Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Phänomen Bekehrung aus religionspsychologischer Sicht nach William James
2.1. Psychologische Vorraussetzungen der Bekehrung
2.2. Psychologische Prozesse im Bewusstsein – Wege der Bekehrung
2.3. Wert und Merkmale plötzlicher Bekehrung
3. Die Bekehrung des Apostel Paulus
3.1.Betrachtung der biblischen Quellen
3.1.1. Hinweise in den Briefen des Paulus
3.1.2. Die Apostelgeschichte
3.2. Die Bekehrung vorbereitende Momente
3.3. Bewertung des Bekehrungserlebnisses
4. Schlussbemerkung
5. Literaturverzeichnis
6. Abkürzungen
1. Einleitung
Der Prozess der Bekehrung lässt sich von unterschiedlichen Perspektiven her untersuchen. Religionsgeschichtlich wird Bekehrung als Ergreifen einer bestimmten spirituellen Lebensform gesehen und eine darauf folgende Erneuerung des Geistes.[1]
Im Folgenden soll es jedoch um die Erläuterung einer anderen Blickrichtung gehen, nämlich um den religionspsychologischen Ansatz wie ihn William James in seinem Werk ´ Die Vielfaltreligiöser Erfahrung´ vertritt. Die von ihm aufgestellten Hypothesen, welche den psychischen Vorgang der Bekehrung betreffen sollen zunächst in allgemeiner Form erläutert werden. Im weiteren Verlauf soll am Beispiel der Bekehrung des Paulus exemplarisch versucht werden, Problemfelder darzustellen, welche sich in der Betrachtung des Bekehrungsprozesses allgemein ergeben können. Das Konversionserlebnis des Apostel Paulus stellt einen höchst individuellen Vorgang dar, deren Untersuchung Erkenntnisse zum Thema Bekehrung liefern mag, diese sind jedoch nicht auf religiöse Erfahrungen generell übertragbar. Trotzdem soll in der folgenden Arbeit versucht werden zu klären, inwieweit wissenschaftliche Theorien, d.h. Psychologie und Historik, in der Lage sind, individuelle religiöse Erfahrungen zu erklären und in ihrer Gesamtheit zu erfassen.
2. Das Phänomen Bekehrung aus religionspsychologischer Sicht nach William James
2.1. Psychologische Vorraussetzungen der Bekehrung
Der Prozess der Bekehrung setzt nach William James das Verständnis verschiedener Geisteszustände im menschlichen Bewusstsein und dem daraus hervorgehenden Konflikt voraus, welche im Folgenden näher erläutert werden.
Zum einen gibt es Menschen, welche eine relativ einfach strukturierte Religiosität leben. Geradlinig erkennen sie den Wert der Dinge und definieren ein wahrhaftes und gutes Leben durch die einfache Differenzierung zwischen wertvollen Zielen und Lebenseinstellungen, die sie anstreben und niederen Handlungen, denen es zu entsagen gilt. Die Einhaltung dieser Prinzipien leitet sie zum inneren Frieden mit sich und ihrem Glauben. Auf der anderen Seite stehen die Menschen, welche James als „ kranke Seelen “[2] beschreibt. Für sie reichen die natürlich wertvollen Dinge nicht aus, um wahre Spiritualität zu erlangen. Im Gegenteil – sie verhindern durch ihre Vergänglichkeit das Erreichen wahrhaftigen Glaubens. Das natürlich Gute muss schmerzvoll verloren gehen, um den Weg zur Wahrheit zu ebnen. Die beschriebenen Einstellungen stehen in ihren Extremen im Gegensatz zu einander und sind in ihrer reinen Form bei wenigen Menschen zu finden. Die meisten tragen beide Seiten – Naturalismus und Heilsglaube – in ihrem Bewusstsein.[3] Diese Heterogenität in der Gemütsverfassung bildet die Grundlage für eine innere Zerrissenheit – es entwickelt sich ein Kampf mit dem Ziel der Annäherung beider Tendenzen, was jedoch nicht gelingt. Als Resultat ergibt sich ein Leben voller Bestreben, Fehler und Irrtümer auszumerzen. Der Mensch hat das Bedürfnis der Entwicklung einer inneren Einheit, in der widerstrebende Kräfte ein harmonisches Ganzes bilden und eine präzise Linie im Leben verfolgen. Diese Suche nach innerer Ordnung bringt Unzufriedenheit mit sich – in Bezug auf Religion und Spiritualität bedeutet dies, dass der innere Konflikt als moralische Skrupel wahrgenommen wird. Dieses zieht dann unweigerlich Schwermut und Schuldbewusstsein nach sich – die tatsächliche Persönlichkeit wird als unzulänglich empfunden und das Streben nach einer Idealvorstellung von der eigenen Persönlichkeit wird zur Qual, welches in Selbsthass und Verzweiflung endet. Letztendlich ist es jedoch nicht die Verzweiflung, welche den Menschen befähigt, seine niederen Seiten zu überwinden. Der innere Frieden entsteht durch einen sich langsam entwickelnden oder plötzlich eintretenden Vereinigungsprozess der sich bekämpfenden Tendenzen, welcher durch Gefühle; religiöse Erfahrungen oder mystischer Erlebnisse ausgelöst wird. Jedoch ist nach James die Religion und der Glaube lediglich ein Mittel unter vielen, um diesen Vereinigungsprozess herbeizuführen.[4] Innere Zerrissenheit und das Beheben dieser ist ein allgemeiner psychologischer Prozess, die religiöse Erfahrung nimmt hier nur einen kleinen Raum ein. Der Ablauf des Vereinigungsvorganges ist jedoch immer gleich – auf innere Unruhe, Kampf und Selbsthass folgt inneres Gleichgewicht, Stabilität und Erleichterung.
