Die Rockmusik avancierte durch die enorme Ausbreitung der Massenmedien, auf Grundlage der Singleschallplatteneinführung (1948), als auch der Entwicklung der Transistortechnik und infolgedessen der Herstellung handlicher Kofferradios (1954), nach dem zweiten Weltkrieg zu einem kulturellen Massenprozess, der vor allem die Hoffnungen, Phantasien, Erfahrungen und Wünsche von Jugendlichen aufgreift, in ihren Stücken verarbeitet und veröffentlicht, und sie somit in den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess einbringt. Die Auswirkungen der Rockmusik auf das Fühlen und Denken des Publikums ist mit der Zeit immer umfassender und intensiver geworden, so kann sie den zumeist jugendlichen Publikumsmassen eine Stimme geben, welche nicht ignoriert werden kann.1
Auf der anderen Seite entwickelte sich um die Rockmusik herum ein Wirtschaftsgeflecht, bestehend aus Plattenfirmen, Tonstudios, Vertrieben, Konzertagenturen, Fernsehsendern, Musikinstrumentenherstellern, CD- und Schallplattenpresswerken etc., welches Rockmusik in industriellem Ausmaß produziert, vermarktet und verkauft. Infolgedessen hat sich das Geschäft mit der Rockmusik bis in die Gegenwart zu einem eigenständigen Wirtschaftszweig entwickelt, der Weltweit einen jährlichen Umsatz in mehrstelliger Milliardenhöhe aufweist. Allein auf dem deutschen Tonträgermarkt konnten die Plattenfirmen im Jahr 2002 einen Gesamtumsatz aus dem Verkauf von Tonträgern erzielen, der sich auf 2,11 Mrd. Euro belief.2 Angesichts solcher Dimensionen wirft sich natürlich die Frage auf, welche Ursachen dieser Entwicklung zu Grunde liegen.
Um diese Frage zumindest teilweise zu beantworten, wollen wir im weiteren Verlauf dieser Untersuchung, unser Interesse auf die Eigenschaften und inneren Wechselwirkungen der Fan- bzw. Publikumsmassen lenken und sie mit Hilfe massenpsychologischer Hintergründe näher beleuchten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zum Wesen der Massenpsychologie
2.1 Kennzeichen psychologischer Massen
2.2 Bindung der Masse zum Führer
2.3 Identifizierung und Verliebtheit als Bindeglied der Massen
2.4 Zur Person des Führers
2.4.1 Eigenschaften des Führers
2.4.2 Erzeugung von Illusionen
2.4.3 Anwendung von Worten und Redewendungen
3. Die Rockmusik unter der Lupe der Massenpsychologie
3.1 Klärung der Begriffe Rock- und Popmusik
3.2 Abgrenzung der Publikumsmassen von Rockmusik zu anderen Massen
3.3 Auswirkungen der Identifizierung und Verliebtheit bei den Fanmassen
3.4 Das Rockidol als Führer
3.4.1 Selbstbewusstsein als Grundeigenschaft des Rockidols
3.4.2 Mittel zum Aufbau von Illusionen bei den Fanmassen
3.4.2.1 Musik und Text
3.4.2.2 Das Image
3.4.2.3 Maskerade und Bühnenshow
4. Fazit
1. Einleitung
Die Rockmusik avancierte durch die enorme Ausbreitung der Massenmedien, auf Grundlage der Singleschallplatteneinführung (1948), als auch der Entwicklung der Transistortechnik und infolgedessen der Herstellung handlicher Kofferradios (1954), nach dem zweiten Weltkrieg zu einem kulturellen Massenprozess, der vor allem die Hoffnungen, Phantasien, Erfahrungen und Wünsche von Jugendlichen aufgreift, in ihren Stücken verarbeitet und veröffentlicht, und sie somit in den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess einbringt. Die Auswirkungen der Rockmusik auf das Fühlen und Denken des Publikums ist mit der Zeit immer umfassender und intensiver geworden, so kann sie den zumeist jugendlichen Publikumsmassen eine Stimme geben, welche nicht ignoriert werden kann.[1]
Auf der anderen Seite entwickelte sich um die Rockmusik herum ein Wirtschaftsgeflecht, bestehend aus Plattenfirmen, Tonstudios, Vertrieben, Konzertagenturen, Fernsehsendern, Musikinstrumentenherstellern, CD- und Schallplattenpresswerken etc., welches Rockmusik in industriellem Ausmaß produziert, vermarktet und verkauft. Infolgedessen hat sich das Geschäft mit der Rockmusik bis in die Gegenwart zu einem eigenständigen Wirtschaftszweig entwickelt, der Weltweit einen jährlichen Umsatz in mehrstelliger Milliardenhöhe aufweist.
Allein auf dem deutschen Tonträgermarkt konnten die Plattenfirmen im Jahr 2002 einen Gesamtumsatz aus dem Verkauf von Tonträgern erzielen, der sich auf 2,11 Mrd. Euro belief.[2]
Angesichts solcher Dimensionen wirft sich natürlich die Frage auf, welche Ursachen dieser Entwicklung zu Grunde liegen.
Um diese Frage zumindest teilweise zu beantworten, wollen wir im weiteren Verlauf dieser Untersuchung, unser Interesse auf die Eigenschaften und inneren Wechselwirkungen der Fan- bzw. Publikumsmassen lenken und sie mit Hilfe massenpsychologischer Hintergründe näher beleuchten.
2. Zum Wesen der Massenpsychologie
2.1 Kennzeichen psychologischer Massen
Um uns eine Vorstellung von den Eigenschaften und der Zusammensetzung von Massen machen zu können, wollen wir im folgenden zuerst die Ausführungen Le Bons zu den Charakteristika von psychologischen Massen ganz allgemein betrachten.
