Buchbesprechung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
INGRID NOLL
DIE APOTHEKERIN
von Sara Hankiewicz
Zur Autorin Ingrid Noll:
1935 – Geburt in Shanghai
1949 – Umzug nach Deutschland mit Eltern, nach dem Abitur Studium an der Universität an Bonn von Kunstgeschichte und Germanistik.
1991 - Durchbruch mit ihrem Krimi „ Der Hahn ist tot“.
Zu ihren größten Krimierfolgen gehören:
- (1991) Der Hahn ist tot
- (1993) Die Häupter meiner Lieben
- (1994) Die Apothekerin
- (1996) Kalt ist der Abendhauch
- (1998) Röslein rot
Die Autorin wird als "Die deutsche Patricia Highsmith" (Salzburger Nachrichten) bezeichnet.
Zum Buch:
"Die Apothekerin" ist ein Roman von Ingrid Noll, 1994 erstmals im Diogenes Taschenbuchverlag veröffentlicht. Er umfasst im Taschenbuchformat 249 Seiten und wurde 1997 mit Katja Riemann und Jürgen Vogler in den Hauptrollen verfilmt.
Inhaltsangabe:
Hella Moormann, von Beruf Apothekerin ist die Protagonistin des Buches. In einer Heidelberger Frauenklinik liegend, beginnt sie vor lauter Langeweile ihrer Bettnachbarin Frau Hirte, einer ältlichen Jungfer, ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Hella ist der Meinung dass Frau Hirte ihr gar nicht richtig Gehör schenkt und erzählt in ihren nächtlichen Monologen daher auch Dinge die besser niemand wissen sollte. So verarbeitet sie die Geschehnisse bei einer Art Therapie, die nichts kostet.
Hella fand als Kind schwer und kaum Freunde. Durch ihre Erziehung bekam sie vermittelt, dass die Liebe der Eltern durch schulische Leistung erkauft werden kann. Sie benahm sich stets möglichst unauffällig und versuchte dennoch in der Schule zu brillieren. Hella markierte die wichtigsten Passagen ihres Lehrbuches mit Textmarker und Lineal, was ihr die Antipathie ihrer Mitschüler einbrachte, die deshalb versuchten, ihr das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Als Hella eines Tages in der Pause vom WC wieder in die Klasse wollte, hielten alle Klassenkameraden ihr die Tür zu. Weinend rannte sie mit aller Wucht gegen die Tür. Erst als die Tür aber erstaunlich leicht aufging und alle Schüler mit einem Grinsen ihre Plätze wieder einnahmen, bemerkte sie die Lehrerin, die ins Zimmer gekommen war. Nach einigen Minuten entdeckte die Lehrerin das Fehlen eines Mitschülers. Er wurde nach 4 Stunden tot im Geographieraum aufgefunden. Er starb an inneren Verletzungen, verursacht vom Türgriff, welchen Hella dem Jungen in den Kopf gerammt hatte.
Nach diesem Unfall musste Hella ins Internat. Das Trauma blieb, und dieser Todesfall sollte nicht der einzige bleiben, an dem sie mitverschuldet war.
Als sie beginnt für das andere Geschlecht Interesse zu entwickeln, tut sie dies in einer Weise, die ihrem Vater sehr missfällt. Ihre Wahl fällt immer auf Männer, deren Lebensumstände und Probleme alle komplizierter sind als die Ihrigen. Genau wie sie in ihrer Kindheit Puppen kaputt gemacht hat, nur um sie danach wieder zu heilen, sucht sie sich kranke Männerseelen, um sie zu verarzten. Ihre ehemaligen Freunde sind durch die Bank weg Nihilisten, Hypochonder, Junkies und Suizidanten.