So kann der Konflikt zwischen innerer Vorstellung, wie man leben sollte und dem tatsächlichen Lebensstil zu einer Spaltung des Selbst führen. Dieser Zwiespalt kann durch Überwinden äußerer Zwänge gelöst werden und zu innerem Frieden führen. Hier spielt beispielsweise Religion keine wesentliche Rolle.
Nicht immer ist jedoch ein gesunder Geist das Resultat der Erlösung – Schmerz und Verzweiflung, die erst zur Befreiung führten, können gerade weil sie notwendig waren, nicht vergessen werden. Die Kraft, welche den Menschen zur Überwindung der inneren Zerrissenheit führt ist ein Merkmal, das einen hohen Stellenwert einnimmt. Diese Kraft ist nach James im Menschen selbst zu finden, kann neben der Religiosität jedoch auch andere Wurzeln haben.[5]
2.2. Psychologische Prozesse im Bewusstsein – Wege der Bekehrung
Bekehrung definiert James als das Auflösen innerer Zerrissenheit durch das Zusammenfügen der miteinander kämpfenden Bewusstseinsteile. Unter anderem hervorgerufen durch religiöse Erfahrungen fühlt sich der Bekehrte frei, glücklich und mit sich und seiner Umwelt im Reinen. Psychologische Prozesse bilden nach James sowohl die Grundlage für die innere Zerrissenheit als auch für den Vorgang der Bekehrung. Diese werden im Folgenden näher erläutert.
Im Bewusstsein des Menschen manifestieren sich verschiedene Gruppen von Vorstellungen, Zielen und Lebenseinstellungen, die je nach aktuellem Fokus im Leben bestimmte Handlungen nach sich ziehen. Ein bestimmtes Ziel verfolgend, werden lediglich die damit verbundenen Emotionen und Assoziationen wahrgenommen, andere Bereiche werden sozusagen ausgeblendet. Innerhalb kürzester Zeit, mit Hinblick auf die emotionale Lage, können sich Fokus und Aufmerksamkeit verlagern. Dies stellt einen völlig normalen psychologischen Prozess dar. Wenn jedoch ein bestimmtes Ziel völlig in den Vordergrund rückt und jeglicher Lebensinhalt, der nicht mit diesem übereinstimmt in den Hintergrund weicht – der Fokus also dauerhaft auf einem Punkt im Leben liegt – so kann man dies als Transformation im Bewusstsein bezeichnen.[6]
Ein innerer Zwiespalt kann dann entstehen, wenn mehrere gleichwichtige Vorstellungen parallel in den Mittelpunkt rücken und miteinander konkurrieren. So kann eine Lebenseinstellung zum Handeln motivieren und die Ausrichtung des praktischen Lebens bestimmen und entgegengesetzt bestimmen Wunschvorstellungen das Bewusstsein, welche aber nicht umgesetzt werden und nur theoretisch existent sind. Diese Einstellungen formieren sich lediglich vage im Bewusstsein und dringen nie ganz in das Zentrum des Geistes vor. James bezeichnet dies mit zentralen und peripheren Bewusstseinsfeldern, welche sich im Leben ständig ändern und deren Inhalte nach ihrer aktuellen Bedeutung gewichtet werden.[7] Wenn sich Ziele ständig ändern und die volle Kraft nie auf einem Punkt vereinigt werden kann, so führt das zu Unzufriedenheit und dem Streben nach Ordnung. Wenn sich im Gegensatz dazu jedoch alle Energien auf einer Einstellung vereinen und diese Veränderung religiösen Ursprungs ist, so bezeichnet dies nach William James den Vorgang der Bekehrung. Der innere Antrieb wird nun vollständig von Religiosität bestimmt und jegliches Handeln findet hier seinen Ursprung. Wie und warum bestimmte Einstellungen plötzlich in den Fokus des Denkens und Handelns rücken ist auf psychologischer Grundlage keineswegs vollständig erklärbar. Nach William James ist es jedoch essentiell, dass die Energie mit der ein bestimmtes Ziel verfolgt wird, die treibende Kraft in der Verlagerung von Einstellungen ist. Der Ursprung dieser Energie lässt sich nicht allgemein festlegen, sondern ist nur auf Basis von individueller Erfahrung nachzuvollziehen.[8]
Verschiedene Elemente spielen bei dem Versuch, Bekehrung zu verstehen und zu erklären eine Rolle. So ist es zum Beispiel nicht allem Menschen möglich Bekehrung zu erfahren, da sie nicht die nötige Energie haben, ihr Leben nach einer bestimmten Vorstellung auszurichten. Ein Grund hierfür könnten weltliche Überzeugungen sein, die so stark verankert sind, dass sie jeglichen anderen Impuls hemmen. Generell aber lässt sich eine Einteilung in bekehrungsfähige und bekehrungsunfähige Menschen nicht vornehmen, wie Erfahrungsberichte bestätigen.