Eine psychologische Masse besteht demnach aus einer Vielzahl verschiedener Einzelindividuen, mit ihren ganz persönlichen Eigenarten, bezüglich ihres Charakters, ihrer Lebensweise und ihrer Intelligenz, die durch den Umstand der Vereinigung in einer Masse - für diesen Zeitraum - eine Art Gemeinschaftsseele ausbilden. Diese Gemeinschaftsseele veranlasst die Individuen kollektiv zu denken, zu fühlen und zu handeln, und zwar in einer Art und Weise, die im völligen Gegensatz zu den Einzelinteressen des Individuums stehen kann.[3]
Der Grund hierfür liegt im unbewussten Seelenleben (Triebe, Leidenschaften, Gefühle), welches im Vergleich zum bewussten Geistesleben den größten Teil der menschlichen Psyche bestimmt. Die Merkmale des Unterbewusstseins werden über die Vererbung beeinflusst und bilden hierüber die Rassenseele aus. Die unbewussten Eigenschaften der Individuen eines Kulturkreises sind somit die Basis ihre Ähnlichkeit. und durch die bewussten Anlagen, die durch Erziehung angeeignet werden, unterscheiden sich die einzelnen Individuen. Die individuellen Eigenschaften des Einzelnen, welche bewusst gesteuert werden, werden in der Masse unwirksam und die unbewussten Motive der Seele gewinnen die Überhand. Die Gesamtheit dieser unbewussten Motive, der Einzelindividuen der Masse, bildet den durchschnittlichen Charakter der Masse mit neuen Eigenschaften.
Le Bon findet die Ursachen zur Entstehung dieses Massencharakters in drei entscheidenden Punkten.
Der erste Punkt ist ein Gefühl von Macht und Anonymität, welches aufgrund der Menge, Triebe zulässt, die das Einzelindividuum notwendigerweise zügeln würden. Hier sind insbesondere die Ausschaltung des Verantwortungsgefühls und des Gewissens gemeint.
Als zweites ist hier die geistige Übertragung oder, nach Freud, die Ansteckung zu nennen. Demnach wirken Handlungen und Gefühle, die innerhalb der Masse entstehen, hochgradig ansteckend auf den Einzelnen und zwar in solchem Ausmaß, dass die Interessen des Einzelnen leicht dem Gemeininteresse geopfert werden können.
Den dritten und wichtigsten Umstand, welcher der Masse ihren neuen Charakter verleiht, ist die Suggestibilität. Sie ist ein Zustand der Beeinflussbarkeit unter völligem Wegfall des Persönlichkeitsbewusstseins und der Ausrichtung der Handlungsbereitschaft, also der Gedanken und Gefühle, in Richtung des Hypnotisators.
Auf Grundlage des bis jetzt erörterten, lassen sich der Schwund der bewussten Persönlichkeit, die Vorherrschaft des Unbewussten, die Ausrichtung der Gedanken und Gefühle in die gleiche Richtung durch Ansteckung und Suggestibilität, sowie der Drang zur sofortigen Verwirklichung suggerierter Ideen, als die Hauptmerkmale des in der Masse befindlichen Einzelindividuums kennzeichnen.[4]
2.2 Bindungen der Masse und zum Führer
Nach der bis jetzt geführten Untersuchung haben wir die Art und den allgemeinen Charakter von Massen feststellen können. Im Folgenden wenden wir uns der Frage zu, auf welchen psychologischen Grundlagen die Massenbildung basiert und greifen hierzu auf die Ausführungen von Freud zurück.
Damit sich aus einem zufälligem Haufen, eine Masse im psychologischem Sinn bilden kann, ist die Bedingung des Vorhandensein einer Gemeinsamkeit der Individuen, also das gemeinsame Interesse an einem Objekt und eine gleichartige Gefühlsrichtung als Voraussetzung zu sehen.[5]
Wenden wir uns nun dem Begriff der Libido zu, der uns zu einer ersten Vermutung, bezüglich der Art der Gemeinsamkeiten bei den Massenindividuen, führen wird.
Die Libido wird als quantitative Größe betrachtet und stellt die Energie all jener Triebe dar, die im Allgemeinen als Liebe bezeichnet werden. Der Begriff Liebe umfast wiederum die Geschlechtsliebe, die Selbstliebe(Narzissmus), die Eltern- und Kindesliebe, die Freundschaft, die allgemeine Menschenliebe, als auch die Hingebung an Gegenstände und abstrakte Ideen. Die allgemeinen Kennzeichen der Liebe sieht Freud in der Selbstaufopferung und dem Streben nach Annäherung.[6]
Freud erläutert an den Massen der Kirche und des Heeres die Wirkweise der Liebe und kommt hierüber zu dem Schluss, dass die Grundvoraussetzung für den Zusammenhalt und somit für die Existenz der Masse, im Vorherrschen der Illusion liegt, dass der Führer (Oberhaupt) alle Individuen der Masse gleichermaßen liebe. Hierdurch entsteht die Bindung der Individuen an den Führer, welche wiederum die Voraussetzung für die Bindung der Einzelindividuen untereinander darstellt.[7]
Die Liebesbeziehungen oder Gefühlsbindungen sind somit Wesen und Bestandteil der Massenseele und finden darin Ausdruck, dass der Einzelne seine Eigenarten in der Masse aufgibt, wenn er das Bedürfnis hat im Einklang statt im Gegensatz mit den anderen Mitgliedern der Masse zu stehen. Der Einzelne gibt also seine Individualität den Anderen zuliebe auf.[8]
In der Masse wird daher die Narzisstische Eigenliebe des Individuums eingeschränkt und das ist der Hinweis darauf, das die Bildung neuartiger libidinöser Bindungen, der Individuen aneinander, das Wesen der Massenbildung ausmacht.[9]
2.3 Identifizierung und Verliebtheit als Bindeglied der Massen
Wir können dem Vorangegangenem entnehmen, dass die Gefühlsbindungen der Massenindividuen, sowohl aneinander, als auch an den Führer, den Zusammenhalt der Masse bestimmen.
Um ein umfassenderes Verständnis bezüglich dieses Sachverhaltes zu erlangen, interessiert es uns im folgendem zu erfahren, welcher Art die Gefühlsbindungen innerhalb der Masse sind.
Freud benennt hierzu die Identifizierung als erste überhaupt auftretende Gefühlsbindung an eine andere Person und beschreibt diese im Zusammenhang des Ödipuskomplexes sehr ausführlich. Wir werden uns an dieser Stelle jedoch nur dem Kern der Identifizierung zuwenden.
