurchsichtig und durch und durch vom Bösen durchwirkt, ein Konglomerat aus Abenteuer und Gefahr, Verzweiflung und Gewalt. Ein Labyrinth, aus dem es kein Entkommen gibt, das jedoch eine magische Anziehungskraft besitzt und die seinen Bewohnern keine Sicherheit und Verwurzelung bieten kann. „film noirs sind Reisen durch den Asphalt- und Beton-Dschungel der amerikanischen Großstadt [...] sind Horrortrips zu den Randzonen einer Gesellschaft, deren moralische Kategorien versagen [...]“[26] Sie ist ein unsicherer und gefährlicher Ort und wird als schmutzig, verdorben und dekadent gezeichnet. Der Zuschauer findet im Film noir immer wiederkehrende Schauplätze, enge Wohnungen, verwinkelte Stiegenhäuser, sterile Appartements und oft schmuddelig anmutende Zimmer bilden den Raum indem sich die Protagonisten bewegen; diese „[...] symbolisieren den Zustand der Charaktere.“[27]
Auch Gewalt und Kriminalität, spielen in diesen Filmen eine große Rolle, die Anonymität die in den Strukturen der Großstadt herrschen, erleichtern es den Pfad des Bösen einzuschlagen und oftmals werden diese Taten durch das Lebensumfeld legitimisiert. Die Protagonisten können oftmals gar nicht anders, als in die Kriminalität abzutriften sonst wäre ein Überleben für sie nicht möglich, so wird es einem jedenfalls vermittelt. Borde/Chaumeton beschreiben dies mit den Worten, „Im Film noir wird dem Publikum eine ziemlich positive Schilderung des Verbrechermilieus geboten, attraktive Killer und anrüchige Polizisten. Gut und Böse liegen so nahe beieinander, dass man sie leicht verwechseln kann.“[28]
Es gibt Untiefen denen keiner entkommen kann, so auch nicht die Helden dieser Geschichten, sie sind gleichsam aus dem Paradies verstoßene, die sich in einer Welt der Verirrungen und der negativen Energien durchschlagen müssen, wo nichts mehr klar ist und alles aus den Fugen, alles ambivalent eine Konfusion aus Leidenschaft und Gewalt. Ab den 60ern wird dieses Bild von Stadt gezeichnet, denn die Modernisierung zusammen mit Urbanisierung bewirkte unausweichlich einen Anstieg der Kriminalität, dies deshalb da in den Großstädten ein Zerfall sozialer Bindungen und soziale Integration sowie wachsender individueller Desorientierung führte. „Es wird durch eine Tradition sozialwissenschaftlichen Denkens genährt, welche die Stadt als Vorreiterin einer Zerfallsdynamik interpretiert, die durch den Niedergang intimer Kommunikationsnetze, Oberflächlichkeit, Anonymität und Vereinsamung gekennzeichnet ist.“[29]
5.4. Die männlichen Charaktere im Film noir:
Es sind allesamt Anti-Helden die sich in diesem Genre herumtreiben, schwache oder latente Gemüter die ein Schicksal aufgezwungen bekommen haben, durch das Schicksal das sie auf Schritt und Tritt zu verfolgen scheint. Die Vergangenheit lässt sie nicht aus ihrem eisernen Griff. Dabei unterscheiden sie sich laut Alain Silver und Elizabeth Ward durch zwei Charaktermerkmale die für sie kennzeichnend sind „alienation“ und „obsession“. Für Michael Walker ergeben sich daraus zwei typische Protagonisten: der „seeker-hero“ und der „viktim-hero“. Eine Welt in denen Männern nichts mehr gelingt, treten Frauen auf, die sie noch mehr ausnehmen, noch mehr quälen.[30] Waren es zu Beginn noch Privatdetektive, jene einsamen Wölfe, die das Publikum sofort beim ersten Augenblick mit dem Film noir verbanden, die sich durchs Leben schlagen mussten, wobei ihnen meist von einer Frau, die auch der Grund für die psychischen Verwirrungen des Mannes war, ein Strich durch die Rechnung gemacht wurde. Die Helden des klassischen Film noir, wählten jedoch ihr Schicksal noch selbst. Der Übergang zu dem absolut Bösen in den modernen Film noirs, den Neo film noirs ist fließend.[31] Im neo film noir erweitert sich da Repertoire um erweiterte Charaktere, wie der Detektiv der die Sache nicht besser macht, sondern nur noch schlechter und die Figur des Psychopaten wird zur Standardfigur. Dies passt vor allem auf die 80er in denen auch mein Beispielfilm gedreht wurde, in einer Zeit in der Männer mit ansehen müssen wie Frauen erfolgreich ihren Beruf und Privatleben meistern und ihnen scheinend ihren ureigensten Raum nehmen und ihre Stellung in der Gesellschaft streitig machen, so konnte sich auch die Frau als Täterin durchsetzen. Diese Filme zeigen vor allem die dunkle Seite der menschlichen Natur. „Die Innenwelt wird als Außenwelt abgebildet. Dass die Protagonisten des film noir in der Regel verbitterte, vereinsamte und gebrochene Charakter sind, stützt diese These.“[32]
6. Forschungsfragen:
Nun zu über mein Erkenntnisinteresse, das in der Einleitung schon zur genüge ausgeführt wurde, nämlich wie die männlichen Figuren im neo film noir, in den dunklen Weiten der Großstadt zurechtkommen, und wie diese dargestellt werden mit ihren Problemen zu leben, zu meinen Forschungsfragen.