James differenziert zwei Wege der Konversion – zum einen eine Bekehrung, welche willentlich erreicht wird und zum anderen den unbewussten Vorgang der Umkehr. Beim Beschreiten des ersten Weges kommt es zu einer langsamen Gestaltung eines religiös ausgerichteten Lebens. Schritt für Schritt verändern sich Einstellungen und Handlungen, wobei es aber auch Phasen der sprunghaften Weiterentwicklung gibt. Bei letzterem könnte man die Veränderungen als ein plötzliches Geschenk bezeichnen – die Konversion geschieht im Unterbewussten und das Ergebnis tritt dann ins Bewusstsein ein. Der zentrale Aspekt ist hier das Moment der ´Selbstaufgabe´. Aber auch bei der willentlichen Bekehrung spielt die Selbstaufgabe, das Loslassen, eine immens wichtige Rolle und ist für die Vollständigkeit der Konversion von großer Bedeutung – denn erst durch das Aufgeben jeglicher Anstrengungen kommt es letztendlich zur Bekehrung. Ein nach Erlösung Suchender beschäftigt sich völlig mit seinem jetzigen Selbst; das Ideal, welches er anstrebt, tritt in den Hintergrund. Durch sein Bestreben, seine Unvollständigkeit hinter sich zu lassen lässt letztendlich keinen Raum mehr, um dem Ideal näher zu kommen. Dieses bleibt blass und am Rande des Bewusstseins ohne jegliche Chance, ins Zentrum zu rücken. Beim Loslassen und Aufgeben diese Kampfes kann es jedoch dem `neuen Selbst´ gelingen, sich zu positionieren und die vollständige Umkehr herbeizuführen. Das Aufgeben ist der Ausdruck des Vertrauens in eine höhere Macht und somit ein tragendes Moment religiöser Bekehrung.
In diesem Punkt herrscht in Theologie und Psychologie Einigkeit: Kräfte, die eine vollständige Umwandlung bewirken, haben ihren Ursprung nicht im bewussten Geist, sondern wirken von außen auf ihn ein. Während die Theologie diesen äußeren Einfluss als das Eingreifen Gottes definiert, wird von der Psychologie die Bekehrung als das Resultat eines unterbewussten Prozesses gesehen. Beachtet werden muss jedoch in jedem Fall: so essentiell das Aufgeben des Willens für die vollständige Bekehrung auch sein mag, der Wille und das Ziel selbst müssen im Bewusstsein vorhanden sein und ein Streben danach nimmt eine ebenso wichtige Position ein. Wenn dem so ist, gibt es mehrere Wege, welche eine endgültige Bekehrung herbeiführen. Entweder können Einstellungen blitzschnell die Überhand gewinnen oder aber das Aufeinanderreiben der Persönlichkeitsstrukturen ist so zermürbend, dass der nach Erlösung Suchende letztendlich aufgibt, was dann den religiösen Durchbruch erleichtert.[9]
2.3. Wert und Merkmale plötzlicher Bekehrung
Während eine schrittweise Umkehr zu einem nach religiösen Gesichtspunkten ausgerichteten Lebens mittels psychologischer Annahmen weitgehend nachvollziehbar ist, so stellt sich die Erklärung der plötzlichen Bekehrung als weitaus komplizierter dar.
Hier kommt es innerhalb eines kurzen Zeitraumes zu einer vollständigen Neuorientierung, dieser Vorgang ist oft mit großer Emotionalität verbunden. Plötzliche Bekehrungen nehmen einen immens wichtigen Teil religiöser Erfahrung ein, unter anderem auch, da diese in der protestantischen Theologie eine große Rolle spielen. Die Folgen solch einer Konversion stellen sich als sehr vielfältig dar und reichen von dem Ablegen einer alten Schwäche bis hin zum vollständigen Aufgehen in der neu gewonnenen Spiritualität unter jeglichem Versagen weltlicher Genüsse.[10]
Unabhängig von der Ausprägung stellt das Erlebte einen Wendepunkt, die Ergebnisse sind überwältigend und real. Der Bekehrte fühlt, dass etwas an ihm verändert wurde und dass er darauf keinen Einfluss hat. Diese Veränderung zum Besseren hin schreibt er Gott zu, mit dem er sich nun verbunden fühlt und tiefe Dankbarkeit empfindet. Die entscheidende Frage ist nun, wie solche plötzlichen Bekehrungen zu erklären sind: als ein Wunder, welches Gott geschehen lässt oder als einen natürlichen Vorgang, der ein erstaunliches Ergebnis bietet und trotzdem nur auf psychologischen Prozessen basiert, welche auf wissenschaftlicher Grundlage Erklärung finden. Um diese Frage zu lösen, greift William James auf das bereits erwähnte Modell der Bewusstseinfelder zurück. Je nach seelischer Verfassung und Natur des Einzelnen können ausgehend von Vorstellungen, die das gegenwärtige Handeln bestimmen weitere Bereiche erfasst werden und umfassendere Wahrheiten werden erkannt. Jedoch sind die Grenzen dessen, was wahrgenommen wird sehr unterschiedlich. Man könnte es wie einen Horizont beschreiben – je weiter der Horizont eines Einzelnen, desto eher kann er Höheres erahnen, je enger dieser aber ist, umso verengter ist seine Sichtweise. Diese Grenzen, die das Bewusstsein beschränken, sind nicht fest, sondern sie verändern sich. Unterbewusstes, oder nach James auch Subliminales genannt, beeinflusst unser Bewusstsein. Vorstellungen, die im Unterbewussten verborgen sind, dringen nicht in direkter Weise in den Geist vor. Ihr Vorhandensein äußert sich häufig in objektiv nicht erklärbaren Dingen wie zum Beispiel durch Halluzinationen oder Ähnliches. Diese Prozesse haben ihren Ursprung in dem plötzlichen Einstürmen von Energien und Gefühlen aus dem unterbewussten Bereich in das Bewusstsein – dieses führt in der Folge zur Verwirrung des Geistes.[11]
Auf dieses psychologische Modell begründet William James das Phänomen der plötzlichen Bekehrung. Kein göttliches Wunder bewirke die Umkehr, sondern das Einbrechen unterbewusster Vorstellungen, hervorgerufen durch beeindruckende Erfahrungen oder einen emotionalen Schock. Der Schwerpunkt der Konversion liegt jedoch nicht auf ihrem Ursprung, sondern auf der Erfahrung selbst und auf den Resultaten, die sich im weiteren Leben des Bekehrten manifestieren. Wenn diese positiv sind und eine Veränderung bewirken sind sie als gut zu erachten, wenn dies nicht der Fall ist, so sind sie wertlos – ungeachtet ob psychologische Prozesse oder ein göttliches Wunder zur Erlösung führten.[12]
Wenn Bekehrung einen übernatürlichen Vorgang darstellt, so müssten sich Bekehrte grundlegend von anderen Menschen unterscheiden, sie würden sozusagen aus der Masse der übrigen Menschen herausstechen. Da dem nicht so ist, können solche Erfahrungen auch natürlichen Ursprungs sein. Des weiteren ist hinzuzufügen: wenn der Wert der Konversion durch die Veränderung in Einstellung und Leben gemessen wird, so finden sich diese Früchte nicht nur bei plötzlich Bekehrten, sondern auch Menschen, die eine schrittweise Umkehr erfahren haben und sogar bei solchen, welche keinerlei Religiosität leben.