Hellas eigentlicher Traum ist es, mit einem seriösen, loyalen Mann eine kinderreiche Familie aufzubauen, ganz nach dem Vorbild ihrer Freundin Dorit. Nach einigen gescheiterten Beziehungen in ihrer Jugendzeit lernt sie mit 35 Jahren beim Autokauf Levin kennen. Sie verliebt sich in den Studenten der Zahnmedizin und nimmt einen Kredit auf, um dem „armen Jungen“ seinen Traum von einem Kabrio zu erfüllen. Ein gewisser Infantilismus und eine Art von Oberflächlichkeit fällt ihr zwar an ihrem neuen Freund auf, aber Levin ist immerhin 7 Jahre jünger als Hella, und in dem Fall kann man über so etwas hinwegsehen.
Der in Hellas Träumen schon mit ihr vor dem Traualtar stehende Levin zeigt sich jedoch täglich ein Stück mehr von seiner gewissenlosen, raffgierigen und gesetzeswidrigen Seite. Der verschwenderische Levin sieht die Lösung seiner chronischen Geldprobleme in dem Ableben seines geizigen, aber stinkreichen Großvaters Hermann Graber. Levin versucht nun den Ausweg seiner finanziellen Schwierigkeiten durch illegale Weise zu beschleunigen: Giftpillen, die Hella einst von ihrem Großvater erbte, setzt Levin in die Zahnprothese des alten Mannes ein und verkittet die Pillen mit einer Substanz, die sich in Verbindung mit Speichel löst. Daraufhin stirbt Hermann Graber am nächsten Morgen an Herzversagen, so glaubt man. Hella ist bei der ganzen Sache überhaupt nicht wohl, als Mitwisserin hat sie große Gewissensbisse.
Levins Großvater durchschaute jedoch vor seinem Ableben die fürsorgliche Behandlung seines Enkels und machte Hella, die seiner Meinung nach einen vernünftigen Einfluss auf seinen Enkel hat, zur Alleinerbin. Mit einer Bedingung: die Heirat des Paares binnen eines halben Jahres, ansonsten würde das Vermögen und die herrschaftliche Villa an das rote Kreuz vermacht. So unter Zwang hatte sich Hella die Eheschließung natürlich nicht vorgestellt, aber nach vielen Schmeicheleien des frustrierten Levin nimmt sie das Erbe und den sich daraus ergebenden Heiratsantrag an.
Hella und Levin ziehen nach ihrer Hochzeit in die renovierte Villa des Großvaters ein. Zu Hellas Verdruss wohnt dort allerdings noch Margot, die ehemalige Haushälterin von dem alten Graber. Erst jetzt erfährt sie, dass die ihrer Meinung nach schlampige und unfähige Margot eine alte Schulfreundin von Levin ist. Margots Mann Dieter hat nach einem misslungenen Drogenhandel mit Levin nach Absprache alle Schuld auf sich genommen und hat dafür zwei Jahre Haftstrafe in einem türkischen Gefängnis verbracht, die gerade verstrichen sind. Aus diesem Grund glaubt Levin Dieter etwas schuldig zu sein und bietet so Margot und Dieter an, weiter in der Villa zu wohnen. Vor Hella rechtfertigt er sich, dass er Angst vor dem seiner Meinung nach unberechenbaren und handgreiflichen Dieter hat.
Nun wohnen alle vier zusammen in der Villa, und Hella fühlt sich immer mehr gestört von Margot, die als Haushaltshilfe ihrer Meinung nach unfähig ist. Anstatt sich in ihrer Doppelrolle als Hausbesitzerin und Apothekerin entlastet zu fühlen, baut sie immer mehr Hass zu Margot auf. Als Hella auch noch bemerkt, dass Levin und Margot ein Verhältnis haben, fängt sie in ihrer Hilflosigkeit an, Margot zu schikanieren und unternimmt mehrere Versuche das Ehepaar hinauszuwerfen. Scheiden lassen will sie sich nicht, gerade erst hat sie ihren Eltern und Dorit doch gezeigt, dass sie es auch alleine kann.