Der Begriff der Identifizierung beinhaltet, dass eine Person das eigene Ich nach den Eigenschaften eines Vorbildes, losgelöst von jeglicher sexuellen Objektbegierde, gestalten möchte. Das Ich wird hierbei um die Eigenschaften des Objektes erweitert.
Umfassend ausgedrückt ist „...die Identifizierung die ursprünglichste Form der Gefühlsbindung an ein Objekt“[10]. Auf nachlassendem (regressivem) Weg wird sie zum Ersatz für libidinöse Objektbindungen durch die Übernahme des Objektes ins Ich und kann bei jeder neu wahrgenommenen Gemeinsamkeit mit einem Individuum, welches nicht Ziel des Sexualtriebes ist, entstehen. Das Entstehen einer neuen Bindung ist also abhängig vom Umfang der Identifizierung und wird umso fester, je größer der Grad der Identifizierung ist. Es lässt sich nun erkennen, dass die Identifizierung das grundlegende Element für die Bindung der Massenindividuen aneinander darstellt und sich über die gemeinsame Art der Bindung an den Führer vollzieht.[11]
Folglich müssen wir uns fragen, durch welchen Umstand die Individuen der Masse an den Führer gebunden sind.
Hierzu ist es erforderlich einen Sprung in die Individualpsychologie unternehmen.
Nach Freud teilt sich das menschlichen Ich in zwei Teile, die im Konflikt zueinander stehen. Zum einen in das Ich und zum anderen in das Ichideal. Das Ichideal stellt sich als das durch die Übernahme fremder Eigenschaften veränderte Ich dar und erfüllt die Funktion der Selbstbeobachtung, des moralischen Gewissens, der Traumzensur, der Verdrängung[12], sowie der Realitätsprüfung.[13] Zudem fungiert das Ichideal als Quelle der psychischen Selbstbefriedigung, wenn das Ich, den auf es wirkenden Anforderungen der Umwelt, nicht gerecht werden kann.[14]
Mit diesem Wissen können wir uns nun dem Zustand der Verliebtheit zuwenden. Freud definiert diesen als Zusammenwirken von ungehemmten und zielgehemmten Sexualtrieben, wobei die zielgehemmten Triebe die höhere Ausprägung erfahren. Das Zusammenwirken beider Sexualtriebe entwickelt sich im Verlauf der Pubertät und bestimmt fortan das Verhältnis zum Sexualobjekt. Je nach Ausprägung beider Triebe äußert sich dieses Verhältnis als Verliebtheit oder sinnliches Begehren.
Ein Phänomen, das im Zustand der Verliebtheit auffällig wird, ist, dass das Liebesobjekt eine gewisse Freiheit geniest, von jeglicher Kritik ausgeschlossen zu sein. Alle Eigenschaften des Liebesobjektes werden demnach höher eingeschätzt als im Zustand des Nichtverliebtseins bzw. die Eigenschaften nichtgeliebter Personen. Es findet also eine Idealisierung statt, bei der ein großer Teil der Eigenliebe auf das Objekt überfließt. Demzufolge wird das Objekt wie das eigene Ich behandelt.
Im Extremfall kann es auch geschehen, dass das geliebte Objekt dazu gebraucht wird, das eigene Ichideal zu ersetzen, welches nicht erreicht wurde. Hier wird sich die Vollkommenheit des Geliebten, die man selbst erreichen wollte aber nicht konnte, verschafft, um den eigenen Narzissmus zu befriedigen. Dabei kann es soweit kommen, dass das Objekt in den vollen Besitz der Selbstliebe des Ichs gelangt, was zur Konsequenz hat, dass das Ich sich selbst opfert und vom Objekt der Begierde aufgezehrt wird. Als Folge werden die Funktionen des Ichideals, in allem was zum Wohle des Objektes geschieht, außer Kraft gesetzt. Das Gewissen schweigt also und es lässt sich folgern, dass sich das Objekt an die Stelle des Ichideals gesetzt hat.[15]
Die Bindung der Massenindividuen an den Führer ist demzufolge durch den Grad der Verliebtheit zum Führer bestimmt und von ihr abhängig zu machen. Zum anderen ist die Verliebtheit zum Führer jene ausschlaggebende Gemeinsamkeit über welche sich die gegenseitige Identifikation der Massenindividuen untereinander vollzieht.
2.4 Zur Person des Führers
2.4.1 Eigenschaften des Führers
Bislang haben wir uns ausschließlich mit den Eigenschaften der Masse und deren Individuen beschäftigt. Im folgenden wollen wir uns daher eingehend mit der Person des Führers beschäftigen, welche das charakteristische Bindeglied für den Zusammenhalt und den Bestand der Masse darstellt.
Hierzu wenden wir unsere Aufmerksamkeit erneut den Ausführungen Freuds zu, um festzuhalten, dass sich in der Masse ein soziales Gefühl entwickelt, welches sich auf einer Umwandlung von zuerst feindseligen Gefühlen in eine positive Bindung, über den Weg der Identifizierung vollzieht. Diese Gefühlsumwandlung setzt jedoch eine gemeinsame zielgehemmte Liebesbindung, an eine sich außerhalb der Masse befindlichen Person voraus.
Als weiteren Punkt können wir festhalten, dass die Masse die Gleichstellung aller sich in ihr befindlichen Individuen fordert, von der die Person des Führers allerdings ausgeschlossen ist. Von ihm wird vielmehr verlangt über der Masse zu stehen und dieselbe zu beherrschen.[16]
Somit ist die Masse immer an den Führer gebunden, wohingegen der Führer eine unumschränkte Freiheit besitzt. Sein Wille und sein Selbstbewusstsein, als Einzelperson, sind stark und unabhängig und er benötigt keinerlei Zustimmung um seinen Willen auch als Einzelperson durchsetzen zu können.