William James folgert aus diesen Annahmen, dass die verschiedenen Wege der Bekehrung lediglich auf natürlich bedingten Unterschieden in der Bewusstseinskonstitution basieren.[13] Eingrenzend sei jedoch gesagt, dass ungeachtet dieser Feststellungen solch gravierende Erfahrungen immensen individuellen Wert besitzen. Der Geist des Bekehrten ist auf eine höhere Stufe angehoben worden, er ist in seinen Grundfesten erneuert und verändert – dieser offensichtliche Gewinn für den Einzelnen genügt als Legitimierung. Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Annahme eines subliminalen Einflusses als treibende Kraft der Konversion die Möglichkeit eines göttlichen Eingriffes ausschließt. Dies muss eindeutig negiert werden – denn wenn eine höhere Macht am Bekehrungsprozess beteiligt ist, so ist gerade das Unterbewusstsein das Instrument, welches sie nutzt, um Menschen zu verändern.[14]
Die Merkmale, d.h. die Gefühle, welche eine Konversion begleiten, ähneln sich bei allen Betroffenen und sind Spiegel der tief greifenden Veränderung des Bewusstseins. Der Erlöste hat das Gefühl im Sinne einer höheren Macht zu handeln, gewissermaßen von ihr gelenkt zu werden. Verbunden mit der Gewissheit frei und erlöst zu sein bedingt dies jegliches Abfallen von Sorge und Zukunftsängsten. Der Bekehrte ist von dem Wissen erfüllt, das trotz seiner äußeren Lebensumstände alles gut um ihn steht. William James beschreibt dies mit dem Gefühl der Daseinsbereitschaft, d.h. Im Einklang mit sich und anderen zu leben, vielleicht auch zu wissen, das einmal schlechtere Zeiten kommen; aber gleichzeitig zu fühlen das dies keinerlei Einfluss auf sein geistiges Wohl haben kann.[15]
Der zweite Ausdruck des inneren Friedens ist das Gefühl, eine Einsicht zu gewinnen, welche vorher nicht vorhanden war. Der Erlöste glaubt, eingeweiht worden zu sein, d.h. die Wahrheit jetzt in vollem Maße zu erkennen. Dieses neue Verständnis offenbart ihm zugleich eine neue Sicht auf die Welt und die Menschen, seine Einstellung zu diesen ist grundlegend verändert. So wie er sich wie zum zweiten Mal geboren sieht, so ist auch seine Umgebung neu geboren.
Das letzte und beeindruckendste Merkmal der Erlösung ist das enorme ekstatische Glücksgefühl während des Bekehrungserlebnisses selbst, wobei jedoch Automatismen und unerklärliche Vorgänge in diesem Zusammenhang Ausdruck eines enormen subliminalen Bereiches und sind und keineswegs einen Erweckungsbeweis darstellen.
Diese Gefühle haben immense Bedeutung für den Erweckten und wenn man hierzu noch die Resultate der Bekehrung in praktischen Leben addiert, so tritt die Anhalten ekstatischer Spiritualität in den Hintergrund. Die enorme Begeisterung ist nicht von lebenslanger Dauer, viel eher scheint das Ziel einer Bekehrung die Festigung von Glaubenstrukturen und deren Vertiefung zu sein, auch wenn die emotionale Komponente sich verändert. Die Erfahrungsberichte zeigen, dass ein Großteil der Bekehrten an ihren religiösen Überzeugungen festhält und die beschriebenen Gefühle der Erneuerung erhalten bleiben.[16]
3. Die Bekehrung des Apostel Paulus
Das Bekehrungserlebnis des Paulus bei Damaskus kann nur zu Recht als eine Umkehr, als die Wendung in Paulus Leben benannt werden. Zuvor ein von seiner Religion überzeugter Jude, der mit seiner ganzen Energie die christliche Religion und ihre Anhänger zu vernichten suchte, wurde er durch die Erscheinung des auferstandenen Jesus von einem Moment auf den anderen ein geradezu fanatischer Verfechter und Verkünder der Botschaft des christlichen Gottes. Man kann dieses Bekehrungserlebnis aus verschiedenen Blickwinkeln untersuchen.