Als Dieter und Levin eines Tages aus dem Haus sind, versucht Margot sich bei Hella einzuschmeicheln um der bevorstehenden Kündigung zu entgehen und macht sich auf, mit Hella die Mansardenzimmer im obersten Stockwerk auf Vordermann zu bringen. Margot versucht in ihrem Eifer, die Fenster auszuhängen und stellt sich auf das Fensterbrett mit der Bitte an Hella, sie gut festzuhalten. Als Margot jedoch strauchelt, ist Hella dermaßen von Margots harten Beinstoppeln und dem an ihnen herunterlaufenden Schweißtropfen angewidert, dass sie die Beine in dem Moment, wo der Schweißtropfen ihre Hand erreicht, angeekelt loslässt. Margot fällt nach ihrem Sturz noch ein paar Stunden ins Koma und stirbt dann im Krankenhaus.
Nach Margots Tod lässt Hella sich in Levins Abwesenheit mit Dieter ein, der ihr eigentlich gar nicht so schlimm erscheint wie von Lewin geschildert. Sie verliebt sich Hals über Kopf in ihn und führt über einen längeren Zeitraum sowohl eine heimliche Beziehung mit ihrem Geliebten als dass sie auch die Ehe mit Levin wieder aufleben lässt, der nach Margots Tod wieder erstaunlich oft sexuelles Begehren zeigt. In dieser Zeit ist sie sehr glücklich.
Kurz darauf stellt Hella fest, dass sie schwanger ist. Diese Wunschschwangerschaft erfreut sie jedoch nicht so, wie sie eigentlich angenommen hatte, denn Hella weiß nicht, von welchem Mann das Kind ist. Um das Chaos komplett zu machen, lernt sie in dieser Zeit auch noch Pawel kennen, einen älteren Mann mit zwei Kindern, dessen Frau in der Heilanstalt ist. Zu ihm fühlt sie sich sehr hingezogen, es kommt jedoch zu keinen Näherungen, da Pawel seiner Frau sehr treu ist. Die beiden werden gute Freunde.
An Silvester kommt es zu einer großen Auseinandersetzung zwischen Dieter und Levin, da beide angenommen haben, das Kind sei von ihm. Hella ließ beide in diesem Glauben, um selbst dem Problem zu entgehen. Der cholerische Dieter prügelt Levin die Zähne raus und schlägt ihn bewusstlos krankenhausreif, da zu der Vaterfrage auch noch das Verhältnis zwischen Margot und Levin kommt, von dem Dieter gerade erst erfuhr. Dieter türmt, als der Krankenwagen vorfährt, kommt aber nach einer Stunde zurück und beschimpft Hella als Nutte. Der hitzköpfige Dieter würgt sie immer fester, bis plötzlich Pawel auftaucht, Hella befreit und Dieter in ein Messer fallen lässt. Wenig später nimmt die Polizei Dieter fest.
Mehrere Wochen später ist Dieter wieder auf freiem Fuß, und Levin wird aus dem Krankenhaus entlassen, mit 4 künstlichen Schneidezähnen. Die beiden ziehen wieder in das Haus ein, als ob nichts gewesen wäre. Das wird Hella zuviel, jedoch setzt sie den Choleriker und den Fremdgänger nicht auf die Straße, sondern untersagt ihnen nur den Zutritt zum Untergeschoss. Mit in ihr Haus zieht nun auch noch Pawel samt seiner zwei Kinder.
In einer Nacht, wo gerade Alma, Pawels geisteskranke Frau in dem Haus zu Gast ist, wird Hella von ihrem Kater geweckt. Da riecht sie den Rauch, der unter ihrer Tür hindurchkriecht. In Windeseile weckt sie Pawel, die Kinder und die Männer. Alma wird erst später unter einer Tanne gefunden. Sie wollte Suizid begehen und hat sich in dem Mansardenzimmer, in dem schon Margot umkam, mit Benzin übergossen und sich angezündet. Die Villa brennt restlos bis auf die Grundmauern ab.