Diese Tatsache beruht auf einer geringen libidinösen Bindung des Ichs, also auf extremer Eigenliebe. Anders ausgedrückt gibt es in seinem Ich keine überschüssige Liebe, die er an andere abgibt. Demzufolge werden andere Personen von ihm nur insoweit geliebt, als sie einen Vorteil für ihn versprechen. Der Führer darf also absolut narzisstisch sein und braucht niemand anderen zu lieben. Im Gegenzug muss er jedoch Selbständigkeit und Selbstsicherheit ausstrahlen. Folglich unterliegt die Masse also einer Illusion, wenn sie glaubt das ihr Führer jeden einzelnen gleichermaßen liebt.[17]
Auf der anderen Seite ist die Illusion grundlegender Bestandteil der Massenseele, sie wird von ihr gefordert und hat stets den Vorrang vor der Realität. Dennoch wird die Masse von Fantasie und Realität gleichstark beeinflusst, wobei es zu einer Vermischung von Beidem kommt.[18]
Um den Führerstatus zu erlangen, braucht eine Person oft nur in besonders reiner und scharfer Ausprägung die Eigenschaften von Individuen zu besitzen, deren Trennung von Ich und Ichideal nur gering fortgeschritten ist und die sich somit ihre narzisstische Eigenliebe bewahrt haben. Diese besonders starke Ausprägung der Eigenschaften erweckt den Eindruck einer größeren Kraft und größerer libidinöser Freiheit und kommt damit dem Bedürfnis der Masse nach einem starken Führer entgegen. Die Masse erhebt ihn auf Grund dessen zu einer Art Überwesen, worauf er sonst wohl keinen Anspruch hätte. Andere Personen, deren Ichideal nicht im Führer verkörpert wird, werden in der Folge durch Identifizierung angesteckt und mitgerissen.[19]
2.4.2 Die Erzeugung von Illusionen
Wir haben im vorherigem Abschnitt erfahren, dass die Illusion eine grundlegende Forderung der Masse darstellt und schließen daraus, dass sie vom Führer befriedigt werden muss. Wie und wodurch sie erzeugt wird, lässt sich aus den Ausführungen Le Bons erfahren.
Demzufolge wird die Einbildungskraft der Massen durch Bilder erweckt, welche zwar nicht immer vorhanden sind, aber durch die geschickte Anwendung von Worten und Redewendungen, seitens des Führers, erzeugt werden können.[20]
Weiterhin erfahren wir, dass die hervorgerufenen Bilder nicht im unmittelbarem Zusammenhang mit der Bedeutung der benutzten Worte stehen müssen, und dass mit steigendem Grad der Abstraktion von Worten und Redewendungen, deren Wirkung auf die Masse zunimmt. Als weiterer wichtiger Punkt erscheint mir, dass der Wirkungsgrad der Worte und Redewendungen im Laufe der Zeit Abnutzungserscheinungen aufweist und deshalb durch neue ersetzt werden muss, um die Illusionen der Masse aufrecht zu erhalten.[21]
2.4.3 Anwendung von Worten und Redewendungen
Im weiteren Verlauf wird es uns nun interessieren, wie die Worte und Redewendungen angewandt werden müssen, um den gewünschten Effekt der Illusionierung möglichst optimal hervorzurufen und stützen uns hierbei wieder auf Le Bon.
Um eine längerfristige Illusion hervorzurufen, bedarf es hauptsächlich der Behauptung und der Wiederholung. Die Behauptung stellt sich als sicheres Mittel dar, um in den Massen die Bilder und damit die Einbildungskraft zu wecken und entbehrt dabei jeglicher Begründung oder Beweises. Sie wird in den Massen umso mehr Ehrfurcht erwecken, desto freier sie von Beweis- oder Belegungsversuchen ist. Damit sie jedoch eine längerfristige Wirkung bei den Massen erzeugen kann, braucht sie die Wiederholung. Denn nur wenn die Behauptung ständig, mit möglichst den selben Ausdrücken wiederholt wird, kann sich der Inhalt im Unterbewusstsein der Masse festsetzen und schließlich zur Wahrheit bei der Masse führen.[22]
3. Die Rockmusik unter der Lupe der Massenpsychologie
3.1 Klärung der Begriffe Rock- und Popmusik
Bevor wir uns nun eingehend mit den psychologischen Eigenheiten von Publikumsmassen im Bereich der Rock- und Popmusik beschäftigen werden, scheint es sinnvoll, eine Klärung der Begriffe Rock und Pop voranzustellen.
Eine eindeutige Definition der Begriffe Rock und Pop bzw. eine eindeutige Abgrenzung beider Begriffe voneinander, stellt sich nach Peter Wicke als außerordentlich schwierig dar, weil sie vor allem durch ihre Fans in wechselseitigem Bezug aufeinander definiert werden. Hiernach lautet die einfache Formel: Alles was nicht zum Rock gehört, ist Pop und umgekehrt. Fest steht jedoch, dass sich beide Begriffe auf musikalische und ästhetische Wertbegriffe stützen, welche „...sich in polarer Abhängigkeit voneinander gebildet haben.“[23] Und sich aufgrund dessen immer im Bezug aufeinander definieren.[24]
Im weiteren Verlauf dieser Untersuchung werden wir uns vornehmlich dem Begriff der Rockmusik zuwenden und es dem Leser überlassen den Begriff der Popmusik selbst zu definieren.
Der Begriff des Rock selbst, findet seinen Ursprung in der Musik des „Rock and Roll“ und ist eigentlich nur die Kurzform dieser Bezeichnung. Die „Rock and Roll Music“ entstand um 1960 in Großbritannien, die Wurzeln liegen jedoch im amerikanischen Rock´n´Roll der fünfziger Jahre.[25]
Wicke definiert Rockmusik über die sozialen und kulturellen Zusammenhängen aus denen sie hervorging und auf denen sie beruht und welche sich relativ stabil darstellen. Auf dieser Grundlage bestimmt er folgende Merkmale über die sich Rockmusik von anderen Musikrichtungen unterscheiden lässt:
1. Rockmusik ist eine kulturelle Praxis und somit Bestandteil der Lebensweise von Jugendlichen. Zudem ist sie von einem multimedialen Umfeld umgeben, welches sich aus Photografie und Druckgrafik (z.B. CD- und Plattencover, Poster), Video, Film, Literatur und Presse zusammensetzt.