Zum einen ausgehend von der Annahme, es handele sich um einen übernatürlichen Eingriff einer höheren Macht, zum anderen unter Einbeziehung psychologischer Grundlagen.[17] Um den Wert und Ursprung des Damaskuserlebnisses adäquat beurteilen zu können, reicht es jedoch nicht, dieses isoliert und ohne Zusammenhang zu Paulus Leben zu betrachten. Es stellt den Dreh- und Angelpunkt seines gesamten Wirkens dar; abhängig vom Gesichtspunkt unter dem seine Bekehrung wahrgenommen wird, wird auch über sein Leben und Wirken geurteilt werden.[18] Unter Rücksichtnahme dieses `Rahmens` müssen Quellen auf Hinweise untersucht werden, welche darüber Aufschluss geben, ob Paulus schon vor diesem Erlebnis zum Christentum tendierte; in welcher Weise er seine Bekehrung sah und unter welchen Bedingungen sie sich ereignete.
3.1. Betrachtung der biblischen Quellen
Ein zusammenhängender, vollständiger Bericht des Damaskuserlebnisses von Paulus selbst ist in der Bibel nicht zu finden. In seinen Briefen finden sich jedoch zahlreiche Anspielungen auf seine Bekehrung, welche Aufschluss geben können, wie sich diese auf ihn ausgewirkt und sein weiteres Leben geprägt hat. Zusätzlich zu seinen eigenen Äußerungen kann durch die Beschreibung, welche in der Apostelgeschichte zu finden ist, ein abgerundetes Bild seiner Erlösung gewonnen werden.[19] Jedoch lässt sich auch trotz der sorgfältigsten Quellenbetrachtung die Bedeutung seiner Bekehrung nie vollständig erfassen.[20]
3.1.1. Hinweise in den Briefen des Paulus
Allgemein als eine der wichtigsten Stellen der Heiligen Schrift, in welchen Paulus Bezug auf seine Erweckung nimmt, ist Der Brief an die Galater zu nennen. Paulus selbst betont an dieser Stelle, dass er weder durch einen Menschen selbst, noch durch die Vermittlung durch einen Menschen zum Christ und gleichermaßen zum Apostel wurde, sondern allein und Jesus Christus und somit durch Gott.[21] Sein Glaube wurzelt in der Offenbarung des Herrn, er hat ihn in direkter Weise von ihm empfangen.[22] Diese Offenbarung wurde ihm durch das Erscheinen des Messias zuteil, im Sinne einer plötzlichen Bekehrung. Paulus gelangte weder durch Unterricht, noch durch einen langsam wachsender Entschluss, noch einen bedächtig wachsenden inneren Entwicklungsprozess zum christlichen Glauben sondern weil „[Gott es] gefiel, seinen Sohn [...] zu offenbaren [...]“. [23] Der Ort seiner Bekehrung wird an dieser Stelle nicht explizit genannt, jedoch erwähnt Paulus, dass er nach seiner Reise nach Arabien nach Damaskus zurückkehrte. Dies lässt den Rückschluss zu, dass ihm in oder bei Damaskus die Erlösung in Form der Erscheinung Jesus Christus widerfahren ist.[24] Paulus erlebt seine Bekehrung wie eine Erneuerung, eine vollständige Umwandlung seiner Lebensrichtung. Gott hat sein Herz erleuchtet, ihm die Erkenntnis des wahren Glaubens geschenkt[25] – in gleicher Weise wie er am Tag der Schöpfung sein Licht über der Welt erstrahlen ließ.[26]
Vor seiner Bekehrung lebte er als überaus frommer den Gesetzen treuer Jude – dieses Leben verachtet Paulus jetzt. Die Gerechtigkeit, welche er damals anstrebte als sein höchstes Ziel, basierte auf dem Gesetz. Nun gründet sich Gerechtigkeit auf Gott selbst und aus dem Glauben an ihn heraus. Paulus hat mit seiner Vergangenheit gebrochen und strebt nach vollständiger Erkenntnis und Verinnerlichung der Auferstehung Jesu. Paulus erkennt zwar, dass ihm dies noch nicht vollständig gelungen es ist, aber dass er sich wohl auf dem richtigen Wege befindet – und zwar durch das Eingreifen Jesus Christus.[27]
Auf die Offenbarung, die er bei Damaskus erfuhr begründet Paulus seine Apostelwürde[28] – jedoch ist er nicht ein Apostel im allgemeinen Sinne eines Verkünders des Evangelium, sondern ein Apostel im speziellen Sinne wie die zwölf, welche Zeugen der Auferstehung Jesu waren und ihren Auftrag von Jesus selbst erhielten. Er reiht sich hier ein, weil auch er seinen Missionsauftrag direkt von Jesus empfangen hat und dies die Umkehr in Paulus Leben bewirkte. Dies verdeutlicht, wie immanent wichtig Paulus diesen Moment der Bekehrung und Offenbarung empfunden hat und dass dieses Erlebnis einen weitreichenden Einfluss auf sein ganzes folgendes Leben hatte.[29]
Diese Stellen, welche auf Aussagen von Paulus selbst zurückgehen verdeutlichen, dass das Bekehrungserlebnis eine plötzliche Veränderung seines Lebensinhaltes und einen radikalen Bruch mit seiner Vergangenheit nach sich zogen- „ die Zertrümmerung einer alten und dieAufrichtung einer neuen Glaubenswelt “.[30]
3.1.2. Die Apostelgeschichte