FF1: Wie gehen die männlichen Protagonisten im Film mit Gewalt um und wie wird dies dargestellt?
FF2: Ist Gewalt als Darstellung einer Beziehungskomponente zu sehen?
FF3: Wird die Gewalt von Männern im Film sanktioniert, oder gilt sie als selbstverständliche Überlebensstrategie?
FF4: Welche Stellung gibt der Filmemacher Gewalt, vor allem männlicher Gewalt im Film?
FF5: Welche Arten von männlicher Gewalt werden im Film dargestellt und zu welchem Ziel führt diese?
FF6: Wird Gewalt im Film als eine Art Kommunikationsmittel von Männern präsentiert?
FF7: Werden Männer mit ihrer Gewalt als Verlierer dargestellt?
FF8: Spiegelt sich die Gewalt in der Darstellung der Stadt wieder?
7. Methode:
“obwohl das Studium des Films keine streng Wissenschaft ist, kann es sich wissenschaftlicher Methoden bedienen.“[33] Im Mittelpunkt unseres Interesses steht jedoch in der Analyse nicht die technischen Mittel, sondern viel mehr der soziale Aspekt, so zogen wir das Skript des Seminars heran „Spielfilme verstehen“ (im Anhang) und lehnten unsere Analyse daran an.
8. „Kiss Me Daddy Good Night”
Der Film des österreichischen Regisseur Peter Illy Huema, wurde 1987 in NY gedreht und spielt auch in der Stadt; er handelt von einer jungen Frau, die ihren Lebensunterhalt damit verdient, Männer mittleren alters, der gehobenen Klasse aufzureißen und auszurauben, dabei ist sie in den Dingen die sie stiehlt anspruchsvoll, außer Geld nimmt sie nur Sachen die ihr gefallen. Ihr Nachbar, der einen Stock höher wohnt ist ein älterer Dichter und Schriftsteller, William der in ihr seine verlorene Tochter sieht, zu dem sie ein eher freundschaftlich, distanziertes Verhältnis hat. Eines Tages kehrt Sid nach NY, der nach ‚Turbulenzen’ bei ihr Unterschlupf sucht, dem sie ihm auch gewährt, ihm scheint daran gelegen seinen alten Freund Johnny wieder zu finden, mit dem er eine Band gründen will. Das passt ihrem Nachbarn William gar nicht in den Kram, denn er beansprucht Laura für sich, ohne dass sie zu merken scheint, dass er eifersüchtig ist, inszeniert er eine Intrige. Seine Vermutungen sind nicht ganz falsch, denn nach einem Streit der beiden Jungen, entwickelt sich unverhofft eine Anziehung zwischen ihnen. Ein vermeintlich Unbekannter ermordet Lauras Mutter, den sie auf frischer Tat ertappt, jedoch nicht erkennt, sie verletzt ihn an der Hand. In Folge vermutet sie, dass Sid der Mörder ist, doch dieser ist auf die Spielchen Williams hereingefallen. Erst als sich die Lage zuspitzt und William, Laura seine Liebe gesteht und sie fast vergewaltigt durchschaut sie das böse Spiel. Es nimmt ein tödliches Ende mit William.