2. In der Rockmusik wirken Komponist, Texter, Arrangeur, Interpret und Techniker in kollektiver Zusammenarbeit auf das Zusammenspiel ein. Diese Kollektivarbeit hat die klassisch, musikalisch- strukturellen Faktoren wie Harmonik, Melodik und Formaler Aufbau in den Hintergrund treten lassen und die klangsinnlichen Erscheinungsformen (Sound) in den Vordergrund gerückt.[26]
3. Ein weiteres Charakteristikum, welches Tibor Kneif aufgreift, ist die Aneignung der Instrumentenbeherrschung, die sich bei der überwiegenden Mehrzahl der Rockmusiker autodidaktisch und außerhalb von musikalischen Ausbildungsstätten vollzieht. Die spieltechnischen Standards werden den Vorbildern abgeschaut und über das Nachspielen von Songs und den Austausch von Informationen untereinander erworben.[27]
4. Der Sound stellt eine zentrale ästhetische Komponente der Rockmusik dar. Er unterliegt technischen und personellen Einflüssen und ist sowohl an die Produktions- als auch an die Reproduktionsbedingungen der Massenmedien gebunden. In den Anfängen bestand die Bindung vornehmlich zur Schallplatte, welche aber zum Ende der achtziger Jahre weitestgehend durch die CD verdrängt wurde.
5. „Dem entspricht eine innere Organisation des Musizierens, die durch die metrisch- rhythmischen Spannungsverhältnisse zwischen dem gleichmäßig durchgeschlagenen Grundschlag (Beat) und den rhythmischen Akzentuierungen der Melodiestimmen geregelt wird.“[28] Den Ausgangspunkt bildet das freie Zusammenspiel, losgelöst von notenschriftlichen Vorlagen, aber basierend auf mehr oder weniger strukturell, festgelegten Spielmustern (Pattern). Hieraus ergeben sich eine umfangreiche Bandbreite an Spielweisen und Stilkonzeptionen bei der praktischen Realisierung im Zusammenspiel.[29]
3.2 Abgrenzung von Publikumsmassen der Rockmusik zu anderen Massen
Nach der einführenden Analyse psychologischer Massen und der Kennzeichen der Rockmusik lassen sich nun erste spezifischen Eigenschaften bestimmen, welche den Publikumsmassen der Rockmusik zugrunde liegen.
Eine Publikumsmasse der Rockmusik ist demzufolge eine teilnehmende Menschenmenge (Zuhörer-, Zuseher-, Leser-, Besucherschaft) von zumeist Jugendlichen Menschen unter 30 Jahren, die sich aus Einzelindividuen zusammensetzt, welche ihre Gedanken und Gefühle auf ihr Rockidol ausrichtet und die durch ihr Unbewusstes geleitet wird. Zudem steht sie unter permanentem Einfluss ihres Idols und der Massenmedien, hauptsächlich von Presse und Videos, aber auch Film und Literatur, und übernimmt die Merkmale ihres Idols, wie Kleidung, Frisur, Vokabular, Textinhalte, sowie deren Einstellung zum Leben, zur Politik und Umwelt, in ihrer Lebens- und Denkweise und machen sie somit zu ihrer Kultur.
Ein weiterer wichtiger Punkt, zur Abgrenzung von Publikumsmassen der Rockmusik, erscheint mir in der Klärung der Frage, ob sich eine Organisation dieser Massen nachweisen lässt.
Hierzu greifen wir wieder auf Le Bon zurück, der den ersten Grad von Organisation in einer Bindung sieht, welche durch die gemeinsame Überzeugung der Einzelnen mit ihren unterschiedlichen Erziehungen, Berufen und Milieus entsteht, und ihn als Sekte bezeichnet.[30]
Diese Bindung lässt sich zweifellos an den Publikumsmassen feststellen und äußert sich im kollektiven Glauben an das jeweilige Idol, seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Des weiteren können wir Übereinstimmungen zu den Grundvoraussetzungen zur Bildung hochorganisierter Massen nach Freud feststellen.
Diese liegen in einer materiellen Kontinuität des Bestandes ( also in einem längeren Verbleib der Individuen in der Masse), in der Entwicklung von bestimmten Vorstellungen der Individuen zur Natur, Funktion und Leistung, und zum Anspruch der Masse, um so ein Gefühlverhältnis zur Ganzheit der Masse zu entfalten, in der Entwicklung von Beziehungen zu ähnlichen Massen, welche jedoch Abweichungen in vielen Punkten aufweisen, um eine Rivalität zu erzeugen, und dem Besitz von Traditionen, Gebräuchen, Einrichtungen, insbesondere solche, die auf das Verhältnis der Mitglieder zueinander zu beziehen sind.[31]
Ein kontinuierlicher materieller Bestand der Fanmasse, also eine Verweildauer von mehreren Jahren, ist jedoch von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig, welche auch wechselseitig wirken. Hier lassen sich der musikalische Erfolg und die mehr oder weniger kontinuierliche Präsenz und Existenz des Idols innerhalb der Medienlandschaft, welche im wesentlichen von den Fans abhängig zu machen ist, nennen und natürlich auch die Ausbildung und Übernahme einer jeweiligen Fankultur. Setzen wir diesen Tatbestand im positiven Sinn, zur Vereinfachung der Beweisführung, voraus, lässt sich erkennen, dass die Mehrzahl der Fanmasse über Jahre und Jahrzehnte, ihren zumeist Jugendidolen, die Treue hält. Als Beispiele sind in diesem Zusammenhang sind Elvis Presley, die Beatles und Depeche Mode zu nennen.
Ein Gefühl zur Natur, Funktion, Leistung und zum Anspruch der Masse, haben insbesondere die Hippie-, Punk- und Technobewegung erlangt. Hier müssen wir jedoch die Einschränkung machen, dass sich die Fanmassen zu mehreren Idolen hingezogen fühlen, welche den Geist der Bewegung verkörpern.
Das Vorhandensein von Beziehungen zu ähnlichen Massen - zum Zweck der Rivalitätenausbildung - ist Eingangs schon an der Streitfrage, was ist Pop und was ist Rockmusik, zu erkennen. Aber auch innerhalb der Rockmusik lassen sich diese Rivalitäten zwischen den einzelnen Stilrichtungen erkennen, welche sich auf die einfache Grundformel ´Alles was nicht unserem Stil angehört, kann nicht gut sein!` reduzieren lässt. So mag der Punker den Skinhead nicht, der Grufti den Hippie nicht und keiner mag Techno.