Nach all diesen Vorfällen nimmt sich Hella mit Pawel, den beiden Kindern und ihrem Kater eine Wohnung, wo sie wie eine Familie leben. Dieter und Levin haben im Norden einen Autohandel aufgemacht, wobei sie das bereitwillig vorgestreckte Startkapital von Hella benötigt haben. Von welchem Mann ihr Sohn Niklas ist, weiß Hella nicht, und sie will es auch gar nicht wissen.
Aufklärung des Buches
In dem Buch wechselt die Autorin Ingrid Noll immer wieder die Perspektiven. Zum einen liegt die Hauptfigur Hella Moormann im Krankenhaus wegen Komplikationen bei der Geburt ihres zweiten Kindes Marie und berichtet von den Eindrücken im Krankenhaus. Auf der anderen Seite berichtet sie aus ihrem Leben, insbesondere auf ihr spezielles Verhältnis zu Männern zurück. Dies tut sie, ohne ihre eigene Rolle zu beschönigenund schildert in einem lockeren Ton die Umstände, die sie zum Familienglück bringen oder aber diesem im Wege stehen.
In dem Buch macht Hella Moormann Rosemarie Hirte zum Ermittler, die aber eigentlich den Leser repräsentiert, da dieser zur gleichen Zeit wie die Zimmergenossin Mitwisser der Taten wird (Rosemarie Hirte, bereits bekannt als Protagonistin aus „Der Hahn ist tot“ von Ingrid Noll). Frau Hirte gibt im ganzen Buch in ihrer Rolle als Beichtmutter nur selten ihren Kommentar zu den erzählten Geschehnissen bei, was dem Leser ermöglicht, sich eine eigene Meinung von den Männern und den Morden zu machen.
Meine Meinung
Das Faszinierende und gleichzeitig Erschreckende für mich persönlich an dem Roman ist, dass man auch als völlig gewaltfreier Mensch eine große Jovialität und großes Verständnis für Hella Moormann aufbringt. Alle Morde, insbesondere der „Unfall“ an Margot, erscheinen logisch und nachvollziehbar. Der Leser empfindet durch die präzise Beschreibung den gleichen Ekel gegenüber der Haushaltshilfe und ist überrascht, jedoch fast erfreut über ihren Tod.
„Die Apothekerin“ von Ingrid Noll wirkt mit der präzisen und immer passenden Wortwahl obgleich der öfters zu ausführlichen Darstellung nie ermüdend. Das Buch ist mit viel schwarzen Humor und einer Menge Ironie geschrieben, wodurch die Protagonistin auf mich noch viel symphatischer wirkt.
Das Buch hat trotz der spannenden und fast schon witzigen Passagen leider auch einige Schwächen. Der Einstieg in das Buch ermöglicht ein schnelles Einlesen und errichtet viel Spannung auf das weiterhin Geschehende auf. Leider baut das Buch im hinteren Teil mit Qualität ab und verwandelt sich in eine einfallslose Dreiecksbeziehung, die nur noch wenig vom anfänglichen Charme vorweist. Der Schluss überzeugt bedauerlicherweise auch nicht sonderlich, mit dem Abbrennen des Hauptschauspielplatzes, der Villa, sind Hella Moormanns Probleme zu unrealistisch und banal gelöst.
Mein Fazit ist jedoch, dass mir das Buch gut gefallen hat und ich es trotz meiner Abneigung gegenüber Krimis gern gelesen habe. Das kann allerdings daran liegen, dass Ingrid Noll mit diesem Buch eher einen psychologischen Roman geschrieben hat als einen Krimi. Die Textpassagen, wo sie von ihren erfolglosen Männergeschichten spricht, hat mich sogar eher an die Autorin Hera Lind erinnert.
Das Buch ist weiter zu empfehlen, denn es nimmt trotz der trivialen und sich etwas ziehenden Dreiecksbeziehung einen frischen und überraschenden Charakter an.
- Citar trabajo
- Sara Hankiewicz (Autor), 2002, Noll, Ingrid - Die Apothekerin - Buchbesprechung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108531
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