Beschreibungen des Bekehrungserlebnisses liefern auch einige Kapitel der Apostelgeschichte – zu nennen wären an dieser Stelle Kapitel 9, 22 und 26. Die Berichte in Kapitel 9 und 22 geben in Grundzügen denselben Hergang wieder: Paulus zog, voller Hass auf die dort lebenden Christen, nach Damaskus. Auf dem Weg dorthin umstrahlte ihn ein himmlisches Licht und Paulus fiel zu Boden. Er hörte eine Stimme, die zu ihm Sprach: „ Saul, Saul, was verfolgst dumich? “. Auf Paulus Frage, wer er sei, gab sich Jesus zu erkennen, als derjenige, welchen er verfolge. Auch seine Begleiter nahmen diese Stimme wahr. Als Paulus sich erhob, war er erblindet und musste in die Stadt hineingeführt werden. Dort wurde er von Hananias geheilt und erhielt von ihm seinen apostolischen Auftrag.[31]
Die Schilderung des Damaskuserlebnisses in Kapitel 26 ist ein Teil der Rede des Paulus an Agrippa und weicht von den vorherigen Beschreibungen ab. Zum ersten wird das Leben des Paulus als Verfolger der Christen nicht ausgeklammert, sondern in den Bericht mit aufgenommen.[32] Des Weiteren spricht Jesus nicht lediglich „ Saul, Saul, was verfolgst dumich“, sondern zusätzlich „Es ist hart für dich, gegen den Stachel auszuschlagen“.[33] Diese Worte lassen vermuten, dass Paulus schon vor seiner Bekehrung dem Christentum nicht gänzlich feindselig gegenüberstand. Das Zugtier, welches gegen seinen Herrn nutzlos ausschlägt ist an dieser Stelle Sinnbild für Paulus, welcher sich gegen seine Sympathie für das Christentum ebenso nutzlos zur Wehr setzt.[34] Zudem spricht Jesus in größerem Umfang zu Paulus – er selbst beruft hier den Paulus zum Missionar, die Mittelsperson des Hananias wird nicht erwähnt. Es ist anzunehmen, dass dieser Bericht den Vorgang am historisch plausibelsten wiedergibt, vor allem da Paulus selbst in seinen Briefen immer wieder betont, er habe seine Apostelwürde von Jesus selbst erhalten und nicht durch den Menschen, wie in Kapitel 9 und 22 dargestellt.
3.2. Die Bekehrung vorbereitende Momente
Die Untersuchung der Quellen hat gezeigt, dass Paulus durch das Damaskuserlebnis eine vollständige, plötzliche Wandlung erlebte. Er selbst sieht diesen Punkt als eine Trennlinie zwischen seinem vorherigen schlechten zu einem erneuerten guten Leben. Obwohl Paulus jedoch mit diesem Erlebnis den Bruch zu seinem jüdischen Glauben festlegt, muss sich diese Wandlung nicht plötzlich und spontan vollzogen haben. Es muss bedacht werden, dass die Paulusbriefe aus einer Zeit stammen, als die Bekehrung schon längere Zeit zurücklag. Die Trennung der beiden Leben des Paulus in der Art und Weise wie er selbst sie vornimmt, kann demzufolge anders akzentuiert sein, als wenn ein Außenstehender sein Leben und Wirken als Ganzes bewertet und in den Stadien der geistigen Entwicklung eine langsame Reifung eines neuen Glaubens feststellt, welche lediglich im Bekehrungserlebnis gipfelt.
Eine langsame Reifung des neuen Glaubens könnte auch bei Paulus angenommen werden, denn ohne Kenntnis des Christentums wäre er nicht solch ein eifriger Verfolger desselben geworden. Trotz tiefer Verwurzelung im jüdischen Glauben war Paulus mit den wesentlichen Elementen des Christentums und seinen Anschauungen vertraut. Sein Fanatismus ist auch eher nachvollziehbar, wenn man annimmt, dass Paulus die Anziehungskraft dieser Religion am eigenen Leibe erfahren hat und dies sein Weg war, sich zur Wehr zu setzen. Zudem mag er den unbeugsamen Glauben der gepeinigten Christen zum Teil bewundert haben. Für die Zweifel, die Paulus an seiner eigenen Religion übte, spricht auch das Wort Jesus vom Stachel gegen welchen er sich nicht wehren könne.[35]
Es wäre jedoch übertrieben zu behaupten, dass Paulus ein heimlicher Anhänger des Christentums gewesen sei und nur noch mit halbe Herzen Jude. Hierfür war der Eifer und die Energie, aber auch seine jüdische Erziehung zu stark in ihm verwurzelt. Wenn es Zweifel ob der Wahrheit des Christentums gegeben hat, so hat Paulus diese in seinem Bewusstsein durch die Überzeugung von seiner Religion überdeckt. Um die seelische Zerrissenheit des Paulus zu untermauern, wird häufig, unter anderem auch bei William James, eine Stelle im Römerbrief herangezogen. An dieser Stelle schildert Paulus den Zwiespalt eines Menschen, welcher weiß was er tun will und sollte, es aber nicht kann, sondern das tut, was er nicht will, weil er unter dem Gesetz des eigenen Fleisches steht.[36] Bei Betrachtung dieser Aussage darf nicht der voreilige Schluss gezogen werden, dass Paulus hier die seelischen Kämpfe seiner Pharisäerzeit beklagt, sondern es muss beachtet werden, dass er dies sagte, als er im Geist schon ganz Christ war. Damit erschließt sich eine andere Bedeutung – er spricht hier vom Zwiespalt des Christen zwischen Sünde und Erlösung.