Die Traditionen und Gebräuche innerhalb der Rockpublikumsmassen liegen vor allem in den Konzerten auf denen die spezifischen Drogen, Outfits und Verhaltensweisen uneingeschränkt ausgelebt werden können, wie beispielsweise in Woodstock oder der alljährlich in Berlin stattfindenden Loveparade. Des weiteren zählen Fanpartys dazu, welche besonders bei der Depeche Mode Fangemeinde verbreitet sind.
Nach diesen Punkten können wir also davon ausgehen, dass es sich bei den Publikumsmassen der Rockmusik um eine, wenn auch nicht hochorganisierte, eine organisierte Masse handelt.
Diese Schlussfolgerung lässt sich durch den Umstand der Herausbildung und der Arbeitsweisen von Fanclubs weiter erhärten. Hier findet eine Förderung und Stärkung der gegenseitigen Bindungen der Massenmitglieder durch ein Hochmaß an Organisation einen neuen Höhepunkt. Es werden Tourdaten, Fantreffen, die neuesten Informationen, Adressen, Telefonnummern sowie Fanartikel, Platten, CD´s und Bootlegs, in Umlauf gebracht, um wiederum getauscht, ge- und verkauft zu werden. Zudem kommen die direkten Verbindungen zwischen den Fanclubs und den jeweiligen Idolen und damit zur Unterhaltungsindustrie zum tragen. Spätestens aber die Verbindung von Rockmusik und Unterhaltungsindustrie lässt uns erahnen, dass die Organisation der Fanmassen hochgradig fortgeschritten sein muss.
3.3 Auswirkungen der Identifizierung und Verliebtheit bei den Fanmassen
Im Kapitel „Identifizierung und Verliebtheit als Bindeglied der Massen“ haben wir die theoretischen Grundlagen zu den in den Massen wirksamen Gefühlsbindungen bereits erörtert und schicken uns nun an, diese auf die Publikumsmassen der Rockmusik anzuwenden.
Folglich können wir feststellen, dass eine Publikumsperson eine Liebesbeziehung zu einem Solokünstler oder einer Band aus dem Rockbereich aufbaut, welche nicht die sexuelle Vereinigung als vordergründiges Ziel hat.
Hat sich diese Bindung vollzogen, können wir den Zuhörer - mit ruhigem Gewissen - als Fan bezeichnen, an dem sich alle Symptome der Verliebtheit nachweisen lassen. So können wir das Streben nach Annäherung im Besuch von Konzerten und Autogrammstunden, dem Plakatieren der Wände des Jugendzimmers mit Postern und selbstverständlich im Kauf der aktuellsten Tonträger wie CD´s und Videos erkennen, worin es gleichfalls eine Befriedigung erfährt. Es werden alle Strapazen, wie lange Anfahrtswege und Wartezeiten, extreme Temperaturen, etc., billigend in kauf genommen, nur um dem Rockidol nahe zu sein, woraus jetzt auch ein gewisses Maß an Selbstaufopferung ersichtlich wird. Das Fehlen jeglicher Kritik gegenüber dem Rockidols, seitens des Fans, wird indes jeder leicht selbst feststellen können, so er auch nur ein negatives Wort bezüglich des Rockidols äußert.
Am deutlichsten lässt sich dieses Fanverhalten an pubertierenden Jugendlichen beobachten, da dieser Personenkreis, im Zuge des Erwachsenwerdens, unbewusst auf der Suche nach neuen Vorbildern ist, um sein Ichideal neu auszubilden. Findet ein Jugendlicher sein Vorbild in einem Rockidol wird er versuchen sein Ichideal dem Ideal des Rockidols anzugleichen. Als Äußerung dieses Prozesses vollzieht sich beim Fan eine Veränderung der Äußerlichkeiten, wie Frisur und Kleidung, als auch des Vokabulars, sowie der Denk- und Lebensweise in die Richtung des jeweiligen Rockidols. Als Folge hiervon erleichtert sich die Identifizierung der Fanmassen untereinander erheblich, da nicht nur die Verliebtheit zum Rockidol, sondern auch die äußere Erscheinung als Gemeinsamkeiten vorhanden sind und somit die Zusammengehörigkeit der Fanmasse erkennen lässt.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, das eine Publikumsmasse eine Anzahl von Fanindividuen ist, die ein und das selbe Rockidol an die Stelle ihres Ichideals gesetzt haben und sich infolgedessen in ihrem Ich miteinander identifiziert haben.
3.4 Das Rockidol als Massenführer
3.4.1 Selbstbewusstsein als Grundeigenschaft des Führers
Zu den Eigenschaften des Führers haben wir unter anderem im Vorfeld das Selbstbewusstsein kennen gelernt und wenden uns nun der Frage zu, ob und wie sich dieses in der Person des Rockidols erkennen lässt.
Um dieses näher zu beleuchten hat uns der Zufall ein geradezu ideales Anschauungsobjekt in der Person des Daniel Küblböck zur Verfügung gestellt, welcher durch die RTL- Show „Deutschland sucht den Superstar“ zu einem Massenidol geworden ist. Trotz dem Wissen, dass sein Gesangstalent unter dem der anderen Bewerber liegt und der wiederholten Bekräftigung dieses Sachverhaltes durch die Jury, kam er jeden Samstag Abend auf die Bühne, um mit Leidenschaft die Töne zu verfehlen und sich anschließend feiern zu lassen. Wenn nicht hier, woraus sonst lässt sich erkennen, dass er trotz dieses Mangels an Sangestalent von sich selbst überzeugt ist und immer im festen Glauben war, es bis nach ganz oben zu schaffen. Zum anderen hat gerade dieses vorhandene Selbstbewusstsein seinen Anteil daran gehabt, dass er es überhaupt bis unter die letzten drei Kandidaten, und gesangstechnisch bessere Mitbewerber, geschafft, welche wahrscheinlich nicht in diesem Maße von sich überzeugt waren und sich deshalb schlechter präsentieren konnten, und hinter sich gelassen hat.