‚Kiss Me Daddy Good Night’ ist ein farbiger Film noir der in Amerika gute Kritiken bekam und der auch in Österreich hoch gelobt wurde, erstaufgeführt bei den Österreichischen Film Tagen, Wels 1987.
9. Ergebnisse:
FF1: William, der vermeintlich väterliche Freund Lauras macht den Eindruck, als sähe er Gewalt als Lösungsansatz, um Laura ihn lieben zu lassen und damit seine Einsamkeit in den Griff zu bekommen. Indem er Laura verfolgen lässt und sie nach einem ihrer Übergriffe, an einem ihrer männlichen Opfer, in die Enge treibt nämlich in eine nächtliche Sackgasse, sie somit zu Tode ängstigt und er darauf vertraut, dass sie ihm vertraut und sie tatsächlich bei ihm Hilfe sucht, versucht er Macht über sie zu gewinnen und sie dadurch für sich alleine zu haben. Er versucht mit Psychoterror sie von sich abhängig zu machen, noch mehr indem er ihre Mutter ermordet, durch eine Intrige es ihrem Freund Sid in die Schuhe schiebt und Laura damit isolieren will und für sich alleine zu haben. Auch mit den Aussagen, dass sie niemandem vertrauen kann (‚you can’t trust anyone“) außer ihm natürlich, impliziert die Gehirnwäsche die er ihr angedeihen lassen will um sie in seinen Besitz zu bringen und seine Einsamkeit loszuwerden. An die Spitze der Gewalt treibt er die Handlung indem er, als sie entdeckt wer der wahre Mörder ihrer Mutter ist, versucht Laura mit Gewalt zu nehmen, soll heißen er macht Anstalten sie zu vergewaltigen um sie endgültig in seinen Besitz zu bringen. Diese Handlungsstrukturen lassen auf den klassischen Psychopathen schließen, der ,wie im theoretischen Teil bereits erwähnt, im neo film noir eine klassische Figur ist.
Sid, der alte Freund Lauras ist ein Kleinkrimineller, der Plattenläden ausgeraubt hat, weswegen ihm die Polizei auf den Fersen ist und er bei Laura Unterschlupf findet. Dies wird im Film eher als Kavaliersdelikt gehandelt, gut ersichtlich in den Aussagen Lauras und Sids. Auf die Frage Lauras was die Polizei von ihm will, erwidert er: ‚robberies of music stores’ Lauras Antwort darauf in zynischem Tonfall: ‚Your breakthroug in music business?’ Was deutlich macht, dass dies nicht als schlimm empfunden werden muss, denn Sid ist ein gescheiterter Musiker. Somit kann diese Gewalt oder Kriminalität vom Rezipienten als gerechtfertigte Gewalt (wie in Kapitel, Darstellung von Gewalt und Kriminalität im Film dargestellt) wahrgenommen werden, denn das Leben hat dem armen Menschen wirklich übel mitgespielt. Sid kann somit auch als typischer film noir Anti-Held gesehen werden, gescheitert und desorientiert, sozusagen vom Weg abgekommen.
FF2: Gewalt als ‚Beziehungskomponente’ erkennt man am deutlichsten zwischen Laura und ihren männlichen Opfern, denn es ist die einzige Beziehungsebene auf denen sie sich bewegen. Beide Opfer sind großspurige reiche Männer mittleren Alters, vor allem der Erste sieht auf sie herab, ist anzüglich und von sich selbst überzeugt (Auf die Frage Lauras was er so ist, antwortet er „I’m rich“). Beide Männer betäubt sie im Stil der klassischen noir filme mit Schlafmittel, einmal in der Verkleidung der femme fatale, das andere mal als biedere Studentin, überwältigt sie und raubt sie aus, mit einer Kaltblütigkeit und Emotionslosigkeit, die nur als brutal um schreib bar ist.
FF3: Im herkömmlichen Sinne von sanktioniert durch die Polizei, wird keiner von den Gewaltakten. Sids Kriminalität, wie in FF1 erläutert wird geduldet und nicht sanktioniert und gilt in seiner Vergangenheit als natürliche Überlebensstrategie. Williams Gewalthandlungen hingegen werden von ihm selbst sanktioniert indem er sich quasi selbst richtet, indem er Laura am Ende seiner nicht zum zielführenden Versuche sie zu besitzen, ins Messer bzw. in den Dolch läuft und sich somit aufspießt.