Zusammenfassend muss man also feststellen, dass die Bekehrung des Paulus kein sich langsam anbahnender Prozess war, trotz eventueller leiser Sympathie für die christliche Religion.[37]
3.3. Bewertung des Bekehrungserlebnisses
Wie die Quellen deutlich zeigen, so hat Paulus in seiner Bekehrung eine Erscheinung wahrgenommen und eine Stimme gehört. Daraufhin wusste er, dass dies der Sohn Gottes war, der Messias. Er nahm diese Vorgänge äußerlich wahr und erfuhr sie gleichzeitig in seinem Bewusstsein, da er realisierte, welche Bedeutung dieses Erlebnis hatte.
An dieser Stelle stellt sich nun dieselbe Frage, welche auch in William James Annahmen den Kernpunkt der Bewertung von Erweckungserlebnissen bildet. Ist die Erscheinung und die Stimme, welche Paulus vernommen hat auf einen äußeren, objektiv nachvollziehbaren Vorgang zurückzuführen, also auf ein göttliches Wunder; oder war das Damaskuserlebnis lediglich ein natürlicher psychologischer Vorgang rein subjektiver Natur?[38]
Paulus ging sicher von einer objektiv wahrgenommenen Erscheinung aus. Man muss sich jedoch vergegenwärtigen, dass er die Situation weder auf wissenschaftlich psychologischer Basis analysiert hat, noch dass eine solch klare Trennung zwischen physischer und psychischer Denkweise überhaupt im urchristlichen Denken verankert war.[39]
Wenn also lediglich die von William James beschriebenen bewusstseinspsychologischen Vorgänge stattgefunden haben, so wäre die Bekehrung des Paulus eine Art der plötzlichen Bekehrung, in dessen Vorfeld subliminale Einflüsse zum Tragen kamen und diesen auch die von Paulus beschriebene Vision als eine Form des Automatismus zuzuschreiben ist. Nun stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob die paulinische Erscheinung tatsächlich eine Form der Vision darstellt.
Hierzu muss zunächst zwischen einer objektiven und einer subjektiven Vision unterschieden werden. Bei einer subjektiven Vision werden Erscheinungen allein durch innere Bewusstseinsvorgänge hervorgerufen, ganz im Sinne von William James Erörterungen. Eine objektive Vision hingegen beruht auf äußeren Einwirkungen, welche jedoch durch das Bewusstsein und die Phantasie in einer verzerrenden Weise gedeutet werden.[40] Das Erlebnis des Paulus kann in diesem Sinne schwerlich eine subjektive Vision gewesen sein, da bei dieser eine Vorstellung von religiöser Umkehr schon in seinem Bewusstsein hätte vorhanden sein müssen. Jedoch reichen die leisen Zweifel von Paulus nicht aus, anzunehmen, dass sich neue Einstellungen und Vorstellungen bereits gebildet hätten und sich ihren Weg ins aktive Bewusstsein durch eine Vision bahnten. Zudem zeigen die schon erörterten Quellen, dass auch die Begleiter des Paulus von den Geschehnissen keineswegs unbeeindruckt blieben. Schwerwiegender als dieses Argument ist jedoch, dass Paulus durchaus auch eine Reihe von Visionen erlebt und sie auch als diese erkannt hat. Einzig und allein das Damaskusereignis stellt für ihn eine reale Begebenheit dar. Er beruft sich auf dieses Ereignis, er ist stolz darauf - es stellt für ihn den Neubeginn seines Lebens dar. Unter diesem Eindruck würde es Paulus Leben nicht gerecht werden, in seiner Bekehrung lediglich die visionäre Spiegelung seines Bewusstseins zu sehen.[41]
Bleibt nun zu fragen, ob bei Paulus eine objektive Vision vorlag. Auch hier existieren mehrere Ansätze der Erklärung - die jedoch die Vorgänge nicht befriedigend erklären können. So erscheint es nicht einleuchtend, dass Paulus durch ein Gewitter erschreckt und in Verbindung mit seinem schlechten Gewissen seinen Gewalttaten über, glaubte Jesus zu hören oder zu sehen. Ein anderer Ansatz vermutet, dass Paulus Epileptiker gewesen sei und während eines Anfalles die Vision hatte, den Auftrag Jesu zu empfangen. Auch diese Theorie ist nicht haltbar, da keineswegs erwiesen ist, dass Paulus – der wirklich an einer Krankheit litt – epileptische Anfälle hatte. Zudem sprechen die Ereignisse dagegen, da die Symptome eines epileptischen Leidens gänzlich andere sind. Eine Form der objektiven Vision wird dem Damaskuserlebnis zumindest in Ansätzen gerecht. Diese Annahme besagt, Jesus habe sich durch eine innere Offenbarung Paulus gezeigt, welcher dann diese Erkenntnis nach außen projizierte. Dies ist im Sinne von William James Erläuterungen zur Bekehrung durchaus nachvollziehbar. Wie bereits beschrieben räumte dieser ein, dass wenn eine höhere Macht einen Menschen bekehrt, kein Weg besser geeignet ist als das Unterbewusstsein. Jedoch muss beachtet werden, dass ein äußeres Wunder Gottes hier durch Quellen dokumentiert ist, ein inneres Eingreifen erst durch umständliche Erklärung psychischer Umstände konstruiert werden muss. Als Fazit lässt sich feststellen, dass sowohl die subjektive als auch die objektive Vision das Bekehrungserlebnis des Paulus nicht vollständig erklären können.[42]
4. Schlussbemerkung
Die Hypothesen, welche William James zu den psychischen Vorgängen religiöser Erfahrung allgemein und zu denen der Bekehrung aufgestellt hat, mögen ihre Berechtigung haben und sind auch durchaus ein akzeptabler Ansatz, um Bewusstseinsphänomene besser verstehen zu können. Jedoch ist der Bereich der religiösen Erfahrung und auch der Bekehrung ein zu weites Feld, als dass sein Modell umfassenden Einblick in Ursachen, Vorgänge und Wirkungen zu geben vermag. Denn diese sind, wie das Beispiel der Bekehrung des Paulus zeigt, oft nicht auf wissenschaftlich- historischer Basis zu erklären.