3.4.2 Mittel zum Aufbau von Illusionen bei Fanmassen der Rockmusik
3.4.2.1 Musik und Text
Die wichtigsten Mittel zu Beeinflussung der Fanmassen im Rockbereich, als auch jeder anderen Musikrichtung, stellt ohne Zweifel die Musik und der Text dar. Durch eine gelungene Mischung beider Komponenten, gepaart mit ihrem eigenen stiltypischen Sound gelingt es den Rockmusikern die Massen zu verzaubern.
Wenn wir uns aber die Bandbreite der Stilrichtungen in der Rockmusik genauer betrachten, stellen wir fest, das sich vom Rock´n´Roll über den Beat, Reggae, Punk, New Wave, Hardrock, Heavy Metal, Elektronik- Rock, Rap bis hin zum Gothicrock, die Textinhalte, Spiel- und Soundarten, als auch die dazugehörigen Fanmassen stark unterscheiden. Welche Gemeinsamkeit, fragen wir uns, liegt jedoch allen gemeinsam zu Grunde, um Massenwirksam zu werden?
Wenden wir uns zuerst dem Text zu. Da dieser aus Worten und Redewendungen besteht und diese, wie wir bereits erfahren konnten, die Bilder in den Köpfen der Masse malt, um somit die Illusionen zu erwecken, können wir schlussfolgern, dass ihm eine entscheidende Bedeutung beizumessen ist, da er vor allem auch die Hoffnungen, Phantasien, Erfahrungen, Probleme und Wünsche des Publikums widerspiegelt. Das bringt uns zu der Frage, welche Hoffnungen, Phantasien, Erfahrungen, Probleme und Wünsche hat das Publikum? Sind es immer die selben oder hat jedes Publikum seine eigenen? Wir werden nun versuchen über das Stichwort Jugendkultur eine Antwort zu finden und werden zu diesem Zweck die Punkbewegung, welche in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre in Großbritannien entstand, näher betrachten.
Aus Wickes „Anatomie des Rock“ können wir hierzu entnehmen, dass alles was sich gemeinhin als Punk bezeichnete, ursprünglich zur untersten sozialen Schicht der Gesellschaft gehörte. Diese Zugehörigkeit wurde von ihnen offen zu Schau gestellt und äußerte sich in einer ausgesuchten Hässlichkeit, welche gleichzeitig ihre ´No future` - Einstellung offenbaren sollte. Ihre Rebellion richtete sich gegen die zu dieser Zeit hochkommerzialisierte Rocklandschaft und den technischen Hochleistungsperfektionismus der Supergroups, als auch gegen ein Leben das durch Arbeitslosigkeit und ein Gefühl des Überflüssigseins gekennzeichnet war.[32]
In den Achtzigern und zu Anfang der Neunziger Jahre wurde besonders in Deutschland ein neues Feindbild ausgemacht, unter dessen zunehmender Bedrohung sich die Punkbewegung zusätzlich sah und zwar der Neonazismus. Dazu kam eine extreme Antihaltung gegenüber `Bullen`, Staat und Gesetzen. Dies waren und sind vornehmlich die Themen mit denen sich die Bewegung und damit auch ihr musikalischer Background in ihren Texten auseinandersetzen musste.
Schon in den Songtitel wie „Anarchy in the U.K.“(Sex Pistols), „Nazi Punks Fuck Off“(Dead Kennedys), “Stop the Slaughter”(The Exploited),” Kriege machen Menschen”(Schleim-Keim), “Alte Schweine – Neue Welt”(Sonnenbrille), kommen all diese Hoffnungen, Phantasien, Erfahrungen, Probleme und Wünsche des Publikums zum Ausdruck. Durch das Aufgreifen dieser Problematiken kann die Punkmusik also Einfluss auf ihre Publikumsmassen nehmen. In Berlin können wir das Ausmaß dieses Einflusses an jedem ersten Mai zu den „Maifestspielen Kreuzberg“ von neuem bewundern und uns klar werden lassen, dass diese geballte Aggression gegenüber der Polizei und Luxusgütern auch auf den Textinhalten der Punkmusik beruht.
Würden wir uns an dieser Stelle mit weiteren Jugendkulturen auseinandersetzen, würden wir zu der Feststellung gelangen, dass jede Jugendkultur ihre eigenen Problematiken aufzuweisen hat, welche sich in den Texten ihrer Rockidole wiederspiegeln, wodurch wiederum die Fanmassen beeinflusst werden.
An dieser Stelle wollen wir uns nun der Musik und hier im Speziellen dem Songaufbau zuwenden. Im Allgemeinen werden Rocksongs in Intro, Strophe, Bridge, Refrain unterteilt. Die Strophe, die Bridge und der Refrain werden in dieser Reihenfolge mehrmals wiederholt und meist im letzten Teil des Songs um ein Soloteil erweitert. Der Refrain stellt im Normalfall den einprägsamsten Part eines Rocksongs dar und wird deshalb am Häufigsten gespielt. Daraus ist zu ersehen, dass die Wiederholung, die wir in den Massenpsychologischen Grundlagen bereits kennen gelernt haben, auch in der Rockmusik eine entscheidende Bedeutung zukommt, da sich die Rocksongs zumeist über den Refrain einprägen und sich in diesem auch die zentralen Anliegen im Text auf einen Nenner gebündelt äußern, worin wir wiederum die bereits behandelte Behauptung erkennen.
Aber auch der Sound, der die Klangeigenschaften eines Songs beschreibt, fördert die Entstehung von Illusionen innerhalb der Massen. Hierbei werden, durch die geschickte Auswahl der Klänge und Lautstärken und somit der Präsenz der einzelnen Instrumente, Klangwelten erzeugt, die allein für sich schon Fantasien und Träume und damit Illusionen erzeugen. Im besonderen unter dem Einfluss von Drogen.
3.4.2.2 Das Image
Ein anderes Mittel um Illusionen bei den Massen hervorzurufen, ist der Aufbau eines Images je nach Publikumszielgruppe. Das Image ist eine Kombination von äußerer Erscheinung (Outfit), Mimik Gestik und eigenem Sprachgebrauch. Das Rockidol verschafft sich hierüber die erforderlichen Eigenschaften, so er sie nicht besitzt, um von der Masse auch als solches Anerkannt zu werden. Darüber hinaus stellt das Image das Ideal her, welches von den Einzelindividuen übernommen wird und die Identifikation der Fanmasse untereinander ermöglicht.