FF4: Es ergibt sich der Eindruck, dass Gewalt und Kriminalität in diesem Film als Stilmittel für Beziehungslosigkeit und das Nichteingebundensein (im Sinne des Kontrolltheorieansatzes von Ruth Kornhauser in 4.3) an die Gesellschaft in der Großstadt, dient. Auch die Spannungstheorie der gleichen Autorin findet hier Berechtigung, Kriminalität als Folge der Unterschiede zwischen ungleicher Verteilung von Ressourcen, wie sie sich zwischen den reichen Opfern und Laura darstellen.
FF5: So einfach gestrickt, wie in meinem Kapitel von der Darstellung männlicher Gewalt im film in Kap. 4.5 stellen sich die männlichen Protagonisten in diesem Film bei weitem nicht dar. William, den ich als Psychopathen skizziert habe, ist zwar der Einsame der geliebt werden will, und er versucht dies auch sowohl mit subtiler wie roher Gewalt oder anders formuliert mit psychischer und physischer Gewalt (Kap. 4.1.) zu erreichen, doch ist er sicherlich kein unüberlegter Gewalttäter, sondern eher von krankem Gemüt, ein wenig psychopathisch wirkt er, verfolgt von seiner Vergangenheit, seinem Schicksal die Tochter verloren zu haben (gekennzeichnet durch eine Rückblende, die den Abschied seiner Tochter zeigt, ein klassisches narratives Stilmittel des film noir), die ihn einholt und ihn zum Täter macht – ein weiteres inhaltliches Zeichen des klassischen Film noirs.
Sid hingegen zeigt keine Anzeichen von Gewalttätigkeit, höchstens in dem Sinn von Überlebensstrategie und Selbstverteidigung.
FF6: Dieser hypothetischer Denkansatz konnte nicht bestätigt werden.
FF7: Die Antwort auf diese Frage ähnelt der, der FF3. Verliere gibt es in dem Sinne in dem Film nicht, außer William vielleicht der sein Leben lässt, wegen seiner Gewalthandlungen.
FF8: NY wird hier als klassische film noir–Stadt gezeichnet, kalt, unfreundlich, dunkel, morbid. Diese Stadt ist ein Labyrinth der Dunkelheit und der Anonymität, dies zeichnet sich durch die namenlosen Bars und Strassen aus. Eine Stadt die nichts schenkt, keine Sicherheit, keine Geborgenheit, verwinkelte Strassen und Stiegenhäuser konfuses Licht und regennasse Strassen sind hierfür der Ausdruck. Ein Ort an dem an jeder Ecke das böse lauert und der einen beobachtet, verstärkt wird dieser Eindruck durch Lauras ständigen Verfolger in einem dunklen Wagen der ihr an den Fersen haftet, der von William engagiert wurde.
10. Conclusio:
Unbestritten kann in ‚Kiss Daddy Good Night’ klassisch dem neo film noir, NY stilistisch als „Hure“ (im Sinn wie in Kap.3.2 beschrieben) gesehen werden. Als Spiegel der Gesellschaft der 80er Jahre betrachtet, kann man nun sagen, dass ‚The American Dream’ sehr wohl seine Schattenseiten hat und dies im Gegensatz zu den großen Hollywood Produktionen manchen Regisseuren noch ein Anliegen ist, auch diese Seite dem Publikum zugänglich zu machen. Auch das Bild von Männlichkeit und Gewalt, wie durch die Stellungnahme zu den Forschungsfragen deutlicher geworden ist, zeigt sich in diesem Film nicht als das herkömmliches Stereotyp. Erleichternd, dass zwar unter dem Stichwort Independent-Film diese Sichtweise den Menschen als sprichwörtlicher Spiegel vorgehalten und als Utopie nähergebracht wird, als beängstigende und paranoide zwar, doch auch dieser artifizielle Ausschnitt der Realität zeigt, wie man dennoch durch dieses Medium auf das Leben und Wirken der Menschen einer bestimmten Gesellschaft und Kultur rückschließen kann.
Literatur:
Turner, Grame: Film as Social Practice. London: Routledge 1993.
Irmbert Schenk: Dschungel Großstadt. Marburg: Schüren 1999.