Im Leben des Paulus hat eine tatsächliche Bekehrung stattgefunden, auch wenn man sie unter den Aspekten der Theorie von William James betrachtet. Die Früchte, welche aus dieser Umkehr hervorgingen, waren von großer Bedeutung für Paulus und ebenso für das heutige christliche Bewusstsein. Doch das Erlebnis selbst, welches Paulus bei Damaskus widerfahren ist, ist in seiner Vollständigkeit nicht durchschaubar. Das dieses Ereignis stattgefunden hat, lässt sich kaum bezweifeln, da es durch historische Quellen und durch seine Wirkung auf die Entwicklung des Christentums belegt ist. Als Resultat lassen sich zwei Positionen einnehmen. Entweder man erkennt das Damaskuserlebnis als ein Rätsel an, welches nicht aufzulösen ist und nimmt hier einen Grenzbereich der Wissenschaft an. Oder aber man geht unter der Prämisse einer religiösen Grundeinstellung an den Vorgang heran – und stellt einen objektiven Eingriff Gottes in das Leben des Paulus nicht in Frage, sondern lässt diese Möglichkeit ohne Psychologisierung zu. Als Fazit lässt sich feststellen, dass psychologische und historische Wissenschaft den Prozess der Bekehrung bis zu einem gewissen Grad untersuchen und erklären können. Aber jenseits einer gewissen Grenze, welche der Betrachter selbst setzen muss, ist das Phänomen Bekehrung nicht wissenschaftlich erfassbar.
5. Literaturverzeichnis
Behm, Johannes: Die Bekehrung des Paulus. In: Kropatscheck, Friedrich (Hg.):Biblische Zeit- und Streitfragen, 3.Tsd. ,Berlin-Lichterfelde 1914, S. 253- 287.
Die heilige Schrift. Elberfelder Bibel in revidierter Fassung. 6. Auflage, Wuppertal 1999.
Höfer; Josef (Hg.): Bekehrung (= Lexikon für Theologie und Kirche, Band 2).2. Auflage, Rom/Innsbruck 1958, 136ff.
= LTK, Band, Seite
Höfer; Josef (Hg.): Paulus (= Lexikon für Theologie und Kirche, Band 9).2. Auflage, Rom/Innsbruck 1958, S.216ff.
= LTK, Band, Seite
James, William: Die Vielfalt religiöser Erfahrung: Eine Studie über die menschliche Natur. Frankfurt am Main 2003.
Kümmel, Werner Georg: Römer 7 und das Bild des Menschen im Neuen Testament. Zwei Studien. München 1974.
2. i n den Fußnoten sind lediglich Nachname des Autors sowie die entsprechende Seitenzahl angegeben
6. Abkürzungen
Zitationen der Bücher des Neuen Testaments werden wie folgt abgekürzt:
Gal = Brief an die Galater
1.Kor = Erster Brief an die Korinther
2.Kor = Zweiter Brief an die Korinther
Phil = Brief an die Philipper
Röm = Brief an die Römer
Apg = Apostelgeschichte
allgemeine Form : Names des Buches, Kapitel, Vers
[...]
[1] LTK, Band 2, 136f.
[2] James, S. 188.
[3] James, S.189ff.
[4] James, S.197ff.
[5] James, S.200ff.
[6] James, S.212ff.
[7] Ebd.
[8] James, S.217.
[9] James, S.220-233.
[10] James, S.245ff.
[11] James, S.248ff.
[12] James, S.252ff.
[13] Ebd.
[14] James S. 255f.
[15] James, S.256f.
[16] James, S.258ff.
[17] Kümmel, S.140f.
[18] Behm, S.253f.
[19] Ebd.
[20] Kümmel, S. 142.
[21] Gal 1,1
[22] Gal 1,12
[23] Gal 1,15
[24] Gal 1,17
[25] 1.Kor 4,4ff.
[26] Behm, S.256.
[27] Phil 3,6ff.
[28] 1.Kor 9 und 15
[29] Behm, S.257f.
[30] Ebd.
[31] Behm, S.259 / Apg 9 und 22
[32] Apg 26, 9-12
[33] Apg 26,14
[34] Behm, S.260.
[35] Behm, 263f.
[36] Röm 7,15ff.
[37] Behm, S.266.
[38] Vgl. Seite 4 und 5
[39] Behm, S.267.
[40] Behm, S.267.
[41] Behm, S.271.
[42] Behm, S.274ff.
- Arbeit zitieren
- Karoline Zanke (Autor:in), 2003, Bekehrung - Göttliches Wunder oder natürlicher Bewusstseinswandel? Der Versuch einer Diskussion am Beispiel des `Damaskuserlebnisses` des Apostel Paulus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108485
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