Voraussetzung für die Wirksamkeit des Images ist jedoch, dass es bezüglich der Jugendkultur und der dazugehörigen Stilrichtung der Rockmusik entsprechend gewählt wird.
Der Fanmasse wird also durch das Image glaubhaft gemacht, dass ihr Idol alle Eigenschaften besitzt, die sie gern selbst besitzen würde und hat somit schon ihre heißersehnte Illusion. Auf ein Beispiel wollen wir an dieser Stelle verzichten.
3.4.2.3 Maskerade und Bühnenshow
Als letztes wollen wir uns nun der Maskerade und der Bühnenshow widmen, welche wie auch im Theater und Film den Zuschauer in eine andere Welt versetzen.
Diese Mittel werden zusätzlich eingesetzt, um dem Textinhalt und der Musik weiteren Nachdruck zu verleihen. So hat zu Beispiel Peter Gabriel, als Leadsänger der frühen Genesis, auf jedem Konzert Masken verwendet. Freddi Mercury hat sich in jedem Videoclip anders kostümiert, wobei die Bandbreite der Verkleidungen von der Hausfrau mit Bart (I Want To Break Free) bis zum Königskostüm (The Great Pretender) samt Krone reichte. Auch ein Michael Jackson, der auf der Bühne zu jedem einzelnen Song das Outfit wechselt, lässt sich hier anführen.
Es werden den Publikumsmassen in jedem Video und bei jeder Liveshow Geschichten, mittels der Texte und Musik erzählt, und zur Erhöhung der Massenwirksamkeit mit einer Maskerade und einer Bühnenshow ergänzt. Die Wichtigkeit dieser Maßnahmen zu Steigerung der Illusionierung und Bindung der Massen an das Rockidol, schlägt sich nicht nur in den Produktionskosten für Video und Bühnenshow, sondern auch in einem gestiegene Maß an Aufwand und professioneller Umsetzung nieder.
4 Fazit
Nach dem Abschluss der Untersuchung können wir also zusammentragen, dass eine Publikumsmasse der Rockmusik sich zu großen Teilen aus zumeist jugendlichen Einzelindividuen zusammensetzt, welche durch ihr Unbewusstes geleitet wird und ihre Gedanken und Gefühle auf ihr Rockidol ausrichtet.
Die Grundlage dieses Verhaltens bildet eine libidinöse Bindung der Individuen an das Rockidol, durch die Übernahme seines Ideals an die Stelle des eigenen Ichideals, und an diese Bindung geknüpft resultiert die Bindung der Individuen aneinander.
Das Rockidol stellt somit den zentralen Punkt dar, über und um den sich die Publikumsmasse überhaupt erst ausbilden kann. Zudem haben wir erfahren, dass ein Individuum bestimmte Eigenschaften vorweisen muss, um den Status eines Rockidols zu erreichen. Im speziellen Fall hatten wir hier das Selbstbewusstsein und die Fähigkeiten zur Illusionierung der Publikumsmassen erörtert, um zu erkennen, dass sie einen entscheidenden Beitrag zur Erlangung dieses Status leisten.
Des weiteren haben wir Musik und Text, das Image und die Maskerade und Bühnenshow als ideale Mittel zum Aufbau von Illusionen innerhalb der Masse kennen gelernt und erkannt welchen Einfluss sie auf die Publikumsmassen nehmen.
Leider zu kurz gekommen im Rahmen dieser Arbeit, sind uns in diesem Zusammenhang die Einflüsse der Medien- und Unterhaltungsindustrie auf die Künstler, als auch auf die Publikumsmassen und die Wechselwirkungen zwischen Rockmusik und Jugendkultur. Hier kann allerdings darauf verwiesen werden, dass sie vielleicht an anderer Stelle zum Gegenstand der Untersuchungen gemacht werden.
Literaturverzeichnis
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Freud, Sigmund (1993 zuerst 1921), Massenpsychologie und Ich- Analyse. In: Massenpsychologie und Ich- Analyse / Die Zukunft einer Illusion, 5. Auflage, Frankfurt am Main, Fischer Taschenbuch Verlag.
Kneif, Tibor (1982): Rock- Musik, 1. Auflage, Reinbeck bei Hamburg, Rowohlt Taschenbuch Verlag.
Le Bon, Gustave (1982 zuerst 1911): Psychologie der Massen, 15. Auflage, Stuttgart, Alfred Kröner Verlag.
Wicke, Peter (1987): Anatomie des Rock, 1. Auflage, Leipzig, VEB Deutscher Verlag für Musik.
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[1]Vgl. Wicke, P. (1987), S. 16 ff.
[2]Vgl. Clark, T., FTD, Do. 27.02.03, S. 6.
[3]Vgl. Le Bon, G. (1982), S. 13.
[4]Vgl. Le Bon, G. (1982), S. 14 ff.
[5]Vgl. Freud, S. (1993), S. 47.
[6]Vgl. Freud, S. (1993), S. 54.
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[8]Vgl. Freud, S. (1993), S. 54 f.
[9]Vgl. Freud, S. (1993), S. 65 f.
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[12]Vgl. Freud, S. (1993), S. 71.
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[16]Vgl. Freud, S. (1993), S. 83.
[17]Vgl. Freud, S. (1993), S. 85 f.
[18]Vgl. Freud, S. (1993), S. 43.
[19]Vgl. Freud, S. (1993), S. 91.
[20]Vgl. Le Bon, G. (1982), S. 71.
[21]Vgl. Le Bon, G. (1982), S. 72.
[22]Vgl. Le Bon, G. (1982), S. 88 f.
[23]a.a.O. Wicke, P. (1987), S. 10.
[24]Vgl. Wicke, P. (1987), S.10.
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[28]Vgl. Wicke, P. (1987), S. 14.
[29]Vgl. Wicke, P. (1987), S. 14.
[30]Vgl. Le Bon, G. (1982), S.116 f.
[31]Vgl. Freud, S. (1993), S. 49 ff.
[32]Vgl. Wicke, P. (1987), S. 109 f.
- Arbeit zitieren
- Mario Lukas (Autor:in), 2003, Massenpsychologie in Bezug auf Publikumsmassen der Pop- und Rockmusik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/108454
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