Knut, Hickethier: Filmische Großstadterfahrung im neueren deutschen Film. In: Irmbert, Schenk: Dschungel Großstadt. Marburg: Schüren 1999.
Christian, Mikunda: Der verbotene Ort oder die inszenierte Verführung. unwiderstehliches Marketing durch strategische Dramaturgie Düsseldorf: Econ , 1998.
Merten, Klaus: Gewalt durch Gewalt im Fernsehen?. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 1999.
Jubelius, W. / Stein- Hilbers, M.: Vermittlung von Informationen über Kriminalität in Massenmedien. Überlegungen zur Erklärung unterschiedlicher Bewusstseinsinhalte, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsform 60, Heft 3. 1977.
Manfred, Bagl: Gewalt im Film – Der Einfluß des Kontextes auf die Wahrnehmung und Bewertung von filmischer Gewalt. Dipl. Arbeit. Wien 1998.
Johnson, Richard. – nähere Angaben nicht möglich, da aus dem Handapparat entnommen.
Manuel, Eisner: Das Ende der zivilisierten Stadt? Die Auswirkungen von Modernisierung und urbaner Krise auf Gewaltdelinquenz. Frankfutr/NY: Campus Verlag. 1996.
Andreas Vogel: Gesellschaftliche Hintergründe der 70er und 80er Jahre – zum Problem des Wertewandels. In: W. Faulstich und A. Vogel: Sex und Gewalt im Spielfilm der 70er und 80er Jahre. Bardowick: Wissenschaftler-Verlag. 1991.
.
Michael, Sellmann: Hollywoods moderner film noir. Tendenzen, Motive, Ästhetik. Band 17 der Kieler Beiträge zur Anglistik und Amerikanistik. Kiel: Königshausen & Neumann 2001.
Norbert, Grob: Labyrinthe in Schwarz. Dschungel Großstadt und film noir. In: Irmbert, Schenk: Dschungel Großstadt. Kino und Modernisierung. Marburg : Schüren. 1999.
Vinzenz B. Burg: Auf dem Weg zu einer objektiven Filminterpretation? In: film-dienst. Hrsg. Katholisches Institut für Medieninformation. 40. Jahrgang. Ausgabe 8. 22. April 1987.
Die Stadt – Definition, Terminologie und Klassifikation. http://userpage.fu-berlin.de/~bressler/geoskript/siedl1.htm (24. 07. 2002)
http://www.uni-koeln.de/ew-fak/psycho/Petzold/referate/giesen.htm (26. 07.2002)
Inszenierung der Geschlechter – wie Medien (kleine) Männer machen. http://www.uni-leipzig.de/~schorb/inszenierung.htm (24. 07. 2002)
[...]
[1] Johnson, Richard. – nähere Angaben nicht möglich, da aus dem Handapparat entnommen
[2] ebd.
[3] Turner, Grame: Film as Social Practice. London : Routledge 1993 S. 136
[4] Vgl. Die Stadt – Definition, Terminologie und Klassifikation. http://userpage.fu-berlin.de/~bressler/geoskript/siedl1.htm
[5] Irmbert Schenk: Dschungel Großstadt. Marburg: Schüren 1999, S. 7
[6] Knut, Hickethier: Filmische Großstadterfahrung im neueren deutschen Film. In: Irmbert, Schenk: Dschungel Großstadt. Marburg: Schüren 1999, S. 191
[7] ebd. S. 200
[8] Vgl. Christian, Mikunda: Der verbotene Ort oder die inszenierte Verführung. unwiderstehliches Marketing durch strategische Dramaturgie Düsseldorf : Econ , 1998.
[9] Vgl. http://www.uni-koeln.de/ew-fak/psycho/Petzold/referate/giesen.htm und Merten, Klaus: Gewalt durch Gewalt im Fernsehen?. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 1999.
[10] Vgl. Jubelius, W. / Stein- Hilbers, M.: Vermittlung von Informationen über Kriminalität in Massenmedien. Überlegungen zur Erklärung unterschiedlicher Bewusstseinsinhalte, in: Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsform 60, Heft 3. 1977
[11] Manfred, Bagl: Gewalt im Film – Der Einfluß des Kontextes auf die Wahrnehmung und Bewertung von filmischer Gewalt. Dipl. Arbeit. Wien 1998, S. 12
[12] Vgl. Manuel, Eisner: Das Ende der zivilisierten Stadt? Die Auswirkungen von Modernisierung und urbaner Krise auf Gewaltdelinquenz. Frankfutr/NY : Campus Verlag. 1996.
[13] Andreas Vogel: Gesellschaftliche Hintergründe der 70er und 80er Jahre – zum Problem des Wertewandels. In: W. Faulstich und A. Vogel: Sex und Gewalt im Spielfilm der 70er und 80er Jahre. Bardowick: Wissenschaftler-Verlag. 1991, S. 12
[14] Vgl. ebd.
[15] Vgl. Manfred, Bagl: Gewalt im Film – Der Einfluß des Kontextes auf die Wahrnehmung und Bewertung von filmischer Gewalt. Dipl. Arbeit. Wien 1998.
[16] Vgl. Inszenierung der Geschlechter – wie Medien (kleine) Männer machen. http://www.uni-leipzig.de/~schorb/inszenierung.htm
[17] Vgl. Michael, Sellmann: Hollywoods moderner film noir. Tendenzen, Motive, Ästhetik. Band 17 der Kieler Beiträge zur Anglistik und Amerikanistik. Kiel: Königshausen & Neumann 2001. S. 15
[18] Norbert, Grob: Labyrinthe in Schwarz. Dschungel Großstadt und film noir. In: Irmbert, Schenk: Dschungel Großstadt. Kino und Modernisierung. Marburg : Schüren. 1999. S. 133.
[19] Ebd.
[20] Vgl. Michael, Sellmann: Hollywoods moderner film noir. Tendenzen, Motive, Ästhetik. Band 17 der Kieler Beiträge zur Anglistik und Amerikanistik. Kiel: Königshausen & Neumann 2001.
[21] Vgl. Andreas Vogel: Gesellschaftliche Hintergründe der 70er und 80er Jahre – zum Problem des Wertewandels. In: W. Faulstich und A. Vogel: Sex und Gewalt im Spielfilm der 70er und 80er Jahre Bardowick: Wissenschaftler-Verlag. 1991, S. 12
[22] Michaela Ambos: Die Entwicklung des amerikanischen Film noir zum Neo noir, dargestellt anhand der Figur der „Femme fatale“. Diplomarbeit. Wien 2001, S. 17.
[23] Norbert, Grob: Labyrinthe in Schwarz. Dschungel Großstadt und film noir. In: Irmbert, Schenk: Dschungel Großstadt. Kino und Modernisierung. Marburg : Schüren. 1999, S. 135.
[24] Vgl. Michaela Ambos: Die Entwicklung des amerikanischen Film noir zum Neo noir, dargestellt anhand der Figur der „Femme fatale“. Diplomarbeit. Wien 2001.
[25] Irmbert Schenk: Dschungel Großstadt und film noir. In: Irmbert, Schenk: Dschungel Großstadt. Kino und Modernisierung. Marburg : Schüren. 1999, S. 12
[26] Norbert, Grob: Labyrinthe in Schwarz. Dschungel Großstadt und film noir. In: Irmbert, Schenk: Dschungel Großstadt. Kino und Modernisierung. Marburg : Schüren. 1999, S. 135.
[27] Michael, Sellmann: Hollywoods moderner film noir. Tendenzen, Motive, Ästhetik. Band 17 der Kieler Beiträge zur Anglistik und Amerikanistik. Kiel: Königshausen & Neumann 2001, S. 35
[28] ebd.
[29] Manuel, Eisner: Das Ende der zivilisierten Stadt? Die Auswirkungen von Modernisierung und urbaner Krise auf Gewaltdelinquenz. Frankfutr/NY : Campus Verlag. 1996, S. 50
[30] Vgl. Michael, Sellmann: Hollywoods moderner film noir. Tendenzen, Motive, Ästhetik. Band 17 der Kieler Beiträge zur Anglistik und Amerikanistik. Kiel: Königshausen & Neumann 2001.
[31] Ebd.
[32] Ebd. S. 73
[33] Vinzenz B. Burg: Auf dem Weg zu einer objektiven Filminterpretation? In: film-dienst. Hrsg. Katholisches Institut für Medieninformation. 40. Jahrgang. Ausgabe 8. 22. April 1987.
- Arbeit zitieren
- Natascha Wagner (Autor:in), 2002, Die Darstellung der Männlichkeit und ihre Gewalt in der Großstadt im Film neo noir, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108614
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